XXXXXXX • ??????? DER LEHRPRINZ • IM REVIER halbwegs alten Hirsch. Um zu diesem Schluss zu kommen muss man nur fragen, wie oft sie im Jahr ältere Hirsche in Anblick bekommen und wie oft sie dabei vergleichen können. Man kann durchaus in einem Revier mit relativ viel Rotwild jagen und dennoch zehn Jahre hindurch keinen wirklich alten Hirsch sehen! Altersmerkmale à la Jungjägerlehrgang? Genormte Merkmale, die sich der Jäger im Lauf der letzten beiden Jahrhunderte zusammengeschrieben hat, ohne sie mit den Hirschen zu „akkordieren“? Vielleicht noch Auswahl nach Geweihmerkmalen – vom berühmten Dreieck bis zum Winkel der Augsprosse? Eines kann der Jäger: Er kann sich (nicht nur in der Brunft) Gedanken über das Verhalten des Rotwildes machen, dann wird ihm mancher Fehlgriff erspart bleiben. Das beginnt schon beim Kahlwild, das ja in manchen Revieren auch in der Brunft „so nebenbei mitgeschossen“ wird. Es ist unglaublich, wie viele Jäger noch auf das Foto: R. BErnhardt Schweigende Hirsche Nicht überall, wo der Rothirsch seine Fährte zieht, gibt es auch eine laute Brunft. Doch das hat seine Gründe. Bei genauer Betrachtung hat man bald Verständnis für das Schweigen der Hirsche. vergesellschaften sich die Kälber gerne. Dann stehen ihre Mütter alleine, die Spinnen sind nicht mehr zu erkennen und die Zuordnung der Kälber ist kaum möglich. Entweder der Jäger erlegt in solcher Situation ein – frei stehendes – Kalb oder ein Schmaltier. Wer Rotwildbestände abbauen will, muss vor allem bei den jüngeren und mittelalten Alttieren eingreifen. Warum also in der Brunft mit einem Kalb alles durcheinanderwirbeln? „Zehne hot er …“ Das mit dem zehnten Kopf ist auch so eine Sache. Wirklich alt ist ein zehnjähriger Hirsch sicher nicht. Andererseits sind zehnjährige Hirsche in vielen Rotwildgebieten schon verdammt selten. Wer einen Zehnjährigen sicher von einem Achtjährigen unterscheiden kann – ohne über die Abwürfe zu verfügen –, muss ein Könner sein. Deshalb sieht man in Summe ja auch weit mehr „Erntehirsche“ an den Wänden, die sichtlich vor ihrem zehnjährigen Dienstjubiläum geerntet wurden, als tatsächlich Die Jagd in der Brunft sollte sich alte Hirsche. Besser schaut auf Erntehirsche beschränken. es in Revieren mit Berufsjägern aus; dort sind einfach die Umstände und Bedingungen erste Stück schießen – auf das Leittier. Nun andere. wird dessen Planstelle nicht lange vakant bleiben, aber es führt todsicher! Kom- Möglicherweise würden weniger Sechsund Achtjährige als Erntehirsche fallen, mentar: „Das bekommen wir im Laufe des wenn das Zielalter zwölf Jahre hieße. Das Herbstes schon noch …“ wird gelegentlich mit dem Argument abgeLeittiere führen immer, aber nicht immer lehnt, dass dann die Rotwildbestände noch steht oder äst das Kalb neben ihnen! Bei höher sein müssten, was aber nicht stimmt. vertraut auf freier Fläche äsendem Rotwild Von B. Gießwald D er September steht im Empfinden des Jägers ganz im Zeichen der Hirschbrunft. Jetzt springen und sitzen auch die draußen herum, die ansonsten wenig Zeit für die Jagd haben. Das hat zwei Gründe: Die Brunft ist – wo es noch eine laute Brunft gibt – einfach ein Spektakel, das Jäger wie Nichtjäger fasziniert. Jetzt sind Begegnungen mit Rotwild in der Regel häufiger als in der übrigen Jagdzeit und die Chancen, auf „irgendetwas“ zu Schuss zu kommen, groß. Dass die Brunft in vielen Revieren – trotz Fährten, Losung und Brunftgeruch – oft ziemlich still abläuft, ist bekannt. Schaut man sich die entsprechenden Reviere und die dortigen Jagdbetriebe an, wächst das Verständnis für schweigende Hirsche! Eigentlich sollten sie während