1 Predigt über Evangelium des Johannes, Kapitel 10 – Ich bin der gute Hirte von Pfarrerin Ingrid Kibilka Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus sei mit uns allen. Amen Liebe Gemeinde! Kennen Sie bei sich selbst Sätze oder Sprüche, die Ihnen auf die Nerven gehen? Sätze oder Sprüche, die Ihnen zum Hals heraushängen, zum Ohr herauskommen – und Sie nicht mehr hören können? Sätze oder Sprüche, die Ihnen aber immer wieder begegnen?? Einer MEINER dieser Sätze lautet: "Na – wie viele Schäfchen zählt denn Ihre Gemeinde?“ Diesem Satz begegne ich OFT. Vor allem, wenn ich bei Hochzeiten oder Taufen oder nach Beerdigungen noch eingeladen bin – und es zu Gesprächen kommt mit Menschen, die von außerhalb kommen. "Na – wie viele Schäfchen zählt denn Ihre Gemeinde!“ ??? Ich muss mich mittlerweile – ehrlich – jedes Mal dazu zwingen freundlich zu bleiben, geduldig zu antworten – und diejenigen, die mir die Frage stellen, nicht anzuschnauzen… MICH ärgert diese Frage – na ja – nicht die Frage sondern mich ärgert dieses BILD: dass Gemeindemitglieder Schafe/ Schäfchen sind. Ich antworte auf diese Frage so, dass ich sage: "Zu meinem Gemeindebezirk gehören so und so viele Menschen. Wissen Sie, ich mag dieses Bild von den Schäfchen nicht, denn ich möchte es gerne mit aufrichtigen, selbstbewussten, mutigen und denkenden Menschen zu tun haben – die sich mit den Belangen einer Gemeinde konstruktiv kritisch auseinandersetzen, sich fröhlich und mit Herzen engagieren – und auch mal Streit aushalten.“ Ganz oft erlebe ich dann, dass Leute sagen: na ja – aber der Pastor/ die Pastorin IST doch der Hirte / die Hirtin – einer Gemeinde… Pastor = lateinisch = der Hirte Stimmt. Trotzdem habe ich es – haben wir es miteinander – nicht mit blökenden Schafen zu tun, die nur das tun, was der Hirte verlangt. Auch wenn wir uns manchmal – auch in der Gemeinde – anblöken. So sind Sie, liebe Gemeinde NICHT „meine“ Schafherde! Das Bild vom Hirten und den Schafen kennen wir aus der Bibel. Der berühmte und wunderbare, wunderschöne Psalm spricht von GOTT – dem guten Hirten – der uns auf einer grünen Wiese weidet. Jeden und jede von uns. 2 GOTT der Hirte – ich sein Schaf… Leider verbinden wir – mir geht es jedenfalls so – mit "Schaf" wenig schmeichelhafte Bilder. Du Schaf sagen wir – wenn wir eigentlich Blödmann sagen wollen. Dumme Schafe laufen ohne Nachzudenken herum Schafe haben einen sehr eigenartigen Geruch. Schafe sind oft sehr ängstlich. Schafe brauchen den engen Kontakt zu anderen. Schafe BRAUCHEN Führung Bei Gefahr bleiben Schafe oft in einer Schockstarre… Schafe fressen und verdauen… Schafe verschwinden in der Masse – es sei denn, es ist schwarz… Schwarze Schafe sind die, die aus der Norm fallen… Das Bild vom Hirten und der Herde entsprach ja dem Lebensbild der Menschen der damaligen Zeit. Fleisch, Milch, Wolle – waren die Lebensgrundlage – und die Arbeit der Hirten war, auf diese Existenzgrundlage zu achten. Und in der Geburtsgeschichte Jesu bei Lukas – bekommen die Hirten die Frohe Botschaft zuerst zu hören… IM Psalm 23 geht es um das BILD des behütenden und beschützenden Gottes. Gott sorgt für seine Menschenherde. Gott leitet seine Menschenherde Gott führt seine Menschenherde auf die richtigen Wege Gott sorgt für das Wohlbefinden seiner Menschenherde. Allerdings verändert sich im Laufe des Palmes das Menschenbild. Doch das nur am Rande. Im Neuen Testament nimmt Jesus das Bild vom guten Hirten auf. Und bezieht es auf sich. Der heutige Psalmtext ist eines der ICH-BIN-Worte – und das hat es wirklich in sich! Wir haben es vorhin in der Lesung gehört. Ich bin der gute Hirte, der sein Leben lässt für die Schafe. Das Bild des bewahrenden, beschützenden, fürsorglichen, HIRTEN aus Psalm 23 wandelt sich radikal – in das Bild des sich opfernden Hirten…des sich opfernden Gottes. Vielleicht reagiere ich auch deswegen sehr emotional, und eher mit Abwehr, wenn mir als Hirtin einer Gemeinde die Frage nach "meinen Schäfchen" gestellt wird, weil ich dieses Jesuswort kenne. 