Kooperative Straßen- verkehrskontrollen in NRW

06
www.polizei-verkehr-technik.de
Nov./Dez.
2015
60. Jahrgang
A 5625 | € 7,00
ISSN 0722-5962
POLIZEI VERKEHR + TECHNIK
Fachzeitschrift für Polizei- und Verkehrsmanagement, Technik und Ausstattung
Kooperative Straßenverkehrskontrollen in NRW
 Rückblick auf die CCExpo® 2015
 SFP9 – Das neue Polizei-Pistolen-System von Heckler & Koch
 Neue Schiffe für die Bundespolizei?
 60 Jahre Flugdienst der BPOL
Inhalt
2
Editorial
Polizei- und Verkehrsmanagement
3 Ehrenamtliches Engagement von Bürgerinnen und Bürgern gewürdigt
B
undespräsident überzeugt sich von der Leistungsfähigkeit der Behörden des Bevölkerungsschutzes
Von Helmut Kimmerle, Bonn
5
Von Günter Krebs, Leitender Polizeidirektor a.D., Hamburg
9
Von Dr. Uwe Wehrstedt , Falkenstein/Harz
10
Von Helmut Kimmerle, Bonn
13
Alles, was Gott und die StVO verboten haben:
Die verkehrsrechtliche Auffangvorschrift des § 23 Abs. 1 StVO
Von Dr. Adolf Rebler, Regensburg
17
Für eine nachhaltige Erhöhung der Verkehrssicherheit
Kooperative Straßenverkehrskontrollen in Nordrhein-Westfalen
Von der CCExpo® 2015 in Berlin
Neuer IP-Standard für den Notruf
Kommunikationstag auf CCExpo zeigt:
G
roße Zufriedenheit bei Digitalfunk, große Sorgen über mangelnde Konzepte zum
Breitband
Weder Pkw noch Lkw
Das Wohnmobil aus dem Blickwinkel der StVZO
Von Dr. Alfred Scheidler, Regierungsdirektor am Landratsamt Neustadt
an der Waldnaab, Dozent bei der Bayerischen Verwaltungsschule
19
Gefahrgutbeförderungen durch Behörden
Von Reinhard Leuker, Polizeihauptkommissar a.D., Gastdozent am LAFP NRW, Gefahrgutbeauftragter, Telgte
Technik und Ausstattung
22 „Ohne Beanstandungen“ zertifiziert
SFP9 – Das neue Polizei-Pistolen-System von Heckler & Koch
Von RA Marc Roth* – Heckler & Koch GmbH – Oberndorf/Neckar und Hans Damm**, Leitender Regierungsbaudirektor a.D., Drensteinfurt
26
27
30
Ersatzbeschaffungen stehen an
Von Dr. Uwe Wehrstedt , Falkenstein/Harz
32
Statement von Ingo Gädechens, MdB, Obmann der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
Neue Schiffe für die Bundespolizei See dringend erforderlich
33
Mit dem Fernbus durchs Land – bequem, preiswert und sicher?
Von Polizeikommissar Stephan Bockting, Dipl.-Ing. Sicherheitstechnik, Duisburg
Neue Schiffe für die Bundespolizei?
