Die Geschichte des Kraftwerks Deuben Von schwarzen Wolken und übelriechenden Gasen zum ältesten und schlechtesten Kraftwerk Deutschlands Das Kraftwerk Deuben ging 1936 in Betrieb und ist damit das älteste deutsche Braunkohlekraftwerk 1. Der Komplex bestand aus einem Kraft-Wärme-Verbund mit Kraftwerk, Brikettfabrik und Schwelerei. 2 1945 wurde Teile des Werks als Reparationsleistungen demontiert und nach Russland geliefert. Von 1957 bis 1965 wurde das Kraftwerk wieder aufgebaut und modernisiert. 3 Während der DDR-Zeit waren das Kraftwerk, Schwelerei und die Brikettfabrikation in Deuben Volkseigener Betrieb. Ab ca. 1968 hieß der Komplex Braunkohlekombinat 'Erich Weinert', benannt nach einem Schriftsteller aus Magdeburg. 4 „Merkwürdige Gerüche, qualmende Schornsteine und die Häuser in ein blasses grau in grau gehüllt. Nun, es war schon ein recht bizarres Panorama, das die Gemeinde Deuben in besten DDR-Zeiten seinen Einwohnern und den Ortsbesuchern zu bieten hatte.“ Schreibt die Mitteldeutsche Zeitung in einem Artikel und der ehemalige Bürgermeister Wolfgang Badzio erinnert sich: „Da gab es schwarze Wolken, Dreck und übel riechende Gase. Die Gemeinde war ein dunkles Loch.“ 5 Die Schwelerei, in der bis dahin Teer, Öl und Gas aus Braunkohle gewonnen wurde, schloss 1990 ihre Tore für immer 6. 1992 Jahre erhielt das Kraftwerk eine neue Dampfkraftanlage inkl. Kondensationsturbine von Siemens als Erweiterung und teilweisen Ersatz der alten Anlage. Im Jahr 1993 ging in Deuben eine Staubfabrik in Betrieb, die die Braunkohle zu „Qualitätsstaub“ für die Zementproduktion „veredelt“. 7 Irgendwann in der Zwischenzeit müssen auch zwei Kessel des Kraftwerks stillgelegt worden sein, denn 1997 heißt es, es sei ein fünfter Kessel in Betrieb genommen und auch an die Rauchgasentschwefelungsanlage angeschlossen worden. 8 Auch aktuell gibt Mibrag die Anzahl der Kessel mit fünf an. 2003 wurde die Brikettfabrikation stillgelegt, weil die Nachfrage zu stark nachgelassen hatte. Insgesamt wurden in Deuben von 1936 bis zu diesem Zeitpunkt 48 Millionen Briketts produziert, in 2003 hatte das Werk nur noch 75.000 Tonnen Briketts der Marke „Rekord“ hergestellt. In Zukunft wollte man nur noch Staub für die Zementindustrie herstellen. 9 Ab Mai 2011 wurde jedoch die Brikettfabrikation wieder 1 Bundesnetzagentur: Kraftwerksliste 2015 (2015-09-25) Mibrag: Veredelung Deuben – Besucherinformation (2014-11-07) 3 Ostkohle.de: Kraftwerk Deuben (abgerufen am 2015-10-28) 4 Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte 1981/IV: Betriebsgeschichte – Bibliographie selbstständiger Schriften zur Betriebsgeschichte in der Deutschen Demokratischen Republik (16. Fortsetzung), (1981) 5 Mitteldeutsche Zeitung: Den Sessel für neue Ideen und frischen Elan geräumt. Von Zementsäcken und neuem Flair - 14 Jahre im Amt - Bürgermeister erinnert sich (2001-08-09) 6 Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft: Braunkohlenveredlung in Mitteldeutschland. Teil II (Süd) (2011-12-23), 7 DEBRIV: Mitteldeutsches Braunkohlenrevier 1990-2014 (abgerufen am 2015-10-27), 8 Mitteldeutsche Zeitung: