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Brennnessel von „Kopf bis Fuß“ – die Vitalpflanze Nr.1
Die moderne Mixertechnologie eröffnet die „rohköstliche“ Verarbeitung von Wildkräutern zu
Grünen Smoothies, Aufstrichen und Pestos – mehr darüber von Gabriele Leonie Bräutigam.
Nährendes Brennnessel-Pesto stellt man im Mörser her – oder im Mixer
In Wildpflanzenküche und Heilkunde
nimmt die Brennnessel seit jeher eine
tragende Rolle ein. Die „rohköstliche“
Verwendung ist relativ jung – und fin­
det immer mehr Anhänger. Wichtigstes
Zubereitungsgerät sind dabei sogenann­
te Hochleistungsmixer mit über 30.000
Umdrehungen pro Minute: Mit ihnen
gelingt es, auch robuste Wildpflanzen
wie die Brennnessel in ganz anderem
Umfang für die vitalstoffreiche Ernäh­
rung zu nutzen.
Brennnessel – die „Alleskönnerin“
Kaum eine Pflanze bietet so viele Ver­
wendungsmöglichkeiten wie die Brenn­
nessel. Als Schönheitstonikum, Aphro­
disiakum, Kraftfutter – und natürlich
als Vitalkost. Im Moment ist Erntezeit
für die vitalstoffreichen Brennnesselsa­
men.
Rezept-Tipp: Brennnessel-Pesto –
auch als Brotaufstrich
Zubereitung: 10 Minuten
Ruhezeit: 1 Stunde
1
Zutaten (für 1 kleines Glas):
1 Handvoll junge Brennnessel-Blätter
2 Handvoll frische Brennnesselsamen
1 Handvoll Walnusskerne
1 Knoblauchzehe
1 TL grobes Meersalz
1 Tasse neutrales Öl (z.B. kaltgepress­
tes Bio-Sonnenblumenöl)
Zubereitung:
• Brennnesselblätter waschen und tro­
cken tupfen und von den Stängeln zup­
fen, hacken.
• Samen abrebeln.
• Walnüsse fein hacken.
• Knoblauchzehe im Mörser mit Meer­
salz zu einer Paste zerreiben.
• Brennnesselblätter und –samen esslöf­
felweise mit dem Öl und der Salzpaste
im Mörser zerstoßen. Oder alles in
einen Hochleistungsmixer geben, un­
terste Stufe.
• Abfüllen, ca.1 Stunde ziehen lassen.
• Zum Aufbewahren im Glas stets mit
Öl bedecken. Hält im Kühlschrank 3
bis 4 Wochen.
TIPP: Wem Walnüsse zu geschmack­
sintensiv sind, der nehme Haselnüsse.
Wem Mörsern (ich mag die Konsis­
tenz) zu lange dauert, der kann Pestos
gut in einem Hochleistungsmixer auf
unterster Stufe herstellen.
Brennnessel-Pesto – ein hervorragender
Brotaufstrich
Brennnesselblätter liefern Höchstwerte
an Eiweiß, Chlorophyll, Eisen und Sili­
zium. Sie enthalten 30-mal so viel Vit­
amin C und 50-mal so viel Eisen wie
Kopfsalat. Aufgrund des hohen Gehalts
an Kieselsäure (Silizium) wird Brenn­
nesseltee seit jeher als Schönheitstoni­
kum für die „Schönheit von innen“ ge­
nossen sowie als Haarspülung verwen­
det – für volles Haar bis ins hohe Alter.
Die in den Brennnesselblättern in
großen Mengen enthaltene Kieselsäure
fördert die Elastizität und Festigkeit
von Bindegewebe, Haut und Haar,
Bändern, Sehnen und Gefäßen. In den
Brennhaaren ist auch Serotonin enthal­
ten. Manche schwören zudem auf die
äußere Anwendung zur Durchblutung
der Kopfhaut.
Brennnesselsamen, besonders reich an
essenziellen Fettsäuren, wurden zur
Steigerung der Vitalkräfte, als Aphrodi­
siakum und als Potenzmittel verzehrt.
Manche nennen es scherzhaft „WiesenViagra“. Man kann sie jetzt im Septem­
ber ganz einfach selbst sammeln, statt
sie teuer im Internet zu bestellen: Dabei
kann man nichts falsch machen. Eine
Verwechslung ist ausgeschlossen.