Vom „Pflichtenheft Faustfeuerwaffen“ zur „Technischen Richtlinie Polizeipistole“
Von Hans Damm, Leitender Regierungsbaudirektor a.D., Drensteinfurt
Es begann auf dem Flugplatz Bonn-Hangelar
60 Jahre Flugdienst der BPOL
Von Achim Friedl, Direktor in der Bundespolizei, Berlin
37
Sicherheitsforschung
„Free but secure“
Von Achim Friedl, Direktor in der Bundespolizei, Berlin
39
Enforcement Trailer
Autonome Überwachung von Unfallschwerpunkten
Von Sebastian Ramb*, Wiesbaden
Forum
41 „Der Mensch fährt, wie er lebt“
Täterschnittmengen zwischen Allgemein- und Straßenverkehrskriminalität
Von Polizeirat Frank Fischer, M.A., Dortmund, FHöV NRW - Studienort Hagen -
Herausgeber
Ministerialdirektor Stefan Kaller,
Bundesministerium des Innern
Präsident Dr. Dieter Romann,
Bundespolizeipräsidium
Inspekteur der Bereitschaftspolizeien
der Länder Wolfgang Lohmann,
Bundesministerium des Innern
Präsident Prof. Dr. Hans-Jürgen Lange,
Deutsche Hochschule der Polizei
Landespolizeipräsident Gerhard Klotter,
Innenministerium Baden-Württemberg
Landespolizeipräsident Prof. Dr. jur. Wilhelm Schmidbauer,
Bayerisches Staatsministerium des Innern
Senatsdirigent Klaus Zuch,
Senatsverwaltung für Inneres und Sport, Berlin
Ministerialdirigent Dr. jur. utr. Herbert Trimbach,
Ministerium des Innern und für Kommunales
des Landes Brandenburg
Senatsrat Dierk Schittkowski,
Senator für Inneres und Sport der Freien Hansestadt
Bremen
Leitender Polizeidirektor Lothar Bergmann,
Behörde für Inneres der Freien und
Hansestadt Hamburg
Landespolizeipräsident Udo Münch,
Hessisches Ministerium des Innern und für Sport
Ministerialdirigent Frank Niehörster,
Innenministerium des Landes MecklenburgVorpommern
Präsident Uwe Binias,
Niedersächsisches Ministerium für Inneres
und Sport
Ministerialdirigent Wolfgang Düren,
Ministerium für Inneres und Kommunales
des Landes Nordrhein-Westfalen
Leitender Ministerialrat Wolfgang Klein,
Ministerium für Inneres und Europaangelegenheiten des Landes Saarland
Landespolizeipräsident Jürgen Georgie,
Sächsisches Staatsministerium des Innern
Ministerialdirigent Karl-Heinz Willberg,
Ministerium für Inneres und Sport des Landes
Sachsen-Anhalt
Ministerialdirigent Jörg Muhlack,
Innenministerium des Landes Schleswig-Holstein
REDAKTION
Chefredakteur:
Leitender Polizeidirektor i. BGS a.D.
Dipl.-Ing. Helmut Kimmerle (ki)
Nietzschestraße 46, 53177 Bonn
Telefon und Fax: (02 28) 3 24 09 95
E-Mail: [email protected]
Redaktionelle Mitarbeit
(Information und Kommunikation):
Leitender Polizeidirektor a.D. Günter Krebs (kr)
E-Mail: [email protected]
VERLAG
EMW Exhibition & Media Wehrstedt GmbH
Hagenbreite 9, 06463 Falkenstein/Harz,
OT Ermsleben
Tel.: (+49) 0700 WEHRSTEDT
oder (+49) 034 743 - 62 090
Fax: (+49) 034 743 - 62 091
Email: [email protected]
Internet: www.Wehrstedt.org
Geschäftsführer: Dr. Uwe H. Wehrstedt (uw)
Amtsgericht Stendal HRB 111856
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siehe Seite 47
Rubriken
Titelbild: Kooperative Straßenverkehrskontrolle
auf einer Autobahn in NRW (Foto: Kimmerle)
40
46
48
Verstöße des Güterverkehrs ziehen insbesondere auf Bundesautobahnen regelmäßig Verkehrsunfälle mit schwersten Folgen nach sich. 2013 wurden in
Deutschland 759 Personen bei Unfällen unter Beteiligung von Güterkraftfahrzeugen getötet, davon allein in Nordrhein-Westfalen 108. Die Unfallfolgen sind
aufgrund der Größe und Masse der Güterkraftfahrzeuge für die Unfallgegner
meist deutlich schwerer als für die Güterkraftfahrzeugbenutzer selbst. Jeder
Verstoß gegen Verkehrsvorschriften beinhaltet aber auch ein Sicherheitsrisiko für die Straßenverkehrsteilnehmer und erhöht die Unfallwahrscheinlichkeit.
Das Europäische Parlament hat deshalb bereits im Jahr 2000 mit der „Richtlinie
2000/30/EG“ die Weichen für effizientere Straßenverkehrskontrollen gestellt.
Medien
Aus Bund und Ländern
Aus Wirtschaft und Wissenschaft
Dieser Ausgabe ist der pvt-Wandkalender für 2016 beigefügt.
