Kap. 6: Banken in DSGE

Einführung in DSGE-Modelle und deren Lösung mit
Hilfe von Dynare
6. Finanzmarktfriktionen im NK-Modell
Prof. Dr. Jochen Michaelis
Wintersemester 2015/2016
FM-Friktionen in DSGE
Volkswirtschaftliche Aufgabe der Finanzmärkte:
Zusammenführen von sparenden und investierenden Einheiten
Viele kleine Sparer mit Präferenz für Liquidität
Einige wenige große Investoren mit Präferenz für langfristige Zurverfügungstellung von
Finanzmitteln
Sparer und Investoren finden wegen zu hoher Transaktions- und Informationskosten nicht
direkt zueinander (aber: Crowdfunding), Banken übernehmen die Aufgabe der
Finanzintermediation
Finanzintermediation nicht perfekt oder „geräuschlos“, keine 1:1-Überführung von
Ersparnissen in Investitionen
Erste Generation der DSGE-Modell (z.B. Smets/Wouters 2003) haben keinen Bankensektor
modelliert, unterstellen damit 1:1-Überführung
Erst mit Finanzkrise 2007ff. verstärkte modelmäßige Beschäftigung mit Prozess der
Finanzintermediation
MAGKS-Makroökonomik WS 2015/16
2
FM-Friktionen in DSGE
Zwei Literaturstränge:
1. Finanzieller Akzelerator (Bernanke/Gertler/Gilchrist 1999)
2. Collaterals/Borrowing constraints (Iacoviello 2005, 2015)
ad Finanzieller Akzelerator (BGG)
•
Imperfekte Informationen über Qualität der per Kredit finanzierten Investitionen
•
Entrepreneurs kennen Qualität und Rückzahlwahrscheinlichkeit
•
Banken müssen Qualität verifizieren, es entstehen Monitoring costs
•
Um Monitoring costs abzudecken, verlangen Banken eine externe Finanzierungsprämie, d.h.
Finanzierung von Investitionen über (externe) Banken teurer als über einbehaltene Gewinne
•
des Weiteren Kreditvergabe nur gegen Hinterlegung bzw. Beibringung von Sicherheiten
(collaterals)
MAGKS-Makroökonomik WS 2015/16
3
FM-Friktionen in DSGE
•
als Sicherheit fungiert das Nettovermögen der Unternehmen (Assets wie Immobilien,
Wertpapiere etc.)
Negativer (Finanzmarkt-) Schock
• Negativer Schock vermindert Assets der Unternehmen
•
Verminderte Sicherheiten reduzieren Kreditvergabe
•
Höher Ausfallrate für Kredite lässt Monitoring costs steigen, externe Finanzierungsprämie
steigt, Kredite werden weniger nachgefragt, Kreditvergabe sinkt abermals
Kernpunkt: Nettovermögen entwickelt sich prozyklisch
• Im Aufschwung steigt Nettovermögen, Sicherheiten steigen, Finanzierungsprämie sinkt,
Kreditvergabe wird forciert, Investitionen steigen, Aufschwung verstärkt sich
• Im Abschwung sinkt Nettovermögen, Sicherheiten sinken, Finanzierungsprämie steigt,
Kreditvergabe sinkt, Investitionen sinken, Abschwung verstärkt sich
 prozyklisch wirkender finanzieller Akzelerator
MAGKS-Makroökonomik WS 2015/16
4
FM-Friktionen in DSGE
ad Collateral/borrowing constraints (Kiyotaki/Moore 1997, Iacoviello 2005, 2015)
