Predigt zu Lukas 18, 9-14

„Frommes Mobbing … NEIN-Danke!“
16. August 2015
Gleichnis Jesu vom Pharisäer & Zöllner
(Luk 18,9-14)
Fromm und selbstgerecht waren sie, denen Jesus das folgende
Gleichnis vorhielt. Sie waren davon überzeugt, dem Willen GOTTes
entsprechend gerecht zu leben und hatten deshalb für alle anderen nur
Verachtung übrig „Es waren zwei, die hinauf zum Tempel stiegen. Beten
wollten sie – ein Pharisäer und einer, der beim Zoll arbeitete. Aufrecht
stand der Pharisäer da. Er betet für sich. ‚Danke GOTT! Ich danke DIR,
dass ich nicht so bin wie die anderen: Ich bin weder ein Dieb, noch ein
Betrüger. Ich breche nicht die Ehe. Und – wie dieser Zolleinnehmer da …
bin ich auch nicht! Mehrfach in der Woche faste ich. Und – von dem, was
ich verdiene, spende ich zehn Prozent dem Tempel und den Armen.‘
Abseits von ihm stand der Zöllner. Er wollte nicht einmal seine Augen
zum Himmel emporheben. Statt dessen schlug er sich an die eigene
Brust: ‚GOTT, sei mir Sünder gnädig!‘“
„Ich sage Euch!“ sprach Jesus. „Dieser ging nach Hause und war
rechtschaffen vor GOTT – jener war es nicht. Denn wer sich selbst
erhöht, wird erniedrigt werden und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht
werden.
(Übersetzung Andreas Pasquay)
I „So nicht – liebe Kirche!“ (ein Gespräch im Amtszimmer)
II Frommes Mobbing – Nein Danke
III Sünde - die ‚Meisterin der Manipulation
IV Moving statt Mobbing (Rechtschaffen Recht schaffen)
Friede sei mit uns. Amen
I „So nicht – liebe Kirche!“ (ein Gespräch im Amtszimmer)
Ich habe mich gefreut, dass er kam. Hatte er doch der Kirche den Rücken
gekehrt (mit gutem Grund, wie ich in unserem Gespräch erfuhr – aber davon später).
Da sitzen wir also vis-a-vis in meinem Pfarrbüro – achtsam, vorsichtig,
wertschätzend-kritisch. Denen, die aus der Kirche austreten schreibe ich immer
einen persönlichen Brief, nicht um sie zum Umdenken zu bewegen, aber um die
Gründe ihrer Entscheidung zu erfahren. Das finde ich wichtig, hat doch die Kirche –
wenn sie Kirche Jesu Christi sein will – immer ein persönliches Gesicht. Der
unpersönlich-bürokratische Akt, wie es ein Kirchenaustritt an sich ist, ist da genau
gegensätzlich. Darum dieser Versuch der Kontaktaufnahme, auch wenn sich der
Mensch, um den es geht, sich schon von uns abgewandt hat. Aber der letzte Kontakt
soll eben nicht ein Amtsformular, sondern ein echter Brief sein. Wenige antworten.
Noch viel weniger lassen sich auf meine Einladung zum Gespräch ein. Das ist so. Ich
bin darüber nicht entsetzt oder gar beleidigt. Es ist wie es ist. Umso mehr freue ich
mich über dieses Gespräch.
Mein Gast ist sehr freundlich, zugewandt – offen(kundig). Er erzählt aus seiner
kirchlich-privaten Biographie. „Im Kindergottesdienst hatte ich alle Rollen durch –
Josef, die Hirten und sogar einmal Mose!“ Er lächelt. Es hat ihm augenscheinlich gut
getan, aber es ist auch so, als würde er aus einer anderen – weit vergangenen Zeit –
erzählen. Dann kommen die harten Facts – klar und deutlich. Das ist er gewohnt aus
seiner beruflichen Tätigkeit im höheren Businessbereich. „Wie die Kirche mit dem
Geld umgeht, kann ich nicht mehr für gut heißen. Spekulation, Fehlmanagement und
Inkompetenz … dafür gebe ich mein Geld nicht her“ (und es ist augenscheinlich
wirklich keine geringe Summe, um die es hier geht). „Da unterstütze ich lieber ein
ganz konkretes Projekt in Afrika – Schulbildung und Sozialarbeit in einem der großen
Slums rund um Nairobi!“ Er schaut mich an. Ich nicke. Ich kann ihn verstehen – gut
verstehen.
