- Christian Heeb Photography

SOUTHWEST
Death Valley National Park:
Nikon D800, 70 mm, ISO 200, 1/800 Sec, f 4.5
TIPPS ZUR LANDSCHAFTSFOTOGRAFIE
von Christian Heeb
1. GEDULD
Landschaftaufnahmen sind keine Schnappschüsse. Wer hier gute Fotos
machen möchte, muss vor allem eines mitbringen: Geduld. Das Warten auf
das „richtige“ Licht, auf die schönsten Wolken, auf die ideale Tages- oder
gar Jahreszeit mag anstrengend sein (und auch nicht immer in den Reise­
verlauf passen). Doch nur so lassen sich überdurchschnittliche Aufnahmen
erzielen, die man später gerne zu Hause anschaut. Nähern Sie sich beim
Fotografieren dem Motiv von möglichst vielen Seiten! Die erste Stelle ist
selten die schönste.
2. FRÜH AUFSTEHEN
Wer gerne lange schläft, sollte besser Nightlife, nicht aber Landschaft fotografieren. Es gilt: Der frühe Vogel fängt den Wurm. Denn das beste Licht
und die fotogensten Stimmungen finden sich nun mal frühmorgens.
Engagierte Fotografen stehen sogar mindestens eine halbe Stunde vor
Sonnenaufgang an der ausgewählten Stelle. Das erste „Glühen“ des Lichts
beginnt nämlich bereits 20 Minuten bevor die Sonne sich am Horizont
zeigt. Viele meiner besten Aufnahmen entstanden dann – oder abends
nach Sonnenuntergang. Wenn alle weg waren, die den „malerischen“ Sonnenuntergang geknipst hatten, warteten die Verbleibenden auf den „zweiten“ Untergang, auf das Nachglühen des Firmaments.
3. STATIV
Wer gestochen scharfe Bilder erzielen möchte, braucht ein Stativ. In der
Landschaftsfotografie empfehlen sich niedrige ISO-Werte (z.B. 100) und kleine Blenden. Mit Blende 11, 16 oder gar 22 erreichen Sie eine hervorragende
Tiefenschärfe von nah bis fern. Sind dann noch die Lichtverhältnisse kritisch,
wird Ihre Kamera eine (zu) lange Belichtungszeit verlangen. Ohne Stativ wird
dann die Gefahr von Verwacklungen zu groß. Nutzen Sie ein stabiles Modell,
auch wenn es schwerer sein mag! Auf felsigem Untergrund und bei starkem
Wind geraten Leichtgewichte schnell ins Wanken. Ein Fernauslöser (Draht,
Infrarot) ist bei sehr langen Belichtungszeiten unabdingbar.
4. WEITWINKEL
AUF DER JAGD NACH
DEM BESTEN LICHT
Grandiose Szenerien, ungewöhnliche Settings und jede Menge
Tipps vom Profi: Auf Fotoreisen können Hobbyfotografen mit
jedem Tag ihre ­Kenntnisse verbessern. Claude Jaermann war mit
Christian Heeb auf Tour durch Arizona und Kalifonien.
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elche Blende soll ich nehmen?“,
fragt
Jolanda.
„Versuch’s mal mit Blende
8“, sagt Tourleiter Christian Heeb,
„und wenn ihr den Weißabgleich auf
‚Schatten‘ stellt, dann kommen die
Rottöne der Felswand stärker zur Geltung.“ Wir nicken. Jeder hantiert an
seiner Kamera in der Hoffnung, ein
besseres Foto zu schießen. „Mit Polfilter?“, fragt Manuela stirnrunzelnd und
erhält postwendend die Antwort vom
Chef: „No! Bringt nix und kostet zwei
Blenden.“
Wir, das sind eine Gruppe von neun
Hobbyfotografen aus Deutschland und
der Schweiz, die im Westen der USA
von Profi Christian Heeb in die höhere
Kunst der Fotografie eingeweiht werden wollen. Mit von der Partie sind
der Schweizer Indianerkenner Charly
Juchler und sein Lakota-Freund Jim
Yellowhawk, der uns als Modell zur
Verfügung steht.
