Herstellung und Eigenschaften von

Herstellung und Eigenschaften
von Kohlenstoffwerkstoffen
für mechanische Anwendungen
www.schunk-group.com
HERSTELLUNG UND EIGENSCHAFTEN VON KOHLENSTOFFWERKSTOFFEN
Schunk Carbon Technology:
Weltweit erfolgreich. Immer an Ihrer Seite.
Schunk Carbon Technology ist weltweit führend in der Entwicklung,
Fertigung und Anwendung von Carbon- und Keramiklösungen. Wie kein
anderer vereint Schunk Carbon Technology dabei Innovationskraft und
technologisches Know-how mit außergewöhnlicher Serviceorientierung
zu einem im Markt einzigartigen Leistungsspektrum.
Mit Schunk Carbon Technology finden Sie einen Partner, der Ihnen alle technologischen
Möglichkeiten eines weltweit aktiven Unternehmens bietet und Ihre Ideen pragmatisch und
ganz auf Ihre Anforderungen zugeschnitten in die Tat umsetzt – für industrielle Volumenmärkte genauso wie für hoch spezialisierte Nischenmärkte.
Eine Division der Schunk Group
Wegbereitend, ideenreich, partnerschaftlich – damit hat sich die Schunk
Group seit 1913 als global agierender
Technologiekonzern einen Namen
gemacht.
Wegbereitend, weil wir für unsere Kunden
Brücken bauen, damit sie mit innovativen
Technologien bessere Produkte entwickeln
und neue Märkte erobern können.
Ideenreich, weil Innovationen ein wesentlicher
Bestandteil unserer Unternehmenskultur sind.
Partnerschaftlich, weil Kundenorientierung von
jedem Mitarbeiter der Schunk Group gelebt wird.
Mit über 8000 Mitarbeitern in 29 Ländern
entwickelt die Schunk Group auf dieser Basis
maßgeschneiderte Hightech-Produkte und
Anlagen in den Bereichen Kohlenstofftechnik
und Keramik, Umweltsimulation und Klimatechnik, Sintermetall und Ultraschallschweißen.
Und zwar in zahlreichen Schlüsselindustrien: von
Automotive sowie Bahn-, Flugzeug- und Schiffstechnik über Solar- und Windenergie bis hin zu
chemischer Industrie und Maschinenbau.
02
02
HERSTELLUNG UND EIGENSCHAFTEN VON KOHLENSTOFFWERKSTOFFEN
Kohlenstoff
Das chemische Element Kohlenstoff kommt in seinen beiden wichtigsten geordneten Gitterstrukturen Diamant und Graphit vor. Die Eigenschaften der beiden Modifikationen könnten
kaum unterschiedlicher sein. Während Diamant der härteste natürliche Stoff und ein Isolator ist,
gehört Graphit eher zu den weicheren Stoffen und ist elektrisch leitend.
Kohlenstoffatom
Die außergewöhnliche Gitterstruktur von Graphit, ein
Schichtgitter, sorgt für die guten Gleiteigenschaften.
Während die Atome in einer Ebene durch kovalente
Bindungen sehr stark miteinander verbunden sind, wirken
zwischen den einzelnen Ebenen lediglich Van-der-Waals
Van-der-Waals-Kraft
(schwache Bindungskraft)
Kräfte. Bei mechanischer Belastung fangen die Ebenen an
aufeinander zu gleiten.
Kovalente Bindung
(starke Bindungskraft)
03
HERSTELLUNG UND EIGENSCHAFTEN VON KOHLENSTOFFWERKSTOFFEN
Technische Kohlenstoffwerkstoffe
In tribologischen Anwendungen sind im Wesentlichen die beiden Werkstoffgruppen der
Kohlenstoffgraphite und Elektrographite weit verbreitet und oftmals die einzige technische
Lösung. Neben den hervorragenden Gleiteigenschaften sind es vor allem die mechanischen
Eigenschaften, die diese keramischen Werkstoffe auszeichnen.
