zweiten Ausgabe - prisma | Zeitblatt für Text und Sprache

kostenlos
Unsere zweite Ausgabe hat es aus den Federn geschafft.
Nach einiger Zeit des Umherschwärmens ist ein neues Nest
für
eure
Texte
gefunden.
Wir
möchten
uns
für
die
schönen Reisen bedanken, auf die ihr uns mitgenommen habt und
präsentieren
euch
zum
zweiten
Mal
die
schillerndsten
Beiträge,
die
uns
erreicht
haben.
Lasst euch nieder
und
klappert mit den Schnäbeln, wenn es euch gefällt.
Wir wünschen einen guten Flug!
Die Herausgeber
Max
&
Sven
a
HÄNSELN UND GRETELN
// Fabian Bross
cZWANGSVOLLSTRECKUNG
// Lisa Krusche
gTAUFE
// Henry Riechers
k
DER OSTERSPAZIERGANG
// Andreas Goos
o
LAUFEN & AUFTRETEN
// Mihir Kulkarni
q
WEITER UNTEN
// Rüdiger Brandis
u
DU BIST MEIN
// Mohammad Wazwaz
y
NACHTFALTER &
HALB AUSGETAUSCHTE WORTE
// Alina Heipe
!
Autor_innen dieser Ausgabe
Fabian Bross
Hänseln und Greteln
Hänseln und Greteln
Im Halbdunkeln
Werden getrieben
Rufen:
„Aus der Tiefe rufen wir!“
Höre unsere Stimmen!
Kulisse bleibt dunkel
niemand kommt.
In der Einsamkeit gereiftes Kindsein
Der Wind bläst kalt
durch die Häuserschluchten
Hänseln nippen an Bieren
sagen:
„Komm Greteln, gehen wir nach Hause.“
a
b
Zwangsvollstreckung
Lisa Krusche
Es klingelt. Ich öffne. Draußen steht der Zwangsvollstreckungsbeamte des
Erwachsenseins.
„Guten Tag“, sagt er.
„Bis eben war er das“, sage ich und achte darauf, die Tür nicht mehr als
einen Spaltbreit zu öffnen. Er schiebt seinen Fuß in die Tür. Ich mustere
ihn, um abzuschätzen wie hoch meine Chancen sind, wenn es zu einem
Kampf kommen sollte. Eins gegen eins bin ich diesem Typen auf jeden Fall
überlegen. Er ist schmal, verknöchert, hat tiefe Schatten unter den Augen
und wirkt auch sonst sehr lethargisch. Er wischt sich Schweißperlen von
der Stirn. Vierter Stock – das schafft einen. Wer hat überhaupt die Tür
unten schon wieder offen gelassen, frage ich mich, während der ZVBDE
seine schlecht sitzende Krawatte zurechtrückt.
„Na, die Montur bei dem Wetter, das ist auch kein Vergnügen, was?“,
frage ich aus dem intuitiven Glauben heraus, dass ZVBDEs so Smalltalk
machen.
„Da sagen sie was“, sagt er.
„Ja, das stimmt“, sage ich, „da sage ich was.“
„So ist das“, sagt er.
„Ja, so ist das“, sage ich und fühle mich jetzt schon sehr angeödet. Vielleicht ist das seine Masche, denke ich, die Leute so sehr langweilen, dass
sie sich aus lauter Apathie nicht mehr gegen seine Forderungen wehren
können. Wachsam bleiben!, ermahne ich mich. Immer wachsam bleiben!
Er kramt seufzend in der Aktentasche, die er dabei hat.
„Alsooo“, sagt er und seufzt noch einmal.
„Geht es Ihnen gut“, frage ich, „kann ich Ihnen ein Glas Wasser anbieten?“
Er schaut mich sehr irritiert an. Vielleicht wird er nur sehr selten gefragt
wie es ihm so geht. Oder er bekommt niemals ein Glas Wasser angeboten.
Jedenfalls wirkt er überrascht.
„Äh, öh, ähhmm, also.“ Er starrt. „Nein danke, das ist nicht nötig. Mir
geht es gut, sehr gut, alles bestens.“ Na Kollege, wenn das dein „gut, sehr
gut, alles bestens“ ist, dann möchte ich dich nicht erleben, wenn es dir
schlecht geht, denke ich, lächle aber bloß, ein wenig angestrengt, durch
den Türspalt.
„Also“, setzt er noch mal an, „ich bin ja nicht ohne Grund hier, ich habe ja
ein Anliegen.“
„Ich auch“, sage ich, „ich wollte heute noch schwimmen gehen. Oder
c
mich zumindest in die Sonne legen. Wollen Sie sich auch noch in die Sonne legen?“
„Neeein“, sagt er gedehnt, „neeein. Ich leide unter einer Sonnenallergie.
