14 GESPRÄCH Aus dem Aktionsfeld Sicherheit & Armee Bündnis gegen den Islamischen Staat im Nahen Osten tut sich schwer Die Welt schaut seit Monaten mit Besorgnis in die Region des Nahen Ostens, wo Offiziere der Saddam-Armee zählen; der selbsternannte Kalif al-Bagdhadi die Errichtung eines islamischen Gottes- durch den Verkauf von Rohöl und ge- staates über die Länder Syrien und Irak hinweg mit Brutalität vorantreibt. Die Krie- plünderter Kunstschätze verschaffte er ger des Islamischen Staates (IS) gehen mit äusserster Grausamkeit vor und schrecken vor barbarischen Morden, Kriegsverbrechen, Völkermord gegen religiöse sich grosse finanzielle Ressourcen. Mit Minderheiten und der Zerstörung von Weltkulturstätten nicht zurück. Zwei Fach- Helfern aus Europa baute er eine hochmoderne Propagandamaschinerie auf. leute lieferten auf Lilienberg Hintergründe und Fakten zu den Geschehnissen, Mittlerweile setzen sich die Machtmit- und sie zeichneten ein düsteres Bild für die Zukunft im Nahen Osten. tel des IS nebst den von der irakischen Armee erbeuteten Waffen aus 4000 Christoph Vollenweider, früherer Ausland- Situation im Zweistromland dar. Ziel des bis 200 000 Kämpfern zusammen. Die redaktor der Zürcher Oberland Medien, vermittelte dem Publikum einen Über- IS ist die Gestaltung eines Islamischen Staates gemäss Auslegung der Wahhabi- Mehrzahl wurde zwar lokal rekrutiert, aber rund 25 000 Aktivisten sind aus blick über die neuere Geschichte und die ten und nach dem islamischen Recht der dem Ausland zugeflossen und bereiten politischen Strukturen im Nahen Osten. Scharia. Über das Kerngebiet des Nahen insbesondere bei der Rückkehr in ihre Die Wurzeln der heutigen Problematik Ostens hinaus wird ein globaler Machtan- Heimat Sorgen. reichen laut Vollenweider zurück bis in spruch über alle Muslime erhoben. In ei- Meisterhaft beherrscht der IS die die Zeit des Osmanischen Reiches, das im Ersten Weltkrieg zerschlagen wurde. nem ersten Schritt wurden bereits die Provinzen in Syrien und Irak neu ein- Taktik der hybriden Kriegsführung. Dabei wird die konventionelle Kriegsfüh- Zudem wurden mit dem Sykes-PicotAbkommen von 1916 die Grenzen der geteilt, danach folgen alle muslimischen rung mit Methoden des Guerilla-Krieges und des Terrorismus kombiniert. Der Länder auf der ganzen Welt. Aktuell um- heutigen Nationalstrassen willkürlich fasst die Herrschaft des IS ein Gebiet in psychologischen Wirkung auf Gegner gezogen. Die kurzsichtig erfolgte Zer- der Grösse Englands und rund 8 Millio- und Bevölkerung, etwa bei Enthaup- schlagung von Saddam Husseins Irak habe das sehr heterogene Land völlig nen Einwohner. Infiltrationsbewegungen gibt es in weitere Länder wie Libyen, Je- tungsaktionen, kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Einerseits soll destabilisiert, so der Referent. «Damit hat men oder Nigeria, und die Terrororgani- Furcht und Schrecken verbreitet wer- sich die Büchse der Pandora geöffnet.» sation des IS hat bereits Ableger in rund 30 Ländern, wo ihm kleinere Gruppie- den, andererseits gibt es eine media- Ziele und Vorgehen des IS rungen die Treue geschworen haben. ganzen Welt. Bei der Eroberung neu- Dr. Mauro Mantovani, Dozent für Strategische Studien bei der Militärakademie Im Irak konnte der IS auf die Unterstützung eines Teils der lokalen sunni- er Gebiete geht der IS sehr geschickt vor, indem er nach der Besetzung seine der ETH, legte anschliessend die aktuelle tischen Bevölkerung und ehemaliger Macht rasch konsolidiert. le Wirkung mit Werbeeffekten auf der GESPRÄCH Schwache Gegenkoalition Die Allianz gegen den IS sei zwar recht breit formiert, agiere aber wenig engagiert, schilderte Mauro Mantovani. In der Operation «Inherent Resolve» werde versucht, den IS auf verschiedenen Wegen zu bekämpfen. Dazu zäh- Das angestrebte Herrschaftsgebiet des IS reicht bis weit nach Mitteleuropa le die Eindämmung des Aussenhandels, und letztlich bis an die Ostgrenze der Schweiz. (Präsentation: MILAK) der es dem IS ermöglicht, insbesondere durch den Export von Erdöl und von 2 Millionen Einwohnern grössten Stadt entwickeln wird und wann eine Art geplünderten Kunstschätzen bedeutende finanzielle Ressourcen zu verschaf- unter IS-Kontrolle, mehrfach verschoben.» «Westfälischer Friede» erreicht werden kann, ist noch nicht absehbar. fen. Bei den Militäroperationen seien Düsterer Ausblick die gezielten Luftangriffe entscheidend, Mantovani befürchtet, dass sich das die beim Kampf um die Stadt Kobane Gewaltniveau im Nahen Osten kurz- ihren Anfang nahmen, so der Referent fristig erhöhen wird – auch wegen des weiter. Am Boden indes seien die Kräf- Ramadan. Weil derzeit kein terrestrischer Gegner in Sicht ist und die zen- te mit Ausnahme der kurdischen Kämpfer noch schwach und erscheinen wenig motiviert. «Der Aufbau der irakischen tralstaatlichen Autoritäten versagen, werde der IS wohl im Kern bestehen bleiben. Zyklus «Kriege und Konflikte an Europas Rändern und ihre Auswirkungen auf die Schweiz»; Unternehmerisches Gespräch vom 10. Juni 2015 «Der Kampf gegen den Armee mit Hilfe von US-Militärberatern, «Politisch gehört die nächste Zukunft den deren Anzahl kürzlich von rund 3100 autoritären Regimes oder islamistischen Islamischen Staat im Nahen Osten»; mit um weitere 500 Personen erhöht wurde, muss erst noch anlaufen. Da sich die Diktaturen – das aufgeklärte liberale Bürgertum bleibt ohne Chance. Leider Dr. Mauro Mantovani, Dozent für strategische Studien an der Militärakademie Machtbasen des IS primär in den gro- ist der kulturelle und religiöse Reichtum der ETH Zürich (MILAK), und Christoph ssen Städten befinden, ist die rasche des Nahen Ostens weitgehend verloren Vollenweider, Leiter Lilienberg Unterneh- Vertreibung schwierig.» Der IS schre- gegangen, die Minderheiten wandern mertum, ehemaliger Auslandredaktor cke nicht vor der Taktik der verbrannten aus», zeichnete Mantovani ein düsteres Zürcher Oberland Medien; Moderation Erde zurück und es drohen grosse Kollateralschäden. «Wohl deshalb wurde Bild. Fazit: Ob sich aus dem Kampf gegen und Zusammenfassung: Andreas Widmer (Aktionsfeld Sicherheit & Armee); Redak- die Rückeroberung von Mossul, der mit den IS letztlich ein dreissigjähriger Krieg tion: Stefan Bachofen.
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