2
Brennnesselwurzeln – auch diese zu
ernten ist im eigenen Garten kein Pro­
blem – haben äußerlich angewandt
(Spülung) eine lange Tradition als
Haarwuchsmittel, innerlich werden sie
zur Vorbeugung/Behandlung bei Pro­
statabeschwerden empfohlen. Man
kann sie als Tee aufbrühen – 1 TL grob
pulverisierte Droge mit 1 Tasse ko­
chendem Wasser überbrühen, 3 x tgl. 1
Tasse. 1
Das Wachstum der Prostata mit den
entsprechenden Folgen wird leider
meist totgeschwiegen. Vielleicht wäre
es hilfreich, wenn man mehr über die
Möglichkeiten der Pflanzenheilkunde
wüsste. Denn – wie ein bekannter Arzt
einmal bezogen auf das Wachsen der
Prostata so schön sagte: „Mit 60 --60%, mit 70 --- 70%... 2014 lag das
Durchschnittalter der Deutschen bei
46,1 Jahren, Tendenz rasch steigend,
aufgrund der Bevölkerungsverteilung
(geburtenstarke Jahrgänge). Das Pro­
blem liegt in der mit zunehmendem Al­
ter verstärkten Umwandlung von Te­
stosteron zu Östrogen. Gegen die
„Harnröhre im Würgegriff“ wie es Ur­
sel Bühring so schön nennt, empfiehlt
sie u.a. (wie auch die Kommission E)
die Brennnesselwurzel zur Hemmung
der Aromatase (Hormonumwandlung
von Testosteron in Östrogen). Ebenso
senke der Einsatz von Brennnesselwur­
zel „Tagesdosis 4-6 g, sehr verträglich
für Langzeitanwendung geeignet“4 si­
gnifikant die Anzahl der nächtlichen
Blasenentleerungen.
Man kann Brennnesselwurzel auch
ganz einfach in einen Grünen Smoothie
mixen, was manchem vielleicht besser
schmeckt
als
Tee.
Aus
den
Brennnesselstängeln – denn es gibt
kaum ein Teil dieser bemerkenswerten
Pflanze, das nicht hilfreich ist – wurde
früher der robuste „Nesselstoff“
hergestellt, der heute unter gleichem
Namen als einfacher Baumwollstoff im
Handel ist. Eben diese Robustheit der
Fasern aber war es, die vermutlich
dafür sorgte, dass die Brennnessel in
der Küche vor allem als Spinat und Tee
verwendet wurde.
Dieses Wissen ersetzt nicht den Gang
zu Arzt oder Apotheker, darauf sei an
dieser Stelle ausdrücklich hingewiesen,
doch finde ich es für den „mündigen
Genießer“ sehr hilfreich, über die In­
haltsstoffe der essbaren Wildpflanzen
sowie ihre Wirkung informiert zu sein.
Rohkostexperte Mark Weiland
„wildkrauterfrühstück.de“ in Berlin:
Brennnesselblätter in äußerer Anwendung
Brennnesselblätter – Sammeltipps
und Anwendung
Brennnesselkraut (Urticae herba) und
Brennnesselblätter (Urticae folium)
verfügen wie die Brennnesselwurzel
(Urtica radix) über eine Monographie
durch die Kommission E und sind so­
mit als Arzneimittel anerkannt. Als of­
fizinell (=arzneilich) gelten die wäh­
rend der Blüte gesammelten frischen
oder getrockneten oberirdischen Teile
der Uritica dioica (große Brennnessel)
sowie der Urtica ursens: Als Arzneimit­
tel zugelassen zu Einnahme und äuße­
ren Anwendung zur „unterstützenden
Behandlung rheumatischer Beschwer­
den“. Zur Einnahme „bei entzündlichen
Erkrankungen der ableitenden Harnwe­
ge“ (also Blasenentzündung) sowie
„zur Vorbeugung und Behandlung von
Nierengrieß“ (früher hätte man im wei­
testen Sinne gesagt „blutreinigend“).
Durch die Erhöhung der Harnsäureaus­
scheidung kann eine Übersäuerung aus­
geglichen werden, Brennnessel wird
daher auch bei Arthrosen empfohlen.
Immer wieder erwähnt wird die Brenn­
nessel auch als immunmodulierend und
entzündungshemmend.
Siegfried
Bäumler empfiehlt in „Heilpflanzenpraxis heute“ eine Tagesdosis von 2-4
TL geschnittene Droge auf 1 Tasse
Wasser, 3-4 x tgl. 1 Nebenwirkungen
sind gem. Kommission E nicht be­
kannt. Man kann die phytotherapeutis­
che Wirkung der Brennnessel natürlich
auch in der Ernährung berücksichtigen.