Abgesehen davon bin ich mit einem Anliegen hier, das sie betrifft.“
„Ja“, sage ich bedauernd, „das dachte ich mir schon. Das wäre auch sehr
seltsam sonst, wenn sie einfach an meiner Tür klingeln würden ohne ein
Anliegen. Ich kenne Sie ja gar nicht. Sonst klingeln hier nur Leute ohne
Anliegen, die ich kenne. Selbst die haben eigentlich ein Anliegen, wenn ich
so darüber nachdenke, die wollen ja hier rumhängen.“
„Na! Rumhängen ist nun eigentlich kein richtiges Anliegen“, wirft der ZVBDE ein.
„Na! Doch ein sehr gutes sogar“, erwidere ich, „möglicherweise das Beste
von allen. Wenn man einmal so darüber nachdenkt. Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht?“ Ist natürlich nur eine rhetorische Frage. Diese
Ausgeburt des freudlosen Pflichtbewusstseins hat mit Sicherheit noch nie
über die frappierende Bedeutsamkeit des Rumhängens nachgedacht.
„Nein“, sagt er.
„Ja“, sage ich, „ich hab’s geahnt.“
„Ja aber also“, sagt er.
„Ja aber also?“
„Ja aber also“, er stockt.
„Na? Was denn ja aber also?“, frage ich. Er wischt sich erneut den Schweiß
von der Stirn.
„Sie sind spät dran“, sagt er.
„Ja das stimmt“, sage ich, „aber das ist auch ein wenig Ihre Schuld. Wenn
Sie nicht geklingelt hätten, wäre ich schon längst los. Na ja. Nicht längst.
Aber zumindest schon los.“
„Nein, ich meine nicht, also, dass Sie spät dran sind mit Ihrem ähm, also
damit…“ Er runzelt die Stirn.
„Mit dem Schwimmen gehen?!“
„Ja…“
„…Oder dem in die Sonne legen. Wenn schon nicht schwimmen. Dann
zumindest in die Sonne.“
„Ja genau, mit dem Schwimmen und in die Sonne legen.“
„Oder zumindest in die Sonne legen.“
d
„Ja, ja, genau, ja. Oder zumindest in die Sonne legen.“ Er schnauft und
rollt seinen Kopf. Vom Nacken zur Brust zum Nacken.
„Deswegen sind Sie nicht da“, versuche ich ihm weiterzuhelfen, „Sie
haben ein Anliegen, aber ein anderes Anliegen.“ Wirklich nicht sehr auf
der Höhe der ZVBDE.
„Sie sind spät dran“, hat er den Faden wieder, na endlich, sonst geht die
Sonne unter bevor wir hier durch sind, „mit dem Erwachsenwerden.“
„Ich kann mir am Kiosk Alkohol und Tabakwaren kaufen, komme in
jeden Club zu jeder Zeit, bin sexuell aktiv, kann mir selber Bohnen mit
Speck zubereiten und an Silvester eigenständig eine Rakete zünden“,
zähle ich pflichtschuldig auf.
„Also, wirklich, junge Dame“, er hebt die Stimme ein wenig, „das ist
nicht der Punkt.“
„Oft, wenn mich jemand junge Dame nennt, eigentlich immer“, sinniere
ich, „habe ich das Gefühl, die Leute wollen mich beleidigen, zumindest
aber herabstufen. Wollen Sie mich ob meines Alters oder Geschlechts
herabstufen?“ Er zuckt zusammen, vermutlich von der Schärfe meiner
Stimme.
„Nein, nein, natürlich nicht“, wiegelt er ab, „ es geht nur um die Pflichten. Deswegen bin ich hier. Wegen der Pflichten. Den Dingen.“
„Welche Dinge?“
„Die Dinge, die Sie tun müssen. Ich habe hier jede Menge offene Rechnungen, Mahnungen, Vollstreckungsbefugnisse…“ Ich lege mir die
Hände über die Ohren und mache Furzgeräusche mit meiner Zunge.
Zwischen den Augen des ZVBDEs stellt sich eine Falte auf, so groß die
nächsten Bouldermeisterschaften könnten dort ausgetragen werden.
„Stop“, schreit er und stapft energisch mit dem Fuß auf. Ich stoppe. Mit
kurzer Verzögerung.
„Das ist eine ernste Angelegenheit. Wenn Sie diese Dinge nicht klären,
kann das ernsthafte, ich wiederhole, ernsthafte Probleme nach sich
ziehen. Werden sie einfach erwachsen und sparen Sie sich den Ärger.“
„Ich habe kein Interesse“, sage ich zu ihm.
