Notizen aus der Provinz

SZENE
zentren, Medienfore n , Festi­
vals, Rocknächten, Matinees,
Musikerwettbewerben u. ä. i h re
Szene und den musikalischen
Nachwuchs fördern , versucht
man in Wanne-Eickel (bis auf
einige zaghafte Ausnahmen) die
eigene Szene offensichtlich tot
zuschweigen . Eine dieser wen igen Ausnahmen, die Veranstal­
tung"Musik und B i lder" be­
wies Anfang des Jahres mit
über 600 Besuch er n i m städt.
Saalbau und durchweg positiver Resonanz, wie groß auch
in der "Provinz" das Bedürfnis nach Abwechslung vom
offi ziellen k u lturellen E intopf
Wanne-Eicke l , die einstmals bl ü- weit über die Stadtgrenzen h i n- ist.
hende "I ndustriestadt i m Her- aus bekannt, zudem werkeln Dabei war die Veranstaltung
zen des R u hrgebiets" (Presse - Wanne-Eickler Musiker fest oder eigentlich gar n icht u ngewöhn ­
text ) , degeneriert mehr u n d sporadisch be i anderen über- liches: 7 Maler aus Wanne­
mehr zum unbedeutenden Vor- regional bekannten Formatio- E ickel stellten i h re Bilder aus,
ort von G roßherne: Zechen- nen und Musikern mit: Bei 1 4 Bands jazzten und rockten
stil legu n ge n , Betriebsschließun·I Root , A l i Claudi , Gunter Harn- im Rahrnenprogramm. Die Or­
gen , Ban k rotte, Produktionsver- pel u n d Hyppopotamus.
ga n isatoren waren in diesem
Iagerungen, steigende Pendler- Neben den "Lokal matadoren" Falle Jugend- und Ku lturamt,
und sinkende Einwohnerzahlen tummelt sich e i ne stattliche die "Werkstatt K u ltur aktue l l "
, prägen heute zunehmend da s Anza h l (bisher noch) unbekann- u nd d i e .. initiative Musik e.V."
B i l d der Stadt. Das Kultur- ter Ban ds : Jazz & B lues Trio , Letitere,
als
I n teressenver­
u n d Freizeitangebot scheint sich Wanne, JKS-Bigband, Vorgrup- tretung der Musiker 1 977 i n s
Ein
wundervol l • pe , Virgi l , Rock Zock , Sh am- Leben gerufen, sieht es, neben
anzupassen :
' renovierter
Saa lbau
wartet rock 3/4, Rockheads und DC gegenseitiger organisatorischer
darauf, wachgeküßt zu werden , 1 0 , u m nur einige zu nennen. U nterstütz ung und Nachwuchs14
Durchschnittsdiskotheken Das Spektrum reicht vom Free- förderung, als i hre vornehmliehe
(3 ohne, 1 mit Kostümzwang) Jazz bis Punk - n ur Fol k-Mu- Aufgabe a n , das kulturelle Le­
bu hlen um die Gunst der sie ist aus unerklärlichen Grün- ben in Wanne zu beleben ,
Travolta-Jünger; lediglich 2 Iei- den n icht vertreten .
bzw. an die Oberfläche z u bri n der viel zu kleine Musikknei- Ernahren kann sich von seiner ge n . Der Weg ist dornenreich :
DO R F RO C K
pen
( B istro
und
Notizen a u s d e r Provi nz
Apostrophe )
stellen sich trotzig der Disco Sound-Welle entgegen.
Doch h i nter der grauen, belscha u liche Stadt-Fassade tut
:sich was: Konnten Wanne-Eickeler Musiker in den 60er Jahren
1 i mmerhin schon durch den
,Weltrekord
im
Dauerbeat
( N ightbirds) und eine ausgedehnte
F i nnla nd-Tournee
(Terra Moss) von sich reden
machen, so kann man heute
schon fast von einem WanneE i ckeler-Musi k -Export spreche n ,
Jazz- und Rockgruppen wie
das Georg-Gräwe-Qu i ntett, New
Set, Zero Zoom, Piet Kröte's
Peep-Show, Dierk Dengel Experience und Zephyr Zwo sind
24 gucklach
Musiker - für die I rei , Trägheit und fehlende E i n
meisten ist i h re Musik ein 1 sieht in die Notwendigkeit einer
zieml iches
Zuschußgeschäft. eigenen Organ isation bei vielen
Nichts besonderes also i nner- Musikern , U nkenntnis sowie
halb der bundesrepublikani- Vorurteile von
öffentlichen
sehen
Musiker-Landschaft, Stel len hemmen die Arbeit,
ebenso n icht, wie der Mangel dennoch konnte die I n itiative
a n geeigneten
Proberäumen etliche Erfolge verbuchen: Von
und öffentlicher Unterstützung. Ku nstund
Fotokalendern
Ein großes Handicap für die (auch für 1 980) sol l wieder
Musiker, die sich n icht nur einer erschei nen über Werk­
E i n zelveranstaltungen ,
als
Exportartikel
begreifen, shops,
sondern auch in ihrer Heimat- Benefizkonzerte in Altershei­
stadt zum k u lturellen Leben men ( ! ) bis hin zu einer seit
beitragen wollen, ist die un - August laufenden eigenen Verübersehbare
Ignoranz
der anstaltungsreihe in den Räumen
kommunalen
Ku lturpäpste : einer Wann e r Gaststätte, i n deWo
Nachbarstädte
in ren Rahmen neben einheimiKommun i kations- und JuQend- sehen auch schon Gruppen
, Eickeler
Musik
kaum einer der Wanne- Abneigung gegen
Vereinsmeie-
..