Um freundliche Beachtung wird gebeten.
In Nordrhein-Westfalen werden diese Überwachungen auch durch „Kooperative Straßenverkehrskontrollen“ wahrgenommen. pvt hatte Gelegenheit an Kontrollen der Autobahnpolizeiwachen (APWen) Bochum und Moers teilzunehmen.
Siehe hierzu auch Beitrag auf Seite 10 ff
 Technik und Ausstattung
„Ohne Beanstandungen“ zertifiziert
SFP9 – Das neue Polizei-Pistolen-System
von Heckler & Koch
Von RA Marc Roth* – Heckler & Koch GmbH – Oberndorf/Neckar und
Hans Damm**, Leitender Regierungsbaudirektor a.D., Drensteinfurt
Derzeit sind rund 165.000 Pistolen verschiedener Modelle von Heckler & Koch bei deutschen Landes- und Bundesbehörden im Einsatz.
Mit der SFP9 bietet HK ein neu konzipiertes Behörden-Pistolensystem an. Nach der Zertifizierung gemäß Technischer Richtlinie durch
das Beschussamt Ulm im Oktober 2014 mit dem seltenen Prädikat „ohne Beanstandungen“ haben sich Mecklenburg-Vorpommern,
Sachsen und Brandenburg mit einer Gesamtstückzahl von rund 27.000 Waffen als erste Länderpolizeien für die Beschaffung der SFP9, sowie des
Üb-Systems SFP-FX und dem Handhabungsmodell SFP-H entschieden. Darüber hinaus befindet sich die SFP9 aktuell bei mehreren deutschen
Bundes- und Landesbehörden in der Erprobung. Von der US-Version der SFP9, der VP9, sind bereits rund 100.000 Stück in den USA im Umlauf.
Polymerpistole mit Schlagbolzenschloss und „High Capacity“Magazin – Teil der „Heckler &
Koch-DNA“
Mit der vor mehr als 40 Jahren entwickelten Pistole VP70 ist HK der eigentliche Erfinder der Polymerpistole mit Schlagbolzenschloss und sog. „High Capacity“-Magazin.
Abb. 1: Die weltweit erste Pistole mit
Polymergriffstück, Schlagbolzenschloss
und zweireihigem „High Capacity“Magazin: die Heckler & Koch VP70M
Später wurde mit der PSP/P7-Baureihe
erstmals eine HK-Pistole mit Schlagbolzenschloss in großem Umfang bei deutschen
und internationalen Polizeiverbänden eingeführt. Bei der bayerischen Landespolizei
ist die P7 bis heute Standardwaffe.
Nach der P7-Baureihe begann auch bei
HK Anfang der 1990er Jahre die Ära der
Pistolen mit Polymergriffstück und der
Wechsel zum Hammerschloss.
Nach USP Compact/P10 und P2000 ist
seit 2006 die P30 im deutschen und in* Öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger
für tragbare militärische und polizeiliche Schusswaffen und Munition ab 1945
** Ehemaliger Leiter des Polizeitechnischen Instituts (PTI)
bei der Deutschen Hochschule der Polizei (DHPol)
22  pvt  6/15
Abb. 2: Die erste deutsche Polizeipistole mit Schlagbolzenschloss im Kaliber 9mm x 19:
die Heckler & Koch PSP, P7, P7M8 und P7M13 (Foto). Einer der ersten Nutzer war die
GSG9; bis heute ist die P7 Standard-Dienstwaffe der bayerischen Polizei.
ternationalen Polizeibereich überaus erfolgreich:
Mit der SFP9 trägt HK nun der seit
rund 10 Jahren bestehenden Nutzerforderung nach einer Pistole mit Schlagbolzenschloss und entsprechend niedriger Visierlinie Rechnung.