„Das ist nicht von Belang“, sagt er und ich kapiere: Erwachsen werden
ist wie die GEZ. Das Programm ist scheiße, aber es wird einem trotzdem aufgedrängt und am Ende muss man zahlen.
e
„Doch“, sage ich, „ist es. Und jetzt entschuldigen Sie mich. Ich habe
Wichtigeres zu tun, als mit Ihnen darüber zu schnacken, was von Belang
sein könnte und was nicht.“
„Ich komme wieder“, sagt er. Ich drücke die Tür energisch gegen seinen
Fuß.
„Ich komme wieder und ich bringe meine Kollegen mit.“ Ein zischender,
drohender Unterton liegt in seinen Worten. Ich nicke, mache eine „verfatzdich“-Wedelgeste mit der Hand und schließe die Tür. Ich bibbere. Es
ist kälter geworden. Vielleicht doch nicht schwimmen gehen. Vielleicht
erst ein paar E-Mails beantworten.
f
Henry Riechers
taufe
herr ny & herr ν
ob mir mal aufgefallen ist, dass herr ny ein schmuckes pseudonym für
mich abgeben würde. d. beginnt mit seiner frage schon im betreff und
knüpft sie mit ihrer fortsetzung zu anfang der mail zusammen, so als
ob nichts wäre. ‚ist dir…‘ hat mir schon die inbox-übersicht verraten,
der rest ist geschichte. und auch wenn ich seine eigentliche bitte, die er
in den paar wenigen darauffolgenden sätzen an mich richtet, schnell
abgefrühstückt habe – selbstverständlich erfolglos -, ist es doch vor
allem d.s erste frage, die wie kleber an mir haften bleibt. scheinbar
beiläufig gleich an den anfang gestellt, mit dieser für d. typischen, auf
nichts hinauswollenden, manchmal fast schon unheimlich selbstverständlichen abgeklärtheit, mit der er jetzt so ziemlich den perfekten
freundschaftlichen ton trifft. kann ja also eigentlich garnichts mehr
schiefgehen. zeugt außerdem von stil finde ich.
herr ny also. oder doch lieber herr ν? wer würde das wohl sein? und
was hat dieser jemand wohl davon, sich hinter einem solchen pseudonym zu verstecken?
seine paraderolle? ganz klar! das ist die des lustigen kleinen rechtschreibfehlers, eines der hunderttausend male wo man die buchstaben des eigenen namens in falscher reihenfolge und anzahl auf die
tastatur kloppt. wahrscheinlich war man mal wieder etwas zu schnell
für sich selbst. passiert, sowas. das gibt der ganzen sache schon einmal diesen ganz bestimmten, einen ihre minimale nervigkeit komplett vergessen lassende, lustigen anstrich, wo du beim zweiten log in
versuch deinen namen jede wette jetzt vorsichtshalber mit halber geschwindigkeit tippst. darin sollte sich doch locker der ein oder andere
wiedererkennen können. frei nach dem motto: ist mir nicht schon
wieder passiert!? wie oft denn bitte noch?!
geht ja schonmal gut los! allerdings fährt der karren ziemlich schnell
g
schon an die wand, sobald die wahl letztendlich doch auf den griechischen buchstaben(zur erinnerung, bin nämlich vergesslich: ν) fallen
sollte. bevor ich aber an dem gedanken weiter herumschraube, muss
ich noch unbedingt kurz loswerden, dass möglicherweise ja irgendein vollidiot die schreibweise mit ‚ny‘ für eine anspielung auf new
york halten könnte, die ich unbedingt in meinem namen haben will.
aber bin nicht ich, genau jetzt, als einziger, dieser vollidiot, der daran
denkt?
zurück zum ν und was das wohl mit herrn ν anstellen könnte. dreizehnter buchstabe im griechischen alphabet, die 50 nach dem milesischen prinzip, physikalisches formelzeichen für frequenz, abkürzung von neutrino – elektron, myon, tau, 1, 2, oder 3! -, ab und an
auch mal die größe kinematischer viskosität (wer hätte gedacht dass
in genau dieser textpassage zähflüssigkeit eine rolle spielen würde?
du!), oder als poissonzahl, die zu den elastischen konstanten eines
materials gehört. sollte man sich mal auf der zunge zergehen lassen:
e-las-ti-sche-kon-stan-ten. ν scheint demnach der naturwissenschaftliche alleskönner unter den was auch immer was zu sein, auf vielen
hochzeiten zu tanzen.selbstverständlich nur auf den allerbesten und
interessantesten, so vom ersten schlecht recherchierten und oberflächlichen eindruck und prinzip her.
all das will und kann herr ν in dem, was er so tut und treibt selbstverständlich nicht sein, allein schon aus faulheit.