Kohlenstoffgraphit- und Graphitwerkstoffe werden im All-
Auf der Seite der Karbidkeramiken sei hier noch kurz auf die
gemeinen in polygranularer und/oder polykristalliner Form
mit Graphit gefüllten SiC-Werkstoffe verwiesen. Eine
hergestellt. Dies bedeutet, dass die Rohstoffkörner solcher
Besonderheit ist hier sicherlich der Siliziumkarbid-
Kohlenstoffwerkstoffe aus kleinsten Kristalliten verschie-
Graphit-Verbundwerkstoff SiC30 von Schunk.
dener Orientierung zusammengesetzt sind. Aufgrund dieser
mikrokristallinen Struktur weist der makroskopische Körper
Weitere technische Kohlenstoffprodukte werden unter
oft nicht die typischen anisotropen Kristalleigenschaften
Verwendung von Kohlenstoff- oder Graphitfasern herge-
des Graphiteinkristalls auf. Die extreme Anisotropie der
stellt. Diese Fasern werden zum Beispiel durch thermische
elektrischen Leitfähigkeit oder des Wärmeausdehnungsko-
Behandlung von Polymerfasern – meist aus Polyacrylnitril
effizienten ist bei polykristallinen Werkstoffen gewollt kaum
(PAN) – hergestellt. Kohlenstofffasern dienen zur Verstär-
vorhanden oder zumindest stark abgeschwächt.
kung von Polymeren (CFK), Kohlenstoff (CFC, C/C), Keramik
(CMC) und Metallen. Diese Verbundwerkstoffe werden vor
Die geringe Anisotropie der Eigenschaften, die bei polykris-
allem dort eingesetzt, wo hohe Steifigkeit und Festigkeit
tallinen Kohlenstoffwerkstoffen trotzdem auftritt, ist vor-
bei geringem Gewicht eine entscheidende Rolle spielen. Be-
wiegend durch das Pressverfahren bedingt. So haben zum
kannte Anwendungsgebiete für CFK sind Sportartikel oder
Beispiel isostatisch gepresste Kohlenstoffwerkstoffe keine
Bauteile für die Luft- und Raumfahrt, die keine hohe Tempe-
oder nur eine sehr geringe Anisotropie, während ein- oder
raturbelastung erfahren. Für Hochtemperaturanwendungen,
zweiseitig hydraulisch gepresste Werkstoffe eine etwas
z. B. in der Halbleitertechnik oder im Ofenbau, werden C/C-
stärker ausgeprägte Anisotropie aufweisen.
Werkstoffe eingesetzt. Als nicht sprödbrechende, hochfeste
Keramik sind diese Werkstoffe auch zunehmend interessant
Kunstharzgebundene Kohlenstoffgraphite ergänzen die
für den Einsatz in tribologisch belasteten Bauteilen.
Werkstoffpalette für tribologische Anwendungen auf der
Polymerseite. Diese Werkstoffe zeichnen sich durch ihre
Des Weiteren gibt es noch Diamant- und diamantähnliche
kostengünstige Herstellung in hohen Stückzahlen und die
(DLC)-Beschichtungen, die auch im tribologischen Bereich
Realisierung von komplexen Formen aus.
an Bedeutung gewinnen. Die sehr aufwendigen Diamantbeschichtungen widerstehen widrigsten Bedingungen, auch
kurzzeitigem Trockenlauf, und sind in einzelnen Anwendungen alternativlos, wo SiC- und SiC-C-Verbundwerkstoffe
nicht eingesetzt werden können.
04
HERSTELLUNG UND EIGENSCHAFTEN VON KOHLENSTOFFWERKSTOFFEN
Herstellung von Kohlenstoffgraphit- und
Graphitwerkstoffen
Die Herstellung der Werkstoffe erfolgt nach Fertigungsmethoden, die an klassische keramische
Technologien angelehnt sind. Dies geschieht bei Schunk in teilweise vollautomatischen
Prozessen, online überwacht.
