IMS Health Flashlight 51. Ausgabe – Februar 2016 IMS Health Flashlight 51. Ausgabe - Februar 2016 Liebe Leserinnen und Leser, in dieser ersten Ausgabe 2016 unseres Newsletters „IMS Health Flashlight“ erwarten Sie wieder Beiträge zu ganz unterschiedlichen Themen. In der Sparte „Pharmamarkt“ gehen wir zunächst auf die GKV-Arzneimittelmarktentwicklung des letzten Jahres ein, ein Thema, dem alljährlich große Aufmerksamkeit zukommt. Die Ausgabensteigerung von rund 5 % liegt dieses Mal im Korridor der Erwartungen und begründet sich durch innovative Therapien, aber auch Einsparungen durch pharmazeutische Hersteller und Apotheken in Höhe von fast 7 Milliarden Euro. Unser zweiter Beitrag beleuchtet die Marktentwicklung im Apotheken-Versandhandel und stellt eine Prognose vor, wie sich das Bestellgeschäft unter Heranziehung dreier Szenarien in den nächsten Jahren entwickelt. Der Erkrankung Hepatitis C wurde in letzter Zeit große Aufmerksamkeit zuteil, nicht zuletzt wegen der innovativen Medikamente, die nun zur Verfügung stehen. Wie ein umfassendes Gesundheitsmanagement bei dieser Erkrankung helfen könnte, sie zu eliminieren, hat IMS Health in einem Interview mit dem Geschäftsführer der Leberhilfe-Projekt gUG, Achim Kautz, erfahren. Im sog. Eco Hep-Projekt wurde ein Modell erarbeitet, das die gesundheitsökonomische Bedeutung der Erkrankung ermittelt und Maßnahmen einer adäquaten Versorgung zur Vermeidung von Kosten vorschlägt. Der zweite Beitrag in der Rubrik „Healthcare Welt“ beschäftigt sich mit dem Wert etablierter Kundenbeziehungen. Wie sich Veränderungen in der Betreuung von Ärzten oder Apothekern auf den Umsatz auswirken, können Pharmaunternehmen auf Basis von Disruptionsanalysen wie sie IMS Health anbietet erfahren. „Big Data“ und Digitalisierung – an diesem Thema kommen in der „Healthcare Welt“ Tätige kaum mehr vorbei. Ein neuer Bericht des IMS Institute for Healthcare Informatics setzt sich ebenfalls damit auseinander und beleuchtet den Nutzen vielfältig verfügbarer Gesundheitsdaten unter bestimmten Voraussetzungen. Die Zusammenfassung des Reports finden Sie in der Sparte „Technology & Applications“. Welche Bedeutung außerdem im Kontext digitaler Entwicklungen Gesundheits-Apps im Allgemeinen und Apotheken-Apps im Speziellen zukommt, behandelt der zweite Artikel in dieser Rubrik. In unserer News-Spalte informieren wir dieses Mal über IMS Health-Berichte zum Medizinischen Sachbedarf, die es, kontinuierlich weiterentwickelt, nun seit 30 Jahren gibt. Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre, Ihr Dr. Frank Wartenberg, President Central Europe © IMS Health, Februar 2016, 51. Ausgabe 2 51. Ausgabe - Februar 2016 Inhalt 4 Pharmamarkt 8 Apothekenversandhandel weiterhin im Aufwind Pharmamarkt IMS Health: GKV-Arzneiausgaben steigen 2015 um knapp 5 % 11 17 20 Healthcare-Welt „In unserem Gesundheitssystem müsste es keine Todesfälle durch Hepatitis C geben“ Interview mit Achim Kautz, Leberhilfe Projekt gUG Healthcare-Welt Der Wert etablierter Kundenbeziehungen Disruptionsanalysen unterstützen Vertriebssteuerung Technology & Applications Die Lücke im Gesundheitssystem schließen Die wichtige Rolle anonymisierter Daten 24 IMS News 26 30 Jahre IMS Health-Berichte zum Medizinischen Sachbedarf IMS Health Termine 27 IMS Veranstaltungen 2016 Technology & Applications IMS Health Vortrag in Schladming: „Alles App-O-theke, oder was?“ © IMS Health, Februar 2016, 51. Ausgabe 3 PHARMAMARKT IMS Health: GKV-Arzneiausgaben steigen 2015 um knapp 5 % Die Ausgaben für Arzneimittel und Test-Diagnostika, jedoch ohne Impfstoffe, belaufen sich für den gesamten GKV-Markt (GKV: Gesetzliche Krankenversicherung) im Jahr 2015 auf etwa 32,3 Milliarden Euro zum Apothekenverkaufspreis nach Abzug der durch pharmazeutische Hersteller und Apotheken geleisteten Einsparungen in Form von Rabatten nach § 130 SGB V. Einsparungen aus Rabattverträgen wurden auf Basis des Dreivierteljahres 2015 hoch gerechnet, da die Zahlen für das Gesamtjahr noch nicht veröffentlicht sind. Patientenzuzahlungen sind nicht berücksichtigt. Vor diesem Hintergrund ergibt sich eine Ausgabensteigerung von 4,9 %. Die trotz der Einführung nicht weniger innovativer Therapien moderate Marktentwicklung erklärt sich wesentlich aus höheren Rabatten wie nachfolgend gezeigt wird. Die Menge nach Packungen erhöhte sich mit gut 1 % wenig (Abb. 1). Abbildung 1: Moderate Steigerung der GKV-Arzneiausgaben und geringer Mengenzuwachs im Jahr 2015 Veränderung zum VJ. in % GKV-Gesamtmarkt (Arzneimittel & Testdiagnostika, ohne Impfstoffe) 32,3 Mrd. Euro 702 Mio. Packungen +4,9% +1,2% Ausgaben Absatz in Packungen Quelle: IMS PharmaScope® Polo, Ausgaben zu Apothekenverkaufspreis nach Abzug von Zwangsrabatten der Pharmazeutischen Hersteller und Apotheken, abzüglich gemeldeter Rabatte aus Erstattungsbeträgen nach §130 SGB V; inkl. Zusatzabschlag aufgrund des Preismoratoriums; Einsparungen aus Rabattverträgen hoch gerechnet auf Basis Jan. bis Sept. 2015; ohne Patientenzuzahlungen, ohne Impfstoffe GKV-Einsparungen durch pharmazeutische Hersteller und Apotheken bei fast 7 Milliarden Euro Im Jahr 2015 haben die pharmazeutischen Hersteller knapp 2,4 Mrd. Euro als Einsparbeitrag durch Herstellerabschläge nach § 130 SGB V an die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) geleistet. In diesen Betrag gehen die je nach Arzneisegment (patentgeschützt, mit und ohne Festbetrag, Generikum) anfälligen prozentualen Abschläge ein, ferner Zusatzabschläge infolge des Preismoratoriums und Rabatte aus Erstattungsbeträgen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Rabattsatz auf patentgeschützte, festbetragsfreie Arzneimittel in den ersten drei Monaten 2015 noch um einen Prozentpunkt höher lag als im Vorjahr, nämlich bei 7 % gegenüber 6 % im ersten Quartal 2014. Die Rabatte aus Erstattungsbeträgen haben © IMS Health, Februar 2016, 51. Ausgabe 4 PHARMAMARKT sich mit einem Volumen von 791 Mio. Euro mehr als verdoppelt. Des Weiteren ergeben sich geschätzt fast 3,4 Mrd. Euro Einsparungen durch Rabattverträge (Vorjahr: 3,18 Mrd. Euro). Hier wurden die von der GKV verlautbarten Einsparungen für den Zeitraum von Januar bis September 2015 (2,54 Mrd. Euro) zu Grunde gelegt und für das Gesamtjahr hoch gerechnet. Hinzu kommen rund 1,1 Mrd. Euro durch die Nachlässe, welche die Apotheken der GKV für rezeptpflichtige Präparate zu gewähren haben. Der Gesamteinsparbeitrag beträgt somit im Jahr 2015 fast 7 Mrd. Euro (Abb. 2). Zwangsrabatt in Mio. Euro Abbildung 2: GKV-Einsparungen durch Rabatte der pharmazeutischen Hersteller und Apotheken in 2015 bei knapp 7 Milliarden Euro 1.115 6.890 Apothekenrabatte Rabatte gesamt 3.385 1.169 791 2.390 Summe Erstattungsbeträge Summe § 130a und 130b 280 150 Generikarabatt Zwangsrabatt 6%/7% Zwangsabschlag Preismoratorium Rabatte aus 130a Abs. 8 Verträgen Quelle: IMS PharmaScope® RealD, Zwangsrabatte in Mio. Euro ohne Impfstoffe; Eigene Berechnung auf Basis BMG KV45 für 1.