der Paa- 20 rungszeit möglichst wenig gestört werden, es ist aber fast überall das Gegenteil der Fall. Die Fachdiagnosen sind ziemlich gleichlautend: „Nichts mehr da …“ Dabei schrieben schon die längst verblichenen KarpatenKlassiker von Hoensbroech über Spieß bis Nadler, warum die Brunft in manchen Jahren wenig spektakulär verlief – weil Wölfe da waren. Ob Hirsche ein paar Wölfe mehr fürchten als ein halbes Dutzend und mehr Büchsen samt deren Steuermännern, ist nicht verbürgt. Wahrscheinlich nicht. Es wäre also durchaus sinnvoll, die Brunftjagd – zumindest wenn Rotwild Standwild ist – auf Erntehirsche zu beschränken. Damit wäre der Jagddruck zeitlich wie flächenmäßig, insbesondere aber was seine Intensität betrifft, deutlich reduziert. Es bedarf keines Taschenrechners, dass ein Berufsjäger, der in der Brunft auf vielleicht 2.000 ha drei Gäste zu Schuss bringen muss, weniger Druck aufbaut als zehn Jäger, die drei Wochen lang 1.000 ha „belagern“. So ist es und so wird es höchstwahrscheinlich auch bleiben. Dabei spielt es nicht einmal eine Rolle, ob von den fiktiven zehn Jägern alle einen Hirsch frei haben oder ob die meisten die Brunft nur erleben möchten – für das Wild ist das nicht erkennbar! Foto: E. Marek Ansprech-ABC Auch wenn es vielleicht polemisch klingt: In der Brunft scheinen Hirsche in eine höhere Altersstufe zu treten, um danach wieder deutlich an Jahren zu verlieren. Sie werden „altgeredet“! Das darf auch nicht wundern. Die Mehrzahl derer, die heute auf Rotwild jagen, sieht eher selten einen Der Anblick 9/2015 Altersmerkmale „wie im Lehrbuch“ findet man am lebenden Hirsch nur selten. Man muss schon genauer hinsehen. Hirschgehabe Beim Ansprechen sollten sich Jäger mehr auf das Verhalten als das Aussehen der Hirsche konzentrieren. Da gibt es ein paar ziemlich einfache Regeln, die uns in vielen Situationen weiterhelfen: ― Wer zu Beginn oder noch in der Hochbrunft Platzhirsch ist, gehört mit großer Wahrscheinlichkeit zu den Ältesten im Revier und seiner Umgebung. Das heißt aber nicht, dass er wirklich alt ist. ― Wer sich in der Hochbrunft irgendwo beim oder in der Nähe des Rudels herumtreibt, ist mehrheitlich jung oder krank. ― Hingegen kann der Hirsch, der uns zu Beginn der Brunft alleine begegnet, durchaus alt sein, sucht aber noch. ― Hirsche, die gegen Ende der Brunft Platzhirsch „spielen“, gehören eher zur „zweiten Führungsebene“. Häufig haben sich dann die wirklich alten Hirsche schon zurückgezogen. ― Bei Hirschen, die drei volle Wochen hindurch Platzhirsch sind, besteht der Verdacht, dass sie auch nicht „so alt“ sind. Ihre gute Kondition spricht eher dagegen. ― Hirsche, die uns gegen Ende der Brunft alleine begegnen, können durchaus alt sein. Motto: „Ich hab’ genug für dieses Jahr …“. Das sind so Überlegungen, die wir bei der Begegnung mit einem Hirsch anstellen sollten, noch ehe wir beginnen, über sein Alter zu deuteln. Hinzu kommen Fragen nach den Umständen unserer Begegnung. So wird der Hirsch, der vor dem Rudel erscheint, kaum dessen Besitzer sein – der kommt hinter dem Rudel, weil er es zusammenhalten will. Ein Hirsch, der sich in der Nähe eines Rudels aufhält, heftig schreit, aber den Platzhirsch nicht herausfordert, wird jünger sein als dieser. Wirklich alte Hirsche, die ihre Platzhirscheigenschaft aufgeben und in „Frühpension“ gehen, weil ihnen der Job auf Dauer zu mühsam wurde, ziehen auch nicht mehr mit dem Rudel. Eher ziehen sie sich auch räumlich zurück, versuchen, Kraft zu tanken, wieder Wintertauglichkeit zu erreichen. Das hindert sie nicht, sich gelegentlich noch „zu Wort zu melden“. 21
© Copyright 2024 ExpyDoc