Technische Anwendungen des Kreisels. Referat über den Vortrag

Paper-ID: VGI 193506
Technische Anwendungen des Kreisels. Referat über den Vortrag
des o. ö. Professors Dr. Lechner
Alois Barvir1
1
Vermessungskommissär
Österreichische Zeitschrift für Vermessungswesen 33 (2), S. 49–51
1935
BibTEX:
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Volume = {33}
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Der Vortragende fand für seinen anschaul ichen Vortrag , der von zahl­
reichen Lichtbildern unterst ützt war, reichen Beifall und der Vorsitzende,
Se kti onschef Ing. R e i c h, sprach i h m den Dank i m Namen aller Anwesenden
aus.
Technische Anwendungen des Kreisels.
Referat über den Vortrag des o . ö. Professors D r . Alfre d L e c 11 n
Vermessungskommissär Ing. Alois B a r v i r .
c
r von
Am 2 1 . März d . j . h i e lt i m Hörsaal XVII I a n der Wiener Technische n
H ochschule o . ö . Professor D r . Alfred L e c h n e r in d e r Arbe itsgemeinschaft
der Geodäten, Photogrammeter und Kartographen einen Vortrag über den
Kreisel und seine praktische Anwendung, der mit außergewöhnlichem Interesse
und le bhaftem Beifall aufge nommen wurde . Der Vortragende erklärte zuerst
an Hand zahlreicher Experimente und Lichtbilder folgende Erscheinunge n :
Wird e i n schnell rotierender Kreisel in beli e biger Neigung auf e ine rauhe
horizontale Ebene gestellt, so findet ein allmählich e s Aufrichten der Kreise l­
achse statt . jeder rotierende Kreisel setzt e iner Richtungsänderung seiner
Achse bedeutenden Widerstand entgege n . Wird einem rotierenden Kre isel e i n
Sto ß versetzt, so folgt er keineswegs d e r Sto ßrichtung, sondern weicht m i t
seiner Achse senkrecht zur Stoßrichtung aus. E s erfolgt die Präcessionsbewe­
gung des Kreisels, deren Zustande kommen auch an Hand eines Modelles er­
klärt wurd e . Wird ein Kreise l kardanisch aufgehängt, das hei ßt, befindet er
sich i n einer Anordnung untereinander ge lenkig verbundener Rahmen , ve r­
möge welcher er i m ruhenden Zustande jede bel ie bige Richtung e i nn ehmen
kann, so behält seine Achse, wenn der Kreisel in Drehung , versetzt wurde,
die ihr vqrgege bene Lage bei , mag die Aufhängevorrichtung was i mmer für
e ine Bewegung ausführe n .
A u f d iesen Erschei nungen beruhe n :
1 . Der Schiffskrei se l . Der bekannte Erfinder B e s s e m e r hatte ver­
sucht, den Kreisel zur Stabilisation, d . h. zur Sicherung des ruhigen Ganges
von Schiffen gegenüber den Wogen und Wellen zu benütze n . Aber ohn e Er­
folg ! B e s s e m e r baute nämlich den Kreisel mit seinem Rahmen fest i n
das Schiff e i n , während d i e Theorie verlangt, d a ß d e r Kreise lrahmen selbst
noch beweglich sein müsse , soll e i ne Stabilisation des Schiffe s gegen Schw.i n­
gungen vorhanden sein. S c h 1 i c k gelang es, den ersten brauch baren Schiffs­
kreisel zu konstruieren. Der Kreisel wurde in einem Rahmen vertikal ge lagert,
der Rahmen aber um eine horizontale Achse drehbar gemacht . Dadurch ver­
mag der Kreise l, die Präcessionsbewegung in der Richtung der Schiffsachse
auszuführen, wodurch ein widerstehendes Moment gegen e i ne durch die Wogen
angestre bte Neigung des Schiffes e ntsteht . Der Kre isel wurde zunächst im Groß­
betrie be als Laufrad einer Dampfturbi ne, dann als Elektromotor konstruiert.