Teleobjektive in der Landschaft, um alles nahe heranzuholen? Nein, ich
fotografiere bevorzugt mit einem Weitwinkel, gerne im Bereich von 24 bis
35 mm. Ein solches Zoom reicht für die allermeisten meiner Landschaftsaufnahmen. Warum? Weil ich vor allem die beeindruckende Weite einer
Landschaft zeigen möchte, sich auftürmende Wolken am Himmel, die Weite der Steppe. Ganz wichtig dabei: ein naher Vordergrund. Der Betrachter
sollte an etwas „hängen bleiben“. Das können ein Stein, ein Stück Holz,
Wurzeln oder Blumen sein. Das Auge folgt dann diesem Vordergrund ins
Bild hinein – eine natürlich Raumwirkung, die das Teleobjektiv nicht schafft.
Vordergrund und Hintergrund sollten scharf sein, sonst ist dieser Raumeffekt dahin. Wenn ich trotzdem mit einem Tele fotografiere, verdichte ich
die Landschaft, stelle mit der bewusst eingestellten Schärfeebene einzelne
Elemente heraus und lasse den Rest in der Unschärfe versinken. Eine
­Teleaufnahme hat aber nie die Aussagekraft eines Weitwinkelbildes. Keiner
fühlt sich ins Bild „hineingezogen“.
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des Bildausschnitts, der Blenden und
Verschlusszeiten. So viele Möglichkeiten!
Bei Tombstone nächtigen wir in
einem zur Westernstadt ausgebauten
Reiter-Motel. Was sich wie eine
Kitsch- und Touristenfalle anhört, sieht
in Wirklichkeit stilecht aus. Unsere
Zimmer heißen Jailhouse, Wells Fargo
oder Miss Kitty Bordello und sind entsprechend eingerichtet. Nebst einer
normalen Holztür hängt im JailhouseZimmer ein Gittertor im Rahmen, und
bei Miss Kitty ist viel Plüsch angesagt:
Die ideale Location für ein weiteres
Fotoshooting.
Engelsgeduld
Jim Jellowhawk im Zabriskie Point Death Valley National Park:
Nikon D800, 70mm, ISO 200, 1/30 Sec, f 7
Saguaro National Park:
Nikon D800, 35mm, 200 ISO, 1/5 Sec, f 13
Heute kraxeln wir auf der Felsformation Cochise-Stronghold nahe Tombstone, Arizona, herum. Außer Jim
Yellowhawk begleiten uns die beiden
Natives Charlie One Horse und Jesus
M. Ruiz. Ihre Vorfahren hatten diese
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Felsen als Rückzugsgebiet genutzt,
unter Führung der bekannten ApachenHäuptlinge Geronimo und Cochise.
Die Sonne steht hoch am Himmel
– der Fluch jedes Fotografen! Heebs
Blick schweift umher. Gibt es irgendwo
eine bessere Location? Schließlich
bringt er uns zu einer kleinen Höhle,
die den Ureinwohnern als Schlafplatz
gedient haben muss. Wir nutzen sie als
Hintergrund für das nächste Bild. Heeb
bittet die drei Indianer zusammenzustehen und möglichst nicht auffällig
zu posieren. Das Ganze soll locker
und ungezwungen wirken. Die Natives
lachen, stellen sich hin, erzählen sich
etwas, und wir Amateure dürfen frei
von der Leber weg knipsen. Sie sind es
gewohnt, fotografiert zu werden. Für
uns schüchternde Europäer ist so ein
Setting dagegen neu.
„Von hier aus habt ihr eine schöne
Bildkomposition“, ruft Heeb, der etwas
abseits steht. Wir folgen ihm gern.