Gabriele Leonie Bräutigam beim Brennnessel
pflücken
Brennnesseln in Grünen Smoothies
Brennnesseln gehören auch zu den be­
liebtesten Zutaten für WildkräuterSmoothies. Dabei kommen sie – im Ge­
gensatz zu den bekannten Anwendun­
gen wie Tee oder Spinat – roh zum Ein­
satz, was den Vorteil hat, dass der Kör­
per auch vom Chlorophyll (Blattgrün)
profitiert. Chlorophyll kann beim Men­
schen „blutbildend“ wirken, somit die
Versorgung von Gehirn und Muskula­
tur mit Sauerstoff verbessern: für eine
bessere Konzentration, leistungsfähige­
re Muskeln und ein allgemein verbes­
sertes Körpergefühl. Chlorophyll in sei­
ner natürlichsten Form als frisches
Blattgrün konzentriert zu sich zu neh­
men, ist die Grund-Idee der Grünen
Smoothies, formuliert durch Viktoria
Boutenko. Mittlerweile wird der grüne
Smoothie als hocheffizientes Nahrungs­
mittels aus 50% Obst, 50% Blattgrün
und etwas Wasser auch in Europa im­
mer beliebter. Vor allem die einfache
Herstellung im Mixer und die Möglich­
keit, größere Mengen Obst und Grün
überall und unkompliziert zu genießen,
ist für eine mobile Gesellschaft, die
sich gesund ernähren möchte, ein idea­
les Angebot. Den höchsten Chloro­
phyllwert in unserer heimischen Pflan­
zenwelt hat aber nicht der häufig emp­
fohlene Spinat, sondern die vom Gärt­
ner geschmähte Brennnessel.
Eindrucksvoll der Vergleich:
------Chlorophyll a / Chlorophyll b
Große Brennnessel
185 mg / 173 mg
Spinat
95 mg / 20 mg
Quelle: s.u. Nr.6
------Wertvoll sind Brennnesselblätter als
punktuelle „Nahrungsergänzung“ oder
Kur auch wegen ihres hohen Eisenge­
halts: 4100 μg. Noch mehr Eisen ent­
hält die Gartenmelde (6100 μg) und das
Franzosenkraut (4800 μg), gegenüber
3400 μg pro 100g bei Spinat.
Vitalisierender Brennnessel-Smoothie aus Blatt
& Samen
3
Brennnessel-Smoothie „Rapunzel“
für Haut & Haar
Rapunzel, Rapunzel, lass dein Haar
herunter ... vermutlich stand bei Rapun­
zel in ihrem Turm Brennnessel auf dem
Speiseplan, denn ihr Haarwuchs war le­
gendär. Unsere Urgroßmütter tranken
Brennnesseltee für langes, volles Haar
bis ins hohe Alter.
Zutaten:
1 Handvoll (junge) Brennnesselblätter
1 Esslöffel getrocknete
Brennnesselsamen, 1 kleiner Apfel
½ Avocado mit Kern
1 Handvoll Feldsalat (Rapunzel)
1 Handvoll Eiswürfel, 0,1 l Wasser
(Ergibt etwa 0,4 Liter.)
Zubereitung:
• Brennnesselblätter abzupfen
und waschen.
• Feldsalat putzen und waschen.
• Apfel waschen und vierteln, dabei
Blüte und Stiel entfernen;
Kerngehäuse mitverwenden.
• Avocado längs teilen, den Kern ent­
fernen und das Fruchtfleisch mit einem
Löffel aus der Schale heben.
• Wasser und Eis in den Mixer füllen.
• Zuerst Früchte, dann Brennnesselblät­
ter und -samen sowie Feldsalat
dazugeben. Mixen.