2. Die Einschienenbahn von Brenan , bei welcher der Kreisel als Stabili­
sator für den auf einer Schiene laufende n Wagen verwe n det wird. jedoch
ergabe n sich bisher befriedige nde Erfolge nur in geraden Bahnstrecke n .
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3 . Der Kreiselkompaß. Wird ein Kreisel in einem beweglichen Rahmen
derart gelagert, daß seine Drehachse stets parallel zum Horizonte ble i bt, so
stellt sich d iese Achse stets in den Meridian des Ortes e i n . Diese ErschE inung
wurde mit Hi lfe der Lehren der Mechanik e r klärt und mittels eines Experi­
mentes, in d e m d i e sich drehende Erde durch eine r otierende Sch e i be mit auf­
gesetzter , schiefer Ebene als Horizont ersetzt war, ve rdeutlicht . Auf Grund
dieser Tatsachen, die zuerst von F o u c a u 1 t e r kannt worden war, konstru­
i erte A n s c h ü t z in Kiel seinen Kreiselkompaß - ein Instrument, welches
die Magnetnadel vollkommen zu e rsetzen vermag. Ein kleiner Drehstrom­
motor befindet sich in e i n e m Gehäuse, das mit einem Schwimmer versehen
i st, der i n e i n Gefäß mit Quecksilber taucht . Hie durch i st im Prinzip die Mög­
l i chkeit gege ben, daß d i e Drehachse des Motors sich parallel zum Horizonte
e instellen kann. Der Durchmesser des rotierenden Ankers des Motors, des
Kreisels, beträgt nur 1 5 cm, dagegen betrug d i e Umdrehungszahl 20.000 i n
d e r Minute . D i e Rechnung ergibt, d a ß d i e Kraft, welche d e n Kn ise l in den
Meridian zu drehen sucht, unter anderem dem Produkte aus der D rehgeschwin­
digkeit der Erde und der Drehgeschwindigkeit des Kreisels proportional ist .
Da d i e Drehgeschwindigkeit der Erde sehr kle in i st, so konnte e i n brauch­
barer Kre ise l kompaß e rst dann geschaffe n werden, als e s der Te chnik gelungen
war, schne ll laufende Motoren zu konstruiere n . Die ne ueste K onstruktion von
A n s c h ü t z verwendet wr Verringerung des Schlingerfehlers drei e ntspre­
chend ge koppelte Kreise l. Der Kreiselkompaß hat seine Probe i m Weltkrieg
bestanden. Die Vortei le gege nüber dem magnetische n Kompaß sind : 1 . Das
Anzeigen des astronomischen Meridians. Abweichungen, D e kl i nationen wie
bei der Magnetnad e l treten h ie bei nicht auf. 2. Keine Bee influssung durch
Eisenmassen oder e l e ktrische Ströme, welche be kanntlich störend auf die
Magnetnad e l e inwirken.
4 . Das Horizontalgyroskop des Admirals d e F 1 e u r i a i s, e i n Apparat,
welcher sich des Kreisels wr Festlegung der horizontalen Richtung bedient.
D i e gyroskopischen Visier- und Abfeuerungsvorriehtungen von S r a m e k
und S c h i e r, durch welche Instrumente e s e r möglicht wird, e i n Obj e kt vom
schwankenden Schiffe aus dauernd im Gesichtsfel d des Fernrohre s zu behalten
und e i n Schiffsgeschütz i n jenem Augenblick wm Abfeuern zu bringen, so­
bald d i e Achse des Geschütze s in die vorgesehene Schußrichtung fällt .
D i e außerordentlich hohen Tourenzahlen der praktisch verwendeten
Kreisel werden unter anderem mit Apparaten gem esse n , d i e auf dem Prinzip
der erstmalig von S t a m p f e r verwendeten stroboskopischen Sch e i be n
beruhen, d i e e benfalls vorgeführt wurden.