-3.Quartal 2015 Unberücksichtigt sind in den vorgenannten Zahlen die Rabatte, welche die pharmazeutische Industrie den privaten Krankenversicherern zu gewähren hat. Diese belaufen sich nach IMS Health-Berechnungen auf über 400 Mio. Euro. Ferner außen vor gelassen ist der durch Rabatte erbrachte Einsparbeitrag für im ambulanten Bereich von Krankenhäusern außerhalb des Klinikbudgets eingesetzte Medikamente. Überdurchschnittliches Wachstum innovativer Therapien Im Blick auf einzelne Arzneigruppen zeigt sich, dass vor allem innovative Therapeutika und solche zur Behandlung schwerer Erkrankungen die Ausgabensteigerung beeinflussen (Abb. 3). Die größte Steigerung ist unter den umsatzstärksten Kategorien bei neuen Therapien gegen Hepatitis C (antivirale Mittel exklusive HIV) festzustellen. Der Anstieg in dieser Gruppe ist allerdings in gewisser Weise artifiziell, da manche Neueinführungen zur Hepatitis C-Therapie noch nicht ein Jahr am Markt sind. Überdurchschnittliche Zuwächse verbuchen auch Faktor Xa Hemmer als neue orale Antikoagulanzien (Gerinnungshemmer). © IMS Health, Februar 2016, 51. Ausgabe 5 PHARMAMARKT Im oberen einstelligen bis niedrig zweistelligen Bereich haben sich ferner die Ausgaben für verschiedene Krebsmedikamente wie z. B. Proteinkinasehemmer, MAB (monoklonale Antikörper) Antineoplastika und Immunsuppressiva erhöht. Insgesamt stehen wenige Arzneigruppen für drei Viertel des Ausgabenwachstums. Abbildung 3: Unter den umsatzstärksten Arznei- und Produktgruppen im GKV-Markt legen vor allem innovative Therapeutika gegen Hepatitis C und Krebserkrankungen zu Jahr 2015 Umsatz in Mio. Euro L04B ANTI-TNF PRODUKTE 1.860,6 J05B ANTIVIRALE MITT.EXKL.HIV 1.416,8 A10C HUMANINSULIN UND ANALOGA 1.293,6 L04X SONSTIGE IMMUNSUPPRESSIVA 1.184,2 L01H PROTEINKINASEHEMMER ANTINEOPLASTISCH 1.141,9 L01G MAB* ANTINEOPLASTIKA 1.085,7 T02D DIABETES-TESTS 1.007,7 Veränderungsrate zum Vorjahr % 9,1 87,1 2,7 8,5 19,0 10,3 -0,3 N02A BETAEUBUNGSMITTEL 985,2 1,4 J05C VIRUSTATIKA GEGEN HIV 851,8 1,8 B01F DIREKTE FAKTOR XA HEMMER 772,6 46,0 * MAB: Monoklonale Antikörper (monoclonal antibody) Quelle: IMS PharmaScope® Polo, Absatz in Packungen, ohne Impfstoffe; Umsatz in Euro zum Apothekenverkaufspreis (AVP) abzüglich der von Herstellern und Apotheken zu leistenden Zwangsrabatte, abzüglich gemeldete Rabatte aus Erstattungsbeträgen nach §130 SGB V; ohne Einsparungen aus Rabattverträgen; Absatz in Packungseinheiten; ohne Impfstoffe Mehr Großpackungen verordnet Bei rezeptpflichtigen Präparaten wurden mehr größere Packungen (Packungsgröße N3) verordnet (+3 %), während kleinere (N1, - 1 %) und mittlere Packungsgrößen rückläufig waren (-2 %). Dies macht sich vor allem bei Präparaten unter Rabattvertrag bemerkbar, und zwar sowohl bei patentfreien (Generika, Altoriginale) als auch bei patentgeschützten Arzneien. Bei letzteren steigt der Anteil der Großpackungen auch bei Nicht-Rabattmedikamenten leicht an, was auf die Etablierung neuerer Therapien zurückzuführen sein dürfte. Marktanteil patentfreier Arzneien unter Rabattvertrag steigt Der Marktanteil von als „Rabattmedikamenten“ abgegebenen patentfreien Arzneien, im Schwerpunkt Generika, steigt seit 2013 wieder an. Mit dem Verbot der Portfolioverträge zum April 2013 sank die Rabattquote zunächst auf 59 %. In ihren Wirkstoffausschreibungen ab Mai 2013 berücksichtigten die Krankenkassen fortan nicht mehr alle „kleinen“ Substanzen. Die Umstellung auf Wirkstoffverträge führte dazu, dass die Umsetzungsquoten bei einigen „großen“ Substanzen deutlich erhöht werden konnten. Dies führte in 2014 zu einer Rabattquote von 61 % im patentfreien Segment. Bei „großen“ Substanzen hat sich indessen der Anteil rabattierter Präparate auch in 2015 nochmals erhöht. Insgesamt ist der Marktanteil rabattierter Arzneien im patentfreien Segment für das Jahr 2015 auf nunmehr 63 % gestiegen (Abb. 4). © IMS Health, Februar 2016, 51. Ausgabe 6 PHARMAMARKT Abbildung 4: Marktanteil rabattierter Präparate hat sich bei „großen“ Substanzen in 2015 weiter erhöht Jahr 2015 63 % des generikafähigen GKV Marktes unter Rabattvertrag (Anzahl Packungen in Mio.) 566 570 580 41% 39% 37% 59% 61% 63% Hohe Umsetzungsrate bei wichtigen Substanzen 74 IBUPROFEN 79 81 PANTOPRAZOLE METOPROLOL 82 86 BISOPROLOL 83 85 88 90 SIMVASTATIN 2013 2014 Mit Rabattvertrag 2015 87 % Anteil Packungen mit Rabattvertrag an Gesamtsubstanz im patentfreien GKV-Markt 2014 2015 Quelle: IMS Contract Monitor® National, patentfreies Segment (Generika, Originale und Zweitanbieter mit abgelaufenem Patent, nie geschützte Produkte) Dr. Gisela Maag © IMS Health, Februar 2016, 51. Ausgabe 7 PHARMAMARKT Apothekenversandhandel weiterhin im Aufwind Der Umsatz des gesamten Apothekenmarktes rezeptfreier Arznei- und Gesundheitsmittel ist in den letzten fünf Jahren durchgängig im niedrigen bis mittleren einstelligen Bereich gestiegen. Im Vergleich der Jahre 2015 und 2011 ergibt sich aktuell ein Mehrumsatz von knapp 1,3 Mio. Euro bzw. ein Zuwachs von rund 19 %. Sowohl die Vorortapotheke als auch der Apothekenversandhandel profitierten von dem Aufwärtstrend (Abb. 1). Abbildung 1: Aufwärtstrend im Apothekenmarkt rezeptfreier Arznei- und Gesundheitsmittel Rezeptfreie Arznei- und Gesundheitsmittel, Apotheke Offizin-/Versandhandels-Umsatz in Mio. Euro +/-% Euro 1,7% 6.810 743 (10,9%) 6.926 806 (11,6%) 6.068 (89,1%) 6.120 (88,4%) 7,2% 2,5% 6,2% 7.356 860 (11,7%) 7.542 960 (12,7%) 6.496 (88,3%) 6.582 (87,3%) Jahr 2015 ggü. Vorjahr 8.088 1.039 (12,8%) Gesamtmarkt rezeptfreier Arznei- und Gesundheitsmittel 7.049 (87,2%) Versandhandel Offizin 2011 2012 2013 Versandhandel 2014 7,2 8,2 7,1 2015 Offizin Quelle: IMS Dataview®; Rezeptfreie Arznei- und Nichtarzneimittel, OTCGMS (Gruppen 1-19,97), BRD-Gesamt, Apotheke Offizin-/VH-Umsatz Mio. €, Marktanteil Wert Wachstumstreiber Versandhandel Innerhalb der letzten fünf Jahre ist das Versandhandelsgeschäft mit + 40 % deutlich stärker gewachsen als die Offizinapotheke (+16 %), so dass sich der Marktanteil des Bestellgeschäfts zwischen 2011 und 2015 um zwei Prozentpunkte erhöht hat. Aktuell entfallen rund 13 % des gesamten Umsatzes mit rezeptfreien Arznei- und Gesundheitsmitteln auf den Versandhandel. Waren noch vor einigen Jahren die Verkäufe im Versandhandel überwiegend hochpreisigen Dauermedikationen vorbehalten, für welche die Anonymität beim Kaufakt eine Rolle spielte, zum Beispiel Präparate gegen Haarausfall oder urologische Produkte für den Mann, so sind es heute auch Produkte für den Akutbedarf, die für die Hausapotheke auf Vorrat erworben werden wie z. B. Erkältungspräparate. Aktuell liegt der Versandhandelsanteil bei fast allen rezeptfreien Produktgruppen im zweistelligen Bereich. Die höchsten Versandhandelsanteile weisen hierbei u.a. „Produkte zur Gewichtsabnahme“ (36 %), „Herz- und Kreislaufmittel“ (19 %) sowie „Entwöhnungsmittel“ (21 %) auf. Für diese Bereiche bestand beim © IMS Health, Februar 2016, 51. Ausgabe 8 PHARMAMARKT Verbraucher bzw. Patienten von Anfang an eine hohe Versandhandelsaffinität aufgrund von Preisvorteilen gerade bei höherpreisigen Produkten, der regelmäßigen Einnahme bzw. Therapie und der Anonymität. Patienten mit Dauertherapie planen ihren Bedarf im Vorfeld und nehmen gerne Preisabschläge im Versandhandel in Anspruch. Gleichwohl gehören nicht mehr alle diese Produktgruppen aktuell zu den Wachstumstreibern wie nachfolgend gezeigt wird. Starke Wachstumstreiber im Versandhandel sind u.a. Erkältungs- und Schmerzpräparate, Mittel für die Verdauung sowie Vitamine, Mineralstoffe und Nahrungsergänzungsmittel. Sie machen zusammen knapp 50 % des gesamten Versandhandelsumsatzes aus und wachsen in den letzten zwei Jahren überwiegend im zweistelligen Bereich. Ein ebenfalls deutliches Wachstum zeigt sich bei Prophylaxe-Präparaten aus der Gruppe der Immunstimulanzien (+13 %) sowie bei Entwöhnungspräparaten (+13 %). Der Umsatz mit Produkten aus dem Herz-Kreislauf-Bereich und Mitteln für die Blase und Fortpflanzungsorgane erhöht sich hingegen kaum. Ein Rückgang im höheren einstelligen Bereich zeigt sich bei Produkten zur Gewichtsabnahme sowohl in der Offizin als auch im Versandhandel. Der Versandhandel hat u.a. mit Publikumswerbung in TV- und Printmedien sowie Investitionen in eine schnellere Bestellabwicklung viel investiert, um die Aufwärtsentwicklung zu befördern. Nicht zuletzt trägt auch der Generationswechsel und der daraus resultierende Umgang mit digitalen Medien im Sinne der Nutzung von Online-Shops zu einem kontinuierlichen Wachstum im Versandhandel bei. Erkältungsprodukte als Beispiel für geändertes Bestellverhalten im Versand Husten- und