auf der anderen seite hat er allerdings bestimmt auch nichts dagegen,
sobald sich jemand wirklich an etwas davon erinnert fühlt – vielleicht ja schulzeitsplitter? irgendeine abgefahrene doku? -, das dann
natürlich direkt rausposaunen muss, es auf herrn ν sowie das, was er
so tut und treibt projiziert, um mal ein bisschen abzugleichen und im
idealfall auch noch selbstbestätigung zu finden.
h
und schon sind wir damit mal wieder beim output herrn νs angekommen – bitte ja nicht siezen! all das, was ich mir hier so schön(?)
ausmale, könnte ehrlich gesagt überhaupt doch erst in dem moment
relevant werden, sobald herr ν (scheinbar habe ich mich gerade im
schreibfluss automatisch für die griechische variante entschieden.
„eigentlich war es doch irgendwie schon die ganze zeit über klar.“
-Hemingway) irgendwann einmal mit weiß der geier was und dazu
auch noch unter diesem pseudonym in erscheinung getreten ist, und
sichtbar wird.
dieses klitzekleine problem mal eben beiseite gelassen und geschickt
ignoriert, passt es für mich irgendwo aber ziemlich gut zusammen –
vor allem wahrscheinlich, weil der gedanke so bequem ist -, dass alles,
was man so in den namen hineinliest, auf gewisse weise gleichzeitig
auch immer etwas von einem unfall zu haben scheint. unterm strich
zu wenig aus dem leben gegriffen, zu wenig mit einer bestimmten
rolle verknüpft, in die ich hineinschlüpfen kann oder einem kreativen schaffensmodus, den ich mir zueigne, als dass man etwas anderes
darin sehen sollte als den namen selbst, um nicht auf die schnauze zu
fallen: herr ν.
mein leben fühlt sich tatsächlich ein klein wenig bereichert an. zumindestens um ein pseudonym. für etwas, das auf nichts hinaus will
und doch gerade, irgendwie, wort für wort sich dem gegenteil nähert,
sich dabei jedem sinn und jeder motivation entschieden grinsend
verweigernd. hat ein bisschen was von einem unfall, nicht?
i
j
k
dauert noch...
so, toast...
und dann raus auf die felder oder stück mitm rad?
wenigstens heute mal ein frühstücksei, vll ein stück durch die siedlung eiern
dahinter, müsste mal wieder kühlschrank aufräumen, hätte den eierkocher nicht wegschmeissen sollen...
doch, da
doch mal bisschen länger geschlafen heute, hab ich jetzt überhaupt eier? (kühlschrank)
ach, na gut
vllt spaziergang, könnte schön sein draussen, frische luft, ist ja auch nicht so spät, oder? wie spät ist denn?
(toaster)
so, toast rein
obwohl aber heute nachmittag? wird schon reichen...
(kaffeepulver einfüllen; schranktüren)
könnte auch mal neuen espresso kaufen,
(espressokocherbefüllgeräusche)
jetzt erstmal...
kalt,
(uhrenticken, tür hinter tür klappt, dann tür auf, schnaufen)
Der Osterspaziergang
l
passt heute doch auch ganz gut...alles auf den beinen...aber was...ist ja alles da...ganze meter im bücherregal...
aber dann müsste ich ja erstmal was lesen...um was zu schreiben...
warum mich das wohl so reizt?...die eigene trägheit...
gehen, der flaneur...
gehen...
liegt ja schon länger auf halde...
raus...oder ich schreib erstmal was...
aber brötchen wären schon cool...aber dann muss ich gleich wieder duschen vorher...so geh ich nun auch nicht
da war doch was...oder war das morgen?...so nadel rein...zack, ach, gleich zwei...
bäcker hat heute wahrscheinlich nicht auf
ach nee
aber die les ich wieder eh nicht.....ach nee
und ne sonntagszeitung...
dann muss ich nicht ewig latschen bis ich draussen bin...na gut, dann könnte ich auch gleich brötchen holen
man den tag aus ner ganz anderen perspektive...aber mit rad nicht schlecht, gut, kann man auch machen,
easy, so schlendern wer weiß wo hin...flanieren...bummeln...lustwandeln...das baut einen doch auf, da sieht
aber immer nur an der Strasse lang ist auch doof, das ist dann nicht mehr so...
gehen, gehen ist sowieso cool, eigentlich, bewegung, alles im fluß
Andreas Goos
m
ist doch eh zu früh, ist doch eh zu früh
ist eh noch zu früh
ist eh noch zu früh
ich glaub ich geh wieder ins bett
ich glaub ich geh wieder ins bett
das muß ich jetzt nicht auch noch haben
ich?
ich?
was? ich?
musik oder hörspiel?
musik oder hörspiel?
