Publikation: Ressort: Pagina: Erscheinungstag: tbhb tb-th 2 30. 11. 2015 Ist-Farben: MPS-Planfarben: cmyk0 cmyk 2 Thema Montag, 30. November 2015 ZUR SACHE Die Formel 1 lebt nicht nur von der Technik In Abu Dhabi drehte die Formel 1 ihre letzten Runden in dieser Saison. Der Weltmeister stand dabei längst fest. D as Saisonfinale in der Formel 1 hatte so gar nichts von einem Finale. Der Brite Lewis Hamilton stand schon seit fünf Wochen als Weltmeister fest. Und auch am Konstrukteurstitel von Mercedes gab es gestern in Abu Dhabi nichts mehr zu rütteln. Vor dem abschliessenden WM-Rennen war die Luft längst raus. Und man wird das Gefühl nicht los, dass dies für die gesamte Formel 1 gilt. Selbst der langjährige Chef Bernie Ecclestone ist nicht mehr überzeugt von der Königsklasse im Autorennsport. Der 85-Jährige kündigte an, die Serie verkaufen zu wollen. Patrick Allen, Geschäftsführer der Rennstrecke in Silverstone, bezeichnet die Formel 1 gar als mieses Produkt. Trotz vermehrter Kritik ist das Ende noch lange nicht gekommen. Dafür sind die Investitionen der Automobilindustrie in den PS-Zirkus zu hoch. Die Formel 1 ist nichts anderes als ein Labor für Entwickler und Konstrukteure, das als Sportanlass vermarktet wird. So gesehen ist sie noch immer top. Die eine oder andere technische Neuerung, die wir in unseren Autos finden, hat ihren Ursprung in der Formel 1. Doch geht dem weltweit meistbeachteten Rennzirkus immer mehr die menschliche Komponente ab. Die besten Fahrer haben weder Ecken noch Kanten. Sebastian Vettel, Nico Rosberg oder Weltmeister Hamilton sind zweifellos begabte Rennfahrer. Doch fehlt ihnen das Charisma eines Alain Prost, Ayrton Senna oder Michael Schumacher, den Formel-1-Exponenten der vergangenen Jahrzehnte. Es muss wieder mehr «menscheln» in der Königsklasse. Dazu gehören auch persönliche Duelle, die abseits der Piste ihre Fortsetzung finden. So dass die Piloten nicht mehr wie Roboter wirken. Matthias Hafen matthias.hafen"tagblatt.ch Unsere Abwehr ist lückenhaft Auch wenn der Nachrichtendienst wachsam sei, müsse die Schweiz grundsätzlich mit terroristischen Anschlägen rechnen, sagt der Sicherheitsexperte Mauro Mantovani von der ETH Zürich. RICHARD CLAVADETSCHER ! SPORT 9 PRESSESCHAU Zur Trauerfeier in Paris und zum Kampf gegen die Terrororganisation IS Sie hiessen Gilles, Marion, Amine oder Aurelie, und sie hatten weder Waffen noch trugen sie Hass in sich – lediglich die Sorglosigkeit der Jugend und Lebensfreude. Sie wurden Mordopfer feiger islamistischer Brutalität, an einem Novemberabend mitten in Paris. Diese verlorenen Leben, diese gebrochenen Schicksale verpflichten uns. Wenn Frankreich sich morgen würdig gegenüber denjenigen erweisen will, denen es jetzt die letzte Ehre erweist, muss es den Mut haben, gegen die Barbarei zu kämpfen und die Stärke zu gewinnen. Das alles ohne Hass, aber gleichzeitig ohne zu vergessen. Der «Islamische Staat» wurde von allen unterschätzt. Es zeigt sich heute, dass er zu einem beunruhigenden Faktor der globalen Destabilisierung wurde. Eine Niederlage des IS dürfte eigentlich kein Problem für eine Koalition von 60 Ländern sein. Es ist beunruhigend, dass man sich mit einer sterilen Debatte über die mutmassliche Alternative zwischen militärischer und politischer Antwort aufhält. Leitung Regionalmedien: