14 HILDESHEIM | HILDESHEIMER ALLGEMEINE ZEITUNG SONNABEND, 20. FEBRUAR 2016 Für die Besten geht es jetzt zum Landeswettbewerb So groß ist Afrika wirklich Wie verhalten sich Wanderfalken? 76 Gruppen haben an dem Regionalwettbewerb von „Jugend forscht“ und „Schüler experimentieren“ teilgenommen – für die Gewinner bleibt es spannend TexTe: MeLDA ATLAS UND MORITZ MUSCHIk FOTOS: CLeMeNS HeIDRICH Die Geschwister Carolin (12) und Frederik Rehse (10) finden die Flächenzahl von Afrika mit 30,2 Millionen Quadratkilometer zu ungenau. Die AndreanumSchüler beschlossen die Fläche selbst auszurechnen. Was gar nicht mal so einfach war, denn Afrika besitzt eine unregelmäßige Fläche. Mit einer eigenen Methode kamen sie auf den genaueren Wert für die unregelmäßige Fläche Afrika: 30,221,532 Quadratkilometer. „Herausragend wissenschaftliche Arbeit“, findet die Jury und verleiht den Geschwistern Platz eins. Wanderfalken sind einfach zu unterscheiden: Weibchen sind größer als Männchen. Aber was hat das für Auswirkungen auf die Rollenverteilung zwischen ihnen? Dieser Frage gingen die zwei Robert-Bosch-Gesamtschülerinnen Merle Neumann (18) und Stephanie Krippenstapel (18) nach. Dafür ließen sie sogar eine Kamera in den Andreas-Turm installieren. Die nahm die Wanderfalken, die es sich im Turm gemütlich gemacht hatten, auf. Bei der Auswertung des Materials stellten sie fest, dass es eine strenge Rollenverteilung während der Brut- und Aufzuchtzeit gibt: Das Männchen geht in den ersten Tagen alleine jagen, während das Weibchen auf die Küken aufpasst. In dieser Zeit sucht er nach kleiner Beute. Nach den ersten Aufzuchttagen macht das Weibchen wieder mit. Sie jagt jedoch nur große Beute. Durch die Aufteilung ermöglichen sich die Falken mehr Nahrungsmöglichkeiten. Die einjährige Forschung brachte den Mädchen den ersten Platz im Fachbereich Biologie ein. Mit der Schallkanone auf Platz zwei Der Computer wird zum Pfadfinder Eine Kerze auspusten? Das kann ja jeder, dachten sich Cem Damien Ayari (10) und Ken Lindemann (10). Die Schüler der Robert-Bosch-Gesamtschule haben eine eigene Schallkanone gebastelt – und damit Platz zwei im Fachbereich Physik gewonnen. Ziehen die beiden am Gummi hinter dem Papptrichter, schießt Luft hindurch. Die pustet die Kerze in über einem Meter Entfernung aus. Die Teichtemperatur im Jahresverlauf Sebastian Maifeld (13) von der KGS Gronau beobachtete ein Jahr lang die Temperaturen von zwei Teichen. Er stellte fest, dass im Winter und Herbst das Wasser am Boden des Teiches schwerer ist als das an der Oberfläche. Das liegt daran, dass gefrorenes Wasser, also Eis, eine geringere Dichte hat als nicht-gefrorenes Wasser und bleibt somit an der Oberfläche. Schmilzt das Eis im Frühling nun bei vier Grad und mehr, kommt es zu einer Umwälzung des Wassers: Das Wasser an der Oberfläche besitzt dann eine geringere Dichte als das kältere Wasser am Boden. Die Wasserschichten vermischen sich. Die Forschung brachte Sebastian gestern den ersten Platz in Geo- und Raumwissenschaften ein. Die Gewinner von „Jugend forscht“ und „Schüler experimentieren“ mit Stiftern und Förderern. B etrachte die Dinge aus anderen Richtungen und Sichtweisen, nur dann siehst du das ganze Bild.