(hört sich selbst mit leichter verzögerung aus radio, auch espressokocher ist doppelt zu hören)
und, was läuft?
nicht dass der wieder so schwarz wird...radio ist doch zum frühstück ganz entspannend, UKW
wo bleibt denn der toast?
...hervorragend
ah, ja
aber wo anfangen...ist noch butter da?
n
(senderrauschen)
(toast springt raus)
(toast springt raus)
(korken knallt)
...den kann ich jetzt aber nicht aufmachen...
moment mal!...was haben wir denn hier noch?...haha!...(pusten) der ist ja...von 2004!
(normale Stimme ist nicht mehr, radiostimme aber weiter zu hören)
(tür zu, auch im radio zu hören)
ach, egal, da ist doch der ganze tach wieder im eimer
ach, egal, da ist doch der ganze tach wieder im eimer
dann gibt‘s nicht mal rührei
dann gibt‘s nicht mal rührei
ei nicht vergessen...nicht dass das wieder platzt wie neulich,
so
so
so‘n quatsch
so‘n quatsch
ist doch eh zu früh, ist doch eh zu früh
Laufen
Mihir Kulkarni
Ma n mu s s lau fen
Die A l le e geht bi s z u m Hor i z ont .
Ma n mu s s d ie sen Weg befa h ren
I n der st a rken S on ne
F la n k ier t i st d ie A l le e von Bäu men
Doch sie wer fen kei nen S chat ten
Ma n mu s s lau fen
Und ma n läu f t
Auch wen n d ie S on ne n ie u ntergeht
I n der H it z e
Ma n mu s s lau fen
Und ma n läu f t
Auch wen n der Weg end l ich i ns Me er f ü h r t
Und bi s er au s dem Wa s ser her au skom mt
Oder v iel leicht kom mt er n ie her au s
Ma n mu s s lau fen
Und ma n läu f t
o
Auftreten
Ein
Konzer t
Ich
t rete
N
a
In
meiner
In
der
Ich
sta rre
S
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h
Ha nd
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Mich
f
i
g
den
Gesichter
ver f luchten
an
u
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oder
mit
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Ma rmor
an
vol ler
Herablassung
der
Saa l
e
mich
ergreif t
will
Fackel
Zuschauer
sta rren
steinernen
Flöte
eine
die
c
t
eine
Lin ken
Elfenbein
Ihre
Ich
k
rechten
Sie
Bü hne
c
a
Aus
die
Zorn
meiner
Pisse
er t rä n ken
Ich
fa nge
an
zu
pin keln
Doch
meine
Pisse
steht
gef roren
Ich
will
Doch
den
mein
Saa l
mit
meiner
Loch
Ich
Scheiße
bleibt
fa nge
Ich
block ier t
an
Zu
Und
begraben
weinen
im
Saa l
scha l lt
habe
ein
hysterisches
Lachen
versag t
p
Weiter unten
Marie Neumann, 17 Jahre alt, sie trägt Prada. Schuhe, Tasche,
beides Original. Ich schaue auf ihren Ausweis: Mauerngasse 24,
30159 Wherever. Marie bezahlt ihre zehn Euro mit einem 50er.
In ihrem Portemonnaie sind noch mindestens zwei weitere.
Später gehe ich zur 24. Ich trage schwarz, unauffällig, Pullover,
Jeans, dunkle Sneaker. Das Klingelschild glitzert im Licht der
Straßenlaterne. Neumann: dritter Stock. Ich klingele eins höher.
Pizza für Neumann?
Das ist eins weiter unten.
Der Buzzer ertönt und ich drücke die Tür mit dem Ellbogen auf,
während ich meine Handschuhe anziehe. Ein verziertes Namensschild markiert die Tür der Neumanns mit ihrem Namen,
ein schmaler Lichtstreifen fällt unter der Wohnungstür hindurch und ich höre Stimmen von drinnen. Meine Aufregung
schwindet. Natürlich bin ich zu früh. Ich gehe wieder runter,
weiter in den Keller und warte. Die Minuten schleichen dahin,
statt Aufregung nun Nervosität, über mir gelegentlich Schritte.
Rüdiger Brandis
Drei Stunden vergehen. Seit zwanzig Minuten habe ich nun
schon keinen Ton mehr im Haus gehört. Zurück im dritten Stock
ist das Licht verschwunden. Ich knie vor der Tür nieder und
ziehe mein Werkzeug hervor. Für einen Moment halte ich inne,
atme ruhig in die Dunkelheit hinein, dann beginne ich mit der
Arbeit.
q
Das Schloss ist einfach, keine Kugeln, klassisch, meine Wohnungstür hat dasselbe. Trotzdem brauche ich zehn Minuten.
