GastroZentrum Hirslanden Zürich Gastroenterologie www.gastrozentrum.ch Anale Stuhlinkontinenz Anale Stuhlinkontinenz – Ein letztes Tabuthema? Es wird geschätzt, dass ca. 5% der Bevölkerung an einer analen Stuhlinkontinenz leide. Dies wäre für die Schweiz 350 leidenden Patienten! Bei den über 65-jährigen Frauen betrifft es bereits jede 3., in den Altershei-men wird geschätzt, dass bis zu 50% der Bewohner daran leiden. Was versteht man überhaupt unter Stuhlinkontinenz? Dieses Symptom wird als ungewollter Verlust von Gas oder Stuhl, zum falschen Zeitpunkt, das heisst nicht während dem Aufenthalt auf der Toilette. Die Stärke der Inkontinenz variiert von gelegentlichem Stuhlschmieren erheblich. Häufig sehen wir ältere Patienten in unserer Praxis, welche wegen einem anderen Leiden den Hausarzt aufsuchen und sich gar nicht getrauen über ihr Leiden zu sprechen. Die bedauerns-werten Menschen verlassen ihr zu Hause nur selten, selbst der Galleneinkauf gestaltet sich schwierig. Die meisten Inkontinenz-Patienten kennen sämtliche Toiletten in ihrer Umgebung. Was ist die Ursache der analen Stuhlinkontinenz? Häufig liegt ein Muskelschaden des sogenannten Sphinkter-Apparats des Enddarmes vor. Dieser besteht im Wesentlichen aus einem inneren Muskel, welcher für den sogenannten Ruhetonus verantwortlich ist. Dieser Muskel kann nicht willkürlich betätigt werden. Im Gegensatz zum äusseren Ring-muskel, welcher beim aktiv willkürlichen Kneifen einen sogenannten Kneifdruck zeigt. Beide Muskeln sind für die Kontinenz verantwortlich, in der Ruhe vor allem der innere Muskel, in Stresssituationen der äussere Muskel (bei Nichtverfügbarkeit einer Toilette). Als eigentliches Reservoir für den Stuhl ist der Enddarm verantwortlich. Beim allfälligen Eingriff z.B. nach einer operativen Teilentfernung des Enddarmes oder eines Tumor, kann dadurch ebenfalls eine Inkontinenz auftreten. Häufig aber sind vor allem die beiden Muskeln geschwächt. Nach schweren Geburten, insbesondere nach Gebrauch einer Zange, tritt in ca. 30% der Fälle ein Muskeldefekt auf. Erst Jahre später, nach allgemeiner Schwäche der gesamten Muskulatur leiden diese Patienten an einer zunehmend analen Stuhlinkontinenz. Als erstes Symptom tritt unwillkürlicher Abgang von Luft auf, gelegentlich kombiniert mit einem sogenannten Stuhlschmieren. Neben der geburtsbedingten Schwächung der Sphinkter- Muskulatur leiden aber auch Pa-tienten mit Diabetes mellitus oder sonstigen neurologischen Erkrankung an einer Stuhlinkontinenz. Andere Patienten wiederum beschreiben ein Fremdkörpergefühl im After, dass häufig für das Programm eines sogenannten Darmvorfalls spricht. Diese Patienten beschreiben öfters eine lang-jährige Obstipationstendenz mit dem Gefühl der unvollständigen Stuhlentleerung und klagen erst nach jahrelangem Leiden an einer analen Stuhlinkontinenz. Die Therapie der analen Stuhlinkontinenz besteht im Wesentlichen aus einem konservativen sowie aus einem chirurgischen Ansatz. Primär sollte selbstverständlich auch aus Kostengründen möglichst konservativ vorgegangen werden: die medikamentöse Gabe von niedrigdosiertem Loperamid stärkt den inneren Muskel, mit Hilfe eines sogenannten Biofeedback-Trainings kann der äussere Muskel gestärkt werden. Das Biofeedback-Training ist auch eine eigent-liche Lernstrategie, welche bestimmte Körperfunktionen in eine gewünschte Richtung lenkt. Ursprünglich auf Funktion wie z.B. Blutdruck oder EEG beschränkt, hat sich das Biofeedback-Training später auch als sehr gute Trainingsmethode für willkürliche Funktion – wie etwa zur Muskelentspannung – bewährt. In der Folge wurden diese Trainingsmethoden, welche mit vielen zusätzlichen Hilfsgeräten verstärkt wurden, für den After