“ Mit diesen Worten hat der Vizepräsident der Universität Hildesheim, Martin Schreiner, die Siegerehrung von „Jugend forscht“ und „Schüler experimentieren“ eröffnet. Die Ausstellung der vergangenen Tage zeigte, dass die Jungforscher dies getan haben. Insgesamt stellten 76 Gruppen ihre Projekte in den Fachbereichen Biologie, Chemie, Technik, Geound Raumwissenschaften sowie Mathe/ Informatik, Physik und Arbeitswelt vor. Es wurde gebaut, programmiert, gebastelt, experimentiert, geklebt, und vieles mehr. Vorgegebene Themen gab es nicht. Die Schüler durften ihrer Kreativität freien Lauf lassen und selbst nach einer Fragestellung suchen, die in eines der sieben Fachgebiete passt. Dabei entstanden erstaunliche Projekte, die gestern Nachmittag im Audimax der Uni Hildesheim hervorgehoben wurden. Tosender Applaus donnerte durch die Sitzreihen im Audimax, als die Schüler ihre Preise entgegen nahmen: 75 Euro für Erstplatzierte, 60 Euro für Zweitplatzierte und 45 Euro für den dritten Platz. Andere Schüler, die gute Ansätze hatten, durften sich über Sonder- und Sachpreise freuen. Von denen gab es viele: Alleine an die Jungforscher von „Schüler experimentieren“ wurden 15 Sachpreise, unter anderem von der Hildesheimer Allgemeinen Zeitung, verteilt. Fünf weitere Gruppen wie „Das vollautomatische Gewächshaus zur Anzucht von Tomaten“ und „Heißluftballon“ Die Gewinner von „Jugend forscht“: ◾ Fachbereich: Arbeitswelt Platz 1: Scomo – Dein persönlicher Online-Stunden- und Vertretungsplan, Steffen Ryll, Josephinum Bosch-Gesamtschule Platz 3: Synthese von PLA aus Milchsäure, Thorben Günther, Louisa Henneberg, Melissa Hübner, Goethegymnasium ◾ Fachbereich: Biologie Platz 1: Geschlechtsdimorphes Verhalten während Brut und Aufzucht am Beispiel der Hildesheimer Wanderfalken, Merle Neumann, Stephanie Krippenstapel, Robert-Bosch-Gesamtschule Platz 2: Analyse der Flugschneisen von Fledermausarten im Ernst-Ehrlicher-Park in Hildesheim, Simone Weikert, RobertBosch-Gesamtschule ◾ Fachbereich: Mathematik/In formatik Platz 1: Addition von Parabelstücken – eine ungewöhnliche Operation, Balazs Mark Bekesi, Robert-Bosch-Gesamtschule Platz 1: Pfadfinden unter Beachtung physischer Gegebenheiten, Henry Morten Haase, Marius Rennmann, Scharnhorstgymnasium Platz 2: Ein Super-Pi als Parallelrechner, Felix Menze, Lukas Menze Platz 3: Viz3D – ein System zur Darstellung dreidimensionaler Objekte, Nick Kobert, Josephinum ◾ Fachbereich: Chemie Platz 1: Unterschiede der Trinkwasserqualität anhand der Wasserhärte und des Halogenidgehalts, Julia Kapeluch, Robert- ◾ Fachbereich: Physik Platz 1: Wärmestrahlung verschiedener Oberflächen, Julia Schumann, Janis Ole Stach, Nils Westphale, Goethegymnasium Platz 3: Lichtgeschwindigkeit mit Mikrowellen messen, Thore Pohl, Simon Röde, Marienschule Platz 3: Optimierung eines Michelson-Ultraschallinterferometers, Pascal Stich, Stefan Ganske, Lynn Pauline Heine, RobertBosch-Gesamtschule ◾ Fachbereich: Technik Platz 1: Portable Speicherung von Solarenergie, Maximilian Böther, Felix