Doch dann kommt etwas, was mich noch lange nachdem er gegangen ist
weiter beschäftigt (und genau dies ist für mich der konkrete Einstieg in die
Predigtüberlegung zum Gleichnis Jesu). Er erzählt mir von Gottesdiensten in unserer
Gemeinde und davon, wie sehr er getroffen (betroffen) war – und es immer noch ist –
von Kanzelreden, die die Reichen beschuldigten ungerecht und unsozial zu sein!
„Das ist doch kein Evangelium!“ sagt er bitter und zugleich mit einem wissenden
Lächeln. „Ich weiß es doch. Auch ein Reicher kann durch das Nadelöhr ins
Himmelreich kommen!“ Und er denkt dabei mit gutem Gewissen an sein persönliches
Engagement in Kenia.
II Frommes Mobbing – Nein Danke
Immer schon hat diese Parabel vom Pharisäer und Zöllner indirekt dafür
herhalten müssen, den Reichen als ‚selbstgerecht‘ und ‚offenkundig falsch vor Gott
und der Welt‘ zu disqualifizieren – und dagegen – den Armen als ‚wandlungsfähig‘
und damit auf einem guten Weg zu sehen. Schlimmer noch – in diese
Auslegungstradition verwob sich oft unhinterfragt jenes antijudaischische Zerrbild,
das den Pharisäer zum Inbegriff des selbstsüchtigen Geldjuden pervertiert, den
Zöllner dagegen zur Verkörperung des armen Schluckern werden lässt, der gegen
einen solchen Reichen keine Chance hat – es sei denn … Und dann kommen die
Heilsbotschaften, die dann entweder ins ‚Dritte‘ oder ins ‚Himmelreich‘ führen, je
nachdem, welche Mittel einem recht und zur Hand sind.
Gefährlich – solche Auslegungen. Wer jedoch in der Predigtliteratur oder im
Internet nachforscht, begegnet ihnen in abgewandelten Formen zu gut 80 Prozent.
Und – seien wir doch ehrlich: Den ‚Blick von oben herab‘ – mitleidig abwertend …
positionierend – den Künstler jedweder Gattung von Gustave Dorè über die Fresken
in der Basilika Ottobeuren zu Klaus Zürner, dem bekannten Maler der DDR mit
jenem Pharisäer verbinden, der „hinauf zum Tempel stieg, um zu beten“ (Luk 18,10),
kennen wir in Kirche und Gemeinde nur all zu oft (oft verschämt und zuweilen auch
ganz offen).
Das Predigtbeispiel aus dieser unserer eigenen Gemeinde, das meinen Gast
in dem eben skizierten Gespräch so persönlich getroffen hat, ist da nur ein Beispiel.
„Wie gut, dass wir nicht zu jenen unsozialen Reichen gehören, die nichts Gutes zu
tun im Stande sind!“ so hieß es da. Genau solchen aber erzählt Jesus sein Gleichnis
als Mahnung: „Fromm und selbstgerecht waren sie, denen Jesus das folgende
Gleichnis vorhielt. Sie waren davon überzeugt, dem Willen GOTTes entsprechend
gerecht zu leben und hatten deshalb für alle anderen nur Verachtung übrig.“ (Luk 18,9)
Der religiöse Blick von oben herab – frommes Mobbing: ‚Wie gut, dass ich
nicht so bin wie jener Katholik‘, sagt selbstgefällig der gute Protestant und verweist
auf die goldene Badewanne von Limburg (vergisst aber die eigenen Finanzskandale
der Kirche im Rheinland). ‚Wie gut, dass ich nicht so bin wie jene Landeskirche, die
der Homosexualität Tür und Tor öffnet‘, sagt selbstgefällig der gute evangelikale
Gemeinschaftschrist (vergisst aber den stockschwulen Onkel in der eigenen Familie,
über den man eben nicht redet). ‚Wie gut, dass ich meinen christlichen Glauben
habe’, sagen viele Christen in Europa und blicken mit Entsetzen auf die Untaten
muslimischer Fundamentalisten weltweit (vergessen aber, wozu christlicher
Fundamentalismus im Libanon, in Russland und in den USA fähig ist). Und es sage
mir keiner, er hätte diesen’ Blick von oben herab‘ nicht auch schon einmal geübt!
Jesus selbst wurde, wenn er so auf uns träfe und sein Wort vom Balken
zusprechen: „Was siehst du aber den Splitter in deines Bruders Auge und nimmst
nicht wahr den Balken in deinem Auge? Oder wie kannst du sagen zu deinem
Bruder: Halt, ich will dir den Splitter aus deinem Auge ziehen?, und siehe, ein Balken
ist in deinem Auge. Du Heuchler, zieh zuerst den Balken aus deinem Auge; danach
sieh zu, wie du den Splitter aus deines Bruders Auge ziehst“ (Matth 7,3ff) .