Materialaufbereitung und Mischen
Graphitieren
Der Schmelzpunkt von Kohlenstoff liegt bei einem Druck
Kohlenstoffgraphite sind in Teilen amorph, wenig graphi-
von 100 bar bei über 4000 °C. Bei niedrigeren Drücken
tisch. Um Graphitwerkstoffe herzustellen, werden Kohlen-
sublimiert Kohlenstoff. Technische Kohlenstoffe können
stoffgraphite bei Temperaturen bis 3000 °C graphitiert.
also nicht durch einfache Sinterprozesse hergestellt wer-
Bei Schunk erfolgt dies vorwiegend nach dem Acheson-
den. Daher erfolgt die Herstellung von Kohlenstoffgraphit-
Verfahren. Hierbei wird das zu graphitierende Material zwi-
und Graphitwerkstoffen über ein Füller/Binder-System.
schen zwei Ofenelektroden gepackt und ist als Widerstand
Rohstoffe wie Petrolkokse, Pechkokse, Ruße und Graphite
im Sekundärkreis eines Transformators angeordnet. Das
werden auf definierte Korngrößenverteilungen gemahlen.
Material wird also durch Widerstandserhitzung auf die Gra-
Diese Füllstoffe werden anschließend bevorzugt auf Dop-
phitierungstemperatur gebracht. Hierbei bilden sich durch
pelschneckenextrudern bei erhöhter Temperatur mit einem
Rekristallisation größere graphitische Bereiche aus.
thermoplastischen Bindemittel gemischt. Hierfür kommen
Solche Elektrographite weisen im Allgemeinen gute Gleit-
sowohl Peche auf Steinkohlenteer- oder Petrolpechbasis als
eigenschaften auf, besitzen einen niedrigen elektrischen
auch Kunstharze in Betracht. Die Mischung wird anschlie-
Widerstand, eine hohe Wärmeleitfähigkeit sowie eine
ßend für den Formgebungsprozess zu Pulver gemahlen.
gegenüber Kohlenstoffgraphiten verbesserte Korrosionsbeständigkeit.
Formgebung
Imprägnieren
Die pressfertigen Mischungen werden unidirektional in
Gesenkpressen oder in isostatischen Pressen zu soge-
Die Porosität von Kohlenstoffgraphit- und Graphitwerk-
nannten grünen Körpern geformt.
stoffen kann je nach Werkstoff in einem weiten Bereich
variieren.
Karbonisieren
Durch Imprägnierprozesse kann die Porosität reduziert oder
sogar eliminiert werden. In vielen tribologischen Anwendun-
Die grünen Körper werden nun karbonisiert. Dazu werden je
gen ist Undurchlässigkeit gegenüber Fluiden erforderlich;
nach Werkstoff, Abmessungen und den gewünschten Werk-
dabei werden über das Imprägniermedium auch gezielt
stoffeigenschaften unterschiedliche Öfen mit bestimmten
weitere Materialeigenschaften beeinflusst.
Aufheizraten, Maximaltemperaturen und Ofenatmosphären
Bei Schunk erfolgt das Imprägnieren in der Regel über ein
verwendet.
Vakuum-Druck-Verfahren. Imprägniert werden kann mit
Während des Karbonisierungsvorganges erfolgt die Pyroly-
unterschiedlichen Kunstharzen, Metallen wie Antimon oder
se, d.h. Zersetzung des Bindemittels in flüchtige Bestand-
Kupfer und mit anorganischen Salzen. Auch eine Nachver-
teile und Kohlenstoff. Die flüchtigen Bestandteile erzeugen
dichtung mit Kohlenstoff ist möglich.
ein offenes Porengefüge. Der Binder bleibt im Formkörper
als so genannter Binderkoks zurück und sorgt für hohe
Festigkeit und Härte.
Man bezeichnet diese Werkstoffe als Kohlenstoffe oder
Kohlenstoffgraphite, manchmal auch Hartkohlen genannt.
05
HERSTELLUNG UND EIGENSCHAFTEN VON KOHLENSTOFFWERKSTOFFEN
Bindemittel
Rohstoffe
Brechen
Mahlen
Sieben
Mischen
Mahlen
Homogenisieren
Gesenkpressen
ISO-Pressen
Karbonisierung
Prüfen
KohlenstoffgraphitHalbzeug
Sonderbehandl.
