Nationales longitudinales Mustercurriculum Kommunikation in der Medizin Infolge der zunehmenden Evidenz für die Relevanz von Arzt-Patienten-Kommunikation in Hinblick auf u.a. Diagnosestellung, Arzt-Patienten-Beziehung, Therapietreue von PatientInnen und den Behandlungserfolg, gewinnt in den letzten Jahren eine mehr an Patientin und Patient orientierte Kommunikation in der Aus- und Weiterbildung von Studierenden und ÄrztInnen zunehmend an Bedeutung. Dies zeigt sich u. a. an der Reformierung der Curricula der medizinischen Ausbildungsstätten und an der Entwicklung und Evaluation neuer Lehr- und Prüfungsmethoden zur Förderung der Arzt-Patienten-Kommunikation, insbesondere auch unter Einbezug standardisierter PatientInnen. Evidenz zur Arzt-Patient-Kommunikation Patientenzentrierte Kommunikation verbessert Patientenzufriedenheit: Venetis et al. 2009 Gesundheitsverhalten - Compliance: Kerse et al. 2004 - Krankenhausaufnahmen: Clark et al. 2000 - Arztwahl: Vedsted & Heje 2008 Gesundheitszustand: Brown 2001 et al., Alamo et al. 2002, Chassany et al. 2006, Del Canale et al. 2012 Nicht gelungene Arzt-Patient-Kommunikation führt zu Fehlbehandlungen: Chen et al. 2008 Klagen gegen den Arzt: Tamblyn et al. 2007 Positive Effekte von Kommunikationstrainings auf Arzt-Patient-Gespräche (Dwamena et al. 2012, Cochrane Report) Klärung von Patientenanliegen Kommunikation von Behandlungsoptionen Empathie Patientenwahrnehmung der Aufmerksamkeit der Ärzte 1 In Deutschland wurde nach Beauftragung durch den Medizinischen Fakultätentag (MFT) 2009 die Projektgruppe „Nationaler Kompetenzbasierter Lernzielkatalog Medizin“ (NKLM) gebildet. Ähnlich dem Schweizer Lernzielkatalog oder dem der Niederlande soll sie einen konsentierten Qualifikationsrahmen für das Medizinstudium in Deutschland schaffen. Über die Rolle des Arztes als Medizinischer Experte hinaus wurden in Anlehnung an das CanMEDS-Rollenkonzept die Lernziele hinsichtlich der im ärztlichen Berufsalltag zu erfüllenden Aufgabenfelder erweitert. Dazu zählen auch die Lernziele für das Aufgabenfeld „Kommunikation“, die in den beiden Arbeitspaketen AP 7 „Der Arzt/ die Ärztin als Kommunikator“ und AP14c „Fertigkeiten der Ärztliche Gesprächsführung“ unter der Leitung von Prof. Dr. Jana Jünger erarbeitet wurden. Der NKLM wurde am 76. Ordentlichen Medizinischen Fakultätentag in Kiel im Juni 2015 beschlossen. Die ehemals auf zwei Arbeitspakete aufgeteilten Lernziele zur ärztlichen Gesprächsführung sind nun im AP 14c zusammengeführt. Die vom Bundesministerium für Gesundheit vorgelegte und am 11.05.2012 vom Bundesrat verabschiedete Erste Verordnung zur Änderung der Approbationsordnung für Ärzte, durch die die ärztliche Gesprächsführung ausdrücklich als Gegenstand der ärztlichen Ausbildung und Inhalt der abschließenden Staatsprüfung in die Approbationsordnung aufgenommen wurde, ist eine logische Konsequenz dieser Entwicklungen und der empirischen Befundlage (BR-Drs. 238/12 vom 11.05.2012). Die Fakultäten stehen durch diese Entwicklungen aber auch vor einer neuen Herausforderung: der Integration der kommunikativen Lernziele und Kompetenzen in die Curricula und die konkrete Umsetzung in Lehre und Prüfungen. Um die Fakultäten bei dieser Aufgabe zu unterstützen, haben wir die Aktivitäten und das Engagement der unterschiedlichsten Arbeitsgruppen, die in den letzten Jahren an diesem Thema gearbeitet haben, aufgegriffen und gebündelt. Dazu haben wir die Akteure und Verantwortlichen im Bereich der Curriculumsgestaltung an allen deutschen medizinischen Fakultäten eingeladen, gemeinsam an der Ausarbeitung eines „Nationalen longitudinalen Mustercurriculums Kommunikation in der Medizin“ zu arbeiten. Unser 2012 gestartetes Projekt steht unter der Schirmherrschaft von Bundesgesundheitsminister Herrn Herrmann Gröhe. In dem Projekt „Nationales longitudinales Mustercurriculum Kommunikation“ (kurz „Longkomm“) wirken mittlerweile über 500 VertreterInnen aus allen 36 Fakultäten mit. Das Projekt wird begleitet von einem hochkarätig besetzten Beirat sowie einem gemeinsamen Ausschuss von VertreterInnen der Fachgesellschaften. Um herauszufinden, welche Lernziele bereits gelehrt werden bzw. wo Entwicklungspotential besteht und gezielt eine fakultätsübergreifende Zusammenarbeit hilfreich wäre, haben wir an den deutschen medizinischen Fakultäten eine differenzierte Analyse des IST-Standes zur Lehre und Prüfung kommunikativer Kompetenzen auf Basis der im NKLM erarbeiteten Lernziele zur ärztlichen Gesprächsführung durchgeführt. Ergebnisse dieser Ist-Standerhebung werden beim 6.Arbeitstreffen am 14.7.15 präsentiert. Im