Explizite Modellierung von Banken bzw. Banker in Iacoviello (2015)
•
Geduldige (Patient) Haushalte
(6.1)
𝐸0
∞
𝑡
𝑡=0(𝛽𝐻 )
(log 𝐶𝐻,𝑡 + 𝑗 log 𝐻𝐻,𝑡 + 𝜏 log(1 − 𝑁𝐻,𝑡 ))
𝐻𝐻,𝑡 als Housing
𝛽𝐻 als Diskontfaktor (Haushalte sind geduldig, d.h. sie gewichten Zukunft hoch = hohes 𝛽𝐻𝑡 )
Budgetrestriktionen:
(6.2)
𝐶𝐻,𝑡 + 𝐷𝑡 + 𝑞𝑡 𝐻𝐻,𝑡 − 𝐻𝐻,𝑡−1 = 𝑅𝐻,𝑡−1 𝐷𝑡−1 + 𝑊𝐻,𝑡 𝑁𝐻,𝑡
𝐷𝑡 als Depositen (Spareinlagen bei Banken)
𝑅𝐻,𝑡−1 als Zins für Depositen
𝐻𝐻,𝑡 − 𝐻𝐻,𝑡−1 als Bildung von Hausvermögen
𝑞𝑡 als Preis einer Einheit Housing
)
MAGKS-Makroökonomik WS 2015/16
5
FM-Friktionen in DSGE
Focs:
(6.3)
𝐶𝐻,𝑡 = 𝛽
(6.4)
𝐻𝐻,𝑡 =
1
𝐸𝑡 𝐶𝐻,𝑡+1
𝑅
𝐻
𝐻
optimaler Konsum (Euler-Gleichung)
𝑗
𝑞𝑡+1
𝑞𝑡
−𝛽
𝐸
𝑡
𝐻
𝐶𝐻,𝑡
𝐶𝐻,𝑡+1
Nachfrage nach Housing
- steigt mit dem Gewicht j
- sinkt mit dem Preis von Housing
- steigt mit dem für die Zukunft erwarteten Preis von Housing (Erwartung steigender
Immobilienpreise steigert heutige Nachfrage nach Immobilien )
- steigt bei höherer Gewichtung der Zukunft (höheres 𝛽𝐻 )
(6.5)
𝜏𝐶
𝑁𝐻,𝑡 = 1 − 𝑊 𝐻,𝑡
𝐻,𝑡
Arbeitsangebot steigt mit dem Lohnsatz
MAGKS-Makroökonomik WS 2015/16
6
FM-Friktionen in DSGE
• Unternehmer
(6.6)
𝐸0
∞
𝑡
𝑡=0(𝛽𝐸 )
log 𝐶𝐸,𝑡
mit 𝛽𝐸 < 𝛽𝐻
Unternehmer sind ungeduldiger als Haushalte, sie diskontieren die Zukunft stärker ab
Unternehmer fragen Housing und Arbeitskräfte nach, um zu produzieren:
(6.7)
𝜈
1−𝜈
𝑌𝑡 = 𝐻𝐸,𝑡−1
𝑁𝐻,𝑡
Budgetrestriktionen der Unternehmer:
(6.8)
𝐶𝐸,𝑡 + 𝑞𝑡 𝐻𝐸,𝑡 − 𝐻𝐸,𝑡−1 + 𝑅𝐸,𝑡 𝐿𝐸,𝑡−1 + 𝑊𝐻,𝑡 𝑁𝐻,𝑡 = 𝑌𝑡 + 𝐿𝐸,𝑡
𝐿𝐸,𝑡 als Kreditaufnahme bei den Banken (loan)
𝑅𝐸,𝑡 als Kreditzins
MAGKS-Makroökonomik WS 2015/16
7
FM-Friktionen in DSGE
Unternehmer haben eine Borrowing constraint:
(6.9)
𝐿𝐸,𝑡 ≤ 𝑚𝐻 𝐸𝑡
𝑞𝑡+1
𝐻
𝑅𝐸,𝑡+1 𝐸,𝑡
Maximale Kreditaufnahme in t ist restringiert durch den Bruchteil 𝑚𝐻 des für 𝑡 + 1 erwarteten
Wertes des (gewerblichen) Immobilienvermögens
Focs:
(6.10)
𝐶𝐸,𝑡 = 𝛽
1−𝜆𝐸,𝑡
𝐸 𝐸𝑡 𝑅𝐸,𝑡+1
𝐸𝑡 𝐶𝐸,𝑡+1
optimaler Konsum (Euler-Gleichung)
mit 𝜆𝐸,𝑡 ≥ 0 als Lagrange-Multiplikator der Borrowing constraint
Ist die Borrowig constraint bindend, so ist die Kreditaufnahme suboptimal gering, der Konsum
sinkt.
MAGKS-Makroökonomik WS 2015/16
8
FM-Friktionen in DSGE
(6.11)
𝐻𝐸,𝑡 =
𝛽𝐸 𝐸𝑡
𝜈𝑌𝑡+1
𝐶𝐸,𝑡+1
𝑞
𝑞𝑡 −𝜆𝐸,𝑡 𝑚𝐻 𝐸𝑡 ( 𝑡+1 )
𝑅𝐸,𝑡+1
1
𝐶𝐸,𝑡
𝑞
− 𝛽𝐸 𝐸𝑡 𝑡+1
𝐶𝐸,𝑡+1
Nachfrage nach Housing
- sinkt mit dem Preis von Housing und dem Kreditzins
- steigt mit dem für die Zukunft erwarteten Preis von Housing (Erwartung steigender
Immobilienpreise steigert heutige Nachfrage nach Immobilien )
- steigt bei höherer Gewichtung der Zukunft (höheres 𝛽𝐸 )
- steigt mit der für morgen erwarteten Produktion 𝑌𝑡+1
- sinkt mit der Härte der Kreditrestriktion (geringeres 𝑚𝐻 )
(6.12)
𝑁𝐻,𝑡 =
(1−𝜈)𝑌𝑡
𝑊𝐻,𝑡
Nachfrage nach Arbeit sinkt mit dem Lohnsatz und steigt mit der Produktion 𝑌𝑡 .