Graphititieren
Imprägnieren
Bearbeiten
Prüfen
Bearbeitete
Kohlenstoffgraphit
und Graphitbauteile
06
HERSTELLUNG UND EIGENSCHAFTEN VON KOHLENSTOFFWERKSTOFFEN
Eigenschaften von Kohlenstoffgraphit- und
Graphitwerkstoffen
Porosität
Die herstellungsbedingt entstandene Porosität von Kohlenstoffgraphit- und Graphitwerkstoffen führt zu einer
gewissen Permeabilität für Fluide. Für einige Verwendungszwecke stören die im Material vorhandenen Poren nicht. Für
Dichtungselemente wie z. B. Gleitringe für Gleitringdichtungen sind dagegen porige Werkstoffe ungeeignet.
Die offene Porosität von Kohlenstoffgraphit und Graphitwerkstoffen kann durch Imprägnierungen verringert bzw.
Schliffbilder von einem unimprägnierten und einem
ganz verschlossen werden (siehe vorheriges Kapitel
imprägnierten Werkstoff
„Imprägnieren“).
Rohdichte
Temperaturbeständigkeit
Wegen der vorhandenen Poren ist es üblich, die scheinbare
In sauerstoffhaltiger Atmosphäre wird Kohlenstoff bei
Dichte oder Rohdichte anzugeben. Sie kann je nach Porosi-
hohen Temperaturen oxidiert.
tät und Imprägnierung von 1,5 bis 3,3 g/cm³ betragen.
Diese Oxidation tritt bei Kohlenstoffgraphitwerkstoffen an
Kohlenstoffbauteile sind ausgesprochen leicht.
Luft ab etwa 350 °C und bei Elektrographiten ab 500 °C auf.
Durch spezielle Nachbehandlungen lässt sich die Temperaturbeständigkeit von Elektrographiten in oxidierender
Atmosphäre auf über 600 °C steigern.
Chemische Beständigkeit
In nicht oxidierender Atmosphäre wird die Temperaturbeständigkeit von Kohlenstoffgraphit und Graphit durch die
Kohlenstoffgraphit- und Graphitwerkstoffe sind aufgrund
Behandlungstemperatur beim Herstellprozess bestimmt und
ihrer ausgezeichneten chemischen Resistenz in die Gruppe
liegt damit bei etwa 1000 °C bzw. > 2500 °C.
der korrosionsfesten Werkstoffe einzureihen.
Bei kunstharz- und metallimprägnierten Werkstoffen ist
Einzelheiten entnehmen Sie bitte unserer Broschüre 39.12
die Temperaturbeständigkeit durch die Zersetzungs- bzw.
zur chemischen Beständigkeit.
Schmelztemperatur der verwendeten Imprägniermittel
begrenzt. Die Temperatureinsatzgrenze kunstharzimprägnierter Werkstoffe liegt je nach verwendetem Harz >200 °C.
07
HERSTELLUNG UND EIGENSCHAFTEN VON KOHLENSTOFFWERKSTOFFEN
Festigkeit
Härte
Kohlenstoffgraphit- und Graphitwerkstoffe weisen eine
Schunk ermittelt für seine Kohlenstoffwerkstoffe die Härten
vergleichsweise geringe Zug- und Biegefestigkeit, dagegen
HR5/40, HR5/100 und HR5/150. Hierbei wird eine 5-mm-
aber eine hohe Druckfestigkeit auf. Im Gegensatz zu Kunst-
Stahlkugel mit 98 N Vorlast und 294 N, 883 N bzw. 1373
stoffen oder metallischen Werkstoffen nimmt die Festigkeit
N Zusatzlast in den zu prüfenden Körper gedrückt. Nach
mit steigender Temperatur nicht ab.