Rahmen des von Heidelberg aus koordinierten Projekts werden außerdem Best Practice Beispiele aus allen Fakultäten gesammelt. Diese Lehr- und Prüfungsbeispiele werden nach den oben beschriebenen NKLM-Lernzielen zur Kommunikation kategorisiert und klassifiziert. Hierdurch können Lücken identifiziert, gezielt gefüllt und Materialien optimiert werden. In Zukunft sollen die Dozierenden die Möglichkeit bekommen, ihre Best Practice Beispiele in einer „Toolbox“, in Form einer Online-Plattform, zur Verfügung zu stellen und untereinander auszutauschen. Dadurch werden 2 die Lehrbeauftragten stärker vernetzt, vorhandene Ressourcen gebündelt und die Qualität im Bereich der ärztlichen Gesprächsführung vereinheitlicht und erhöht. Wir freuen uns sehr über die Erfolge unserer bisherigen gemeinsamen Arbeit: 29 Fakultäten haben bereits 130 Best Practice Beispiele eingereicht, die wir gerade für alle Beteiligten so aufarbeiten, dass sie für die Weiterentwicklung ihres Kommunikationscurriculums genutzt werden können. Auf Basis der klassifizierten Best Practice Beispiele wurde der Entwurf eines „Mustercurriculums Kommunikation“ erarbeitet und erstmals beim 4. Arbeitstreffen im Juni 2014 vorgestellt. Das Mustercurriculum soll paradigmatisch für den Bereich der Onkologie ausgearbeitet werden, zumal insbesondere Krebserkrankungen Ärztinnen und Ärzte und Medizinstudierende vor höchste kommunikative Herausforderungen stellen. Ziel des Projektes ist es, dass bis 2015 für alle Lernziele Best Practice Beispiele zur Verfügung stehen und bis Ende 2016 das Mustercurriculum Kommunikation bereitsteht. Da die Lehrenden gut auf den neuen Kommunikationsunterricht vorbereitet werden müssen, werden in unserem Projekt außerdem Konzepte für Tutoren- und Dozentenschulungen entwickelt. Ein Beispiel für ein solches Schulungskonzept für studentische TutorInnen ist die „Summerschool“, die Ende Juli 2015 pilotiert wird. Unser Ziel ist es, darüber hinaus gut funktionierende Modelle der fächerübergreifenden Kooperation und fachbezogenen Integration im Bereich ärztliche Gesprächsführung zu identifizieren und uns über diese austauschen. Abbildung 1: Projektübersicht 3 Die bisherige gemeinsame Arbeit verlief sehr erfolgreich, und die zahlreichen positiven Rückmeldungen zeigen uns den hohen Bedarf an einer solchen gemeinsamen Initiative und machen uns sehr zuversichtlich für den weiteren Arbeitsprozess. Weitere Informationen zu den Projekten der von Frau Jünger in Heidelberg geleiteten „Arbeitsgruppe Kommunikation“ werden künftig auf der sich im Aufbau befindlichen Webseite „Medtalk – Teaching, Assessment, Learning – Kommunikation in der Medizin“ unter www.medtalk-education.de dargestellt sein.) 4 Literatur Alamo, M.M., R.R. Moral, and L.A. Perula de Torres, Evaluation of a patient-centred approach in generalized musculoskeletal chronic pain/fibromyalgia patients in primary care. Patient Educ Couns, 2002. 48(1): p. 23-31. Chassany, O., et al., Effects of training on general practitioners' management of pain in osteoarthritis: a randomized multicenter study. J Rheumatol, 2006. 33(9): p. 1827-34. Chen, R.C., et al., Treatment 'mismatch' in early prostate cancer: do treatment choices take patient quality of life into account? Cancer, 2008. 112(1): p. 61-8. Clark, N.M., et al., Long-term effects of asthma education for physicians on patient satisfaction and use of health services. Eur Respir J, 2000. 16(1): p. 15-21. Del Canale, S., et al., The relationship between physician empathy and disease complications: an empirical study of primary care physicians and their diabetic patients in Parma, Italy. Acad Med, 2012. 87(9): p. 1243-9. Dwamena, F., et al., Interventions for providers to promote a patient-centred approach in clinical consultations. Cochrane Database Syst Rev, 2012. 12: p. CD003267. Kerse, N., Physician-Patient Relationship and Medication Compliance: A Primary Care Investigation. The Annals of Family Medicine, 2004. 2(5): p. 455-461. Tamblyn, R., et al., Physician scores on a national clinical skills examination as predictors of complaints to medical regulatory authorities. JAMA, 2007. 298(9): p. 993-1001. Vedsted & Heje 2008 Assosiation between patient's rcommendation of their GP and their evaluation of the GP. Scand J Prim Health Care, 2008. 26(4): p. 228-234. Venetis, M.K., et al., An evidence base for patient-centered cancer care: A meta-analysis of studies of observed communication between cancer specialists and their patients. Patient Education and Counseling, 2009. 77(3): p. 379-383. 5
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