Quelle: s.u. Nr.3
Die Dosierung – eine Frage der
Philosophie
Mit der Dosierung der Brennnessel im
Smoothie sollte man vorsichtig begin­
nen, sich langsam herantasten. Unser
Geschmack ist der Sensor unseres
Stoffwechsels, daher kann es bei der
rohköstlichen Anwendung zu sehr un­
terschiedlichen Empfehlungen kom­
men. So empfiehlt die Österreichische
Rohkost-Autorin Angelika Fischer in
„Alles Roh, das große Rohkostbuch“,
Brennnesseln nur als einzelne Blätter
zu sich zu nehmen und nie gemixt zu
verwenden, damit der süße Geschmack
des Obstes den persönlichen Sensor
nicht überlagert. Ganz anders schätzt
die Biologin und Rohkost-Ernährungs­
beraterin Christine Volm in „Wild &
roh, Smoothies mit Wildpflanzen“ die
Dosierungsfrage ein, wenn sie sinnge­
mäß schreibt, man solle ganz genau auf
seinen Geschmack achten und feststel­
len, auf welche Wildpflanzen man nach
einer Handvoll Lust habe, weiter zu es­
sen. Sie vertritt die Ansicht, dass man
die Brennnessel gar nicht überdosieren
könne. Ich persönlich bin da etwas vor­
sichtiger, was vielleicht an meinem
Schwerpunkt
„Wilde
Grüne
Smoothies“ liegt, denn gerade bei Grü­
nen Smoothies neigen viele Menschen
dazu, es „zu gut“ mit sich zu meinen.
Sie wollen Gesundheit und zwar sofort.
Sie wollen sich möglichst schnell vom
Einsteiger zum Fortgeschrittenen ent­
wickeln. Ich persönlich rate eher zur
Vorsicht, da viele Menschen an die Do­
sierungen von sekundären Pflanzen­
stoffen, wie sie in Wildkräutern vor­
kommen, überhaupt nicht gewöhnt
sind. Und ein Hochleistungsmixer mei­
nes Erachtens tatsächlich eine neue
Qualität schafft. Auch ist mir die
Grundidee der Naturheilkunde – den
körpereigenen Abwehrkräften einen
Impuls zu geben, auf dass sie Eigendy­
namik entwickeln – sehr wichtig. Eine
gewohnheitsmäßig hohe Dosierung
kann diesem Effekt im Wege stehen.
Wer braucht einen
Hochleistungsmixer?
In meinem Wildkräuterblog gibt es die
Rubrik „Sprechstunde“, in der ich die
Fragen meiner Leser beantworte. Im­
mer wieder wird die Frage nach dem
„richtigen Mixer“ gestellt.
Die Antwort ergibt sich aus dem „wo­
für“. Wer Wildpflanzen zu seidig-glat­
ten Smoothies verarbeiten will – und
die Brennnessel ist eine der robustesten
– braucht einen leistungsstarken Hoch­
leistungsmixer. Dabei kommt es nicht
allein auf die PS-Zahl, sondern meiner
Erfahrung nach vor allem auf das Strö­
mungsverhalten im Mixbecher an.
Wildkräuter sind nicht weich wie Baby­
spinat oder Radieschengrün – vor allem
wenn die Pflanzen im Sommer ein ro­
busteres Blattwerk entwickeln.
Gabriele Leonie Bräutigam
Meine Erfahrungen können Interessierte
nachlesen unter www.herbalista.eu
---Literaturhinweise:
1 Bäumler, Siegfried,: Heilpflanzen Praxis heute,
Band: 2 Rezepturen und Anwendung, 2013, Seite
326, 337 (Phytotherapie heute)
2 Bräutigam, Gabriele Leonie: „Wilde Grüne
Küche“, 2015, Seite 161, Rezepte Seite 49, 88,
93, 137, 150 (Leckere 20 Minuten-Rezepte für 10
einfach zu sammelnde Wildpflanzen)
3 Bräutigam, Gabriele Leonie: „Wilde Grüne
Smoothies“, 2014, Seite 116/117 (50 Wildpflan­
zen – Rezepte für Einsteiger u. Selbstversorger.)
4 Bühring, Ursel: Praxis-Lehrbuch der modernen
Heilpflanzenkunde, 2005, Seite 253, 262f (DAS
Grundlagenwerk über das Heilen mit Pflanzen).
5 Angelika Fischer, Das große Rohkostbuch „Al­
les roh“, 2012, Seite 135, 195 (Ein eigenständi­
ges Buch, entwickelt aus der Erfahrung der
Selbstheilung durch Rohkosternährung)
6 Gerhard Habermehl, Peter E. Hammann, Hans
C. Krebs, W. Ternes: Naturstoffchemie. Eine Ein­
führung, 2008 (Grundlagenwerk zur Biochemie)
7 Volm, Christine: „Wild & Roh“, 2015 (Die
Botanikerin und Rohkost-Ernährungsberaterin
stellt die leckere Vielfalt der Smoothie-Varianten
von Aufstrich bis Suppe vor)