Abnehmen der Zusatzlast ist die bleibende Eindringtiefe ein
Bei der Konstruktion mit Kohlenstoffgraphit- und Graphit-
Maß für die Härte HR5/40, HR5/100 bzw. HR5/150 (dimen-
werkstoffen muss keramiktypisch eine gewisse Sprödigkeit
sionslos), die an der B-Skala von Rockwellhärteprüfgeräten
berücksichtigt werden. Wegen dieser größeren Sprödigkeit
abgelesen wird.
im Vergleich zu gebräuchlichen metallischen Werkstoffen ist
Um einen Vergleich mit Härtewerten anderer Werkstoffe zu
die Festigkeit von diesen Werkstoffen nicht durch Angaben
ermöglichen, haben wir in unserer Broschüre „Kenndaten –
von Zugfestigkeits- und Dehnungswerten zu charakterisie-
Standardwerkstoffe“ (30.14) zusätzlich zur Rockwellhärte
ren. Es ist vielmehr üblich, die Biege- und Druckfestigkeit
(HR) die Brinellhärte angegeben. Zur ständigen Qualitäts-
sowie den Elastizitätsmodul als Kenngrößen anzugeben.
überwachung ziehen wir das Härtemessverfahren nach
Kohlenstoffgraphit ist hinsichtlich der Festigkeit den Elek-
Brinell nicht heran, da dieses nur statthaft ist, wenn die
trographiten überlegen. Elektrographit hingegen besitzt
Oberfläche des porigen Materials poliert wird.
eine etwas geringere Sprödigkeit.
Dynamische Härtemessverfahren sind nach unserer Erfah-
Durch Imprägnierungen mit Kunstharzen oder Metallen
rung wegen der Struktur des Materials weniger gut geeig-
können die Festigkeiten, E-Moduln und Härten wesentlich
net. Außerdem ist die Angabe von Shore-Härtewerten allein
erhöht werden.
wegen der stark vom jeweils benutzen Gerät abhängigen
Messwerte problematisch.
Werkstoffe
Elektrographit
Kohlenstoffgraphit
Chrom-Nickel-Stahl 18/8
Grauguss
Kupfer
Wärmeleitfähigkeit bei
+20 °C W/m*K
40-130
8-17
15
45-60
395
Bronze SnBz 12
38
Chromstahlguss
19
Sinterkeramik (Al2O3)
21
Siliziumkarbid
80-130
Wärmeleitfähigkeit
In Tabelle 1 sind die typischen Wärmeleitfähigkeiten von
Kohlenstoffgraphit und Elektrographit im Vergleich zu
einigen weiteren gebräuchlichen Werkstoffen zusammengestellt. Kohlenstoffgraphite erreichen die Leitfähigkeit
rostfreier Stähle, Elektrographite zeichnen sich durch noch
wesentlich höhere Wärmeleitfähigkeiten aus.
Wärmeausdehnungskoeffizient
Eine weitere wichtige Eigenschaft, die bei der Konstruktion
mit Kohlenstoffwerkstoffen unbedingt berücksichtigt wer-
Tabelle 1: Wärmeleitfähigkeit
den muss, ist der im Vergleich zu Metallen niedrige Wärmeausdehnungskoeffizient. Mit Werten von 2 bis 6 *10-6/K ist
dieser um Faktoren kleiner als der von Metallen.
08
HERSTELLUNG UND EIGENSCHAFTEN VON KOHLENSTOFFWERKSTOFFEN
Temperaturwechselbeständigkeit
schmiermittel. Bereits ohne zusätzliche flüssige Schmiermittel ist daher der Reibungskoeffizient zwischen Kohlen-
Die Thermoschockbeständigkeit ist für Kohlenstoffgra-
stoffwerkstoffen und deren Reibpartnern bei einwandfreier
phit- und insbesondere auch für Elektrographitwerkstoffe
Gleitflächenbeschaffenheit vergleichsweise klein.
hervorragend. Sie kann als Quotient aus dem Produkt von
Allgemein gültige Angaben über den Reibungskoeffizienten
Festigkeit und Wärmeleitfähigkeit und dem Produkt von
lassen sich infolge stark unterschiedlicher Betriebsbedin-
E-Modul und thermischem Ausdehnungskoeffizienten defi-
gungen nicht machen. Im Trockenlauf ist gegen Grauguss
niert werden.