Erkältungsmittel haben mit 9 % einen unterdurchschnittlichen Versandhandelsanteil. Mit einem Umsatz von 163 Mio. Euro (zu effektiven Verkaufspreisen, Abb. 2) im Jahr 2015 bilden sie hinter Schmerzmitteln das zweitwichtigste OTC-Segment im Versandhandel (OTC: over the counter = rezeptfrei). Abbildung 2: Aufwärtstrend rezeptfreier Husten- und Erkältungsmittel im Apotheken-Versandhandel Rezeptfreie Arznei- und Gesundheitsmittel, Apotheke Offizin-/Versandhandels-Umsatz +/-% Euro +/-% Euro in Mio. Euro +13,0% +1,7% 1.488 117 (7,9%) 1.513 127 (8,4%) 1.371 (92,1%) 1.387 (91,6%) Jahr 2015 ggü. Vorjahr +13,5% -4,5% 1.710 140 (8,2%) 1.570 (91,8%) 1.632 145 (8,9%) 1.488 (91,1%) 1.853 163 (8,8%) 1.690 (91,2%) Erkältungsmarkt Versandhandel Offizin 2011 2013 2012 Versandhandel 2014 13,5 Jahr 2014 ggü. Vorjahr -4,5 3,6 12,5 13,6 -5,2 2015 Offizin Quelle: IMS Dataview®; Rezeptfreie Arznei- und Nichtarzneimittel, OTCGMS (Gruppen 01 Husten und Erkältungsmittel), BRD-Gesamt, Apotheke Offizin-/ VH-Umsatz Mio. €, Marktanteil Wert © IMS Health, Februar 2016, 51. Ausgabe 9 PHARMAMARKT Die Entwicklung der beiden letzten Jahre zeigt jedoch, dass der Versandhandel hier aufholt, denn die Wachstumsraten gleichen sich der Offizin an. Starke Wachstumstreiber waren in beiden Vertriebsschienen Grippemittel, Expektorantien und Schnupfenmittel wie z. B. preisgünstige Nasensprays. Befördert wurde diese Entwicklung durch diverse Erkältungswellen. Prognose: Weitere Zunahme des Versandhandels zu erwarten IMS Health rechnet mit einem Anstieg des Versandhandelsumsatzes von 1,0 Mio. Euro im Jahr 2015 auf ca. 1,2 Mio. Euro für rezeptfreie Arznei- und Gesundheitsmittel im Jahr 2018 (Abb. 3). Somit wird sich die in der Vergangenheit begonnene Aufwärtsentwicklung des Versandhandels auch in den nächsten Jahren fortsetzen. Bei Entwicklung dreier Szenarien – ausgehend von einem niedrigen, mittleren und hohen Zuwachs – ist auf Basis der mittleren Steigerung im Durchschnitt von einem jährlichen Wachstum von 6 % pro Jahr auszugehen. Schwankungen können sich aus saisonalen und nicht vorhersehbaren Einflussfaktoren ergeben. Abbildung 3: Prognose zur Umsatzentwicklung des Versandhandels mit rezeptfreien Arznei- und Gesundheitsmitteln bis 2018 Rezeptfreie Arznei- und Nichtarzneimittel, Versandhandels-Umsatz in Mio. Euro +6,6% +8,6% 743 2011 806 860 2012 2013 Tatsächlicher Umsatz +8,1% +11,7% 960 2014 Prognose auf Basis hohen Wachstums 1.207 1.038 2015 +6,1% +6,4% +6,3% 1.103 999 2016 (Prognose) Prognose auf Basis mittleren Wachstums 1.297 1.383 1.174 1.050 2017 (Prognose) 1.245 1.108 2018 (Prognose) Prognose auf Basis niedrigen Wachstums Quelle: IMS® Consumer Report Apotheke und IMS Prognosemodell ohne Berücksichtigung zukünftiger Einflussfaktoren + Saisonale Faktoren, Rezeptfreie Arznei- und Nichtarzneimittel, OTCGMS (Gruppen 1-19+97), BRD-Gesamt, Versandhandels-Umsatz Mio. € Trotz der Aufwärtstendenz des Versandhandels im Gesundheitsmarkt hat auch die Offizinapotheke nach wie vor ihren Stellenwert. Denn auf sie entfällt der größte Umsatzanteil und sie bleibt wichtige Anlaufstelle der medizinischen Versorgung, auch, jedoch nicht nur, in der Akutversorgung. Christina Rings / Marlies Spiegel © IMS Health, Februar 2016, 51. Ausgabe 10 HEALTHCARE-WELT „In unserem Gesundheitssystem müsste es keine Todesfälle durch Hepatits C geben“ Umfassendes Gesundheitsmanagement bei Hepatitis C könnte helfen, die Krankheit zu eliminieren – Interview mit Achim Kautz, geschäftsführender Gesellschafter der Leberhilfe Projekt gUG Um die Versorgungslage bei Erkrankungen einzuschätzen und zu verbessern, bedarf es u.a. epidemiologischer und gesundheitsökonomischer Kennzahlen sowie Daten zur Anwendung von Arzneimitteln im Versorgungsalltag. Die gemeinnützige Leberhilfe-Projekt gUG stellt dieser Tage ein Modell vor, das u.a. von IMS Health zur Verfügung gestellte Daten nutzt. Auf der Grundlage der über die Anwendung des Modells erhaltenen Erkenntnisse sollen sich Maßnahmen ableiten und implementieren lassen, die nicht nur die gesamtökonomischen Kosten zum Management der Erkrankung reduzieren, sondern auch mittelfristig helfen, die Erkrankung selbst zu eliminieren. IMS Health sprach mit dem Geschäftsführer, Achim Kautz, über das Projekt und mögliche Konsequenzen im Kontext des Hepatitis C-Managements. Achim Kautz, Geschäftsführer und Gründer der Leberhilfe Projekt gUG, setzt sich seit vielen Jahren für die Verbesserung von Lebererkrankungen und Unterstützung betroffener Patienten ein. Er ist u.a. Mitbegründer des nationalen Strategieplans gegen Virushepatitis und war bzw. ist in führender Position bei verschiedenen Organisationen tätig, bspw. der Europäischen Vereinigung von Leberpatienten (ELPA), World Hepatitis Alliance, Deutschen Leberstiftung oder auch Bundesarbeitsgemeinschaft Leber. IMS H: Herr Kautz, welche Ziele verfolgt das Leberhilfe-Projekt? Kautz: Die Leberhilfe-Projekt gUG hat zum Ziel, Projekte umzusetzen im Sinne des Patientennutzens. Dazu bedienen wir uns wissenschaftlicher Unterstützung. Denn jedes Projekt, das wir durchführen, muss wissenschaftlich validiert sein, um die Entscheider im Gesundheitswesen zu überzeugen, dass das, was wir machen, nicht nur Patientenwunsch ist, sondern wissenschaftlich belegt ist. Pro Projekt haben wir verschiedene Partner, entweder national oder international, an Universitäten und Institutionen, je nach Thema und Know-how. IMS H: Können Sie das an Ihrem aktuellen Projekt, zu dem Sie der Öffentlichkeit dieser Tage erste Ergebnisse präsentieren, verdeutlichen? Kautz: In unserem sog. Eco-Hep Projekt arbeiten wir die gesundheitsökonomische Bedeutung der Hepatitis-C-Erkrankung heraus, und zeigen im Weiteren, wie durch eine adäquate Versorgung Kosten vermieden werden können. © IMS Health, Februar 2016, 51. Ausgabe 11 HEALTHCARE-WELT IMS H: Was war die Motivation für diesen Ansatz? Kautz: Ausgangsidee war, das beste europäische System mit dem schlechtesten hinsichtlich der Versorgung von Hepatitis-C zu untersuchen. Das bedeutete in diesem Fall konkret Frankreich und Rumänien unter die Lupe zu nehmen. In Frankreich hat man nämlich sehr früh einen sehr guten Strategieplan aufgesetzt. Frankreich zählt mittlerweile zu einem Niedrigprävalenzland mit 0,2 bis 0,3 % Verbreitung. Dem gegenüber steht Rumänien mit einer hohen Hepatitis C Prävalenz von mindestens 3,8 %, in einzelnen Regionen sogar bis zu 8 %. IMS H: Das sind massive Unterschiede. Wie erklären sich diese? Kautz: Der größte Unterschied lag darin, dass in Rumänien nicht erkannt wurde, dass der Mitteleinsatz viel strukturierter erfolgen muss, um schnell die Mortalität zu drücken, die Spätfolgen zu reduzieren, und dann auch die Gesamtbelastung durch Hepatitis C in Rumänien dauerhaft zu senken. Vor diesem Hintergrund hatten wir die Idee, ein Modell aufzusetzen, das gesundheitsökonomisch im Ländervergleich untersucht, wie sich der Einsatz von mehr und besseren Medikamenten auswirken würde. Außerdem wollten wir die indirekten Kosten beziffern über den Produktivitätsverlust der diagnostizierten Bevölkerung. Dieser fällt zwar auch bei der nichtdiagnostizierten Bevölkerung an, aber dafür hatten wir keine Zahlen. Wir haben festgestellt, dass der für die Mehraufwendungen im HCV-Management und der Produktivitätsverlust in Rumänien pro Jahr anfallenden Betrag etwa 40 Mio. Euro ausmacht. Das ist für dieses Land schon bedeutsam. Denn mit 40 Mio. Euro könnte man einiges erreichen hinsichtlich Vorsorge, Behandlung, Heilung und Verringerung der Gesamtlast. IMS H: Wer sind die Adressaten dieser Ergebnisse? Kautz: In diesem Fall die politischen Entscheider. Wir hatten hier einige Hürden zu nehmen, aber letztlich wurden verschiedene wichtige Schritte unternommen. So kommen z. B. nun mehr und bessere Therapien zum Einsatz, d.h. die