Veltmaat, Jonas Nachtigall, Goethegymnasium Platz zwei: Getriebe ohne Schaltzeiten, Thomas Senker, RobertBosch-Gesamtschule Platz 3: Unterbrechungsfreie Energieversorgung für stationäre Kleinverbraucher, Jan Czech wurden für schönsten Stand und die besten Teamarbeit mit Sonderpreisen belohnt. Alle anderen Teilnehmer bekamen Urkunden. Auch die Teilnehmer von „Jugend forscht“ gewannen viele Preise: Neben 15 Sachpreisen gab es auch viele Sonderpreise. So bekam Mark Balazs Bekesi für sein Projekte „Addition von Parabelstücken – Eine ungewöhnliche Operation“ den Uni-MINT-Sonderpreis. Ein Vertreter der Sparkasse Hildesheim überreichte Felix und Lukas Menze für „Ein Super-Pi als Parallelrechner“ ihren Sonderpreis. Für die „wahrlich große Anzahl an Projekten“ lobte Wettbewerbsleiter Daniel Kahle die Robert-Bosch-Gesamtschule, die mit 34 Teilnahmen die meisten Jungforscher des Wettbewerbs stellte. Josephinum-Lehrer Arndt Latußeck wurde für sein Engagement als bester Talentförderer ausgezeichnet. Alle Schüler, die nicht gewonnen haben, ermunterte der ehemalige Scharnhorstschüler und Bundeswettbewerbsgewinner To Vinh in einem Kurzvideo, das während der Siegerehrung ausgestrahlt wurde. Er forderte dazu auf, weiter zu forschen: „Ihr seid alle Sieger, denn ihr sammelt wichtige Erfahrung.“ Anlässlich des bereits 20. Regionalwettbewerbs in Hildesheim zeigten die Or- Foto: Kolbe ganisatoren HI-Reg mehrere Hildesheimer, die den Bundeswettbewerb von „Jugend forscht“ gewannen. Vinh nahm 2008 nach dem Regional- und Landessieg erfolgreich am Bundeswettbewerb teil. Heute ist er Dozent an der Uni Bonn. So könnte auch die Zukunft der gestrigen Gewinner aussehen. Denn rund 88 Prozent der ehemaligen Sieger entscheiden sich für ein MINT- oder Medizin-Studium, 39 Prozent von ihnen haben promoviert und acht Prozent davon sind habilitiert. Für die Zukunft der Teilnehmer sind das gute Aussichten. Aber fürs Erste steht den Gewinnern der Landeswettbewerb bevor: Die Kleinen treten vom 10. bis 12. März in Oldenburg gegen die andere Regionalsieger an. Um einen Platz im Bundeswettbewerb konkurrieren die Regionalsieger von „Jugend forscht“ vom 14. bis 17. März in Clausthal-Zellerfeld. Die Gewinner des Landeswettbewerbs kämpfen dann vom 26. bis 29. Mai in Paderborn um den bundesweit ersten Platz. Fotos von allen Ständen und einen Videoclip von „Schüler experimentieren“ gibt es im Internet unter www.hildesheimerallgemeine.de/jufo. Wie kommt man im Computerspiel am besten ans Ziel? Henry Morten Haase (17) und Marius Rennmann (18) vom Scharnhorstgymnasium haben eine Lösung gefunden. Sie haben den Computer einfach zum Pfadfinder gemacht und damit den ersten Platz im Fachbereich Mathematik/Informatik gewonnen. Die Grundlage: ein Spiel, bei dem der Spieler von Berg zu Berg springen muss. „Uns war wichtig, dass wir einfach den Quellcode ändern konnten“, sagt Marius. Mit einer Kartenanalayse haben die Schüler die Spielwelt nach möglichen Pfaden durchsucht. „Im zweiten Schritt haben wir die Karte skelettiert“, erklärt Henry Morten. Dadurch sucht der Computer über Algorithmen den kürzesten Weg für den Spieler. „Ohne