oder Stahl mit einem Reibungskoeffizienten in der Größenordnung von µ=0,1 bis 0,3 zu rechnen. In Gegenwart von
Gleiteigenschaften
Flüssigkeiten oder Dämpfen, wobei die Art der Flüssigkeiten
bzw. Dämpfe von untergeordneter Bedeutung ist, wird der
Graphit, ob Naturgraphit oder Elektrographit, besitzt auf
Reibbeiwert bedeutend herabgesetzt, im Mischreibungs-
Grund seiner besonderen Kristallstruktur selbstschmierende
bereich auf µ < 0,1. Anhaltspunkte über den Verlauf des
Eigenschaften. Da bei der Herstellung von Kohlenstoff-
Reibungskoeffizienten zwischen Kohlenstoffgraphit und
graphitwerkstoffen für Lager und Dichtungselemente
Grauguss bzw. Stahl bei Trockenlauf geben die nachfolgen-
ebenfalls stets Graphit als Komponente verwendet wird,
den vier Diagramme.
bestehen neben den Elektrographitwerkstoffen auch diese
0,3
0,2
Prüfbedingungen:
Spurlager
Kohlenstoffwerkstoff: FH44Y
Kohlenstoffringdurchmesser: 80,5/57,5
Kohlenstoffgleitfläche: 25 cm2
Gegenlaufmaterial: Gusseisen (feingeschlichtet)
Temperatur der Gleitfläche: ~ 100 °C
Spezifische Belastung: 1N/mm2
Mittlere Geschwindigkeit: 0,8 m/s
Reibungskoeffizient µ
Reibungskoeffizient µ
Werkstoffe zu einem bedeutenden Teil aus dem Trocken-
0,6
0,5
0,4
Prüfbedingungen:
Spurlager
Kohlenstoffwerkstoff: FH44Y
Kohlenstoffringdurchmesser: 80,5/57,5
Kohlenstoffgleitfläche: 25 cm2
Gegenlaufmaterial: Gusseisen (feingeschlichtet)
Temperatur der Gleitfläche: ~ 100 °C
Spezifische Belastung: 1N/mm2
0,3
0,2
0,1
0,1
10
20
30
40
50
60
70
min.
90
Laufzeit
1
2
3
4
5
6
7
8
m/s
10
Mittlere Gleitgeschwindigkeit
Diagramm 1:
Veränderung des Reibungskoeffizienten μ beim Einlauf
Diagramm 2:
Reibungskoeffizient μ in Abhängigkeit von der mittleren
Geschwindigkeit
09
0,6
0,5
0,4
Prüfbedingungen:
Spurlager
Kohlenstoffwerkstoff: FH44Y
Kohlenstoffringdurchmesser: 80,5/57,5
Kohlenstoffgleitfläche: 25 cm2
Gegenlaufmaterial: Gusseisen (feingeschlichtet)
Temperatur der Gleitfläche: ~ 100 °C
Mittlere Geschwindigkeit: 0,8 m/s
Reibungskoeffizient µ
Reibungskoeffizient µ
HERSTELLUNG UND EIGENSCHAFTEN VON KOHLENSTOFFWERKSTOFFEN
0,6
0,5
0,4
0,3
0,3
0,2
0,2
0,1
0,1
0,1
0,2
0,3
0,4
0,5
0,6
0,7
0,8 N/mm2
1,0
Prüfbedingungen:
Kohlenstoffgleitring
Kohlenstoffwerkstoff: FH44Z2
Kohlenstoffringdurchmesser: 180/200 x 20mm
Gegenlaufmaterial: Stahl St60
Rauhtiefe Gegenlauffläche Rt < 1μm
v= 5,7 m/s
v= 8,6 m/s
0,1
0,2
0,3
0,4
0,5
0,6
0,7
0,8 N/mm2 1,0
Spez. Belastung
Spez. Belastung
Diagramm 3:
Diagramm 4:
Reibungskoeffizient μ in Abhängigkeit von der spezifischen
Reibungskoeffizient μ in Abhängigkeit von der spezifischen
Belastung
Belastung der Gleitpaarung FH44Z2 - Stahl
Aus: Techn. Hochschule Darmstadt, Dissertation von H.