3 Würde ich…als Hirtin dieser Gemeinde, als glaubende Hirtin – für euch mein Leben lassen? NATÜRLICH weiß ich, dass, zumindest in unseren Breitengraden die Gefahr nicht mehr besteht- die hat es in jüngerer deutschen Geschichte aber gegeben – Paul Schneider/Adolf Kolping – Und es gibt in der Geschichte der christlichen Kirchen Männer und Frauen, die für ihren Glauben, ihr Leben gelassen haben. Es gibt im 21 Jahrhundert viele Länder, in denen es bei Todesstrafe verboten ist, Christ/Christin zu sein. In der Nachfolge Jesu – in den Tod gehen…ich wage zu behaupten, dass Frauen und Männer die es taten, die es tun…von GOTT eine übermenschliche KRAFT dafür bekommen. Auch JESUS ist mit dieser übernatürlichen KRAFT GOTTES am Kreuz gestorben.. Dieses ICH bin Wort – "ich bin der gute Hirte und lasse mein Leben für meine Schafe" – beschreibt die radikale, übermenschliche, Hingabe und Opferung Jesu. Ich möchte auf die Unterscheidung eingehen, die das Johannesevangleium hier beschreibt: Der Unterscheidung zwischen „Mietling“ – also dem Hirten, dem die Herde gar nicht gehört – und dem wahren Hirten…der für die Herde alles riskiert – bis hin zu seinem Leben. BIN ich denn dann eine schlechte Hirtin, weil mir der Gedanke an ein TODES -Opfer Angst macht??? Sind wir alle denn dann schlechte, europäische Christen und Christinnen, weil wir uns dieses Opfer – für unseren Glauben sterben – gar nicht vorstellen können? Und dieses Risiko gar nicht mehr eingehen müssen??? Ich sage an dieser Stelle : NEIN! Doch beginne ich jetzt NICHT damit, all das aufzuzählen, was wir als Einzelne im Leben schon als OPFER gebracht haben – das wäre viel zu banal und platt und wird DIESEM Ich Bin WORT nicht gerecht. (Wobei ich die Frage einschieben möchte, WARUM wir manches im Leben überhaupt als Opferung betrachten und empfinden…)) Jesus sagt : Ich bin der gute Hirte, der sein Leben lässt für die Schafe. Ich denke immer wieder : DAS möchte ich aber doch gar nicht! Ich will nicht, dass Jesus sich für mich /uns geopfert hat. ICH will nicht SCHULD an seinem TOD sein. 4 Darum singe ich viele Passionslieder nicht gerne"Was ist die Ursach solcher Plagen…ach meine Sünden haben dich geschlagen“// "Wenn meine Sünd dich kränken"// ein Lämmlein geht und trägt die Schuld …was Du Herr erduldest, ist alles meine Last! NEIN – ich kann das nicht mitsingen… und bei manchen Auslegungen des Apostel Paulus über den Sühnetod Jesu spüre ich großen Widerwillen. DOCH da gibt es aber diesen anderen Gedanken – dass es – beim Tod – bei dem Opfertod Jesu – überhaupt nicht um meinen/ deinen/unseren menschlichen Willen geht, sondern um den WILLEN – um den Plan – um das Vorhaben- um die Macht und Kraft GOTTES Wie kann GOTT das zulassen?? An was für einen GOTT glaubt ihr Christen/Christinnen Denn an einen, der seinen GOTTESSOHN JESUS nicht vor dem Tod bewahrt hat. Das ist das Bild eines grausamen Gottes, der nicht beschützt. Doch „unser“ Gottesbild ist ein anderes. Es geht , beim TOD JESU : um unsere „Rettung“ durch GOTT! GOTT hat seinen Gottessohn Jesus nicht dem TOD geopfert…sondern Gott hat Jesus – den guten Hirten – den MENSCHLICHEN TOD sterben lassen, Gott hat Jesus den guten Hirten den WEG des menschlichen Todes gehen lassenUnd JESUS ist aus großer Liebe zu uns Menschen diesen Weg gegangen, um 1. An Jesus und MIT Jesus die Auferstehung kraftvoll und Wunder-voll vollziehen zu können und 2 . um uns Menschen damit zu zeigen : „auch in deinem Tod bin ich Dir ganz nahe, denn ich weiß, - durch Jesus- wie der Tod sich anfühlt, doch ich- GOTT – nehme dem Tod die Macht. Ich wünschte, wir könnten damit aufhören, davon zu reden, dass "der Mensch Schuld ist am Tod Jesu“ Ich wünschte, wir könnten damit aufhören, davon zu reden, dass GOTT JESUS geopfert hat. Ich wünsche mir, dass wir davon reden, dass der TOD Jesu: eine absolute Hingabe, ein absolutes, großartiges Liebeswerk IST. Holz auf Jesus Schulter…ward zum Baum des Lebens// Korn, das in die Erde, in den Tod versinkt—Liebe lebt auf// Liebe wächst wie Weizen und ihr Halm ist grün… 5 Das Johannesevangelium sagt: Jesus war und Jesus ist derjenige, dem die Herde gehört und der die Herde Gottes – also uns Menschenfamilie – hütet und begleitet als der der eine innige, symbiotische, unauflösbare Beziehung zu GOTT UND zu uns Menschen hat. "Ich bin der gute Hirte und KENNE die Meinen." GOTT hat die Herde der Menschheit in die Hand Jesu gegeben, hat uns den – ausgebreiteten und segnenden - Händen des Hirten JESUS : anvertraut. Der sogar das Leben für uns lässt. Und zwar NICHT, damit wir uns SCHULDIG fühlen, NICHT um ewige SCHULD auf uns zu laden… sondern um uns zu erlösen, zu retten, um uns ewiges Leben zu schenken. Jesus ist für sein Ideal eines barmherzigen und befreienden und rettenden und erlösenden und liebenden GOTT : in den Tod gegangen –und wurde von GOTT auferweckt. VON GOTT vom Tod erlöst. Niemand nimmt mir die Herde weg, sagt Jesus. Auch nicht der Tod. Jesus bietet uns an – Jesus schenkt uns : eine ewige/untrennbare Bindung an ihn. Die IN unserem Leben – und über unser Leben hinaus: HEILIG ist und ewig hält. WIR brauchen diese Liebe des Hirten "nur " anzunehmen. Und unser Leben bekommt eine gesegnete Qualität – unser Sterben wird von SEINEM Segen begleitet sein – und wir werden MIT IHM auferstehen. DAS ist christlicher Glaube. Amen Copyright Ingrid Kibilka
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