Frommes Mobbing – Nein Danke!
III Sünde - die ‚Meisterin der Manipulation
Aber, die Worte des Pharisäers bleiben und lassen sich auch nicht als
scheinbare Karikatur kleininterpretieren: „‚Danke GOTT! Ich danke DIR, dass ich
nicht so bin wie die anderen: Ich bin weder ein Dieb, noch ein Betrüger. Ich breche
nicht die Ehe. Und – wie dieser Zolleinnehmer da … bin ich auch nicht! Mehrfach in
der Woche faste ich. Und – von dem, was ich verdiene, spende ich zehn Prozent
dem Tempel und den Armen.‘“ (Luk 18,11+12) Um was geht es Jesu, wenn es nicht darum
geht, den frommen Reichen ab und den reuigen Sünder aufzuwerten … wenn es
also auch nicht darum geht, im Reigen religiösen Mobbings mitzuschwimmen
(solches lag besonders Jesus, dem Gottessohn und Menschenbruder mehr als fern).
Pharisäer – das wusste er genauso wie es seine Zuhörer wussten – waren
alles andere als selbstgerecht. Pharisäer waren im Volk geachtet, weil sie
überzeugend versuchten alltagsnah das Gotteswort, die Thora ernst zu nehmen und
zu leben. Pharisäer gab es in allen Schichten des Volkes. Jesus hatte mit manchen
von ihnen guten Kontakt, wie die Gespräche zwischen ihm und Nikodemus (der
sicherlich zur Oberschicht Jerusalems gehörte) seigten. Und die Zöllner – auch das
war allen bekannt – waren Menschen, die (oft aber nicht nur aus der Not geboren)
sich unrechtmäßig Geld anderer aneigneten.
Denen, die (was Jesus grundsätzlich kritisiert) aus frommem
Selbstbewusstsein andere gering schätzen (und das können insbesondere auch die
fundamentalistischen Gläubigen aller Couleur sein) zeigt Jesus in seiner Parabel das
Gegenbild auf: Selbst ein Pharisäer – der gute Mensch in Sachen Gottesfurcht –
kann zum überheblichen Mobbiisten werden. Und selbst ein Mitarbeiter des Zolls – in
der Regel ein kleiner Gauner und Tagedieb – kann zum demütige Satz „Gott sei mir
Sünder gnädig!“ finden, den wir bis heute in unseren Klage- und Bittgebeten im
Gottesdienst rezitieren … dann wenn … ja wenn … w a s ?!
Es geht Jesus um Macht und Gegenmacht GOTTes, es geht um Sünde und
Freiheit. Es geht um Urteil und Vergebung. Jede Predigt des Gottessohnes und
Menschenbruders Jesu muss verstanden werden aus seiner Vision, dass GOTTes
Reich ganz nah – ja schon mitten unter den Menschen ‚da‘ ist (Luk 17,21). Darum – weil
GOTT so nahe ist, ist die Gefahr der Veränderung zum Un-Guten (Gegengöttlichen)
so groß. Die ‚Sünde‘ ist nur ein anderes Wort für diese Gefahr (denn Sünde hat erst
einmal nichts aber auch gar nichts zu tun mit sittlicher, bzw sexueller Verfehlung).
Denen, die meinen sich in ihrer Frömmigkeit GOTT sicher zu sein (und so auf
andere (vielleicht sogar unsichere, fragende, zaudernde und kritische Menschen)
herabschauen) hält Jesus jenen Pharisäer – wie einen Spiegel – vor: „Schaut ihn
euch an, ihr Heuchler!“ so könnte er ihnen sagen. Wie leicht könnt Ihr werden wie er,
wenn ihr den guten Pfad der Gottesnähe und des Gottvertrauens verlasst. Passt auf!
Seid wachsam! Prüft euch immer wieder und wieder! Seid Euch niemals selber
genug. Wagt den Blick nach rechts und nach links, auch wenn ihr meint dort nur
Menschen zu treffen, die eurem Glauben unwürdig, ja abträglich zu sein scheinen.
Nehmt Euch ein Beispiel an jenem Zöllner. Er ist in der Lage, sich zu ändern und ein
„Gott, sei mir Sünder gnädig!“ oder auch nur ein „Es tut mir aufrichtig leid!“ zu sagen.
Ihr Frommen – Ihr seid GOTT niemals auch nur einen Schritt näher, als dieser
einfache Mensch. „Ich sage Euch!“ sprach Jesus. „Dieser ging nach Hause und war
rechtschaffen vor GOTT – jener war es nicht. Denn wer sich selbst erhöht, wird
erniedrigt werden und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden. (Luk 14,13ff)
IV Moving statt Mobbing (Rechtschaffen Recht schaffen)
Die Welt Jesu war in Bewegung. GOTT ging. GOTT kam (in diese Welt).