eingesetzt. Diese sonstigen Hilfsgeräte beinhalten z.B. ein Magnetspulenstuhl, welcher den Muskel völlig schmerzlos aktiviert bzw. auch z.B. einen sogenannten Irrigator, mit welchem der Enddarm gereinigt werden kann, so dass die Patienten für 24 Stunden keinen Stuhldrang mehr haben. Gelegentlich werden auch diverse Injektionen im After angeboten, mit verschiedenen Mitteln. An unserem Zentrum verwenden wir Hyaluronsäure, dadurch wird eine eigentliche Sphinkteraugmentation durchgeführt. Schlussendlich bleibt aber immer noch das operative Verfahren: bis ca. im letzten Jahrhundert wurde vor allem beim Muskeldefekt ein Sphinkter-Repair durchgeführt. Neuromodulations-Therapie Heute hat die sakrale Neurostimulation einen Aufschwung gemacht durch die sogenannte sakrale Neuromodulation. Die sogenannte sakrale Neurostimulation, welche in Europa bereits seit 1994 eingeführt wurde, ist eine sehr differenzierte Technik für Patienten, welche auf die konservativen Therapien nicht ansprechen. Bei denjenigen Patienten, welche während der sogenannten Testphase eine 50%ige Besserung der Beschwerden erreicht werden kann, wird in der Folge eine Dauerstimulation durchgeführt. Dies bedingt, dass ein kleines Gerät unter die Haut implantiert werden muss, welches der Patient allerdings fast nicht verspürt. Dir Erfolgsrate liegt bei ca. 60%. Wir führen an unserem Zentrum die sogenannte Tibialis posterior Stimulation durch, eine Methode, welche Sie auch zu Hause durchführen können. Durch ein Anlegen von EMG-Pflaster im Bereich des Fusses kann der Nervus pudendus stimuliert werden, und damit aber auch eine Stärkung der Muskulatur erreicht werden. Die Methode ist einfach und schmerzlos. Wichtig erscheint mir, dass das Tabuthema mehr diskutiert wird, dass Patienten wissen, dass die Abklärung völlig schmerzlos geschieht und häufig selbst mit einfachen Mitteln geholfen werden kann. Der Gang ins Warenhaus, wo Windeln für Erwachsene verkauft werden, sollte nur eine Notlösung sein! Basics Die anale Inkontinenz (ungewollter Stuhl- und Gasabgang) ist häufiger als gemeinhin angenommen wird. Da es sich um ein genierliches Problem handelt wird es verschwiegen und auch dem Arzt oft nicht mitgeteilt. Frauen sind häufiger betroffen als Männer. Ursächliche Faktoren sind: Schleimhaut- oder Hämorrhoidalprolaps Zustand nach Verletzung des Schliessmuskels (Geburten, chirurgische Eingriffe, etc.) Innervationsstörung des Schliessmuskels Abklärung Die Abklärung muss durch einen spezialisierten Gastroenterologen erfolgen. Sie umfasst je nach dem folgende Schritte: Endoskopie des Analkanals und des Rektums Druckmessungen im Analkanal (Manometrie) Endosonographie des Schliessmuskels Abklärung der Innervation Therapie Ein leichtgradiger Schleimhautprolaps kann endoskopisch durch Setzen von Gummi- bändern (siehe Hämorrhoiden) behandelt werden. Ein zirkulärer Schleimhautprolaps und ein Hämorrhoidalprolaps Grad III und IV müssen chirurgisch behoben werden mittels der sogenannten Staplermukosektomie. Funktionsschwächen nach Geburtstrauma oder im Rahmen der Alterung können oft durch ein spezielles Training (Biofeedback-Training) behoben oder verbessert werden. Bei stark geschwächter Sphinktermuskulatur kann gegebenenfalls eine Implantation eines Schrittmachers diskutiert werden. Dr. med. Philipp Bertschinger Dr. med. Andreas Müller Prof. Dr. med. Bernhard Sauter Prof. Dr. med. Stefan Seewald GastroZentrum Klinik Hirslanden Witellikerstr. 40 8008 Zürich Telefon 044 387 39 55 E-Mail: [email protected] Frau Denise Aeschbacher Frau Eliane Schwob Bronner Biofeedback-Trainings-Zentrum GastroZentrum Nord, Ebene 2 Klinik Hirslanden Witellikerstr. 40 8008 Zürich
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