MAGKS-Makroökonomik WS 2015/16
9
FM-Friktionen in DSGE
• Bankers
(6.13)
𝐸0
∞
𝑡
𝑡=0(𝛽𝐵 )
log 𝐶𝐵,𝑡
mit 𝛽𝐵 < 𝛽𝐻
Banker sind (per Annahme) ungeduldiger als Haushalte
Budgetrestriktionen:
(6.14)
𝐶𝐵,𝑡 + 𝑅𝐻,𝑡−1 𝐷𝑡−1 + 𝐿𝐸,𝑡 = 𝐷𝑡 + 𝑅𝐸,𝑡 𝐿𝐸,𝑡−1 − 𝜀𝑡
𝜀𝑡 als financial shock (bspw. Kreditausfälle)
Banker erhalten Ressourcen durch Einlagen der Haushalte und durch zurückgezahlte Kredite
inkl. Zinsen seitens der Unternehmen
Banker verwenden Ressourcen für Tilgung inkl. Zinszahlungen der Einlagen der Vorperiode
und für Kreditvergabe an Unternehmen und für eigenen Konsum. Depositen können mithin
kostenlos umgewandelt werden in Kredite.
Bei positiver Realisation des Schockterms 𝜀𝑡 fällt ein Teil der Kredite aus und/oder es werden
weniger Einlagen getätigt. Beides ist eine Umverteilung zulasten der Banker.
MAGKS-Makroökonomik WS 2015/16
10
FM-Friktionen in DSGE
Depositen der Haushalte sind Verbindlichkeiten der Banken (Kreditaufnahme der Banken bei
den Haushalten),
Kredite an Unternehmen sind die Aktiva bzw. Assets der Banken
Borrowing constraint für die Banker:
Verhältnis von Verbindlichkeiten zu Aktiva darf bestimmte Grenze nicht überschreiten.
(6.15)
𝐷𝑡
𝐿𝐸,𝑡 −𝐸𝑡 𝜀𝑡+1
≤ 𝛾𝐸
mit 𝛾𝐸 als leverage-Parameter.
Zur Bedienung der Verbindlichkeiten (Depositen ) stehen nicht alle Aktiva zur Verfügung,
sondern nur die Aktiva minus den erwarteten Verlusten (Kreditausfälle).
MAGKS-Makroökonomik WS 2015/16
11
FM-Friktionen in DSGE
Focs:
Nachfrage nach Depositen:
Nehme in t Kredit bei Haushalten auf (Depositen), was den Konsum heute erhöht und wäge ab
gegen Konsumrückgang morgen wegen Rückzahlung der Depositen inkl. Zinsen
(6.16)
1−𝜆𝐵,𝑡
𝐶𝐵,𝑡 = 𝛽
𝐵 𝑅𝐻,𝑡
𝐸𝑡 𝐶𝐵,𝑡+1
Greift die Borrowing constraint der Banken, d.h. Banken sind limitiert bei der Aufnahme von
Krediten (Hereinnahme von Depositen), dann sinkt der Konsum nach Maßgabe des LagrangeMultiplikators bezüglich der Borrowing constraint, 𝜆𝐵,𝑡 .
Optimale Kreditvergabe:
Durch Kreditvergabe heute sinkt c.p. der Konsum heute, aber wegen Kreditrückzahlung in 𝑡 + 1
steigen Ressourcen und Konsum morgen an
(6.17)
1−𝛾𝐸 𝜆𝐵,𝑡
𝐶𝐵,𝑡 = 𝛽
𝐵 𝐸𝑡 𝑅𝐸,𝑡+1
MAGKS-Makroökonomik WS 2015/16
𝐸𝑡 𝐶𝐵,𝑡+1
12
FM-Friktionen in DSGE
Steady State:
Aus Euler-Gleichung für Haushalte (6.3) folgt der gleichgewichtige Zins für Depositen:
(6.18)
1
𝑅𝐻 = 𝛽
𝐻
Aus Euler-Gleichung für Banker (6.16) i.V.m. (6.18) folgt:
(6.19)
1−𝜆𝐵
𝛽𝐵 𝑅𝐻
𝛽
= 1  𝜆𝐵,𝑡 = 1 − 𝛽𝐵 𝑅𝐻,𝑡 = 1 − 𝛽𝐵 >0 für 𝛽𝐵 < 𝛽𝐻
𝐻
Wenn Banker ungeduldiger sind als Haushalte, dann wollen sie bei Haushalten einen Kredit
aufnehmen (Depositen nachfragen).
