Ass.iur. Ch. Meier, BTU Cottbus-Senftenberg Lösung Fall 10: A könnte gegen B einen Anspruch auf Übergabe der Brosche gem. § 433 Abs.1, Satz 1 BGB haben. Voraussetzung dafür ist, dass zwischen A und B ein wirksamer Kaufvertrag über die Brosche geschlossen wurde. Ein Kaufvertrag besteht aus zwei übereinstimmenden wirksamen Willenserklärungen, dem Angebot und der Annahme gem. §§ 145 ff. BGB. Indem B der A die Brosche für 50,- Euro zum Kauf anbietet, gibt sie ein wirksames Angebot gegenüber A ab. Dieses Angebot hat A auch wirksam angenommen, da sie sich sofort mit dem Kauf der Brosche einverstanden erklärte. Mithin ist ein Kaufvertrag über die Brosche für 50,- Euro zustande gekommen. Der Kaufvertrag könnte aber rückwirkend (ex-tunc) vernichtet worden sein. Das ist dann der Fall, wenn eine wirksame Anfechtung gem. § 142 Abs.1 BGB erfolgt ist. Die Anfechtung hat zur Folge, dass der zwischen A und B geschlossene Kaufvertrag als von Anfang an nichtig angesehen wird. Für eine wirksame Anfechtung sind ein Anfechtungsgrund und eine rechtzeitige Anfechtungserklärung notwendige Voraussetzung. Als Anfechtungsgrund kommt ein Eigenschaftsirrtum gem. § 119 Abs.2 BGB in Betracht. Ein Eigenschaftsirrtum ist dann gegeben, wenn sich der Erklärende über verkehrswesentliche Eigenschaften einer Person oder Sache geirrt hat. Eigenschaften einer Person oder Sache sind alle gegenwärtigen Faktoren, die für deren Wert oder Verwendbarkeit unmittelbar von Bedeutung sind. Kurz gesagt, es sind alle wertbildenden Faktoren, nicht jedoch Preis und Wert der Sache selbst. Als B der A die Brosche zum Kauf angeboten hat, wusste sie nicht, dass die Brosche aus dem 17. Jahrhundert stammt. Das Alter ist als wertbildender Faktor eine verkehrswesentliche Eigenschaft der Brosche, da es geeignet ist, den Wert der Sache zu bestimmen. Damit liegt ein Eigenschaftsirrtum auf Seiten der B vor. Dieser Eigenschaftsirrtum war auch kausal für die Abgabe der Willenserklärung gem. § 119 Abs.1, 2. Halbsatz BGB. Hätte B gewusst, dass die Brosche aus dem 17. Jahrhundert stammt, hätte sie die Brosche der A nicht für 50,- Euro zum Kauf angeboten. Ein Anfechtungsgrund nach § 119 Abs.2 BGB ist daher gegeben. Weiterhin muss die Anfechtung durch Erklärung gegenüber dem Anfechtungsgegner gem. § 143 Abs.1 BGB erfolgen. Eine Anfechtungserklärung ist jede Erklärung, die eindeutig erkennen lässt, dass das Rechtsgeschäft wegen des Willensmangels nicht gelten soll. Das Wort "anfechten" braucht dabei nicht verwendet werden. Anfechtungsgegner ist gem. § 143 Abs.2 BGB der Vertragspartner. Hier erklärte B gegenüber A die Anfechtung des Kaufvertrages, da sie nicht wusste, dass die Brosche aus dem 17.Jahrhundert stammt. Somit liegt eine wirksame Anfechtungserklärung der B gegenüber A vor. Die Anfechtung müsste auch fristgerecht durch B erfolgt sein. Gem. § 121 Abs.1, Satz 1 BGB muss der Anfechtende im Falle eines Eigenschaftsirrtums unverzüglich (d.h. ohne schuldhaftes Zögern) die Anfechtung erklären. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt der Kenntnis des Anfechtungsgrundes. B erklärte A die Anfechtung unmittelbar, nachdem ihr ihr Irrtum bewusst wurde. Schuldhaftes Zögern ist B daher nicht vorzuwerfen. Sie hat somit unverzüglich gehandelt und die Anfechtungsfrist des § 121 Abs.1, Satz 1 BGB gewahrt. Demnach hat B den Kaufvertrag wirksam angefochten, so dass er gem. § 142 Abs.1 BGB als von Anfang (ex tunc) an nichtig anzusehen ist. Ergebnis: A hat gegen B keinen Anspruch auf Übergabe der Brosche gem. § 433 Abs.1, Satz1 BGB.
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