Schließlich höre ich das erlösende Klicken, Adrenalin schießt in
meinen Körper. Ich ziehe die Tür auf und betrete die Wohnung.
Der Flur vor mir wird durch schräg einfallendes Mondlicht erhellt. Eine Zimmertür am Ende steht offen und ich sehe die Anrichte einer Küche. Meine Eltern ließen ihre Geldbörsen immer
dort liegen. Vorsichtig gehe ich den Flur entlang, die Wohnung
ist vollkommen ruhig. Maries Zimmer ist durch ein Namensschild gekennzeichnet, das dem der Wohnungstür ähnelt. Neben ihrem Zimmer ist eine blanke weiße Tür – das Schlafzimmer der Eltern? – dann das Bad.
In der Küche ist es dunkel, doch ich erkenne zwei Portemonnaies auf der Anrichte, die mit diversen Zetteln bedeckt ist.
Nummer 1: 300 Euro in Scheinen. Nummer 2: Nur Kreditkarten,
gleich drei. Nehme ich nicht mit.
Gerade als ich Nummer 2 zurücklege, höre ich eine der Türen
aufgehen: Panik! Das Licht geht an, Fußschritte im Flur.
Nicht in die Küche! Nicht in die Küche!
Eine zweite Tür, ich höre das Kratzen eines Schlüssels auf Metall: das Bad! Meine Chance zu verschwinden. Ich schlüpfe in
den Flur und will schon in Richtung Wohnungstür, da fällt mir
Maries Portemonnaie wieder ein. Noch mindestens zwei 50er.
Ich halte inne. Aus dem Bad das Rauschen der Spülung. Kurz
entschlossen öffne ich Maries Tür und schließe sie vorsichtig.
Nebenan wieder das Kratzen des Schlüssels. Ich halte die Luft
an. Schlurfende Schritte im Flur, dann geht das Licht aus. Ich
entspanne und drehe mich um. Langsam gewöhnen sich meine
Augen wieder an die Dunkelheit. Marie liegt ruhig im Bett, sie
ist nicht aufgewacht.
Das Zimmer präsentiert sich in kontrolliertem Chaos. Erinnerungen an Ordner mit Notizen täglicher Schulstunden spiegeln
sich vor mir in den Regalen. Ich gehe hinüber zum Schreibtisch.
Die Handtasche hängt über dem Schreibtischstuhl und ich fasse
vorsichtig hinein. An der Wand reihen sich lächelnde Gesichter
aneinander, in der Mitte Marie mit ihren, es muss wohl so sein,
Eltern. Für einen Moment vergesse ich meine Hand in der Tasche und schaue nur: eine ewig festgehaltene Verbindung.
r
Der Raum kehrt plötzlich zurück und meine Hand rutscht vorwärts: Schlüssel stoßen aufeinander. Auf der anderen Seite höre
ich Maries Atem. Die Decke raschelt, ich muss mich beeilen.
Ihre Brieftasche liegt ganz unten. Ich ziehe sie heraus und dort
sind sie: Die 40 Euro Wechselgeld, die ich ihr vorhin gegeben
hatte, sind verschwunden, aber die beiden 50er sind noch da.
Die Scheine knistern, als ich sie in meine Hosentasche zu den
anderen stecke. Marie gibt ein lautes Schmatzen von sich, ich
lasse das Portemonnaie auf den Tisch fallen, ergreife die Türklinke und öffne sie einen Spalt breit. Der Flur ist dunkel und
verlassen. Ich schaue noch einmal zurück. Maries Handtasche
hängt noch an einem Träger am Stuhl, das Portemonnaie liegt
geöffnet auf dem Tisch. Ich zögere kurz, mache zwei Schritte
und es ist zurück in der Tasche.
Mama?
Mein Herz bleibt stehen. Die Decke raschelt.
Ich war brav.
Ich sehe, wie sich die Decke kurz hebt, ein Fuß kommt zum Vorschein, dann senkt sich die Decke wieder. Langsam streiche ich
den Träger ihrer Tasche wieder über die Lehne des Stuhls. Sie
kann mein Gesicht unmöglich erkennen, aber ich lächle trotzdem, klopfe zweimal sacht auf den Tisch, wie zur Bestätigung,
und husche zur Tür hinaus.
Schlaf schön!
Vor der Tür der Eltern halte ich noch einmal inne, lausche ins
Nichts der Wohnung. Eine Minute vergeht vielleicht. Dann zur
Wohnungstür, lautlos auf und zu, die Treppen runter, auf die
Straße. Zwei Blöcke weiter halte ich an einer Parkbank an und
setze mich. Ich ziehe die Geldscheine hervor und muss laut lachen. Es kommt ganz von selbst und ich kann nicht aufhören.
