Körperschaft öffentlichen Rechts • Mitglied der World Medical Association 10 / 2016 Rundschreiben - ergeht per E-Mail an: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. alle Landesärztekammern mit der Bitte um Weiterleitung und Verteilung an alle niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte in Ihrem Bereich den Präsidenten der Österreichischen Ärztekammer alle Obleute und Obleute-Stellvertreter der Landeskurien niedergelassene Ärzte die Präsidenten jener Landesärztekammer, die aufgrund ihrer Berufsausübung Angehörige der Kurie niedergelassen Ärzte sind: Präs. Dr. Huber, Präs. Dr. Jonas, Präs. Dr. Reisner, Präs. Dr. Wechselberger den Obmann der Bundessektion Ärzte für Allgemeinmedizin und approbierte Ärzte den geschäftsführenden Obmann der Bundessektion Fachärzte sowie die drei Bundessprecher den Obmann der Bundessektion Turnusärzte Dr. Ludwig Gruber als BKAÄ-Vertreter Wien, 9. März 2016 Mag. JS/Ha Betreff: Entwurf zu einem Primärversorgungs- bzw. PHC-Gesetz Sehr geehrte Frau Kollegin, Sehr geehrter Herr Kollege, das Gesundheitsministerium hat uns vor einigen Tagen einen Entwurf zu einem Primärversorgungs- bzw. PHC-Gesetz vorgelegt, der alle Befürchtungen der Ärztevertretung bestätigt hat. Zentrale Elemente dieses Entwurfes sind für die Ärztekammer völlig inakzeptabel: Sowohl aus der Perspektive einer Standesvertretung, als auch aus unserer Perspektive eines Anwalts einer bestmöglichen Patientenversorgung. Wer diesen Entwurf aufmerksam studiert, muss zum Schluss kommen, dass es der Gesundheitspolitik nicht um die auch von Ärzteseite immer wieder geforderte Verbesserung der Patientenversorgung geht, sondern vor allem um eine Schwächung der Rolle der Ärztinnen und Ärzte. Wir fühlen uns in unserem Entschluss bekräftigt, konsequent und geschlossen gegen eine Reihe von Angriffen und Zumutungen vorzugehen, die das Ministerium geplant hat. Lassen Sie uns hier einige dieser Punkte hervorheben: 1. Einseitige Beendigung der Sozialpartnerschaft durch das Gesundheitsministerium Der Gesetzesentwurf sieht vor, die Sozialpartnerschaft zwischen der Ärztekammer und den Sozialversicherungen de facto zu beenden, indem ein sogenannter Gesamtvertrag geschaffen wird, der allerdings diese Bezeichnung nicht verdient, da insbesondere das für Gesamtverträge typische Gleichgewicht von Ärzteschaft und Sozialversicherung aufgehoben wird. Im Ergebnis sollen PHC-Betreiber die für sie wesentlichen Eckpunkte, v.a. die Honorierung individuell mit der Sozialversicherung aushandeln. Die damit einhergehende Beendigung eines Kollektivvertrages ist natürlich für eine Standesvertretung völlig inakzeptabel. Weihburggasse 10–12, A-1010 Wien, Austria, Tel.: +43 (1) 51406, Fax: 3042 Dw, [email protected], www.aerztekammer.at DVR: 0057746, Konto: 50001120000, BLZ: 18130, IBAN: AT91 1813 0500 0112 0000, BIC: BWFBATW1, die ärztebank, Wien 2. PHC-Zentren müssten ohne Schutz der Ärztekammer mit den Kassen direkt verhandeln Diese Parallelstruktur zum derzeitigen Gesamtvertrag bedeutet, dass die Ärztinnen und Ärzte in den einzelnen PHC-Zentren letztlich ohne den Schutz der Ärztekammer mit den Kassen direkt verhandeln müssten. Damit wären sie mit der einseitigen Übermacht der Sozialversicherungen konfrontiert. Dass derart ungleiche Machtverhältnisse auf Kosten der PHC-Zentren bzw. der Honorierung der dort angebotenen Kassenleistungen gehen würden, liegt auf der Hand. Das brächte Nachteile für Arzt und Patient. 