Raum und Wohnen 02/2016, Pepe Lienhard, Musiker

FREIRAUM
PEPE LIENHARD, MUSIKER
Grosses Glück und
guter Groove
FOTO: Gaëtan Bally
INTERVIEW: Rebekka Haefeli
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Raum und Wohnen 2/16
Mein Musikzimmer befindet sich unter dem Dach der umgebauten Scheune, die
zu unserem Wohnhaus gehört. Der Raum strahlt, wie das ganze Haus, eine
besondere Wärme aus; ich habe mich darin vom ersten Moment an wohlgefühlt. Das
ehemalige Bauernhaus stammt aus dem 17. Jahrhundert. Meine Frau entdeckte es
im Internet, wir fuhren hin, kamen hinein und wussten schon nach fünf Minuten:
Das ist es! Den Kauf haben wir seither keine Sekunde bereut. Leute, die uns gut
kennen, sagen uns immer wieder, das Haus mit seiner gemütlichen Atmosphäre
passe zu uns. Diese Freunde kennen auch noch andere Seiten an mir als die des
Bandleaders, der im Smoking und im Scheinwerferlicht auf der Bühne steht und ein
grosses Orchester dirigiert.
An meinem Musikzimmer schätze ich unter anderem, dass es viel Platz bietet für die
mehreren tausend Schallplatten und CDs, die ich besitze. Ich halte mich jeden Tag
in diesem Raum auf, sitze am Klavier, übe Saxophon oder erledige Administratives
am Computer. Hier im Musikzimmer finden auch Treffen mit Berufskollegen statt,
etwa mit Arrangeuren vor neuen Produktionen. Oft bin ich auch alleine hier und
höre Musik. Bei mir läuft die Musik nie nur im Hintergrund, während ich eigentlich
mit etwas anderem beschäftigt bin. Das mag unzeitgemäss sein – heute, wo Multitasking angesagt ist. Diese Einstellung hat mit einem gewissen Respekt der Musik
gegenüber zu tun. Das war schon so, bevor ich Berufsmusiker war. Ich kann auch
nicht weghören, wenn irgendwo Musik gespielt wird. Wenn ich zum Beispiel in einer
Bar sitze und der Pianist eine falsche Harmonie spielt, merke ich es. Aber natürlich
würde ich nie hingehen und etwas sagen. Ich finde einfach, wenn Musik läuft, dann
soll man auch hinhören. Als Musiker muss man aber auch Musik machen, die es
verdient, angehört zu werden. Darum lege ich Wert darauf, mit den besten Musikern
zusammenzuarbeiten. Selber übe ich leider nicht jeden Tag; ich habe einfach nicht
genug Zeit und ausserdem noch so viele andere Interessen. Zum Beispiel halte ich
mich sehr gern im Garten bei meinen Vögeln auf. Als Bandleader habe ich aber
ohnehin eine andere Funktion als die Musiker meiner Big Band oder ein virtuoser
Solist. Insofern relativiert sich die Sache mit dem Üben. Ein Fussballtrainer muss
ja auch nicht besser Fussball spielen können als sein Team. Meine Aufgabe besteht
in erster Linie darin, das Beste aus jedem einzelnen Musiker herauszuholen und
sie zum perfekten Zusammenspiel zu motivieren. Gute Musiker sind allerdings
häufig auch spezielle Persönlichkeiten, man könnte fast sagen: je besser, desto
komplizierter. Doch meine grosse Erfahrung erleichtert mir den Umgang mit den
unterschiedlichsten Menschen; immerhin bin ich seit über 50 Jahren Bandleader. Für
mich ist ein guter Groove unter den Musikern wichtig, und so herrscht eigentlich
immer eine zufriedene Stimmung.
Ich bezeichne mich als Performer: Live on stage, das ist mein Ding. Lampenfieber
im Sinn einer grossen Nervosität spüre ich nach so vielen Jahren nicht mehr; es ist
mehr eine gesunde Spannung. Ob ich einen Glücksbringer besitze? Nein, ich bin da
eher schweizerisch-nüchtern und sorge für eine gute Vorbereitung, das habe ich
von den Grossen gelernt. Udo Jürgens etwa, mit dem ich 37 Jahre lang gearbeitet
habe, kam nicht ein einziges Mal zu spät, und er wusste stets alle Texte perfekt
auswendig. Oder Frank Sinatra: Er war schon drei Tage vor dem Konzert auf der
Probe und wollte wissen, wie die Band klingt. Ich hatte das Glück, mit einigen ganz
Grossen zusammenarbeiten zu können. Musik war für mich in den wenigen Momenten,
in denen es mir in meinem bisherigen Leben nicht so gut ging, ein Wundermittel. Musik
entwickelt manchmal eine wahnsinnige Kraft. Musik versöhnt mich mit der Welt.
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