SFP9 – Behördliche Waffenfamilie
mit System
Die SFP9-TR ist Kernstück einer behördlichen Pistolen-Produktfamilie auf Basis
des P30-Magazins, welche insbesondere
die untenstehenden Modelle und Zubehörkomponenten umfasst; alle SFP9-Modelle sind jeweils mit TR- oder SF-Abzug1
verfügbar bzw. auf Werkstattebene oh-
ne Veränderung von Griffstück oder Verschluss umrüstbar. Auf Wunsch können
alle SFP9-Modelle auch in maritimer Ausführung realisiert werden:
"" SFP9-SF – „Special Forces“, wie SFP9-TR, jedoch statt TR-Abzug, sog. SF-Abzug, vollständig vorgespannt, mit kurzem Auslöse- und Resetweg (6mm bzw. 3 mm).2
"" SFP9M – „Maritim“, störungsfreie Waffenfunktion unter Wasser3 und volle Nutzungsfähigkeit der Waffe nach
NATO-AC225/D14-Langzeit-Salzwassertest. Volle Teiltauschbarkeit mit nicht-maritimen SFP9-Modellen4
"" SFP9SD/SFP9SD-RD – Schalldämpfer-Version, wie SFP9, jedoch mit langem SD-Rohr
und erhöhter mechanischer SD-Visierung;
die RD-Version („Red Dot“) verfügt über
Technik und Ausstattung 
einen modifizierten Verschluss
zur Aufnahme eines Rotpunkt-Visiers, optional in Verbindung
mit einer mechanischen Notvisierung.
"" SFP9SK – Subkompakt-Modell mit identischer Magazinschnittstelle wie SFP9
"" SFP-FX/SFP-UTM/SFP-CM – Üb-Systeme
zur Farbmarkierung
"" SFP-H – „Handling“, Handhabungswaffe;
voll funktionsfähig, jedoch nicht schussfähig5
Im Zubehörbereich ist insbesondere das
High-Capacity-Magazin zu nennen, welches formschlüssig nur wenige Zentimeter über die Griffstückunterkante hinaus-
Abb. 4: Die sog. Durchladehilfen können auf
Werkstadtebene nach
Abnahme des Visiers
beliebig ausgetauscht
und auch asymmetrisch
montiert werden.
ragt und mit einem Fassungsvermögen
von 20 Patronen einen Schuss mehr aufweist als das international verbreitetste
Wettbewerbsmodell.
Weiterhin ist u. a. eine glatte Abdeckleiste für die Picatinny-Schiene verfügbar, um
diese vor Beschädigungen zu schützen und
beim Ziehen der Waffe aus verdeckter Trageweise ein Verhaken des Schienenprofils
an der Kleidung zu verhindern.
Für erhöhte Griffigkeit, werden Griffschaleneinsätze und -rücken mit Gummierung
realisiert, welche einfach gegen die Standardbauteile ausgetauscht werden können.
Hierdurch wird nun endlich die Nutzung der
nach „TR-Polizeipistole“ nicht zugelassenen
sog. „Griffüberzieher“ aus Gummi6 entbehrlich und so auch Nicht-Spezialkräften der Polizei erstmals seit Bestehen der „TR-Polizeipistole“ die rechtskonforme Nutzung eines
gummierten Griffes ermöglicht.
Grundaufbau
Bei der SFP9 handelt es sich um ein starr
verriegeltes, modifiziertes Browning-System.
Das Polymergriffstück nimmt das Stahlb-
Abb. 3.: Heckler & Koch
SFP9 – TR-zertifiziert
„ohne Beanstandungen
lechmagazin der Polizeipistole
P30 auf und fasst 15 Patronen.
Im gefrästen Stahlverschluss befindet sich das gehärtete Polygonrohr
mit der Schließfederführungsstange aus Stahl. Das
Entriegelungselement ist im Gegensatz zur P30
nicht mehr Teil der
Federführungsstange,
sondern des Griffstücks.
Hierdurch
wird auch bei
Nutzern, welche die Waffe
beim Schießen etwas „lockerer“ halten,
eine akzeptable Waffenfunktion bzw. Hülsenauswurf gewährleistet.
Bei Zerlegung auf Nutzerebene gliedert
sich die SFP9 in die fünf Hauptbaugruppen
Griffstück, Verschluss, Rohr, Schließfederführungsstange und Magazin; der Verschlussfanghebel ist unverlierbarer Bestandteil des
Griffstücks.