Jesus Christus war der Garant dieser großen Wandlung zum Guten. All die vielen
Geschichten über ihn, all die vielen Gleichnisse und Predigten von ihm zeigen dies
auf. Daraus schöpfen wir Hoffnung. Nichts bleibt, wie es ist. Alles wird neu – und
kann gut werden (dann wenn GOTT mit im ‚Spiel der großen Veränderung‘ ist). So
sagt es uns unser Glaube.
Unsere Welt ist in Bewegung. Wir merken dies tagtäglich. Nicht nur der
Klimawandel, nicht nur die ökonomisch sich rasant verändernden Grundparameter,
nicht nur die medizinisch-genetischen Revolutionen und auch nicht nur die
Wiederkehr des religiösen Fundamentalismus, der jeden Fortschritt zu Nichte
machen kann. Scheinbar hat dies wenig mit jenen Weltveränderungen zu tun, um die
Jesus wusste. In Wirklichkeit würde der Nazarener, lebte er heute in unserer Zeit,
genau das Gegenteil behaupten. Die Wandlungen der heutigen Welt wären für ihn
Zeichen und Anzeichen jener GOTTeskraft, die Frieden will, die Gerechtigkeit schafft
und die Freiheit des Einzelnen in GOTTes Namen garantiert.
Sich dieser Bewegung anzuschließen, an ihr Teil zu haben und zu nehmen
und sich nicht durch ihre Gegenkräfte binden zu lassen, das wäre im Sinne Jesu
sinnvoll und damit „rechtschaffen vor GOTT“ – wie es in seiner Parabel heißt. Jedem
ist dies möglich. Das ist die Botschaft des Gleichnisses – auch für uns.
Der Pharisäer, der fromme und sich seinem Herrgott anvertrauende Gläubige
geht (damals wie heute) einen guten Weg. Und wenn er hat, dann mag er auch den
Zehnten seines Einkommens sinnvoll (und eben nicht unverantwortlich
verschwenderisch – wie im Beispiel des anfänglichen Gespräches im Amtszimmer
erzählt) in gerechte Projekte geben. Aber dies erhebt ihn nicht über die anderen. Und
der Zöllner, der Mensch, der (aus welchem Grund auch immer) auf Kosten der
anderen – damals wie heute – lebt, ist immer in der Lage, umzukehren und (Schritt
für Schritt und gewiss auch in hoher Anstrengung) einen eigene Weg in die Freiheit
finden. Beispiele dafür gibt es zu Genüge.
‚Moving statt Mobbing‘: Bleib in Bewegung - Christ (aber auch Moslem,
Atheist, Buddhist, Bienenzüchter und Friedensfreund)! Bleib auf dem Boden der
Tatsachen und in Verbindung zu Deiner Lebensquelle (GOTT, Allah, ??, Buddha,
Bienenkönigin und/oder Friede) Und heb‘ nicht ab und erheb Dich vor allem nicht
über Deinen Nächsten. Dann wirst Du kraftvoll und aufrecht das „Sei mir Sünder
gnädig!“ als Motto eines gerechten, rechtschaffenden und freien Lebens sprechen
können.
Was wohl mein gast zu diesem Predigtschluss sagen würde? Ich würde ihn
gerne fragen und ihm sagen, dass sein letzter Satz: „Ich weiß es doch. Auch ein
Reicher kann durch das Nadelöhr ins Himmelreich kommen!“ sehr wohl in dieses
Movement hinein passen würde.
Amen
Andreas Pasquay
Klagegebet
Unsicher bin ich oft
In mir – vor DIR (GOTT) – vor anderen
Dann tue ich so, als wäre ich stark
Dann schaue ich herab nach links und rechts
Dann nehme ich anderen Lebensraum und Platz
Innerlich aber
Schlottere und bebe ich.
Lebendiger gnädiger GOTT
Ich bitte DICH um DEIN „JA!“ zu mir,
so wie ich bin
(auch mit meinen Fehlern)
Denn dann brauche ich
Keinem mehr etwas vorzuspielen
Das täte mir – und den anderen – sicherlich gut
Tagesgebet
Lebendiger und guter GOTT
In DEINEM Namen leben
Heißt immer wieder neu
Zu den Quellen des Lebens zu gelangen
Aus DEINEM Namen leben
Heißt immer wieder neu
Anzufangen, Wege der Liebe zu gehen
Mit DEINEM Namen leben
Heißt immer wieder neu
Dem Nächsten zeigen, er ist nicht allein
Danke,
dass ich/wir in/aus/mit DEINEM Namen leben