Therapieraten wurden erhöht und gerade die Spätfolgenpatienten werden auch besser versorgt. Es hat sich inzwischen die Überzeugung durchgesetzt, dass sich das lohnt. IMS H: Stichwort Medikation: Sie kennen ja die vielfach aus der Kostenperspektive geführte Diskussion um die neuen Hepatitis C-Therapien. Klinken Sie sich hier in irgendeiner Weise ein? Kautz: Nein, da halten wir uns zurück, es wurde dazu ja schon viel von verschiedenen Stellen gesagt. Ich glaube allerdings, was die Diskussion negativ beeinflusst hat, war die Frage „wie viel kostet ein Medikament“ und nicht „wie viel kostet eine Heilung“. Das ist ein riesengroßer Unterschied. Andere Therapien, die das Leben um wenige Wochen verlängern, kosten z. T. das Dreifache. Das wurde in der Diskussion meinem Eindruck nach nicht berücksichtigt. Nun gibt es eine Therapie, die kurz ist, weitgehend nebenwirkungsfrei und heilt. Jeder geheilte Patient entkommt der Stigmatisierung, der Ausgrenzung, der Einschränkung durch Lebensqualität und kann eine Zukunftsplanung machen. Letztlich reduzieren wir mit jeder Heilung auch die Todesraten. In unserem Gesundheitssystem müsste es keine Todesfälle durch Hepatitis C geben. © IMS Health, Februar 2016, 51. Ausgabe 12 HEALTHCARE-WELT IMS H: Heißt das, eine solcherart verkürzte Diskussion übersieht die relevanten Stellgrößen für ein umfassendes Hepatitis C-Management? Kautz: Ja, auf jeden Fall. In unserem Projekt haben wir zwischen 2013 und 2015 mit Hilfe von IMS Health Daten analysiert, wie viel eine Heilung kostet. Und da kommen wir zu einer Range von 20.000 bis 128.000 Euro je nach Patient pro Heilung. Jetzt, mit den neuen Medikamenten haben wir eine Range von 35.000 bis 75.000 Euro pro Heilung. Wir möchten mittels des Modells darauf hinweisen, dass die Therapie auch nur ein Baustein im gesamten Hepatitis C-Management ist. IMS H: Kommen wir wieder auf Ihr Projekt zurück. Welche Bedeutung hat es für Deutschland? Kautz: Um den Transfer von dem früheren Projekt zu dem jetzigen herzustellen, muss man wissen, dass wir in Deutschland zwischen 2013 und 2015 einen Quantensprung in Richtung Hepatitis C-Management gemacht haben. Wir haben jetzt mittlerweile ca. 25.000 Therapien pro Jahr, ein sehr guter Ansatz, das ist fast die Maximalkapazität dessen, was Ärzte überhaupt derzeit leisten können in der Therapie, und wir haben die neuesten Medikationen zur Verfügung. IMS H: Also alles gut? Kautz: Eigentlich ja, aber wenn man etwas länger schaut, werden wir in fünf Jahren die Situation haben, keine diagnostizierten Patienten mehr zur haben, die dann eine Therapie bekommen, weil Diagnostik in Deutschland durch Zufall passiert. Bspw. entweder durch einen Hausarztwechsel oder weil die Symptome klinisch auffällig sind. Pro Jahr werden etwa 3,5 % aus der nichtdiagnostizierten Population identifiziert, was gemessen an über 100.000 nicht-diagnostizierten Patienten viel zu gering ist. Wir haben ein Indiz, dass wir in Deutschland im Moment ein recht schlechtes Gesundheitsscreening haben, und dass rund 80 % der reinen Gesundheitsmanagementkosten ohne HCV-Therapie (Hepatitis C, Anm. d. Red.) derzeit ausgegeben werden für etwa 20 % der Patienten mit Spätfolgen. Das muss nicht sein, denn rechtzeitig diagnostiziert, könnten die Kosten viel niedriger sein. Die gehen ja letztlich zu Lasten eines Kostenträgers, der froh wäre, wenn man Kosten reduzieren könnte. Und genau das kann man mit sehr geringen Investitionen erreichen und sollte bedacht werden angesichts der Anzahl Erkrankter. Denn immer noch haben wir etwa 40.000 bis 45.000 Zirrhotiker, ungefähr 10.000 Patienten, die sich im Stadium einer dekompensierten Zirrhose befinden, ungefähr 5.000, die an Leberkrebs leiden und ca. 1.000 bis 2.000 Menschen, die jährlich an Hepatitis C versterben. IMS H: Das bedeutet für Ihr Projekt? Kautz: Unser Ansinnen ist es, zu zeigen, dass sich die Spätfolgen sehr schnell reduzieren lassen, wenn mehr nach den vorhandenen Leitlinien behandelt würde. Diese sind in Bezug auf die Diagnostik einfach zu befolgen. Wenn mehr diagnostiziert würde, wäre eine Elimination der HCV in Deutschland möglich, und zwar noch vor 2030. © IMS Health, Februar 2016, 51. Ausgabe 13 HEALTHCARE-WELT IMS H: Wie verbindet sich das Ansinnen mit Ihrem gesundheitsökonomischen Modell? Kautz: Warum wir einen gesamtökonomischen Ansatz gewählt haben, liegt daran, dass Deutschland ein viel komplexeres Gesundheitswesen hat als viele andere Länder in der Welt und wir ein Modell kreieren wollten, von dem wir sagen können: wenn es in Deutschland funktioniert, funktioniert es überall. Wir wollten herausfinden, wer die Kosten für Hepatitis C gesamtökonomisch bezahlt und wer wie davon profitieren könnte, wenn mehr Screening stattfände, und wie sich das Bild der Hepatitis C in Deutschland verändern würde. Wir haben das Modell, das wir für Rumänien und Frankreich erarbeitet hatten, noch viel weiter entwickelt, etwa im Blick auf verschiedene Szenarien, Screeningmethoden, Matchingmethoden (Anm. d. Red.: Vergleiche mit Kontrollgruppen). Wir haben Sensitivitätsanalysen durchgeführt, haben aber auch die ganze „social passway route“ des Patienten berücksichtigt. IMS H: Das heißt konkret? Kautz: D.h. welche sozialen Komponenten spielen eine Rolle, wenn man Hepatitis C hat, ist es z. B. die Frühverrentung, oder dass nach einer Reha keine Rückkehr in den Beruf erfolgt, wie sieht das mit dem Produktivitätsverlust aus, mit Krankheitsfortschreibung bzw. Lohnfortzahlungen, mit Hepatitis C assoziierten Unfällen in Kliniken, um nur einige relevante Parameter zu nennen. IMS H: Für das Modell brauchen Sie ja Daten. Welche stehen Ihnen da zur Verfügung? Kautz: Die Daten sind sehr vielfältig. Grundsätzlich brauchen wir bevölkerungsepidemiologische Daten zur Verbreitung von Hepatitis C, und zwar aufgeschlüsselt z. B. nach Altersgruppen und Gesundheitsstadien. Dann brauchen wir die Anteile von Erwerbs- versus Nichterwerbstätigen versus Pensionierten versus jungen Menschen, die vielleicht noch nicht erwerbstätig sind. Wir benötigen weiterhin Gesundheitsdaten z. B. zur Wahrscheinlichkeit des Wechsels von einem Gesundheitsstadium zum nächsten, wenn man nicht diagnostiziert ist. Ferner zur Wahrscheinlichkeit, wenn man diagnostiziert ist, damit wir das vergleichen können. Wir brauchen Zahlen zu Krankschreibungen, zu den Erwerbsunfähigkeitstagen, den Kosten für ein HCV Management ohne HCV-Therapie, den Therapiekosten, der natürlichen Mortalität, der HCV-bedingten Mortalität, all solche Informationen. IMS H: Das heißt, Sie nutzen ganz unterschiedliche Quellen? Kautz: Ja. Wir haben für unser Projekt zunächst versucht, nur deutsche Daten zu nehmen. Das hat sich aber als sehr schwierig erwiesen, weil die Prävalenz- und Inzidenzdaten auch Lücken aufweisen, etwa weil für bestimmte Gruppen die Informationen nicht vorliegen. Deshalb haben wir z. T. auch europäische oder Schweizer Quellen genommen, die das für Deutschland untersucht haben. IMS H: Also öffentliche Gesundheitsdaten? Kautz: Genau. Wir haben sehr viel aus dem GBE (Gesundheitsberichterstattung des Bundes, Anm. d. Red.) genommen, Expertenbefragungen in Kliniken gemacht, die Kostenträger selbst gebeten, uns Daten zu liefern. Die Zahlen kommen sowohl von Institutionen, aber auch aus der Markt- und Versorgungsforschung. © IMS Health, Februar 2016, 51. Ausgabe 14 HEALTHCARE-WELT Hinsichtlich der Krankheitslast, also den Fehltagen, haben wir von IMS Health sehr viel Hilfe bekommen, und auch hinsichtlich der Frage, wie Medikation verabreicht wird und welche Kosten über welche Zeit anfallen. Das sind Kernkomponenten des Modells. IMS H: Die IMS Health Daten entstammen zwei Quellen, der Datenbank IMS Disease Analyzer und der Studie IMS LRx. Wie haben Sie diese genutzt? Kautz: Mit Hilfe der IMS