Seine Fotos sind nun mal besser, schöner, eindrücklicher als unsere. Meist
stellen wir uns deshalb an denselben
Ort wie er. Fragen ihm Löcher in den
Bauch. Vergleichen auf dem Kamerabildschirm die Aufnahmen. Loben uns
gegenseitig. Tauchen ein in die Welt
Während Jim Yellowhawk seine traditionelle Festkleidung anzieht, schauen
wir, welcher Hintergrund der passende
ist. Heeb klärt uns über Lichtführung
und Bildkomposition auf und worauf
wir noch achten sollten, um bessere
Foto zu schießen. Er kennt nicht nur
die schönsten Gegenden im Südwesten,
sondern auch die richtigen Leute. Und
er bringt uns gegenüber eine Engelsgeduld auf, wenn wir es nicht zu einem
tollen Bild schaffen.
Denn natürlich vergleichen wir
unsere Aufnahmen mit seinen, vor
allem abends bei einem Drink im
Saloon oder am Lagerfeuer. Einige von
uns wirken resigniert, wenn uns Tourleiter Heeb seine Ausbeute des Tages
auf dem iPad präsentiert. Klar sind
seine Fotos leicht bearbeitet. Doch mit
jedem Bild, das wir vergleichen, lernen
wir auch etwas. Er zeigt uns die Details,
worauf es ankommt, wie der Bildausschnitt sein muss, warum das Modell
gerade hier besser zur Geltung kommt.
4:30 Uhr. Der Wecker klingelt. Im
Death Valley wird es langsam hell. An
tiefen Schlaf war diese Nacht aber eh
nicht zu denken. Noch um Mitternacht
zeigte das Termometer eindrückliche
30 Grad Celsius. Eine müde Truppe
trifft sich beim Auto, steigt ein und
träumt vom ersten Kaffee. Doch Heeb
ist auch deshalb Profi-Fotograf, weil
er um die Schönheit des Morgenlichts
weiß und manche Unbequemlichkeit
dafür in Kauf nimmt, sie abzulichten.
Wir fahren hoch zum berühmten
Zabriskie-Point. Noch immer ein wenig
benommen schlurfen wir herum – und
werden schlagartig wach, als die ersten
Sonnenstrahlen das Tal des Todes in
ein weiches Licht tauchen. Wow! Ah!
Wunderschön! Vor lauter Schönheit
vergessen wir fast zu fotografieren. Wir
müssen uns entscheiden: Entweder einfach diese Fülle und Pracht genießen
oder auf die Jagd nach dem besten Foto
gehen.
Die meisten entscheiden sich fürs
Fotografieren. Während unsere Apparate die grandiose Landschaft abtasten, hat Jim Yellowhawk wieder seine
traditionelle Festkleidung angelegt.
­Christian Heeb führt ihn an Orte, die
er von seinen vielen Reisen in diese
Gegend kennt. Eine Unruhe umgibt
den Profi. Er weiß, wie schnell sich
Lichtverhältnisse ändern können, und
er möchte uns das Bestmögliche bieten.
Wir folgen ihm strammen Schrittes
von Platz zu Platz und klicken uns die
Finger wund. Kontrollblick, Blenden
verstellen, Objektive wechseln. Mit
jedem weiteren Shooting gehen diese
Handgriffe leichter. Irgendwie fühlen
wir uns mittlerweile wie richtige Fotografen. Jim Yellowhawk steht stolz und
mit ernster Miene inmitten der Steinwüste. Die milde Morgensonne scheint
ihm ins Gesicht. Was für ein Motiv! So
macht fotografieren Spaß. „Aber jetzt
mit Polfilter, oder?“, fragt Manuela.
Heeb lächelt: „Versuch es.“
H
TIPP
Die beschriebene Tour war Teil der
Fotoreise „Ghostdance“, die zwei
­Wochen lang durch acht Bundesstaaten führte.
Zukünftige Fotoreisen mit Christian
Heeb:
Yellowstone, Grand Teton, Rocky
Mountain National Parks: Landschaften und Tiere, 11. bis 25. September 2016, max. 7 Teilnehmer
Canadian Rockies: Vancouver bis
Banff, 20. August bis 2. September
2017
Kanadas Westküste: Queen
­Charlotte Islands, 2. bis 9. September
2017, max. 7 Teilnehmer
www.heebphoto.com
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