Energieriese hielt 48 Stunden den Atem an. Nach technisch bedingtem Stillstand fünfter Kessel im Industriekraftwerk Deuben in Betrieb (1997-12-09), 9 Sächsische Zeitung: Keine Briketts mehr aus Deuben (2003-12-20) 2 Spendenkonto GLS Gemeinschaftsbank eG, KTO: 33 400, BLZ: 430 609 67 Greenpeace ist vom Finanzamt als gemeinnützig anerkannt. Spenden sind steuerabzugsfähig. aufgenommen – wegen hoher Nachfrage angesichts hoher Öl- und Gaspreise. Abnehmer der Briketts sollte die Rheinbraun Brennstoff GmbH sein, die sie in Mitteldeutschland verkaufen wollte. 16 Mitarbeiter arbeiten seither wieder in dieser Sparte. Die Braunkohle hierfür stammt im Übrigen nicht aus der Region, sondern dem Rheinland, weil diese einen geringeren Schwefelgehalt hat. 10 11 Die Kraftwerke in Deuben sowie im benachbarten Mumsdorf und Wählitz dienen in erster Linie der Stromversorgung der Tagebaue der Mibrag; nur überschüssiger Strom wird ins öffentliche Netz eingespeist. Außerdem wird Wärme an Unternehmen und Haushalte vor Ort abgegeben. 12 Besitzverhältnisse 1993 verkaufte die Treuhand Teile der 1990 gegründeten Vereinigten Mitteldeutschen Braunkohle AG – darunter das Kraftwerk Deuben – für 2 Mrd. DM an ein Konsortium aus den amerikanischen NRG Energy Inc. und Morrison Knudsen Corp. sowie der britischen PowerGen Ltd. PowerGen Ltd. stieg offenbar 2001 aus und überließ das Unternehmen den Mitgesellschaftern NRG Energy Inc und Washington Group International (früher Morrison Knudsen Corp.). 1314 Die Washington Group wurde ihrerseits 2007 von der URS Corporation übernommen. 15 2009 wurde die Mibrag an die J&T Gruppe und Severočeské doly – ein Braunkohlenunternehmen des tschechischen Energiekonzerns CEZ – verkauft. 16 Der Kaufpreis soll bei 404 Mio. Euro gelegen haben, die allerdings die Mibrag selbst aufbringen musste. 2012 stieg CEZ aus und überließ die Mibrag dem Mitgesellschafter EPH Energetický a prumyslový holding (Deutsch: Energie- und Industrieholding), einem Tochterunternehmen der J&T Gruppe. EPH ist seitdem alleiniger Gesellschafter der Mibrag. 17 18 Die EPH ist ein hauptsächlich in Osteuropa aktives Energieunternehmen, das vor allem auf die klassischen Energieträger setzt. Die Mibrag-Anteile verwaltete EPH zeitweise über mehrere Zwischenholdings, von denen eine im Steuerparadies Zypern registriert war. Unmittelbarer Eigentümer ist heute die JTSD Braunkohlebergbau GmbH, eine 100%ige Tochter von EP Energy, die wiederum eine Tochter von EPH ist. EPH selbst hat wiederum vier zypriotische Holdings als Gesellschafter, deren Wurzeln nur teilweise sichtbar werden. 19 10 Thüringer Allgemeine: Wieder Briketts aus Deuben (2011-04-23) Leipziger Volkszeitung: Bergbauunternehmen fährt Anlage in Deuben auf Hochtouren (2011-11-21), 12 Freie Presse: Die Mitteldeutsche Braunkohlengesellschaft Mibrag (2014-04-05) 13 Energie-Chronik.de: Verkauf der Mibrag jetzt perfekt (1993-12-04) 14 Energie-Chronik.de: Mibrag und EnBW erwägen den Bau eines Braunkohlekraftwerks (2006-11-13) 15 Energie-Chronik.de: Braunkohleförderer Mibrag steht zum Verkauf (2008-09-13) 16 Sächsische Zeitung: Der