Alleinstellungsmerkmal „Maximale Zerlegesicherheit“
Neben maximaler Funktionssicherheit und
Lebensdauer war Bedienersicherheit eine
Top-Priorität bei der Entwicklung der SFP9.
Bereits die Dienstpistole Walther P38 der
ehemaligen Deutschen Wehrmacht ermöglicht das Betätigen des Zerlegehebels erst
sofern sich der Verschluss in vollständig geöffneter Stellung befindet. Hierdurch wird
eine im Patronenlager befindliche Patrone
zwangsläufig ausgeworfen und somit sichergestellt, dass die Waffe nicht fertiggeladen zerlegt werden kann.
Diese Zwangssteuerung wurde bei der bekannten deutschen Polizeipistole SIG-Sauer
P6 (kommerzielle Bezeichnung P225) eben-
falls übernommen und hat sich
somit in der behördlichen Nutzung seit mehr als 75 Jahren bewährt.
Auch die SFP9 verfügt über
diese Zwangssteuerung und wurde in ein ganzheitliches konstruktives
Konzept „maximaler Zerlegesicherheit“ integriert:
Bei der SFP9 muss vor dem Zerlegen nicht nur der Verschluss
in vollständig geöffneter Stellung arretiert werden. Vielmehr
muss zusätzlich das im Griffstück befindliche Magazin entfernt werden. Erst dann kann
der links am Griffstück befindliche Zerlegehebel betätigt und der Verschluss mit Rohr und Schließfeder nach
vorn vom Griffstück abgenommen werden. Es ist somit vollkommen unmöglich
eine geladene Waffe zu zerlegen.
Alleinstellungsmerkmal Ergonomie – Griff und Durchladehilfen
Durch das einzigartige Griffsystem, welches sich bereits bei der P30 bewährt hat,
kann auch bei der SFP9 die Griffergonomie nach drei Seiten durch austauschbare Griffrücken, und Seitenschalen in mindestens 27 Volumenkonfigurationen variiert werden. Nachdem kundenseitig inzwischen zwei weitere Griffrücken gefordert
wurden, sind bei der SFP9 inzwischen bis
zu 45 Volumenoptionen auf Nutzer- oder
Werkstattebene realisierbar.
Die Formgebung der Griffgeometrie der
SFP9 erfolgte – wie schon bei den Polizeipistolen P30 und P30SK – in enger Zusammenarbeit mit der Fa. Karl Nill/Mössingen, die über jahrzehntelange Erfahrung in diesem Bereich verfügt und neben vielen Sportwaffengriffen unter anderem bereits Anfang der 1980er Jahre
den Griff des Präzisionsschützengewehrs
1 „PSG1“ gestaltete.
Ebenfalls einzigartig sind die sog. Durchladehilfen, welche sich auf Werkstattebene
nach Abnahme der Kimme von oben beidseitig in den Verschluss einsetzen lassen;
auch asymmetrisch. Hierfür sind derzeit drei
verschiedene Geometrien verfügbar, inklusive einer flachen Version, welche nicht auf
dem Verschlussquerschnitt aufträgt. Letztere eignet sich sehr gut für verdecktes Tragen sowie Nutzer, welche optisch einen minimalen Verschlussquerschnitt bzw. ein Zielbild wünschen, welches links und rechts am
Verschluss vorbei eine optimale Umfeldbeobachtung ermöglicht.
6/15  pvt  23
 Technik und Ausstattung
Die neueste Form der Durchladehilfen wurde auf Basis einer
breit angelegten HK-eigenen Anwendererprobung gestaltet, an
welcher ausschließlich Damen teilnahmen.
Alleinstellungsmerkmal
„Maximal zulässige Gesamtzuladung“
Die SFP9 verfügt vorne an
der Griffstückunterseite über
eine sog. Picatinny-Schiene
nach MIL-STD-1913; eine Realisierung der hierauf basierenden neuen
NATO-STANAG4694-Schienengeometrie ist
herstellerunabhängig aufgrund der engen
Tolerierungen der STANAG-Norm in Kunststoff nicht realisierbar. Hier lauert vor allem
für militärische Beschaffungsbehörden ein
versteckter Fallstrick, da seit der STANAG-Standardisierung aufgrund der NATO-Zughörigkeit der Beschaffungsnationen die ausschließliche Beschaffung von Waffen bzw.