Kreditaufnahme bei den Haushalten ist intertemporal optimal, da der zu zahlende Zins für
Depositen kleiner ist als die Zeitpräferenzrate der Banker.
Nutzenmaximal wäre eine „unendliche“ Kreditnachfrage, was nicht geht, d.h. Banken sind
borrowing constraint (𝜆𝐵 > 0).
MAGKS-Makroökonomik WS 2015/16
13
FM-Friktionen in DSGE
Banker haben zwei Möglichkeiten, Ressourcen intertemporal zu transferieren:
- Depositen heute nachfragen und morgen zurückzahlen
- heute Kredite an Unternehmen vergeben und morgen Zins und Tilgung erhalten
Im Nutzenmaximum sind Banker zwischen den beiden Alternativen indifferent, d.h. es müssen
beide focs (6.16) und (6.17) simultan erfüllt sein. Dann gilt:
Aus (6.16) i.V.m. (6.19) folgt für den gleichgewichtigen Kreditzins:
(6.20)
1−𝛾𝐸 𝜆𝐵
𝛽𝐵 𝑅𝐸
=1

𝑅𝐸 =
1
𝛽𝐵
− 𝛾𝐸
1
𝛽𝐵
−
1
𝛽𝐻
Der Vergleich von Depositenzins und Kreditzins liefert:
𝑅𝐸
1−𝛾𝐸 𝜆𝐵
(6.21)
=
> 1 für 𝛾𝐸 < 1
𝑅𝐻
1−𝜆𝐵
Je strikter die Borrowing constraint für die Banker (geringes 𝛾𝐸 und/oder hohes 𝜆𝐵 ), desto
größer ist der Spread zwischen beiden Zinssätzen.
MAGKS-Makroökonomik WS 2015/16
14
FM-Friktionen in DSGE
Konsequenzen eines finanziellen Schocks
Modellierung des Schocks:
(6.22)
𝜀𝑡 = 0,9𝜀𝑡−1 + 𝜉𝑡
Der finanzielle Schock reduziert das Vermögen der Banken, es fallen verstärkt Kredite aus.
„Hilfskonstrukt“:
(6.23)
𝐿𝑡
𝑡 −𝐷𝑡
Leverage = 𝐿
(Empirie: ≈ 10;  𝛾𝐸 ≈ 0,9)
Kehrwert des Leverage ist das capital-asset ratio.
Durch finanziellen Schock steigt der Leverage, weil Wert der Kredite 𝐿𝑡 sinkt.
Es kann gezeigt werden, dass es für die Banken nutzenmaximal ist, einen bestimmten Leverage
anzustreben.
MAGKS-Makroökonomik WS 2015/16
15
FM-Friktionen in DSGE
Beispiel:
110
Ausgangssituation: Leverage = 110−99 = 10
Durch den negativen Schock sinkt der Wert der Kredite auf 109.
109
Neuer Leverage = = 109−99 = 10,9
Deleveraging:
Leverage liegt über Zielwert, Rückkehr über Verminderung der Kreditvergabe (allg.: Verkauf
von Assets), Erlöse werden für Reduktion der eigenen Schulden (Verminderung der Depositen)
genutzt
Vermindere Assets um 9 auf 100:
100
Neuer Leverage =
= 10
100−90
Negativer Schock von rund 1% löst Verminderung der Kreditvergabe um 10% aus.
Deleveraging impliziert Credit crunch
MAGKS-Makroökonomik WS 2015/16
16
FM-Friktionen in DSGE
Verminderte Kreditvergabe an Unternehmen
- vermindert Nachfrage nach Housing und damit Preis von Housing
- vermindert heutige und für morgen erwartete Güterproduktion
- erwartete Wert von Housing sinkt und damit die Sicherheiten für Kreditvergabe an
Unternehmen
- abermalige Reduktion der Kreditvergabe an Unternehmen
 Vicious cycle
 Deleveraging wirkt prozyklisch
 Imperfekte Kapitalmärkte wirken als Schockverstärker (analog: finanzieller Akzelerator à la
Bernanke, Gertler, Gilchrist 1999)
MAGKS-Makroökonomik WS 2015/16
17
FM-Friktionen in DSGE
MAGKS-Makroökonomik WS 2015/16
18