Ich sehe wie Passanten ihre Schritte beschleunigen und es wird
nur noch lauter. Dieser Moment gehört mir, nur mir allein.
s
Am nächsten Tag muss ich wieder die Spätschicht arbeiten. Die
Langeweile der letzten Wochen ist der Vorfreude gewichen und
begierig beschaue ich jeden Kunden. Schon nach etwa einer
Stunde tritt ein junges Ehepaar an meinen Tresen. Ein kleiner
Junge klammert sich an die Hand des Mannes. Sie zahlen mit
Kundenkarte, ich sehe, dass der Film erst ab zwölf Jahren freigegeben ist und lächle, während ich die Karte langsam durch das
Lesegerät ziehe, um die Adresse zu sehen.
Ist er denn schon alt genug dafür?
Die Frau lächelt zurück, ich reiche ihr die Karte.
Wir sind ja dabei für den Notfall.
Natürlich seid ihr das. Familie Seidel: Gartenweg 3.
Natürlich seid ihr das.
t
‫أحبك على الرغم من معرفتي‬
‫بأن الوصول الى شفتيك مستحيل‬
‫احبك على الرغم من‬
‫‪Du bist mein‬‬
‫أحبك جدا‬
‫ِ‬
‫أنك ال تعلمين بأني أحبك‬
‫اوتعلمين كم احبك‬
‫ك ?!‬
‫أَأُجيبُ ِ‬
‫**‬
‫ولكني اخشى ان يغار من حبنا القمر‬
‫أخشى ان تنفضح قصتنا‬
‫فنصبح حبيبين يضرب بهُما المثل‬
‫ورغم ذلك سأُطلعكي على شيء ضئيل من حبي لك‬
‫أحبك ‪ ,‬بعدد حبات المطر‬
‫أحبك ‪ ,‬بعدد ذرات الرمل‬
‫‪ ,‬بعدد البشر‬
‫‪ ,‬بدرجه حراره الشمس‬
‫‪ ,‬ببعد االرض عن القمر‬
‫‪Mohammad Wazwaz‬‬
‫**‬
‫‪u‬‬
Ich liebe dich sehr
Ich liebe dich trotz meines Wissens,
dass es zu deinen Lippen keine Ankunft gibt
Ich liebe dich sehr, obwohl du nicht weißt, dass ich in dich verliebt bin
Weißt du, wie sehr ich dich liebe?
Antworte ich dir?
**
Aber ich befürchte, dass der Mond auf uns neidisch wird
und habe Angst, dass uns unsere Geschichte bloßstellen wird
Dann werden wir ein ideales Liebespaar für die Leute
Jedoch versuche ich auszudrücken, was ich an dir habe
**
Diese Liebe ist genauso
groß wie die Anzahl der Tropfen, die der Regen sind
groß wie die Anzahl der Körner, die der Sand sind
groß wie die Anzahl der Menschen dieser Welt
hoch wie die Temperaturen der Sonne
weit wie die Entfernung zwischen Erde und Mond
v
‫أُراقبكي كل يوم‬
‫أراكي تزدادين جماالً يوما ً تلو اليوم‬
‫بأنك ستكونين أجمل باأليام القُدَم‬
‫وإني ألعلم ِ‬
‫**‬
‫عينيك‬
‫نظره من‬
‫ِ‬
‫تطفئ وجه القمر‬
‫كلمه من شفتيك‬
‫تلغي قوانين البشر‬
‫عينيك‬
‫دمعه من‬
‫ِ‬
‫تشفي عليل العلل‬
‫**‬
‫فماذا سيحصل إن قبلتي أح ٌد من البشر?!‬
‫ماذا سيح ُل بي إن جمع بيننا القدر ?!‬
‫ال أُجي َد سو َء االنتظار‬
‫ٌ‬
‫بك‬
‫اريد حضنك بذراعي ‪ ,‬فأنا‬
‫مفتون ِ‬
‫ك‬
‫أُريد الوصول ل ِ‬
‫ولو واجهتني اصعب الطرق والسبل‬
‫ك‬
‫أُريد الوصول ل ِ‬
‫ولو واجهتني اصعب الطرق والسبل‬
‫‪w‬‬
Ich beobachte dich jeden Tag
und sehe, dass du hübscher bist von Tag zu Tag
und weiß schon, dass du unbedingt hübscher wirst in den kommenden Tagen
**
Ein Augenblick von deinem Augenlid
Macht den Mond aus
Ein Wort von deinen Lippen
Widerruft die Gesetze der Menschen
Eine Träne von deinen Augen
Verheilt das Kränkste am Schwerkranken
**
Also was wird geschehen, wenn du jemanden küsst!?