Jürg Weber Chefredaktion: Philipp Landmark (Chefredaktor); Silvan Lüchinger (stv. Chefredaktor; Leitung Ostschweiz am Sonntag); Bruno Scheible (stv. Chefredaktor; Regionalleiter); Jürg Ackermann (Blattmacher); Sarah Gerteis (Leitung Online-Redaktion) Erweiterte Chefredaktion: David Angst (Leitung Thurgauer Zeitung); Daniel Wirth (Leitung St. Gallen/Gossau); Andreas Bauer (Dienstchef) Verlag und Druck: St. Galler Tagblatt AG, Fürstenlandstrasse 122 Postfach 2362, 9001 St. Gallen. Telefon 071 272 78 88 Leitung Marketing und Lesermarkt: Christine Bolt (Stv. 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Dem Nachrichtendienst sind 71 Jihad-Reisende bekannt, was den Schluss zulässt, dass es auch in der Schweiz wohl eine dreistellige Anzahl von Islamisten gibt, die gewaltbereit sind. Und an Waffen und Sprengstoff zu gelangen ist auch bei uns nicht wirklich schwierig. Auf der anderen Seite steht unser Abwehrdispositiv, das ziemlich lückenhaft ist, gemessen an der Zahl verwundbarer Ziele. Informationen zu sammeln und zu bewerten ist Aufgabe der Nachrichtendienste. Wie sind wir denn diesbezüglich aufgestellt in der Schweiz? Mantovani: Wir haben einen nationalen Nachrichtendienst (NDB), in welchem vor etwa sieben Jahren der Inland- und der Auslanddienst verschmolzen worden sind, was sicher sinnvoll war. Der NDB besteht aus drei Abteilungen: Auswertung, Beschaffung und Administration/Unterstützung. Er umfasst rund 270 Vollzeitstellen, was im internationalen Vergleich wenig ist. Und davon ist nur ein kleiner Teil operationell mit der Terrorabwehr befasst. Wie muss man sich als Laie denn dieses Sammeln und Bewerten von Informationen vorstellen? Mantovani: Grundsätzlich versuchen Nachrichtendienste, ein riesiges Datenaufkommen zu bewältigen, also Informationen herauszufiltern, die sicherheitsrelevant sind. Idealerwei- se wird jede Information überprüft auf Zuverlässigkeit der Quelle und Glaubwürdigkeit der Information. Wenn diese gegeben sind und gleichzeitig bestätigt werden durch eine zweite, unabhängige Information, entsteht eine sogenannte «nachrichtendienstliche Erkenntnis». Diese gibt der Dienst dann an die Entscheidungsträger weiter und verschafft ihnen so einen Informationsvorsprung. Bei unmittelbaren Bedrohungen muss natürlich gehandelt werden, bevor ein Hinweis bestätigt ist. In der Schweiz gibt es wohl eine dreistellige Zahl gewaltbereiter Islamisten. Es gibt öffentliche Quellen – aber auch andere. Mantovani: Richtig. Die allermeisten Daten stammen aus öffentlichen Quellen (Medien, Internet). Daneben gibt es exklusive Informationen aus der «Gesprächsaufklärung», aus der Satelliten- und Funkaufklärung sowie von Partnerdiensten. Diese werden dann besonders vertraulich behandelt, «klassifiziert». Die IS-Zelle im Schaffhausischen ist durch einen Tip aus dem Ausland entdeckt worden. Muss es nicht Sorgen bereiten, dass die Schweiz selber diese Information nicht beschaffen konnte? Mantovani: Nein. Der Austausch von ND-Informationen über die Landesgrenzen ist völlig üblich und legal. Unser Dienst hat auch schon Partnerdiensten solche Hinweise gegeben. Bedenklicher wäre es, wenn unser Dienst nichts zu bieten hätte. Denn dann könnte er in einer Welt, in der es um Geben und Nehmen geht, abgehängt werden. Andererseits ist der Terrorismus derart