Health Disease Analyzer Datenbank-Analysen waren wir in der Lage, die sog. indirekten Kosten, den Produktivitätsverlust, zu validieren. Um diese z. B. bezüglich der Erwerbsunfähigkeit berechnen zu können, brauchen wir die Erwerbsquote der Hepatitis C Erkrankten in einem Land. Da waren die IMS Health Daten sehr hilfreich, weil wir den Vergleich von Hepatitis C-Erkrankten mit Gesunden vornehmen und Ausfallgründe berücksichtigen konnten. Z. B. fehlt ein Hepatitis C Patient ja auch einmal wegen einer Erkältung zwei, drei Tage. Diese Daten von IMS Health waren unglaublich hilfreich, weil unsere Gesundheitsökonomen den Produktivitätsverlust kalkulieren konnten. IMS H: Wie fanden die Daten zur Verschreibung Verwendung? Kautz: Die waren ebenfalls sehr hilfreich, weil wir über Zeiträume hinweg vergleichen konnten, etwa die Verschreibungen aus 2013 mit denen aus 2015. Damit konnten wir Fragen beantworten z. B. hinsichtlich der Therapieformen mit oder ohne Interferon, wie auch Durchschnittspreis zu Lasten der GKV. Denn wir als Patientenvertreter sind nicht an den Produkten interessiert, sondern an der Heilung von Menschen. Die Medikamente sind von der Effektivität her das Beste, was es bisher bei der Hepatitis-C-Therapie gegeben hat. Ohne die IMS Health Daten hätten wir den ganzen Block der Therapiekosten-Evaluation einschließlich Prognosen gar nicht entwickeln können. IMS H: Dient das Modell auch für die Anwendung in weiteren Projekten oder auch Ländern? Kautz: Das Modell ist so aufgebaut, dass es eigentlich auf alle Gesundheits- und Sozialsysteme dieser Welt flexibel anzuwenden ist. Dahinter steht ein komplexes Rechenwerk mit vielen Annahmen und Sensitivitätsanalysen. Wir werden die ersten Ergebnisse für Deutschland am 23. Februar 2016 veröffentlichen. Wir beabsichtigen das Modell zunächst in mindestens drei bis fünf weiteren europäischen Ländern anzuwenden. Mit verschiedenen internationalen Organisationen sind wir in Kontakt, z. B. mit der WHO oder der World Hepatitis Alliance. Unsere Zukunftsvision ist die Elimination der Hepatitis C. IMS H: Wann werden Sie denn zufrieden sein oder anders gefragt, wann ist das Projekt für Sie ein voller Erfolg? Kautz: Zufrieden nie. Aber ich glaube, das Projekt ist schon jetzt ein voller Erfolg durch die Gesamtbetrachtung, denn diese Perspektive wurde so noch nie eingenommen. Wenn die verschiedensten Beteiligten, Patienten, Politiker, Experten und Kostenträger, sich zusammensetzen würden und auf Basis der Empfehlungen, die wir ja schon 2013 vorgelegt haben, schrittweise deren Implementierung stattfände, dann könnten alle Beteiligten, und vor allem der Patient, extrem entlastet werden. Unsere Empfehlungen © IMS Health, Februar 2016, 51. Ausgabe 15 HEALTHCARE-WELT sind ja ziemlich einfach. Wir brauchen eine gute Prävention, ein gutes Screening und eine schnelle Überführung in die Therapie. Wenn das nicht geschieht, werden wir weiterhin extrem hohe Gesundheitskosten haben. Unser Modell arbeitet mit der Annahme wie es aussähe, wenn die größten Risikogruppen gescreent würden und dann zügig eine Therapie bekämen. Wir haben berechnet, dass allein bis 2020 eine Reduktion der Gesamtlast um 30 % möglich ist. Bis 2025 bis zu 70 %. Das ist kurzfristig genug, um eigentlich reagieren zu müssen, denn wir reden hier von Millionenbeträgen. IMS H: In dem Modell steckt ja sehr viel Expertise, Know-How und natürlich Arbeit. Bevor eine solcherart umfängliche Projektarbeit, wie Sie sie eindrücklich dargestellt haben, beginnt: was ist nach Ihrer Erfahrung zu beachten? Kautz: Das Problem, das ich vielfach sehe, ist, dass nicht mit den betroffenen Menschen gesprochen wird. Ich habe 13 Jahre lang Patientenberatung gemacht und war zuständig für die Spätfolgen. Da erleben Sie viel zerstörte Hoffnung. Diese Erfahrung prägt und deswegen finde ich, dass man basisorientiert arbeiten muss, dass man mit Patienten redet und ihnen zuhört, was ihre Belange sind. So gehen wir als Leberhilfe Projekt gUG vor. IMS H: Herr Kautz, vielen Dank für das Gespräch. Das Interview führte IMS Health-Pressesprecherin Dr. Gisela Maag. IMS Health Datenbanken als Basis für gesundheitsökonomische und Versorgungsanalysen IMS® Disease Analyzer Diese IMS Datenbank zeigt anonymisierte Therapie- und Behandlungsverläufe bei niedergelassenen Ärzten. Dadurch lassen sich Krankheits- und Therapieverläufe über mehrere Jahre darstellen. IMS® LRx Die Datenbank IMS® LRx von IMS HEALTH liefert anonymisierte behandlungsorientierte Verordnungsinformationen. IMS® LRx erfasst eingelöste GKV-Rezepte und stellt arztübergreifende und apothekenübergreifende Therapie- und Behandlungsverläufe aus dem Versorgungsalltag tagesgenau und longitudinal dar. Es werden nicht nur Produkte aus dem Bereich Primary Care, sondern auch Spezialprodukte, Nischenpräparate und Orphan Drugs dargestellt. © IMS Health, Februar 2016, 51. Ausgabe 16 HEALTHCARE-WELT Der Wert etablierter Kundenbeziehungen Disruptionsanalysen unterstützen Vertriebssteuerung Ein innovatives Instrument der Vertriebssteuerung Wie wichtig ist es für den Außendienst eines Pharmaunternehmens Kontinuität in der Betreuung von Ärzten oder Apotheken zu erhalten? Und wie wirken sich Veränderungen in der Kundenbeziehung auf die „Brand Performance“ aus? Um solche Kernfragen geht es in einer Disruptionsanalyse. Dieses zukunftsträchtige Instrument zur Vertriebssteuerung wurde von IMS Health entwickelt und im Jahr 2014/15 erstmals in der Praxis erprobt. Der digitale Wandel Im Zuge der Verbreitung des Internets und der immer schnelleren, günstigen und mobilen Zugangsmöglichkeit hat sich unser Zugang und Austausch von Informationen in der vergangenen Dekade grundsätzlich verändert. Viele Unternehmen versuchen diesem Wandel Rechnung zu tragen durch die Erprobung und Einführung von Multi-Channel-Konzepten, um ihre relevanten Zielgruppen weiterhin erfolgreich zu erreichen und zu betreuen. In diesem Umfeld kommt auch immer wieder die Frage auf, welche Rolle und Wert der Außendienst eines Pharmaunternehmens noch hat. Der Wert des Außendienstes Wie eine aktuelle Umfrage von IMS Health ergab, betrachten Ärzte das direkte Gespräch mit dem Außendienst-Mitarbeiter nach wie vor als die mit Abstand wichtigste Informationsquelle, trotz der zahlreichen neuen Kommunikationskanäle, die sich in den letzten Jahren eröffnet haben. Fast zwei Drittel der Ärzte (65 %) lassen sich gerne durch den Außendienst, dagegen nur 22 % gerne via Internet informieren; 93 % stufen den persönlichen Kontakt als nützlich und wertvoll ein, vor allem wegen der fachlichen Kompetenz der Vertriebsmitarbeiter. Den Wert dieses Vertrauensverhältnisses zeigen auch Analysen von IMS Health. Die Etablierung einer Kundenbeziehung wirkt sich in der Regel positiv aus, wird diese - umgekehrt - beendet, wirkt sich das in der Regel negativ aus. Der Wert der individuellen Kundenbeziehung Angesichts der weiterhin bestehenden Wichtigkeit des Außendienstes ist es für Vertriebsmanager umso bedeutender, zu verstehen, ob und wie sich eine Veränderung in der Beziehung zwischen Arzt oder Apotheker und dem Außendienst auf die „Brand Performance“ auswirkt. © IMS Health, Februar 2016, 51. Ausgabe 17 HEALTHCARE-WELT Vor einer Produkteinführung oder einer angedachten Änderung der Außendienststrukturen sind Fragen wie die Folgenden zu klären: • Sollten wir die bestehenden Kundenbeziehungen möglichst erhalten oder nicht? • Wie groß ist der zu erwartende Impact, wenn wir die Organisation oder den geographischen Zuschnitt unseres Außendienstes verändern? • Wie lässt sich ein mögliches „Brand Performance“-Risiko minimieren? Um diesen Fragestellungen auf den Grund zu gehen, nutzt IMS Health sogenannte Disruptionsanalysen. Hierbei ermittelt IMS Health, wie sich der „Brand-Erfolg“ in einer Gruppe von