50 ORGANISATION_OUTPLACEMENT „Höhere Markttransparenz“ INTERVIEW. Wie sich die Outplacement-Branche und deren Geschäftsmodell im Zuge der Digitalisierung verändern, erläutert Herbert Mühlenhoff. personalmagazin: Herr Mühlenhoff, viele Branchen erleben derzeit im Zuge der Digitalisierung tiefgreifende Veränderungen. Inwieweit beeinflusst dies auch das Geschäftsmodell der Outplacementberatung? Herbert Mühlenhoff: Der Veränderungsprozess ist schon relativ weit fortgeschritten und wird weiter vorangetrieben. Mit dem Digitalisierungsprozess hat sich bei uns, ähnlich wie in der Ärzteschaft, eine hohe Markttransparenz eingestellt. So hat sich der Akquisitionsprozess der Outplacementberater stark verändert. Wettbewerber können über ihren Webauftritt einen Eindruck „hinzaubern“, den sie in der Umsetzung der Beratung gar nicht realisieren können. Gleichzeitig gibt es auch eine Menge Halbwissen über das, was Outplacementberater eigentlich leisten. Auftraggeber und Klienten müssen also viel genauer recherchieren, ob die jeweilige Beratung wirklich das hält, was sie verspricht. Die Digitalisierung führt insgesamt zu erhöhten Anforderungen an die Berater. Die Auftraggeber fordern viel mehr Transparenz auch während des Beratungsprozesses. Anders als in der Vergangenheit wird heute ein sehr hoher Detaillierungsgrad der Dokumentation erwartet. personalmagazin: Aber diese Transparenz der Leistungen stellt doch auch am Markt eine Chance dar, sich von weniger kompetenten Wettbewerbern abzusetzen … Mühlenhoff: Selbstverständlich, und ich begrüße die gewachsenen Anforderungen an die Kompetenz der Berater. Das ist für die Branche und die Bran- HERBERT MÜHLENHOFF ist Geschäfts führer der Mühlenhoff Managementbera tung GmbH. chenteilnehmer eine Herausforderung. Und nicht zuletzt ist damit auch der Markteintritt für neue Anbieter deutlich schwieriger geworden. personalmagazin: Nun beobachten wir, dass sich bei Netzwerken wie Xing oder Linkedin Arbeitnehmer mit ihren Profilen selbst darstellen können. Befürchten Sie, dass die Betreiber solcher KarriereNetzwerke auf der Basis dieser Daten auch selbst im Beratungsmarkt aktiv werden könnten? Mühlenhoff: Damit ist künftig durchaus zu rechnen. Doch um im Beratungsmarkt als Netzwerkbetreiber selbst aktiv zu werden, bedarf es mehr, als nur das Wissen über die in den Daten- banken hinterlegten Lebensläufe und Profile. Die vorgefertigten Formulare sind auf „gerade“ Berufsbiografien zugeschnitten. Letztlich können sie einen Karriereweg, der auch Um- und Abwege beinhaltet, nicht optimal erfassen. Und in den vorgesehenen Freitextfeldern, in denen Wechselwillige oder Stellensuchende ihre Fähigkeiten beschreiben sollen, versagt eine Mehrheit. Viele Fach- und Führungskräfte sind sich ihres beruflichen Know-hows und ihrer Kompetenzen nicht bewusst. Wir unterstützen Klienten dabei, ihre Kompetenzen und Assets genau zu benennen, ihr Profil richtig und realistisch einzuschätzen, sodass sie es kommunizieren können. Darüber hinaus muss ein professioneller Karriereberater nicht nur Kenntnisse des Arbeitsmarkts mitbringen, sondern auch fundiertes Wissen über Branchen-, Funktions- und Positionsanforderungen. Diese Kompetenzen sehe ich bei denjenigen, die Stellenprofile und Lebensläufe abgleichen, nicht. personalmagazin: Bedrohen solche neuen Märkte das tradierte Geschäftsmodell der Outplacement-Beratung? Mühlenhoff: Nein, sie bedrohen nicht unser Geschäftsmodell. Um die mit einem Personalabbau verbundenen betriebswirtschaftlichen Ziele zu erreichen, erwarten unsere Aufraggeber, dass sie in allen Belangen unterstützt werden. In Situationen des Personalabbaus umfasst ein Outplacement-Mandat heutzutage sowohl die Unterstützung des Top-Managements, des Betriebsrats und der Vorgesetzten für einen sicheren Prozessablauf personalmagazin 01 / 16 51 als auch die Unterstützung der betroffenen Mitarbeiter für eine zügige Platzierung. personalmagazin: Manchmal hat man den Eindruck, die Digitalisierung jagt den Markt vor sich her. In den USA gibt es jetzt schon Firmen, die das sogenannte EPlacement betreiben. Erwarten Sie, dass die Face-to-Face-Beratung durch solche Entwicklungen abgelöst wird? Mühlenhoff: Die Grundhaltung in der Personalarbeit ist in den USA eine ganz andere als bei uns. Ich bin im internationalen Verband der Outplacementberater engagiert und erlebe unterschiedliche Reaktionen. Während hier Auftraggeber fragen, wie hoch die Platzierungsquoten sind, sind die Beratungsangebote in den USA mittlerweile so schlank, dass von einer ganzheitlichen Beratung bis hin zur Neuplatzierung keine Rede mehr sein kann. Das, was dort angeboten wird, unterscheidet sich sehr deutlich von unseren Dienstleistungen. „Soziale Netzwerke wie Xing bedrohen unser Geschäftsmodell nicht. Dafür bedarf es mehr als nur das Wissen über die in Datenbanken hinterlegten Profile.