grenzüberschreitend, dass es im Eigeninteresse aller Dienste liegt, spezifische Informationen sofort weiterzugeben. Man stelle sich einmal vor, es würde bekannt, dass ein ausländischer Dienst Hin- weise auf die Anschläge von Paris hatte, sie aber für sich behielt. Wie sehr kann der Nachrichtendienst eines neutralen Staates mit ausländischen Diensten denn «befreundet» sein? Mantovani: Freundschaft ist ein dehnbarer Begriff. Zwischen Nachrichtendiensten besteht Freundschaft insofern, als man bestimmten Partnern auch Informationen liefert, wenn man nicht sofort etwas zurückbekommt. Man könnte es auch Vorschusskredit nennen. Die Gemeinschaft von gesellschaftspolitischen Werten spielt schon auch eine Rolle. In der Schweiz ist man aufgrund von Erfahrungen sehr restriktiv, was den Nachrichtendienst angeht. Dies zeigt sich nun wieder in der Diskussion um das Nachrichtendienstgesetz. Wie wirken sich diese strengen Auflagen beim Schweizer Nachrichtendienst aus? Mantovani: Der Nachrichtendienst kann im Bereich der präventiven Aufklärung wenig tun, gerade auch im internationalen Vergleich. Das neue Gesetz würde es dem NDB erlauben, zum Mittelfeld der westlichen Dienste aufzuschliessen. Was dürfen ausländische Nachrichtendienste, was unserem nicht erlaubt ist? Mantovani: Da gibt es natürlich eine breite Palette. Die meisten westlichen Dienste dürfen etwa in Computersysteme eindringen oder private Räume überwachen. Dann gibt es auch Dienste, die Informationen mit Gewalt beschaffen dürfen. dienst wird sie kaum haben. Was nun? Mantovani: Das ist ein grosses Problem für alle westlichen Dienste. Allerdings ist zu bedenken, dass manche Islamisten durchaus in westlichen Sprachen kommunizieren. Anderseits gibt es viele Moslems, die andere Sprachen als Arabisch sprechen. Man ist daran, Kapazitäten zu erweitern, aber die Rekrutierung geeigneter Personen ist nicht einfach. Andere Länder erhöhen Terrorwarnstufen, die Schweiz jedoch nicht. Heisst Unser Nachrichtendienst kann im Bereich der präventiven Aufklärung wenig tun. das, dass der Nachrichtendienst nichts Alarmierendes entdeckt hat? Mantovani: Da wir keine Terrorwarnstufen kennen, kann man daraus wenig ableiten. Es könnte sein, dass die Behörden aktuell daran sind, eine Bedrohung zu entschärfen, die durch nachrichtendienstliche Hinweise erkannt wurde. In dieser Phase wird nicht öffentlich informiert, sondern erst nach Eliminierung der Gefahr. Kann man sich denn darauf verlassen? Mantovani: Es gibt keinen hundertprozentigen Verlass. Ich persönlich versuche, in meinem Umfeld wachsam zu bleiben und hoffe im übrigen auf die Vorsehung. Nehmen ausländische Dienste unseren Nachrichtendienst mit seinen wenigen Möglichkeiten überhaupt ernst? Mantovani: Als Ganzes wohl schon. Bei einzelnen Themen und Personen mag das unterschiedlich sein. Gradmesser sind da die Anzahl Kontakte auf allen Ebenen. Der «Islamische Staat» ist ein junges Phänomen. Informationsbeschaffung ist doch da nur möglich, wenn ein Nachrichtendienst etwa Arabisch sprechende Kapazitäten hat. Unser Nachrichten- Anzeigen: Fahrzeugmarkt 14 Immobilien 14 Miete 14 Traueranzeigen 17 Ostevent 18 Service: Kino 18 Radio/TV 22 Wetter/Sudokus 23 Bild: srf Mauro Mantovani Dozent Strategische Studien Militärakademie an der ETH Zürich
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