Montageschienen nach STANAG4694 angewiesen wurde, obwohl einige Werkstoffe dies herstellerunabhängig nicht ermöglichen können und diese enge STANAG-Tolerierung bei Langwaffen gerade bei Zweibein- und Sturmgriff-Schienen auf 3h, 6h- und
9h-Position praktisch keinen Sinn macht;
hier reichen die MIL-STD-1913-Maße vollkommen aus.
Für die SFP9 wird herstellerseitig erstmals
– vergleichbar einem Fahrzeug – eine maximal zulässige Gesamtzuladung von 160g
für Laser-Licht-Module und andere Zubehörteile definiert und die volle Waffenfunktion
bis zu diesem Zuladungsgewicht garantiert.
Dies ist das Ergebnis intensiver funktionaler
Untersuchungen, welche ergaben, dass Anbauteile schwere Funktionsstörungen und
Lebensdauerverkürzung (z. B. des Griffstücks)
herbeiführen können, sofern Waffenkinematik oder konstruktive Stabilität für diese
Zuladungen nicht ausgelegt sind.
Alleinstellungsmerkmal Magazin
der Polizeipistolen P30/P30SK
In allen SFP9- und SFP9SK-Modellen werden die Magazine der Polizeipistolen P30 bzw.
P30SK verwendet. Hierdurch weisen insgesamt vier Pistolengrundmodelle eine identische Magazinschnittstelle auf.
Dies bietet u. a. den einsatztaktischen Vorteil, dass im verbundenen Einsatz verschiedener Polizei- und auch Militärkräfte, SFP9und P30-Nutzer Magazine austauschen kön-
24  pvt  6/15
Abb. 5: Heckler & Koch SFP9CM – „Low Energy“-Farbmarkiersystem, entwickelt auf Initiative und in enger Zusammenarbeit mit der Bundespolizei im
Projekt P30-BPol.
nen. Ebenso verhält es sich, sofern bspw. polizeiliche Spezialkräfte mit einem SFP9-Modell ausgerüstet werden, während reguläre
Kräfte zeitlich vorgelagert bereits mit der
P30 ausgestattet wurden.
Erstmals ist es nun auch möglich, maritime Kräfte mit einer Pistole auszustatten deren Magazine identisch sind mit de-
nen der TR-zertifizierten Waffen P30
bzw. SFP9.
Bedenkt man, dass sich alleine bei
deutschen Länderpolizeien und Bundesbehörden aktuell rund 70.000 Pistolen des Modells P30 in Nutzung befinden und in den nächsten Jahren weitere ca. 27.000 vom Typ SFP9 hinzukommen,
sind alleine bei deutschen Behörden insgesamt weit über 100.000 Pistolen mit dem
SFP9/P30-Magazin im Umlauf. Darüber hinaus nutzen im militärischen Bereich das
Kommando Spezialkräfte (KSK) und die Personenschutzkräfte der Feldjäger die P30.
