Eigentlich war es uns klar« – eine Spurensu

»Eigentlich war es uns klar« – eine Spurensuche nach frühen Hinweisen für den M&A-Erfolg
Angeregt durch Erfahrungen aus erlebten Unternehmenskäufen
sind Fabian Ziebell, Udo Kronshage und Dr. Thomas Neuber Hinweisen nachgegangen, wie die Erfolgschancen von Unternehmenskäufen verbessert werden können.
Ein hochrangiger Manager der Energiebranche berichtete in einem
Meeting eher nebenbei von Unternehmenskäufen, die nach einiger
Zeit sehr bedauert wurden. In einem Nebensatz merkte er an, dass
man es "eigentlich schon gewusst hatte“. Hellhörig geworden stellten wir in der Folge fest, dass viele erfahrene Manager ähnliche
Erfahrungen gemacht hatten. Damit war klar, dass eine Spurensuche nach frühzeitigen Hinweisen auf den M&A-Erfolg lohnend sein
könnte!
Seit mehr als 30 Jahren wird intensiv zum Thema Unternehmenszusammenschlüsse geforscht. Dabei konnten zahlreiche Erfolgsfaktoren ausgemacht werden, die zum Großteil in der Post-MergerPhase liegen. Überraschend ist jedoch, dass trotz aller Erkenntnis-
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se weiterhin über die Hälfte aller Unternehmenszusammenschlüsse
wirtschaftlich ein Verlustgeschäft sind.
Vor diesem Hintergrund liegt die Frage nahe, ob bereits in der PreMerger- und der Transaktionsphase Chancen und Risiken für den
langfristigen Merger-Erfolg wahrnehmbar sind. Wenn für Käuferunternehmen frühzeitig erkennbar ist, welche Entwicklungsschritte
vorgebahnt werden sollten, so die Vermutung, könnten die Reaktionsmöglichkeiten in M&A-Projekten deutlich verbessert werden.
Ablauf eines typischen M&A-Prozesses
Einen für unsere Frage interessanten und bereits im Management
weit verbreiteten Ansatz haben wir im "Konzept der schwachen
Signale“ von Igor Ansoff (1975) gesehen. Dieser besagt, dass Diskontinuitäten nicht plötzlich und unerwartet auftreten, sondern dass
jedes Ereignis eine Entwicklungsgeschichte hat und sich durch Vorläuferereignisse – sogenannte schwache Signale – ankündigt.
Schwache Signale sind unstrukturierte und qualitative Informationen, die zum Zeitpunkt ihres Auftretens schwer zu interpretieren
sind. Können also schwache Signale bei M&A zur besseren Entscheidungsfindung genutzt werden? Dazu hat Karl Weick (2010)
Achtsamkeit als zentrale Kompetenz beschrieben, um mithilfe
schwacher Signale Risiken zu mindern.
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Studie: Schwache Signale in der Pre-Merger-Phase von M&AProzessen als frühe Anzeichen für den M&A-Erfolg
Inspiriert von dieser Idee haben wir im Rahmen einer empirischen
Studie* Manager befragt, die in der Pre-Merger- und Transaktionsphase von M&A-Prozessen in unterschiedlichen Funktionen beteiligt waren. Mithilfe der qualitativen Interviews konnten wir zahlreiche schwache Signale ermitteln, die nahezu über den gesamten
Zeitraum vor Kaufabschluss aufgetreten sind, jedoch fast immer
unberücksichtigt geblieben waren. Die erfassten Signale lassen
sich in einen Zusammenhang bringen mit der wirtschaftlichen Logik
von M&A-Vorhaben, mit der konkreten Projektdurchführung (Prozesslogik) sowie mit Phänomenen, die in den Sozialsystemen beteiligter Organisationen aufgetreten sind. So haben befragte Manager z.B. fehlende Kaufbegründungen oder kurzfristige Strategieänderungen im Nachhinein (!) als erste Hinweise für unklare Zielsetzungen des Unternehmenskaufs wahrgenommen, die den Annäherungsprozess erschwert haben. Auch wurden z.B. emotionale Dynamiken wie eine große Euphorie vor Kaufabschluss später als
frühe Anzeichen für zu gering bewertete Risiken im weiteren Projektverlauf neu interpretiert.