Käufer und die Gekaufte (2009-02-26) 17 VDI Nachrichten: Tschechen setzen auf ostdeutsche Braunkohle (2013-09-20), 18 Stefan Schröter (Blog): Mibrags fragwürdige Finanzströme (2012-08-23), 19 Creditreform: Profil für Mitteldeutsche Braunkohlengesellschaft mbH (abgerufen am 201510-27) 11 Spendenkonto GLS Gemeinschaftsbank eG, KTO: 33 400, BLZ: 430 609 67 Greenpeace ist vom Finanzamt als gemeinnützig anerkannt. Spenden sind steuerabzugsfähig. Eingesetzte Braunkohle Ab mindestens Mitte der 1990er Jahre kam die Braunkohle aus dem Profener Tagebau der Mibrag, der u.a. auch die Kraftwerke Wählitz, Mumsdorf und Schkopau belieferte. Die Mibrag beliefert sich von Profen aus mit betriebseigenen Waggons selbst. Fünf Züge zu acht Waggons mit 50 Tonnen Fassungsvermögen rollten 2008 täglich zwischen Profen und Deuben hin und her. 20 Auch aus Schleenhain bezog Deuben jedoch Braunkohle. 21 Außerdem gibt das Kraftwerk an, eine KlärschlammMitverbrennung zu betreiben. 22 Emissionen Im Jahr 2009 stritt sich die Mibrag wegen der Kosten für die Emissionszertifikate mit der Deutschen Emissionshandelsstelle und dem Bundesumweltministerium unter Sigmar Gabriel. Das Unternehmen sah einen „Härtefall“, weil die geplanten Zahlungen von 135 Mio. Euro für die Jahre 2008-2012 einen Großteil der Gewinne des Unternehmens aufzehrten und wollte alle Zertifikate umsonst oder mindestens vergünstigt. Zum damaligen Zeitpunkt erhielt sie etwa die Hälfte umsonst. Die Emissionshandelsstelle hingegen sah keinen Härtefall. Sie gebe die Zertifikate nur an besonders effiziente Kraftwerke kostenlos ab. Die Kraftwerke Wählitz, Deuben und Mumsdorf der Mibrag seien jedoch vom Wirkungsgrad mit die schlechtesten in Deutschland (Gabriel sprach gar von den „schlechtesten Kraftwerken Deutschlands“). Gabriel hatte die Härtefallregelung 2007 für den Fall in Aussicht gestellt, dass die Mibrag sich zum Bau eines modernen Kraftwerks (Profen) bis 2012 verpflichte und die alten abschalte. Die Mibrag fand dafür jedoch keine Partner und die USamerikanischen Eigentümer, die das Unternehmen abstoßen wollten, wollten die 1,5 Mrd. Euro-Investition nicht tätigen. 2015 wurden die Pläne für ein neues Braunkohlekraftwerk in Profen endgültig begraben. 23 24 25 20 Mitteldeutsche Zeitung: Kohle rollt auf Schienen zu Kunden / Bahnbetrieb der Mibrag bringt Tag für Tag bis zu 30 000 Tonnen Rohbraunkohle auf den Weg (2008-02-20), 21 Sächsische Zeitung: Der Käufer und die Gekaufte (2009-02-26) 22 Mibrag: Veredelung Deuben – Besucherinformation (2014-11-07) 23 Mitteldeutsche Zeitung: Staatsanwaltschaft Bochum ermittelt gegen Geschäftsführer Geisler (2015-10-15) 24 Mitteldeutsche Zeitung: Altkraftwerke als Kostenfalle / BRAUNKOHLE Mibrag soll für hohen Kohlendioxid-Ausstoß 135 Millionen Euro zahlen (2009-10-10) 25 Sächsische Zeitung: Umweltminister geht Mibrag an: "Schlechteste Kraftwerke Deutschlands" (2009-07-03) Spendenkonto GLS Gemeinschaftsbank eG, KTO: 33 400, BLZ: 430 609 67 Greenpeace ist vom Finanzamt als gemeinnützig anerkannt. Spenden sind steuerabzugsfähig.
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