Hartmann: „Über den Temperaturverlauf und die Einsatzgrenzen von trockenlaufenden Graphit-Dichtringen“.
Das erste Diagramm, in welchem der Reibungskoeffizient
Im Diagramm 4 ist die Abhängigkeit des Reibungskoeffizi-
über der Einlaufzeit aufgetragen ist, zeigt, dass dieser bei
enten von der spezifischen Belastung bei zwei konstanten
fortschreitendem Einlauf und einer damit verbundenen zu-
Gleitgeschwindigkeiten am Beispiel des kunstharzimpräg-
nehmenden Glättung der Gleitfläche abnimmt, um sich dann
nierten Kohlenstoffgraphitwerkstoffs –FH44Z2– aufgezeigt.
auf einem niedrigen Niveau zu stabilisieren.
Besonders ist, dass Kohlenstoffwerkstoffe bei geringen
Reibungskoeffizienten auch ausgezeichnete Verschleiß-
Von weitaus größerer Bedeutung ist allerdings, dass der
festigkeiten aufweisen.
Reibungskoeffizient von der Gleitgeschwindigkeit und der
spezifischen Belastung abhängt. Diagramm 2 und 3 zeigen
diese Abhängigkeit für den Kohlenstoffgraphitwerkstoff
–FH44Y–.
10
HERSTELLUNG UND EIGENSCHAFTEN VON KOHLENSTOFFWERKSTOFFEN
Konstruktionshinweise für Maschinenelemente aus
Feinstkornkohlenstoffwerkstoffen
Da sämtliche Gleitelemente von Schunk Carbon Technology nach Kundenzeichnung und/oder
Kundenspezifikation hergestellt werden, ist der Konstrukteur bzgl. Ausführungsform,
Abmessungen und Werkstoff nicht an Normen oder Standardausführungen gebunden.
Bei der Gestaltung von Gleitlagern und Dichtungselementen
Kohlenstoffformkörper sind beim Einpressen oder Ein-
sind die bereits beschriebenen Eigenschaften von Kohlen-
schrumpfen in Metallfassungen oder direkt in die Gehäuse
stoffgraphit- und Graphitwerkstoffen zu beachten. Es ist
möglichst auf der ganzen Länge zu fassen und damit zu
daher sinnvoll, bereits in der Konstruktionsphase für neue
unterstützen. Bei freitragendem Einbau sind entsprechend
Bauteile Kontakt zu uns aufzunehmen, um nicht realisierba-
große Wandstärken vorzusehen.
re oder ungünstige Ausführungen zu vermeiden.
Die Geometrien werden in der Regel aus gepressten
Halbzeugen gespant. Hierbei kommen nahezu alle Spanverfahren zum Einsatz: u. a. Sägen, Wasserstrahlschneiden,
Drehen, Fräsen, Bohren, Schleifen, Hohnen, Läppen und
Polieren.
L≤2D
Die Wandstärke sollte möglichst nicht unter 3 mm liegen.
Bei Rundkörpern ist je nach Größe der Bauteile die Wand-
D
stärke mit 10–20 % des Innendurchmessers festzulegen.
Die Länge der Bauteile kann bis zu dem Doppelten des
s
L
L ≥ 3 mm
s ≥ 3 mm
Aufteilung in mehrere Teile, um Querschnittsänderungen
und Überlänge zu
vermeiden
Außendurchmessers betragen. Darüberhinaus muss gegebenenfalls eine Aufteilung in zwei oder drei Teilstücke
vorgenommen werden. Tiefe und enge Bohrungen sollten
vermieden werden.
In der Regel kann bei einteilig bearbeiteten Formteilen eine
Innendurchmesser-Toleranz von IT7 und eine Außendurchmesser-Toleranz von IT6 eingehalten werden.
Wegen der Bruchgefahr empfiehlt es sich, auf große Quer-
Verdrehsicherung
mit glattem Stift im
unbelasteten Teil
eines Kohlenstoffkörpers
schnittsänderungen zu verzichten. Als Alternative bietet
sich eine Aufteilung in mehrere Teile von unterschiedlicher
Wandstärke an.