die Skelettierung würde der PC die gesamte Welt durchsuchen und die Wege wären nicht immer optimal“, erläutert Marius. Jetzt schlagen roten Punkte dem Spieler vor, wie er am schnellsten ins Ziel kommt. Bald soll die Figur der Route automatisch folgen. Die beiden forschen weiter. Wo fliegen die Fledermäuse lang? Die Gewinner von „Schüler experimentieren“: ◾ Fachgebiet Arbeistwelt: Platz 1: Kostengünstiger Schallschutz in der Schule mit Recycling-Materialien, Amela Sannig, Robert-Bosch-Gesamtschule. ◾ Fachgebiet Biologie: Platz 3: Leben Vegetarier gesünder als Fleischesser? Meike Brinkmann, Hanna-Marie Koch, Luise Kamusella, Goethegymnasium. Platz 3: Fotosyntheserate von Wasserpflanzen in Abhängigkeit von der Lichtfarbe, Pele Abdullah, Lena Janhoff, Goethegymnasium. ◾ Fachgebiet Chemie: Platz 2: Klebeversuche mit Klebern aus Haushaltschemikalien, Leon Taschenmski, Til Röttger, Molitoris Oberschule mit Gymnasialzweig. ◾ Fachgebiet Geo- und Raumwissenschaften: Platz 1: Wie verhält sich die Temperatur in einem Teich im Jahresverlauf? Sebastian Maifeld, KGS Gronau. Platz 2: Wasserkreislauf im Kasten, Mathieu Rossingoll, Timur Öz, Robert-Bosch-Gesamtschule. Platz 3: Darstellung von Ebbe und Flut an einem Modell, Ranya Aydin. Mona Farih, Robert-Bosch-Gesamtschule. ◾ Fachgebiet Mathe/Informatik: Platz 1: Vom Wiegen einer Fläche - unregelmäßige Flächen berechnen, Carolin und Frederik Rehse, Andreanum. Platz 2: Wie clever waren die Hildesheimer Knochenhauer als Baumeister? Jade Gasser, David Hersel, Jannis Ulbrich, Grundschule Hasede. Platz 3: Primzahlen, Dominik Hertel, Scharnhorstgymnasium. ◾ Fachgebiet Physik: Platz 1: Die Energiegewinnung mit Hilfe von sich selbst ausrichtenden Solarzellen optimieren, Maximilian Stolte, Marienschule. Platz 2: Untersuchungen rund um die Schallkanone, Cem Damien Ayari, Robert-Bosch-Gesamtschule. ◾ Fachgebiet Techik: Platz 2: Die echte Gummilinse, Marcel Topel, Alexander Gallinaz, Robert-Bosch-Gesamtschule. Platz 3: Das vollautomatische Gewächshaus zur Anzucht von Tomaten, Heinich Kohlenberg, Robert-Bosch-Gesamtschule. Fledermäuse im Ernst-Ehrlicher-Park fliegen am liebsten über den Mühlengraben und die Allee an der Grünfläche. Das hat Simone Weikert (19) von der Robert-Bosch-Gesamtschule festgestellt. Die Schülerin hat sich vier Abende in den Hildesheimer Park gestellt – und die Flugschneisen der Fledermäuse untersucht. „Mit einem Detektor bin ich systematisch auf die Suche gegangen“, erzählt die 19-Jährige. Mit Erfolg: Durch ihre Analyse hat sie die Flugrouten der Fledermäuse ausgemacht. Mit der Untersuchung hat sich Simone Platz zwei im Fachbereich Biologie gesichert. „Fledermäuse sind in Europa vor dem Aussterben geschützt“, sagt sie. Das ist auch für den Ernst-Ehrlicher-Park relevant. Denn: Dort sollen Bäume gefällt werden. Den Fledermäusen würden weniger Bäume den Lebensraum einschränken. Inwiefern die Tiere im Park betroffen wären, prüft jetzt der Naturschutzbund. Mit der Hilfe von Simone. „Ich konnte den Experten meine Arbeit zur Verfügung stellen“, berichtet sie stolz.
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