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SZ E N E
wie das Martin Teurer Tri o ,
die N ,daga B I uesband oder
a ufgetreten
Lavendeltreppe
sind. Und das bei einer Gage
von n ur ca. 50,- DM pro Kopf.
Wie gesagt , U nterstützung gibt's
nicht. Dennoch hofft die l n i·
tiative
Monatskonzert­
i h re
Reihe im neuen Jahr fortsetzen
zu können, ist dabei aber auf
Bands aus Nachbarstädten ange­
wiesen, da die Wanner Gruppen
schon fast a l le ei nmal dran wa­
ren. (Wer mitmachen wi l l , kan n
sich direkt
an die I n itiative
wenden : R. Poklade k , Haister­
hauser Markt 5, 4690 Herne 2 ,
( 0 23 25) 4 74 1 1 .
Jugendheime und Schulen ver­
fügen in Wanne-Eickel über
gu te bis sehr gu te Veranstal­
t u ngsräu me . Daß hier keine
Gru ppen auftreten , hat seinen
Grund: Welche Band ist schon
in der Lage, neben dem Plakat·
drucken u nd - kleben , den
tech nischen Vorbereitungen und
dem Kartenverkauf auch noch
für den Getränkeverkauf, das
Herrichten , Aufräumen und Rei·
nigen der Räume, die Über·
wachung des (oft herrschenden)
Rauchverbots usw. zu sorgen
u nd dabei auch noch das finan·
zielte R i siko ganz al leine zu
tragen? Im Ü brigen vverden 1 n
den meisten offentliehen Rau·
men Rock.Veransta!tungen gar
n icht' erst geduldet, '.IIII e ein
Beispiel aus j üngster Zeit es
wieder e i n mal ei ndrucksvoll be·
weist. Schien es ei ner Schul·
Ieitung noch opportun, eine
B igband und eine Soft-Rock
G ruppe zum Anstaltsju bil äum in den geheiligten Hallen
musizieren zu lassen , so trat
!:
eine Woche später das Demo·
kratieverständnis der D i rektion
offen zu Tage, i n dem einer
Veran sta ltung der SMV (mit
i m merh i n überregional bekann ·
ten Punk-Gruppen wie Mi ttags ·
pause,
Materialschlacht
und
Syph) jede Unterstützung verweigert wurde, ja den Veran staltern sogar ganz offensicht·
lieh
K nüppel zwischen die
Beine geworfen wurden .
So verwundert es denn auch
n icht, daß i n kau m einer Schu·
le oder einem Jugendheim
Gruppen proben durfen . "Be·
liebteste " Probenräume blel·
ben also Keller und Waschküchen, und gabe es nich r
( neben
der
"Jugendkunst·
schule Wanne-Eickel e'v .", die
sich sehr u m den musikal ischen
Nachwuchs bemuht) wieder e o n ige Selbsth ilfein itiativen , wu rde
wohl keine Wanner Band eben·
erdig proben können .
Zum einen wäre hier die "Künst·
lergemeinschaft Unser Fritz " zu
n en n e n , die in einem ausgedienten Zechen gebäude neben Ar-
I
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.
c
j
beitsräumen für F otografen , Ma. I er u nd B i ldhauer auch 2 Bands
beheimatet, zu m an deren e i ne
l n itiative von knapp 20 Leu ten .
die sich in einer ehemaligen
Fabri k neben einem Proberaum
Foto-, Film- und Aufnahme­
studios eingerichtet haben . J e-'
doch vver kan n es sich schon
leisten , monatlich 600,-- DM 1
auf den Tisch zu legen , n ur um I
einigermaßen arbeiten zu kön nen?
Das seien n un woh l auch
endlich die Kommunalpolitiker
erkannt zu haben: N i mmt man
Wah l versprechen ernst , müßte
in absehbarer Zeit auf einem
stadt. Grundstück i n Herne
Sodingen eine Rock-Fabrik ge­
baut werden. Der geplante
Standort und Neubau rufen je­
doch bei den Wanner- und
Herner Musikern Verwunderung
hervor: Von Wan ne-Eickel bis
Sodingen braucht man mit
öffentlichen
Verkehrsmitteln
länger als eine halbe Stunde,
auch von Herne-Mi tte ist es
noch eine ganze Ecke bis nach
Sodi ngen . Und warum ein kost­
spieliger Neuba u , wo es doch i m
Wanner- und Herner Stadtgebiet
ein gutes Dutzend alter B u nker
und mi ndestens ebenso viele
stillgelegte
geeignete
gut
Zechenanlagen und Fabriken
gibt, die für vergleichsweise
"kleine Kohle" umgebaut wer­
den könnten und zudem noch
wesentlich
verkehrsgünstiger
liegen?!
W. Berke
,
j
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