Stuhlentleerungsstörungen – Anale Inkontinenz – eine Übersicht Seltener als über Verstopfung kommt die Stuhl- und Windinkontinenz vor, die vom Stuhlschmieren bis hin zum Verlust von geformtem Stuhl reichen kann. Vielleicht klagen aber nur weniger Menschen darüber, weil der Verlust ihnen peinlich ist. Auch sie ist eine Form der Beckenbodeninsuffizienz. Frauen sind deutlich häufiger betroffen als Männer, vor allem bei der Stuhlinkontinenz, die häufig als Spätfolge von Geburtsverletzungen auftritt (oft erst jenseits der Wechseljahre). Sie interessieren sich für dieses Thema, weil Sie einen betroffenen Menschen kennen oder selbst unter einer der aufgeführten Probleme leiden? Seien Sie gewiss, Sie sind nicht allein mit diesem Problem. Vielleicht hat sich aber auch im Rahmen unseres/-er Gespräche(s) gezeigt, dass Sie an einer Stuhl-/Windinkontinenz leiden, die sich entweder • • durch den vorliegenden Befund nicht schlüssig erklären lässt oder die aufgrund der/des vorliegenden Befunde(s) einer weiteren Abklärung bedarf. Kontinenz bedeutet, dass man den Stuhl oder Winde willentlich zurückhalten kann, bis man die Toilette erreicht. Auch der Zeitpunkt der Entleerung kann selbst bestimmt werden. Ist diese Funktion gestört, so spricht man von analer Inkontinenz (Stuhlinkontinenz). Nach Angaben des Selbsthilfeverbandes Inkontinenz sind mindestens 800.000 anal inkontinent. Alle Jahrgänge sind etwa gleich stark betroffen, aber die Häufigkeit nimmt mit dem Alter stark zu. Frauen und Männer sind etwa gleich stark betroffen. Die Ursachen einer analen Inkontinenz sind vielfältig. Es müssen mehrere Faktoren zusammentreffen, um eine Stuhlinkontinenz auszulösen. Eine isolierte Schwäche des eigentlichen Schließmuskels ist nur sehr selten der Grund. Zu den organischen Ursachen für eine Stuhlinkontinenz gehören: • Entzündliche Darmerkrankungen, z.B. Morbus Crohn, Colitis ulcerosa, rez. Divertikulitis • Schließmuskelschwäche, • Erkrankungen des Nervensystems, • Verletzung der Beckenbodenmuskulatur, • Multiple Sklerose, • Verletzung des Rückenmarks, z.B. durch einen Unfall, • Schlaganfall; Eine Stuhlinkontinenz kann auch durch psychische Ursachen oder Medikamente ausgelöst werden. Das Spektrum der Inkontinenz reicht vom Verlust kleinster Stuhlmengen (Stuhlschmieren), über das Unvermögen Winde zu halten, bis zur völligen Inkontinenz mit dem kompletten Verlust jeglicher Kontrolle über das Stuhlverhalten. Es werden drei Schweregrade unterschieden: • Grad 1: Unkontrollierter Abgang von Winden, leichte Verschmutzung der Wäsche (Stuhlschmieren) • Grad 2: Unkontrollierter Abgang von dünnflüssigen Stuhl, unkontrollierter Abgang von Winden, gelegentlicher unkontrollierter Stuhlabgang • Grad 3: Stuhl und Winde gehen vollständig unkontrolliert ab. Nervenschäden können durch die Elektro-Myographie (EMG) überprüft werden. In manchen Fällen hilft auch ein Computer-Tomogramm oder eine Röntgenuntersuchung des Stuhlganges (Defäkographie) weiter. Die Beckenbodengymnastik ist die Basis jeder Therapie - ob konservativ oder operativ. Gegen zu flüssige Stühle helfen Medikamente. Auch die regelmäßige, gezielte Darmentleerung durch Abführzäpfchen oder kleine Einläufe kann hilfreich sein. Zusätzlich gibt es Hilfsmittel wie Tampons für den Analkanal oder die automatische Anregung der Schließmuskelkontraktion durch schwachen elektrischen Strom. Mehr als zwei Drittel aller Inkontinenzpatienten kann durch diese konservative Therapie geholfen werden. Verletzte Schließmuskeln lassen sich nähen, ein schwacher Muskel kann gerafft werden. Häufig ist aber eine größere Operation notwendig. Dabei wird beispielsweise der Dickdarm, der durch die Beckenbodenschwäche abgesunken ist, durch verschiedene Hilfsmittel wieder am Kreuzbein fixiert. Es gibt auch aufblasbare Manschetten, welche die Funktion des Schließmuskels ersetzen. Die allgemeinen Operationsrisiken wie Blutung, Infektion oder Nervenverletzung sind gering. Dennoch sind solche Operationen nicht ganz unkritisch zu sehen, weil die Inkontinenz in vielen Fällen erneut auftritt. Außerdem ist das Operationsrisiko bei älteren Patienten deutlich erhöht. Je geringer der Grad der analen Inkontinenz, desto besser sind die Ergebnisse. Oft lassen sich mit kleineren Maßnahmen wie Beckenbodentraining oder Nervenstimulation schon deutliche Erfolge erzielen. Bei höher gradiger Inkontinenz kann in manchen Fällen eine Operation positive Ergebnisse bringen. Tabelle 1: Formen der Stuhlinkontinenz Funktionelle Stuhlinkontinenz Durchfall, Darminfektion, Reizdarm, Lebensmittelallergie oder Unverträglichkeit Neurogene Stuhlinkontinenz Neurologische Erkrankungen (Multiple Sklerose, Demenz, Parkinsonismus, Schlaganfall, diabetische Neuropathie) Obstipationsbedingte Stuhlinkontinenz Durch Verstopfung ausgelöster Schmierstuhl, dünner Stuhl, Darmschleim Medikamentöse Stuhlinkontinenz Abführmittel, Antibiotika, Hormone Entzündliche Stuhlinkontinenz Hämorrhoiden, Fisteln, Darmvorfall, M. Crohn, Colitis ulcerosa Angeborene Stuhlinkontinenz Miß- oder Fehlbildungen lokal, peripher oder zentral neurogen Traumatische Stuhlinkontinenz Dammriss, Operation, Verletzung Tumoröse Stuhlinkontinenz Darm- oder Analkrebs Ischämische Stuhlinkontinenz Durchblutungsstörungen Hormonale Stuhlinkontinenz Diabetes mellitus, Schilddrüsenüberfunktion
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