Bei Verwendung auf d e m Festlande zeigt der oberwähnte verbesserte
Kreiselkompaß in unseren Breiten den astronomischen Mer idian auf 'eine halbe
Minute genau. Die Genauigkeit h ängt außer von der Tourenzahl des Kreisels
von der geographischen Breite ab, da sich d i e Drehge schwindigkeit der Erde
am Äquator am stärksten äußert. Von besondere m Interesse war die Eröffnung
des Vortrage nden, daß ihm eine Lagerungsanordnung des Kre isels gelungr n
sei , welche die Ermittlung der geographischen Breite und des Mer idians
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gestattet, worüber er sich aber nähere Ausführungen f ü r einen späteren Zeit­
punkt vorbehalten hat .
Unter l e bhafte m Beifall sprach Herr Obervermessungsrat Ing. L e g o
namens der veranstalte nden Vereinigungen dem Vortrage nden für seine fes­
selnden Ausführungen den Dank aus und wies auf die großen Vorte i l e hin,
die sich für die Geodäsie weiters erge ben würden, we nn es ge länge, den Kreisel
an Stelle der Magnetnadel für die Orientierung von Bussolenzüge n zu ver­
wenden oder bei luftphotogrammetrischen Aufnahmen dtr Aufnahmskamera
durch Ver bindung mit einem Kreisel eine bestimmte Lage zu ge ben, die im
Sinne der Ausführungen des Vortragende n nicht nur bezügl ich der Lotlinie,
sondern auch bezüglich des Meridians feststel lbar wäre .
Vom Österreichischen Normenausschuß für Vermes„
sungsgeräte.
Normung von Vermessungsgeräten.
S e n k e l.
(Prot . - N r . 828/ 1 .)
Nach Behandlung der se inerzeit ange kündigten Önormentwürfe über
Fluchtstäbe , Meßlatten und Nive l l i e rlatte n, Staffelzeug sowie Stahlme ß bänder
und Spannstäbe hat der Österre ichische Normenausschu ß (ÖNA) nunmehr
e inen Entwurf über S e n k e 1 fertiggeste llt.
Derse l be umfaßt einen 7 cm-Zylindersenkel, e inen 1 1 cm-Zyl inderse n ke l ,
e i nen Birnense nkel und e i n e n Umschrau bse nkel sowie die Fest legung e iner
Schnurkle mme . Es wurde dabei darauf Bedacht genommen, allen nennens­
werten praktische n Bedarfsfällen gerecht zu wer den und die Unzahl du bis­
her erzeugten verschiedenen Senkelfarmen sowohl zur Ver me idung u nzwe ck­
mäßiger Formen als auch zur möglichste n Ver bi l ligung der Herstel lung auf
e i ne Mindestzahl zu beschränke n . - D i e be i de n eingangs angeführten Zylinder­
senkel sind aus Messing, ihre Spitze aus Flußstahl , der Birnense nkel ist aus
F lu ßstahl , der Umschrau bsenkel aus Messing, Vernickelung i st besonders vor­
zuschreibe n . Für alle Senkel wurde e i n einheitlicher Senkelkopf aus Messing
vorgesehen . Die Näherungsgewichte der angeführten 4 Senkeltypen betragen
1 50 , 500, 250 und 1 40 g.
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Da e s i nfolge RauJtl mangel s n icht möglich i st, den vorangezei gten Norm­
e ntwurf zu veröffentl ichen, werden alle Interessenten, die hiezu Stel l u n g neh­
men wol l e n , e inge laden, sich an die Geschäftsstel l e des ÖNA, Wien, I I I . , L othrin­
gerstraße 1 2, Tel . U 1 9-5-90, zu wenden und von dort e ntweder den Entwurf
anzufordern oder in denselben Einsicht zu nehme n .
Um zu einem wirklich a l l ge me i n befr i e digenden Erge bnis z u kommen,
ergeht an alle Interessenten die Einladung, den Entwurf einer kritischen Ste l ­
lungnahme bis spätestens 1 5 . M a i 1 935 z u unterzie h e n .