Ärzten/Apothekern entwickelt, die in der Vergangenheit einen Bruch in ihrer Betreuung erfahren mussten, im Vergleich zu einer zweiten Gruppe, die eine konstante Betreuung erfahren hat (Abb. 1). In der Regel verfügen Unternehmen über Daten für eine solch retrospektive Betrachtung. Sie haben sie jedoch meist nie aufbereitet und können den tatsächlichen Wert ihrer Außendienstbeziehungen daher nicht genau einschätzen. Abbildung 1: Disruptionsanalysen liefern relevante Entscheidungshilfen zum Wert einer Außendienst-Arzt-Beziehung im Kontext der eigenen Brand Disruptions-Analyse Durchscnittliche Sales (EUR) Negativer? / Positiver? Einfluss der Disruption Disruptions-Gruppe Ärzte mit Wechsel des betreuenden AD-Mitarbeiters Disruption Kontroll-Gruppe (ohne Disruption) Ärzte mit konstanter Betreuung Vor-Periode Periode nach Disruption Quelle: IMS Consulting Ergebnisse Erste Disruptionsanalysen von IMS Health lassen einige generelle Tendenzen erkennen: • Bei Primary Care-Produkten, mit denen Ärzte langjährige Erfahrungen gemacht haben, wirkt sich ein Wechsel in der Kundenbetreuung nicht nennenswert aus. • Anders dagegen bei neuen therapeutischen Klassen, die sich erst im Wettbewerb behaupten müssen und mit denen Ärzte noch wenig vertraut sind. In einem solchen von IMS Health untersuchten © IMS Health, Februar 2016, 51. Ausgabe 18 HEALTHCARE-WELT Fall zeigte sich: Nach der Disruption einer etablierten Kundenbeziehung verzeichnete das Unternehmen bei den betroffenen Ärzten einen „Brand Performance“-Rückgang von 10 % gegenüber der Kontrollgruppe. Stabile Kundenbeziehungen können also wesentliche – und messbare – Beiträge zur Sales Performance leisten. Ihr Wert variiert je nach Produkt, abhängig von seinem Lebenszyklus und seinem Markt. So lässt sich vermuten, dass die Bedeutung einer kontinuierlichen Betreuung bei Spezialpräparaten noch stärker ist als bei Standardprodukten. Holistische Betrachtung angedachter Strategie bzw. Strukturänderungen möglich Mit der Etablierung der Disruptionsanalysen ist es künftig nun möglich, angedachte Anpassungen bei der Außendienst-Strategie bzw. -Struktur vorab ganzheitlich zu bewerten, um positive Effekte durch z. B. eine bessere Potenzialabdeckung den negativen Einflüssen durch Brüche in der Kundenbeziehung gegenüberzustellen. IMS Health bietet hierzu anhand eines strukturierten Prozesses die Möglichkeit verschiedene Strategieoder Struktur-Szenarien faktenbasiert zu bewerten, um Kunden bei der Gestaltung einer bestmöglichen Vertriebsstruktur zu unterstützen. Abbildung 2: Die Wichtigkeit der Außendienst-Kundenbeziehung mittels Disruptionsanalysen eruieren – Fallbeispiel Ganzheitliche Bewertung Strukturierte Bewertung aller Optionen Option 1A Neue Gebiets struktur Detailierte Ausarbeitung Status Quo Potential -abdeckung Option 1B Evaluierung von Struktur möglichkeiten Spezifikation 1 Option 2A Variante 1 Beibehalten der Struktur Spezifikation 2 Option 2B Variante 2 Spezifikation 3 Gesamt: 46% Brand 1: 45% Brand 2:; 47% Arzt-Disruption 0% Führungs veränderung Abschätzung des „Performance“ Impacts Spezifikation 2 Gesamt: Brand 1: Brand 2: 52 % 51 % 53 % 12% Spezifikation 3 Gesamt: Brand 1: Brand 2: 50 % 46 % 55 % 18% (veränderte Betreuung) (veränderte Betreuung) +/- Anpassung notwendig Anpassung notwendig Brand 1: 0% Brand 2: 0% Brand 1: ~1% Brand 2: ~1% Brand 1: ~0% Brand 2: ~3% Strukturierte, faktenbasierte Unterstützung für die Evaluierung / Umsetzung veränderter AD- Strategien bzw. Strukturen Quelle: IMS Consulting Für jedes Unternehmen, das die Strategie oder die Struktur seines Außendienstes verändern will, sollte eine ganzheitliche, strukturierte und auf Fakten beruhende Bewertung aller Optionen unabdingbar sein. Disruptionsanalysen können grundlegende Daten für solche Bewertungen liefern. In der Vertriebssteuerung der Zukunft sollten sie daher zum Standardinstrumentarium gehören. Florian Scholz © IMS Health, Februar 2016, 51. Ausgabe 19 TECHNOLOGY & APPLICATIONS Die Lücke im Gesundheitssystem schließen Die wichtige Rolle anonymisierter Daten Ein neuer Bericht (Closing the Healthcare Gap) des IMS Institute for Healthcare Informatics befasst sich mit der Thematik von „Big Data“ im Gesundheitswesen, den Chancen, aber auch Risiken, die sich durch die digitale Verfügbarkeit von Daten heutzutage bieten. Dieser Beitrag beinhaltet einen Überblick auf im Report behandelte Aspekte. Die Chance, eine Lücke im Gesundheitswesen zu schließen – nämlich die Kluft zwischen der heutigen Situation und den aus klinischer, ökonomischer und Patientenperspektive vorhandenen Möglichkeiten - verspricht allen Gesundheitssystemen großen Nutzen. Die täglich anschwellende Flut an Gesundheitsdaten in digitalisierter Form eröffnet neue Möglichkeiten für Fortschritte in der Forschung und ein besseres Verständnis unseres vernetzten Gesundheitssystems. Diese riesigen Datenmengen, auch als „Big Data“ bezeichnet, stammen aus unterschiedlichsten Quellen: von direkt am Körper getragenen Geräten, auch tragbare Technologien bzw. Wearables genannt und mobilen Anwendungen (mobile Apps) bis hin zu elektronischen Patientenakten in Krankenhäusern, Transaktionsdaten und Versicherungsfällen. Verfügbarkeit und Nutzung dieser anonymisierten, behandlungsorientierten und Längsschnittdaten aus dem Versorgungsalltag bieten enorme Chancen, die Healthcare-Lücke zu schließen. Diese „Real-World-Daten“ sind aufschlussreicher als Daten aus klinischen Studien und erlauben Erkenntnisse über die Wirksamkeit und Sicherheit von Behandlungen im Alltag und für große Patientenpopulationen. Abbildung 1: Quellen von Big Data im Gesundheitswesen Software der Leistungserbringer Opt-inGenomregister Elektronische Patientenakten der Krankenhäuser Patientenregister Verkaufsstellen außerhalb der Apotheke Private Kostenträger und Versicherungsleistungen Leistungen gesetzlicher Krankenkassen Mobile Daten und Wearables Medizinische Indikationen © IMS Health, Februar 2016, 51. Ausgabe 0110101010111010001010101010 10010101001110101010010100 1 010100101101101010101010101 0 110110101010101010101010001 0 111110110101010101010101010101 010101010100101010101010101 0101010101110101101001101011 1 Big Data Apothekenleistungen 20 TECHNOLOGY & APPLICATIONS Anonymisierte Daten auf Patientenebene Anonymisierte Daten (Daten, die keine Re-Identifizierung des Patienten erlauben, weil personenbezogene Datenelemente entfernt wurden) werden heute auf vielfältige Weise in einem evidenzbasierten Gesundheitssystem genutzt, um bessere Therapieergebnisse zu erzielen sowie unnötige Behandlungen und vermeidbare Kosten zu reduzieren. Eine Verbesserung von Behandlungsresultaten kann auf direktem Weg erreicht werden durch die Verwendung dieser Daten für Wirksamkeitsvergleiche sowie die Entwicklung und Verbreitung von Best Practices, für Patientenpopulationen, Response- und Riskmanagement, Abschätzung von Medizintechnik-Folgen sowie für Leistungs-und Eignungsbeurteilungen von Ärzten und Einrichtungen. Einige dieser Anwendungsbereiche tragen unmittelbar zur Kostenersparnis bei, während andere Verwendungen anonymisierter Daten Krankenhäusern dabei helfen können, im Rahmen ihres Budgets zu bleiben, Kostenträgern Möglichkeiten aufzeigen, die Gesamtkosten der Versorgung pro Mitglied zu reduzieren, und Patienten helfen, ihre Zuzahlungskosten zu reduzieren und insgesamt gesünder zu leben. Zu dem breiten Spektrum an Verwendungsmöglichkeiten von anonymisierten Daten in diesem Kontext gehört das Messen und Vergleichen der „Gesamtkosten der Versorgung“, die Entwicklung geeigneterer und kostengünstigerer klinischer Studien, das Erkennen von unnötigen Behandlungen und unzweckmäßigem Ressourceneinsatz, und die Anpassung von Vergütungen nach Erfolgskriterien. Vernetztes Gesundheitssystem Mittels anonymisierter Daten