Alleinstellungsmerkmal ÜbSystem „CM“ (Color Marker)
Neben den marktgängigen Farbmarkier-Systemen der sog. „High“ und „Medium Energy“-Kategorie, UTM und FX-Simunition, bietet HK als einziger Hersteller auch das in Zusammenarbeit mit der
Bundespolizei entwickelte „Low Energy“-Üb-System „CM“ (Color Marker) an,
Technische Daten
Modelle
SFP9-TR / SFP9-SF / SFP9M / SFP9SD / SFP9SK
Waffenfarben
schwarz / RAL8000 – grünbraun (Bw-Standard)
Üb-Modelle (Farbmarkierung)
SFP-FX / SFP-UTM / SFP-CM
Handhabungswaffe
SFP-H
Laser-Ziel-Üb-Waffe
SFP-LZ
Kaliber
9mm x 19 (TR / NATO / CIP / SAAMI)
Systemverträglichkeit
(Auswahl)
Polizeimunition
MEN – PEP II / 2.0 (TR Polizeipatrone 2009)
RUAG – Action 4 (TR Polizeipatrone 2009)
RUAG – Action 5 = Bw DM101
RUAG – Green Range
MEN – PTP
Militärmunition
NATO AD60 = Bw DM51/DM41 (Vollmantel-Weichkern)
NATO AD63 = Bw DM91 (Vollmantel-Hartkern)
RUAG/MEN – Subsonic/Unterschall (Vollmantel-Weichkern)
Magazintyp/-schnittstelle
Identisch mit P30 bzw. P30 SK
Magazinkapazitäten
10 / 15 (Standard) / 20 Patronen
Abzugsystem
SA – Single Action mit vollständiger Vorspannung
ohne Double-Action-Funktion8
Abzugsentspannung
Automatisch beim Zerlegen (Abnahme des Verschlusses)
Abzugswiderstände
ca. 32N (SFP9-TR) / ca. 24N (SFP9-SF)
Zündsystem
Schlagbolzenschloss
Verschluss-/Antriebssystem
Starr verriegelt, Browning modifiziert, Rückstoßlader
Rohrlängen
104 mm (Standard) / 120 mm (Schalldämpfer) / 86mm (SK)
Rohrprofil
Polygon
Gesamtlänge
ca. 187 mm
Gesamtbreite
ca. 34 mm
Gesamthöhe
ca. 137 mm
Visierlinie
162 mm
Leergewicht
710 g
7
Technik und Ausstattung 
SFP9-Abzugssysteme im Vergleich
SFP9-TR
(Technische Richtlinie)
SFP9-SF
(Special Forces – Spezialkräfte)
nicht zertifizierungsfähig wegen
TR-Mindestvorgaben
Abzugswiderstand
Ca. 32N
(TR-Vorgabe: min. 30N)
Ca. 24N
Auslöseweg bis zum
Druckpunkt
Ca. 11mm
(TR-Vorgabe: min. 10-15mm)
Ca. 6mm
Rückstellweg bis zu erneuter Auslösemöglichkeit
(sog. „Reset-Weg“)
Ca. 5mm
(TR-Vorgabe: min. 4mm)
Ca. 3mm
APC-Entladestationen
m
23
c
x
m
3c
.1
Da eine weitere Aufrüstung der persönlichen Ausstattung terroristischer Attentäter auch im Bereich der Schutzwesten zu erwarten ist, wird im militärischen
wie polizeilichen Bereich gerade seit den
jüngsten Terror-Anschlägen immer wieder die Forderung der Durchdringung von
Schutzwesten im Bereich der Schutzklasse 4 bzw. mit Keramik-Elementen mittels
Pistolenmunition diskutiert und teilweise gefordert.
Der einzige Munitionstyp, welcher hierfür in Deutschland für behördliche Nutzer in Frage kommt, ist die Patrone DM91
des Herstellers MEN.
Die DM91 wurde vor ca. 10 Jahren bei
der Bundeswehr als sog. „Nahkampfmunition“ für eine Schussentfernung bis ca.
7m beschafft. Derzeit erfolgt – unabhängig vom Waffenmodell bzw. -hersteller –
jedoch in der Bundeswehr keine Nutzung
der DM91. Die genauen Gründe hierfür
sind nicht bekannt.
Auf Initiative aus dem Bereich der deutschen Polizeien wurde auf Basis des DM91-Geschosses durch die Fa. MEN eine Variante
dieser Patrone generiert, deren Gasdruckwerte sich an den Vorgaben der TR-Polizeipistolenpatrone
9x19 orientieren;
jedoch hat die sog.
„DM91-TR“ bisher
kein TR-Zertifiziem
Die
r ung s v er f ahr en
2c
x2
m
c
5
kompaktesten
durchlaufen.
4,
.1
ca
sicheren
Es ist grundsätzEntladestationen
lich möglich, beide
für alle Kaliber
Varianten der Patbis
cal.50 BMG AP*
rone DM91 aus der
SFP9 schützen- und
Geprüft vom:
funktionssicher zu verBundesbeschussamt
schießen. Die maxiFBI,
mal gewährleistete
Sandia Laboratories,
U.S. Dept. Of Energy
Schuss-zahl bzw. die
sog. „Hartkernfähigkeit“ hängt hierbei jedoch – wie bei jeder
anderen Waffen- und
Munitionskombination auch – von Nutzervorgaben ab, welche u. a. Beschusszy*APC-100 alle Modelle
klus, Präzisions- und
!!! Beschusstest-Video unter www.nabco.de !!!