“ personalmagazin: Was die Frage nicht beantwortet, ob eine solche Entwicklung auch in Deutschland vorstellbar sein könnte … Mühlenhoff: Daran glaube ich nicht, denn wir haben deutliche kulturelle Unterschiede zu den USA. Die Art des Umgangs mit Menschen und Mitarbeitern, wie sie in den USA praktiziert wird, hat bei uns keine Tradition. Natürlich muss man diese Entwicklung in den USA verfolgen. In Gesprächen mit internationalen Unternehmen, auch amerikanischen, höre ich immer wieder die Auffassung, dass sich OutplacementBeratungen, die in Europa angeboten werden, deutlich von denen in den USA unterscheiden müssen. Mühlenhoff: Der Mensch macht den Unterschied. Die Frage ist nicht mehr: Kann der Outplacementberater Informationen geben, an die ich als Klient sonst nicht komme? Es geht vielmehr um die Bewertung und Beurteilung von Optionen für den Klienten. In den 70er-Jahren, als die Outplacement-Beratung als zartes Pflänzchen entstand, ging es vorwiegend um „Trauerarbeit“. Dann kam eine Phase, in der im Mittelpunkt stand: Wie komme ich am schnellsten von A nach B? Das hat sich mit der Digitalisierung in weiten Teilen erübrigt. Heute stehen ganz andere Fragen im Vordergrund der Klienten: Was will ich eigentlich? Und wo liegen in Zukunft meine Optionen? Und mit dieser Fragestellung hat sich das Berufsbild der Branche auch grundsätzlich verändert. Mittlerweile geht es in weniger als 50 Prozent der Fälle, bei denen wir gerufen werden, um Mitarbeiter, die eine Kündigung erhalten. Beim weitaus größeren Teil der Beratungen überlassen Unternehmen Mitarbeitern die eigenverantwortliche Entscheidung, wie und wo sie ihre Karriere fortsetzen wollen. Ob sie ein Abfindungsangebot annehmen würden oder ob sie sich einen weiteren Verbleib im Konzern unter veränderten Rahmenbedingungen vorstellen können. Bei der neutralen, fundierten Entscheidungsfindung unterstützen Outplacement-Berater die Mitarbeiter. personalmagazin: Einmal umgekehrt gefragt: Sie müssen sich von solchen Outplacement-Angeboten deutlich abgrenzen. Was zeichnet nach Ihrer Ansicht eigentlich eine gute Outplacement-Beratung aus? personalmagazin: Ein Blick auf die Struktur der Branche: Die Mühlenhoff-Managementberatung ist ein inhabergeführtes Unternehmen, die Branche ist mittelständisch geprägt. Rechnen Sie damit, dass in der Zukunft internationale Unter- 01 / 16 personalmagazin nehmen wie Lee Hecht Harrison mehr Marktmacht erringen? Mühlenhoff: Das sind natürlich etablierte Unternehmen, die Synergien aus der Kombination Zeitarbeit und Outplacementberatung ziehen. Aber diese Unternehmen arbeiten von ihrer Struktur her deutlich stärker im Projektgeschäft, während wir neben dem Projektgeschäft mehr in der individuellen Beratung engagiert sind. Außerdem bindet uns HR vermehrt in seine Aufgaben ein – vor allem in Fragen von Change-Prozessen. Mittlerweile werden wir als klassische Unternehmensberater wahrgenommen. personalmagazin: Die Digitalisierung wird große Umbrüche bei der Ausbildung und am Arbeitsmarkt mit sich bringen, inklusive des Wegfalls vieler Jobs, die in Zukunft ganz einfach durch Roboter oder Rechner erledigt werden. Könnte die Outplacementberatung in dieser Situation zu den Gewinnerbranchen zählen? Mühlenhoff: Das sehe ich nicht. Man wird sicherlich unterscheiden müssen, ob durch Industrie 4.0 ungelernte und angelernte Arbeitskräfte ihren Arbeitsplatz verlieren oder qualifizierte Mitarbeiter. Industrieunternehmen müssen jetzt schon gegensteuern, um Helferkräfte auf anspruchsvollere Aufgaben vorzubereiten. Hier sind auch die staatlichen Weiterbildungsinstitutionen gefragt, die in Kooperation mit Unternehmen passende Umschulungsmaßnahmen anbieten sollten. Die Politik kann nicht wollen, dass durch die Digitalisierung in der Industrie ein Heer von Arbeitslosen entsteht. Wenn beispielsweise Sachbearbeiter oder andere verwaltende Positionen durch Computer ersetzt werden, können Outplacement-Berater sinnvoll unterstützen, wenn die Arbeitgeber den Personalabbau über Outplacement gestalten. Mittel- und langfristig müssen die Folgen der Digitalisierung aber über neue Aus- und Weiterbildungswege abgefangen werden. Das Interview führte Hans-Walter Neunzig. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an [email protected]
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