Scharfe Kanten sollten gebrochen werden.
Wenn Bauteile aus Kohlenstoffgraphit oder Graphitwerkstoffen in metallischen Gehäusen montiert oder gegen
Verdrehen gesichert werden müssen, scheiden Schrauben
Übergänge
abgerundet, Kanten
gebrochen
und Keile aufgrund der Kerbwirkung aus.
Die erste Wahl sollte eine Press- oder Schrumpfverbindung
sein. Falls dies nicht ausreicht, kann auch mit Verstiftungen
gearbeitet werden. Hierbei ist darauf zu achten, dass dies in
einem unbelasteten Bereich geschieht und das Kohlenstoffbauteil keine Zugbelastung durch die thermische Ausdehnung des Stiftes erfährt.
Kohlenstoffformkörper in Metallbuchse oder direkt
ins Gehäuse eingeschrumpft bzw.
eingepresst
11
HERSTELLUNG UND EIGENSCHAFTEN VON KOHLENSTOFFWERKSTOFFEN
Kunstharzgebundene Carbonwerkstoffe
Bei diesen Werkstoffen handelt es sich um kohlenstoff- und/oder graphitgefülltes Phenolharz.
Unterschiedliche Rezepturen und Füllgrade tragen den unterschiedlichen Anforderungen in der
jeweiligen Anwendung Rechnung.
Ein großer Vorteil dieser Werkstoffe liegt in der Möglichkeit
Die kleinste Wandstärke wird in erster Linie durch den
der Kunststoffformgebungsverfahren, welche eine kosten-
Werkzeugbau bestimmt und kann bei bis zu 0,5 mm liegen.
günstige Herstellung in hohen Stückzahlen ermöglichen.
Die max. Wandstärke eines Bauteils sollte 10 mm nicht
Neben dem Spritzgussformgebungsverfahren werden bei
überschreiten, da sonst durch längere Aushärtezeiten dieser
Schunk für diese Werkstoffe auch das Spritzprägen und das
duromeren Werkstoffe im beheizten Pressgesenk eine ratio-
unidirektionale Pressen in temperierten Gesenken ange-
nelle Fertigung nicht mehr gegeben ist.
wandt. Da im Spritzguss die Werkzeugkosten beträchtlich
Für ein im Werkzeug liegendes Maß kann eine Toleranz von
sind, kommen als Einsatzgebiete Lager, Dichtungsringe und
IT9 bis IT10 als Anhaltswert genannt werden. Für Maße in
Pumpenteile in Frage, die wie z. B. in der Automobilindustrie
der Trennebene des Werkszeuges kann eine Toleranz von
in hohen Stückzahlen benötigt werden.
≈ 0,1 mm eingehalten werden. Bei allen Toleranzen gilt,
Anwendungsbeispiele: Autokühlwasserpumpen, Kraft-
dass sie abhängig sind von zahlreichen Parametern wie
stoffpumpen, Vakuumpumpen für die Zentralverriegelung,
Werkstoff, Geometrie des Bauteils, Anzahl der Werkzeug-
Kompressoren für Komfortsitze, Haushaltswasserpumpen,
kavitäten oder thermischen Nachbehandlungen. Die end-
Ölbrennerpumpen, Waschmaschinenpumpen etc.
gültige Toleranzfestlegung sollte hier nach ersten Ferti-
Hinzuweisen ist hier auf die Temperaturbeständigkeit bis
gungsversuchen mit statistischer Auswertung erfolgen.
180 °C und den Temperaturausdehnungskoeffizienten, der
Für die Einhaltung von funktionswichtigen Toleranzen
in der Größenordnung von metallischen Werkstoffen liegt.
werden Prozessregelungsverfahren als Qualitätssicherungs-
Dadurch ist es möglich, metallische Einlegeteile oder den
maßnahme eingesetzt.
Werkstoff selbst als Einlegeteil zu umspritzen. Es wurden
auch bereits Anwendungen bis 250 °C realisiert, selbst die
Herstellung von All-Carbon-Werkstoffen ist möglich.
12
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30.20d/2015
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