DurchschlagsfordeTel.: +49 (0) 2151 4537 106 – Fax: +49 (0) 02151 891 7888
rungen eindeutig
definieren müssen.
www.nabco.de
Grundsätzlich ist – unca
„Hartkern-Fähigkeit“ für den
Anti-Terror-Einsatz? – Varianten
der Patrone DM91
Endnotes
1 Zu den genauen Unterschieden siehe Tabelle unten
2 Daher nicht TR-zertifizierungsfähig
3 Waffe vollständig und blasenfrei an der Wasserlinie getaucht; störungsfreier Verschuss inkl. Verschlussfang
von bis zu 30 Schuss unter Wasser.
4 Bei Einbau bzw. Verwendung nicht-maritimer Bauteile
in der SFP9-M wird die volle Waffenfunktion nicht-maritimer Modelle der SFP9 gewährleistet; maritime Nutzungsmöglichkeiten können in einem solchen Zustand
zwangsläufig teilweise oder ganz verlorengehen.
5 Bisher aufgrund der Farbgebung der Griffstücke umgangssprachlich auch als sog. „Rot-“ oder „Gelbwaffen“
bezeichnet.
6 z. B. der US-Hersteller Hogue und Pachmayr
7 Voll funktions-, jedoch nicht schussfähig
8 Auf die Double-Action-Funktion wurde bewusst verzichtet. Hierdurch wird nicht nur ein identischer Abzugswiderstand in allen Szenarien gewährleistet, sondern auch der Tatsache Rechnung getragen, dass das
Risiko eines erneuten Zündversagens bei erneutem
Abschlag der zugeladenen Patrone erfahrungsgemäß
deutlich höher ist als bei einer neu zugeladenen Patrone. Die Auslegung des SFP-Abzugs folgt damit konsequent dem insbesondere bei Spezialkräfte gängigen
Drill, bei Funktionsstörung kräftig auf dem Magazinboden zu schlagen und sofort durchzuladen – international bekannt als „Tap and Rack“-Methode.
Höhe ca. 80cm
welches sich an Nutzer wendet, deren Prioritäten dahingehend gesetzt sind, an jedem beliebigen Ort (außerhalb zugelassener Schießstände) mit minimaler Schutzbekleidung, ohne schädlich Emissionen,
bei identischer Waffenhandhabung, realitätsnah zu trainieren.
Ein häufig unterschätzter Aspekt im Zusammenhang mit den verschiedenen Farbmarkierungssystemen ist der Umstand,
dass aus physikalischen wie rechtlichen
Gründen jedes Üb-System immer im Kontext mit der jeweils angebotenen Schutzausstattung zu betrachten ist. Eine simple
„Überkreuz“-Nutzung von bspw. UTM-Waffen in Verbindung mit FX-Schutzausstattung stellt nicht jeden Nutzer zufrieden
bzw. kann ballistische bzw. gesundheitliche Restrisiken bergen. HK empfiehlt daher immer jedes Üb-System nur mit der
dazu angebotenen Schutzausstattung zu
nutzen.
Insofern erscheint die sorgfältige Abwägung taktischer, logistischer und finanzieller Aspekte besonders sinnvoll, insbesondere dann, wenn bereits für andere
Waffensysteme Farbmarkiersysteme eingeführt worden sind und im Trainingsalltag
verschiedene Waffensysteme im Verbund
eingesetzt werden sollen.
abhängig vom Waffenmodell – bei der Nutzung
von Hartkerngeschossen gegen Schutzkomponenten (insbesondere mit Keramikelementen)
zu beachten, dass gerade im Nahbereich von
0 bis ca. 7m in der Regel heiße Fragmente von
Geschossmantel und Penetrator-Führungselement zusammen mit Keramiksplittern in
Richtung des Schützen zurückgeschleudert
werden. Das Tragen entsprechender Schutzbrillen und -kleidung hat daher in diesem
Kontext eine besondere Bedeutung.
Kontakt: [email protected]