kann man auch gesundheitsrelevante Ungleichheiten zwischen Subpopulationen feststellen (Alter, sozioökonomischer Status, geografische Herkunft) und so Leistungserbringer und die Gemeinschaft dabei unterstützen, Abhilfe zu schaffen. Der größte Vorteil einer gemeinsamen Nutzung anonymisierter behandlungsorientierter Daten besteht darin, dass man die vielen Interaktionen, Behandlungen und Behandlungsergebnisse, an denen verschiedene Akteure in einem Gesundheitssystem beteiligt sind, im Zeitverlauf betrachten kann. Die Verknüpfung von Informationen in einem vernetzten Gesundheitssystem ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, die Healthcare-Lücke zu schließen. Abbildung 2: Daten für die Healthcare-Forschung Natürliche handelnde Populationen im Gesundheitssystem Daten aus dem Versorgungsalltag Anonymisiert Personenbezogene Daten werden entfernt, generalisiert und verborgen, um die Privatsphäre zu schützen Interaktion von einzelnen anonymen Verbrauchern mit dem Gesundheitssystem findet erkennbar statt Behandlungsorientiert Longitudinale Daten Gesundheit und die Nutzung von Ressourcen des Gesundheitssystems werden im Zeitverlauf sichtbar. Veränderungen und Korrelationen werden deutlich. Quelle: IMS Institute for Healthcare Informatics, Juli 2015 © IMS Health, Februar 2016, 51. Ausgabe 21 TECHNOLOGY & APPLICATIONS Der Nutzen der Forschung über anonymisierte Gesundheitsdaten: die fünf wichtigsten Einsatzgebiete anonymisierter behandlungsorientierter Daten Die Vorteile der Verwendung anonymisierter Behandlungsdaten geht aus begutachteten Forschungspublikationen hervor, auf die Politiker, Wissenschaftler und Akteure im Gesundheitsmarkt zurückgreifen. Sehr gute Dienste zum Nutzen der Patienten und des Gesundheitssystems leisten anonymisierte Daten vor allem • als Orientierung für Strategien, die öffentliche Gesundheit betreffen, z. B. zur Reduzierung antimikrobieller Resistenzen durch sinnvollen Einsatz von Antibiotika; • um Probleme der öffentlichen Gesundheit aufzuzeigen, etwa den Schutz älterer Menschen vor vermeidbaren Stürzen, die durch übermäßige Einnahme von Tranquilizern verursacht werden; • für die Arzneimittelsicherheit und die Vermeidung schwerer Nebenwirkungen durch ein verteiltes Datennetzwerk; • für zielgerichtete Maßnahmen zur Erhöhung der Wirksamkeit von Arzneimitteln, z. B. dem weit verbreiteten Verschreibungsmissbrauch entgegenzuwirken durch ein besseres Verständnis von Patientenverhalten; • um notwendige gesundheitspolitische Veränderungen zu benennen, welche die Versorgung verbessern und Kosten reduzieren, die mit gesundheitspolitischen Maßnahmen beeinflusst werden können, beispielsweise Kosten, die durch Wiederaufnahmen im Krankenhaus entstehen. Die ungeheure Vielfalt verfügbarer Gesundheitsdaten sowie immer ausgefeiltere Methoden der Datenanalyse können die Gesundheitsversorgung verbessern und Kosten reduzieren helfen. Diesem Nutzen muss aber eine angemessene Berücksichtigung des Datenschutzes gegenüberstehen. Da wertvolle Patienten- bzw. Behandlungsdaten durch Individuen und ihre Gesundheitserfahrungen gewonnen werden, muss auch gewährleistet sein, dass der identifizierbare Teil der Gesundheitsdaten einer Person nur in einem klar definierten und erlaubten Kontext genutzt wird. Die Pflicht der Healthcare-Stakeholder, die Privatsphäre des Patienten zu schützen, steht über allem und wird sehr ernst genommen. Das zeigt sich an verstärkten Bemühungen, einen verbindlichen rechtlichen Rahmen für den Schutz der Privatsphäre und entsprechende Durchführungsbestimmungen zu schaffen. Um medizinische Daten des Patienten ausreichend zu anonymisieren und damit dem Datenschutz gerecht zu werden, werden personenbezogene Merkmale wie z. B. Sozialversicherungsnummer, Namen, E-Mail-Adressen, Notfallpass oder Genom-Informationen entfernt, generalisiert und verborgen. Des Weiteren greifen Mechanismen zum Schutz von Privatsphäre und Datensicherheit und vertragliche Beschränkungen, um die Anonymität der Daten und ihren verantwortlichen Gebrauch zu gewährleisten. Da der aus Patientendaten resultierende Nutzen von bestimmten Datenelementen wie z. B. Alter oder Geschlecht abhängt, die indirekt den Patienten identifizieren, kommt es darauf an, den Nutzen der Forschungsdaten und den erforderlichen Schutz der Privatsphäre des Patienten optimal auszutarieren. Die Entfernung aller personenbezogenen Datenelemente, um das Risiko des Rückschlusses auf den Patienten auszuschalten, würde den gesellschaftlichen Nutzen von Forschung deutlich schmälern. Dagegen erlauben es risikobasierte Verfahren, die einerseits Identifikatoren entfernen, um das Risiko der © IMS Health, Februar 2016, 51. Ausgabe 22 TECHNOLOGY & APPLICATIONS Re-Identifizierung zu minimieren, aber gleichzeitig die Verwertbarkeit von Patientendaten sicherstellen, Daten auf Längsschnittbasis für einzelne Patienten und auf aggregierter Basis für Patientengruppen und -populationen aussagekräftig zu analysieren. In Verbindung mit wirksamen vertraglichen Schutzbestimmungen und technischen, physischen und administrativen Sicherungsvorkehrungen bringt diese Herangehensweise dem Gesundheitssystem einen größeren Nutzen und respektiert gleichzeitig die Privatsphäre des Patienten. Sämtliche Stakeholder sind aufgerufen, gemeinsam Fortschritte in vier Schlüsselbereichen anzustreben, damit anonymisierte Daten optimal genutzt werden können: • Erhöhung der Verfügbarkeit und Verbesserung des Zugangs zu hochwertigen Quellen anonymisierter behandlungsorientierter Daten • Stärkere Verwendung anonymisierter behandlungsorientierter Daten in der Forschung • Einhaltung höchster Standards beim Schutz der Privatsphäre und der Datensicherheit • Stärkere Zusammenarbeit, damit Erkenntnisse besser genutzt werden Dieses Bündel an Maßnahmen, dazu das ständig wachsende Aufkommen an Gesundheitsdaten, machen es möglich, dass Gesundheitssysteme weltweit von der Schließung der Healthcare-Lücke profitieren. Den vollständigen Report (in englischer Sprache) können Sie unter folgendem Link herunterladen: © IMS Health, Februar 2016, 51. Ausgabe 23 TECHNOLOGY & APPLICATIONS IMS Health Vortrag in Schladming: „Alles App-O-theke, oder was?“ Vom 17. bis 22. Januar 2016 fand im österreichischen Schladming die 46. Internationale Pharmazeutische Fortbildungswoche der Bundesapothekerkammer, auch kurz „pharmacon“ genannt, statt. Das Ziel der Veranstaltung besteht darin, aktuelles und praxisrelevantes Wissen für den Berufsalltag von Apothekern zu vermitteln. IMS Health und die Apothekerschaft pflegen seit Langem gute Arbeitsbeziehungen, so dass Christian Krüger und Frank Weißenfeldt von IMS Health die Gelegenheit wahrnahmen, über neuere, auch für die Apotheken relevante digitale Entwicklungen zu referieren. In ihrem Vortrag unter dem Titel „Alles App-O-theke, oder was?