Was wird geschehen, wenn ich mit dir mein Schicksal teile?
Weiter kann ich nicht umsonst warten
Jetzt will ich dich umarmen, ich bin fasziniert
Jetzt will ich zur, wenn auch die schwierigsten Wege mich hindern
Jetzt will ich zu dir
Du bist mein
x
Alina Heipe
y
N
a
c
h
t
f
a
l
t
e
r
nachts faltest du dich zusammen zu einem traum du faltest
dich noch wach in allen möglichen origamivarianten flügelschlagend zitternd an das letzte licht sich klammernd du
deckst dich mit deinen eigenen armen zu und wieder auf in
den traum die decke über dir stürzt auf dich ein während
der wind durchs offene fenster dich viel zu stark verweht die
flamme des letzten teelichts noch nicht ganz ausgebrannt
noch warm noch viel zu sehr fürs dunkel nachts werden alle
lichter schwarz und dann frieren deine flügel ein und auf das
zitternde flackern folgt ein ineinander geformtes eingehüllt
sein von dir selbst niemand hat je die hektik in deinem wesen verstanden aus panik mit dir in berührung zu kommen
du hegst eine ungebremste begeisterung für letzte lichter für
die noch nicht erloschenen an denen hälst du dich wach alles danach sind traurige schattierungen die nicht mehr in die
dämmerung passen die sonne ist das faszinierendste wesen
das du kennst gleichzeitig das gefährlichste sie stiehlt deine
nacht und saugt sie mit ihren fühlern aus all den schlafenden und nimmt der stille ihre magie am tag bist du heimatlos getrieben von schwüler wärme und zu viel licht immer
auf der suche nach einem dunklen kühlen ort um dich zusammen zu falten und den tag verstreichen zu lassen – nach
t fal ter – nacht falt er – na chtf alter – falternacht – terlnafacht – heute bist du verbrannt die sonne hat deine flügel
zu heiß werden lassen schattenlos atemlos ohne kühlende
nächte tagelang unterwegs dein zitternder körper erschöpft
aber unbemerkt die nächte haben sich in ihre winkel verzogen und dich ausgeliefert das dunkel ist nun fort gute nacht.
Halb ausgetauschte Worte
Es war mir ein Vergnü
mit
ohne
es war ein kleines Vergnü
lass es uns wieder
Vielleicht sehen wir
mal
hier oder wo
anders
z
Autor_innen dieser Ausgabe
Bross, Fabian
*1984 // lebt in München // wissenschaftliche Hilfskraft am Institut für
Linguistik/Germanistik der Universität Stuttgart // liest „Na! Ned Heid“
von Lisa-Viktoria Niederberger
Krusche, Lisa
* 1990 // lebt in Braunschweig // studiert Literarisches Schreiben und Kunstwissenschaft //
liest gerade Paul Austers „Mond über Manhattan“ // ist zu lesen unter: flowngrow.de
Riechers, Henry
*1993 // fühlt sich in göttingen zuhause und liest seit einiger zeit immer mal wieder
häppchenweise who owns the future? von jaron lanier
Goos, Andreas
* 1975 // Koordinator des Bürgerfunks und Musikarchivs des StadtRadioGöttingen (170,1 ) //
pendelt zwischen Thomas Bernhards „Amras“ und „Tove Jansson - Life, Art, Words“ von Beol Westin Kulkarni, Mihir
*1992 // lebt in Mumbai // studiert Germanistik //
liest die Gedichte Johann Wolfgang von Goethes
Brandis, Rüdiger
*1988 // wissenschaftliche Hilfskraft, Thekenkraft in der Bibliothek, Promotionsstudent
// liest gerade „The Soft Machine“ von William S. Borroughs
Wazwaz, Mohammad
*1996 // aus Hebron // lebt derzeit in Göttingen // lernt Deutsch
// liest im Moment „Schöne Augen - Carsten Tsara ist verliebt“ von Franz Specht
Heipe, Alina-Katharin
* 1995 // Studentin am Schauspielinstitut „Hans-Otto“ der HMT Leipzig
// liest immer wieder in „Der Dschungel“ von Upton Sinclair
!
Unser Dank gilt
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Anna-Maria Muro Pita
(facebook.com/ammpart)
(prolog / b)
&
Birte Rössner
(j)
für die Illustrationen
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der AKB-Stiftung
&
der Initiative „Kreativität im Studium“
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allen Autor_innen dieser Ausgabe
&
allen Einsender_innen
Einsendeschluss
prisma
#3:
15.
März
2016
[email protected]
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