Themenfelder schwacher Signale in der Pre-Merger- und
Transaktionsphase von M&A mit ersten Beobachtungsfragen
Was bedeuten diese Erkenntnisse für M&A-Projekte? Zunächst gilt
weiter, dass es durchaus richtig sein kann, schwache Signale unberücksichtigt zu lassen, da sonst kaum noch riskante Entscheidungen getroffen würden, die jedoch notwendiger Teil unternehmerischen Handelns sind. Allerdings könnte eine verstärkte Achtsamkeit gegenüber schwachen Signalen in diesen Perspektiven und
dieser Phase wichtige Hinweise für den M&A-Erfolg liefern. Die Erfahrungen der Manager sprechen für eine regelmäßige Selbstbeobachtung des Käufers und eine erhöhte Aufmerksamkeit für intuitive Erkenntnisse in der Pre-Merger-Phase!
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Daneben dürfte die generelle Merger-Fitness maßgeblich zum Erfolg von Unternehmenszusammenschlüssen beitragen. Ziel muss
es sein, sich frühzeitig und vorausschauend mit den zu erwartenden Turbulenzen im M&A-Prozess auseinanderzusetzen. Anhand
der folgenden sieben organisationalen Begegnungsebenen wird
eine Einschätzung vorgenommen, wie "fit“ ein Käuferunternehmen
für einen Unternehmenszusammenschluss ist:
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Unternehmensstrategie
Unternehmenssteuerung
Aufbauorganisation
Geschäftsprozesse
Personalressourcen
Umfeld
Werte- und Identitätsbeschreibung
Sehen Führungskräfte des Käufers z.B. deutliche Schwächen in
ihren Geschäftsprozessen, ist zu erwarten, dass die Bewältigung
der Post-Merger-Integration komplexer wird. Ein besonderes Spannungsfeld entsteht, wenn sich das Kaufobjekt gut aufgestellt erlebt,
sich im Merger aber (wie oft) trotzdem den Käuferprozessen anpassen soll. Die dabei entstehende Mischung aus Abwehr, Kränkung und Druckaufbau wirkt destruktiv über lange Strecken des
PMI-Prozesses. Um diese Folgewirkungen gering zu halten, sollte
in einer Pre-Merger-Diagnose die Fitness des Käufers (auch unabhängig vom Kaufobjekt) erfasst werden. Damit bliebe mehr Spielraum zur Vorbereitung auf einen erfolgreichen Unternehmenskauf.
Letztlich wissen Käuferunternehmen immer erst nach einiger Zeit,
ob sie die "richtige“ Entscheidung getroffen haben. Aber sowohl der
wachsame Umgang mit Frühwarnsignalen als auch ein "FitnessProgramm“ können dazu beitragen, den Mergerprozess bewusster
anzugehen sowie erfolgsrelevante Aspekte im Blick zu behalten
und wiederkehrend zu bearbeiten. Langfristig wird dadurch auch
die Fähigkeit zur vorausschauenden Selbsterneuerung in der Organisation gestärkt.
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Literatur / Quelle:
Ansoff, H. I.: Managing Strategic Surprise by Response to Weak
Signals. California Management Review, 18(2), 1975
Weick, K. E., & Sutcliffe, K. M.: Das Unerwartete managen. Wie
Unternehmen aus Extremsituationen lernen. Stuttgart, SchäfferPoeschel, 2010
* Weitere Informationen zur Studie
"Schwache Signale in der Pre-Merger-Phase von M&A-Prozessen
als frühe Anzeichen für den M&A-Erfolg (2014)“ erhalten Sie bei
Fabian Ziebell (eMail: [email protected])
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