“ gingen sie darauf ein, wie die zunehmende Digitalisierung des Alltags immer stärker auch die Apotheken tangiert. Die IMS Health-Referenten zeigten u.a. auf, wie die „mobile Revolution“ das Medien- und Kaufverhalten von Apothekenkunden verändert. Das Spektrum reiche von der steigenden Anwendung des Smartphones für den Preisvergleich im stationären Einzelhandel bis hin zur Nutzung von Gesundheits-Apps. Weltweit gebe es 400.000 bis 500.000 solcher mobiler Anwendungen. Für Deutschland gehen die Referenten von etwa 100.000 entsprechenden Webapplikationen aus. Nach einer Analyse von IMS Health in den USA sind 65 % von insgesamt 165.000 Gesundheits-Apps dem Bereich Wellness (Fitness, Lifestyle und Stressmanagement, Diät und Ernährung) zuzurechnen (Abb. 1). Immerhin 24 % der Gesundheits-Apps seien auf Krankheits- und Behandlungsmanagement ausgerichtet, in die Kategorie „Sonstige“ fallen 11 % der Apps. Abbildung 1: Fast ein Viertel der Apps ist auf Krankheits- und Behandlungsmanagement ausgerichtet Zur Zeit sind mehr als 165.000 mobile Gesundheitsanwendungen, sog. mHealth-Apps, für Patienten bzw. Konsumenten verfügbar: 6% 2% 11% Fitness 36% 7% 9% Lifestyle & Stressmanagement 17% 65 % Diät und Ernährung Krankheitsspezifisch 12% Wellness: Frauengesundheit & Schwangerschaft Info & Reminder zur Arznei-Einnahme Gesundheitsversorger / Versicherungen Sonstige Krankheitsund BehandlungsManagement : 24 % Quelle: Mevvy, June 2015, IMS Health, AppScript July 2015; IMS Institute for Healthcare Informations, August 2015 © IMS Health, Februar 2016, 51. Ausgabe 24 TECHNOLOGY & APPLICATIONS Experten sähen in der Kategorie compliancefördernder Apps angesichts zunehmend vieler chronisch kranker und multimorbider Patienten zukünftig einen sehr großen Nutzen, so die Referenten. Eher kritisch beäugten Mediziner, aber auch Apotheker, sog. „Was fehlt mir? Apps“. Hier sähen manche Experten das Risiko, dass solche „Diagnose-Apps“ nicht zu einem seriösen Ergebnis führten oder falsch interpretiert würden, den Patienten verunsichern und am Ende lediglich ein Spielzeug für „Hypochonder“ seien. Spezifische „Apotheken-Apps“ lohnten sich, wenn sie mit fruchtbaren Inhalten für die Nutzer verknüpft seien, die Technik diene letztlich als Hilfsmittel. Jedoch biete sich umgekehrt die Chance, die Technik zu nutzen, um über digitale Kanäle Botschaften zu transportieren. Aus dieser Perspektive kann sich die Apotheke als modernes Service- und Kompetenzzentrum profilieren wie die Referenten an verschiedenen Beispielen zeigten. Doch auch die Vorortapotheken sollten sich der Chancen digitaler Entwicklungen bedienen, empfahlen die Referenten und verdeutlichten dies am Beispiel der neuen Möglichkeiten elektronischer Sichtwahl. In Deutschland arbeiteten geschätzt bereits 150 Apotheken mit dieser neuen Option, weitere rund 1.800 Offizine planten eine entsprechende Investition. Zu empfehlen sei dies gerade stark frequentierten Apotheken mit vielen „Schnelldrehern“, in Kombination mit einer leistungsstarken Automatisierungslösung. Im Kontext des Austauschs zu diesen und ähnlichen Themen ließ sich ein Konsens erkennen hinsichtlich der Ausrichtung, Positionierung und der grundsätzlichen Motivation der Apothekerschaft, sich den neuen Herausforderungen zu stellen und die Zukunft gleichermaßen als Heilberufler und Unternehmer zu gestalten. Dafür braucht es auch die Kenntnis entsprechender Marktentwicklungen. Vor diesem Hintergrund erklärt sich ein steigendes Interesse der Apothekerschaft an IMS Health Marktinformationen und Benchmark-Systemen. Frank Weißenfeldt © IMS Health, Februar 2016, 51. Ausgabe 25 IMS NEWS 30 Jahre IMS Health-Bericht zum Medizinischen Sachbedarf Seit nunmehr 30 Jahren erhebt IMS Health Daten zum medizinischen Sachbedarf, um auch für diesen wichtigen Zweig der Gesundheitsindustrie Einblicke in die Marktentwicklung zu geben. Im Fokus stand dabei zu Beginn die Erhebung von Informationen aus deutschen Akutkrankenhäusern. Mit einem Panel von rund 140 Kliniken wurden in der sog. GPI® Krankenhaus-Sachbedarfs-Studie seit 1975 Informationen zum Einkaufsverhalten für den medizinischen Sachbedarf in deutschen Akutkliniken erhoben. Über die Jahre wurde das Panel stetig ausgebaut, um eine stabilere Datenbasis für die Hochrechnung sowie eine bessere Abdeckung der Vielzahl an Artikeln im Markt zu erhalten. 1986 wurde als Ergänzung der IMS® MSA (Medizischer Sachbedarf in der Apotheke) als eigenständiger Bericht etabliert, um auch das Einkaufsverhalten der öffentlichen Apotheken zu erfassen. Veränderte Marktbedingungen und ein wachsender Einfluss der Gesundheitspolitik sowie deren Fokus auf Entwicklung der Gesundheitsausgaben machten auch im Bereich des medizinischen Sachbedarfes ein Umdenken erforderlich. Einkaufsdaten allein reichten nicht mehr aus, um detaillierte und umfassende Einblicke in den Markt zu gewinnen. Daher wurde im Jahr 2003 eine grundsätzliche Umstellung der GPI Krankenhaus-Sachbedarfs-Studie von einem Einkaufsbericht zu einem Verbrauchsbericht vorgenommen, um diesen Marktveränderungen Rechnung zu tragen. Seitdem erfasst die GPI® Krankenhaus-Sachbedarfs-Studie (DKB®) bis heute auf Basis von knapp 300 Panelkliniken in aktuell elf Produktgruppen den Verbrauch von circa 190.000 Artikeln des medizinischen Sachbedarfs. Dabei wird die Kommissionierung der Artikel auf die jeweiligen Kostenstellen (Stationen) erfasst. Die Erfassung der Artikel erfolgt in einzelnen Zähleinheiten (1 Pflaster, 1 Kanüle, etc.), um so den Verbrauch pro Fachrichtung abzubilden. Um die vielfältigen Veränderungen und Neuentwicklungen transparenter zu machen, wurden die abgabebasierten Klinikdaten im Laufe der Jahre im Hinblick auf sich ständig verändernde Marktbedingungen weiter entwickelt. Seit jeher wurde in enger Zusammenarbeit mit Kunden die Klassifizierung von Artikeln in Produktgruppen kontinuierlich angepasst. Neben der Umstellung bei den Klinikdaten gab es auch Erweiterungen für den Apothekensektor, um auch dieses Segment detaillierter darzustellen. Im Bereich der öffentlichen Apotheken stehen neben dem IMS® MSA heute mit IMS PharmaScope® Diagnostics und IMS PharmaScope® Medical Devices auch abgabebasierte Berichte für Marktanalysen zur Verfügung. Marlen Pechstein © IMS Health, Februar 2016, 51. Ausgabe 26 IMS NEWS 2016 IMS Health Termine v Sa e e th e! at D Next Generation Healthcare Technology 28. April 2016 Darmstadt #IMSTechDay IMS Round Table Meetings 08.03.2016 Vertrieb 10.05.2016 Market Access 07.06.2016 Hospital/MedTech 16.06.2016 Master Data Management 05.07.2016 Biosimilars 21.09.2016 Onkologie Alle Veranstaltung richtet sich ausschließlich und exklusiv an Fach- und Führungskräfte unserer Kundenfirmen aus den Bereichen Pharma, OTC und MedTech. Weitere Informationen finden Sie auf der IMS Website. Dort können Sie sich auch direkt online anmelden. © IMS Health, Februar 2016, 51. Ausgabe 27 IMPRESSUM Über IMS Health: IMS Health ist ein weltweit führendes Informations- und Technologie-Unternehmen und bietet seinen Kunden in der Gesundheitsbranche ganzheitliche Lösungen zur Messung und Verbesserung ihrer Geschäftsergebnisse. 15.000 Mitarbeiter in über 100 Ländern spannen ein globales Netz über die lokalen Märkte und unterstützen die Healthcare-Branche dabei, effizienter zu arbeiten. Zu den Kunden zählen u.a. Pharma-, Consumer-Health- und Medizintechnik-Unternehmen, Leistungserbringer, Kostenträger und Regierungsbehörden. Unsere 7.500 Service-Experten verbinden konfigurierbare SaaS-Anwendungen mit über 10 Petabytes an komplexen Gesundheitsdaten in der IMS One™ Cloud-Plattform. Damit liefert IMS Health einzigartige Einblicke in Krankheiten, ihre Behandlungen sowie damit zusammenhängende Kosten und Auswirkungen. Grundlage der IMS Health Dienstleistungen sind valide und anonymisierte Daten aus dem Arzneimittelmarkt und Versorgungsalltag (Real-World Data). Datenschutz, Anonymität der Datenquellen sowie Neutralität sind dabei für IMS Health oberste Gebote. Mithilfe der IMS Health Daten können ungedeckter medizinischer Bedarf von Patienten erkannt, die Wirksamkeit und der Wert von Arzneimitteln verdeutlicht sowie die Gesundheit im Allgemeinen verbessert werden. Weitere Informationen finden Sie unter www.imshealth.de Copyright: Redaktion: IMS Health Flashlight ist ein regelmäßig erscheinender Newsletter. Alle Angaben und Informationen in diesem Newsletter wurden sorgfältig zusammengestellt und geprüft. Für die Richtigkeit, Aktualität und Vollständigkeit der Informationen wird keine Haftung übernommen. Dr. Gisela Maag IMS Health Pressestelle Tel.: 069 6604 4888 Alle Angaben und Inhalte sind ohne Gewähr. Irrtum und Änderungen vorbehalten. Herausgeber: IMS Health GmbH & Co. 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