3. Konsequente Umleitung finanzieller Mittel von den Hausärzten zu den PHC-Zentren Zusätzlich kann diese Parallelstruktur dazu führen, dass die Sozialversicherungen immer weniger Geld in das bisherige System niedergelassener Kassen-Hausärzte investieren. Vordergründig wird der Hausarzt als bei den Patienten überaus beliebte Institution zwar nicht angegriffen. Durch die Hintertür jedoch würden die Kassen den einfacheren Weg über die Direktverträge mit den neuen PHC-Zentren gehen und die bisherige Struktur austrocknen. Sie hätten keinen Grund mehr, mit der Ärztekammer allgemeingültige Tarife zu verhandeln. Das betrifft auch alle bestehenden Kassenverträge. Deren Ende, und das Ende der Hausärzte, wären damit eingeläutet. 4. Ärztekammer soll vom Stellenplan ausgeschlossen werden Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass die Planung der Primärversorgung im Rahmen des Regionalen Strukturplanes Gesundheit erfolgt. Auf die Kompetenz der Ärzteschaft im Rahmen einer professionellen Gesundheitsplanung soll also gänzlich verzichtet werden. 5. Existenz-gefährdende Marktverdrängung der bestehenden Hausärzte Würde der vorliegende Entwurf tatsächlich Gesetz, könnte das zu einer Marktverdrängung der bestehenden Hausärztinnen und Hausärzte führen: Die Kassen könnten willkürlich, an der Ärztekammer vorbei, PHC-Zentren planen und in Vertrag nehmen. Diese würden Hausärzte in der Umgebung des neuen PHC-Zentrums über kurz oder lang an den Rand drängen und letztlich die Existenz kosten. 6. Internationale Konzerne könnten PHC-Zentren übernehmen und rein gewinnorientiert führen Außerdem birgt das geplante Gesetz das Risiko, dass internationale Konzerne wie Bauunternehmen, Medizintechnik- und Pharmafirmen oder andere Investoren PHC-Zentren betreiben oder sich in solche einkaufen. Maßstab für die Patientenversorgung wären dann allein betriebswirtschaftliche Kalküle und nicht mehr die medizinische Kompetenz von uns Ärztinnen und Ärzten. In weiterer Konsequenz ist mit Kettenbildungen mit Dumping-Preisen und Dumping-Gehältern zu rechnen und letztlich mit der systematischen Übernahme des Gesundheitsmarktes. „Primärversorgung 2020 – die Alternative der Ärztekammer“ zeigt, wie es geht Mit „Primärversorgung 2020 – die Alternative der Ärztekammer“ haben wir darüber hinaus bereits vor dem Bekanntwerden des PHC-Gesetzesentwurfs der Öffentlichkeit ein eigenes Konzept für die Weiterentwicklung der Primärversorgung vorgelegt. Wir empfehlen dem Gesundheitsministerium eindringlich, sich an diesem Modell zu orientieren, das sinnvolle und gut realisierbare Erweiterungen der aktuellen Strukturen enthält. -2- Schaden abwenden durch konsequentes und entschlossenes Verhandeln Wir werden in den kommenden Wochen oder Monaten alles tun, um durch konsequentes und entschlossenes Verhandeln die genannten problematischen Punkte aus dem Gesetzesentwurf zu eliminieren. Eine Entwicklung, wie sie das Ministerium derzeit plant, können wir als freie Ärztinnen und Ärzte sicherlich nicht hinnehmen. Wir werden Sie über die Entwicklungen auf dem Laufenden halten. Wenn Sie uns Ihre Einschätzung mitteilen möchten, schreiben Sie uns bitte unter [email protected]. Mit kollegialen Grüßen Dr. Artur Wechselberger Präsident VP MR Dr. Johannes Steinhart Obmann -3-
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