Leseprobe 3 : Altstädter Schule Still saßen die Kinder auf ihren Plätzen und warteten auf den Unterrichtsbeginn: die Jüngsten vorn, die Älteren hinten. Nach einem kurzen Morgengebet hob er seinen Stock und sprach gerade über die Bibelstelle aus Samuel , in der der junge David den riesigen Krieger der feindlichen Philister Goliath aus Gat mit seiner Steinschleuder besiegt hatte, als plötzlich vom Johannisturm Sturm geblasen wurde. Eilig hastete er zu einem der Fenster, mehrere der großen Jungen folgten ihm. Mit einem barschen Handzeichen schickte er sie wieder in ihre Bänke zurück. Selbst wenn die Katholischen einen letzten verzweifelten Angriff wagen sollten, Falkenberg würde ihnen schon entgegentreten. Das Musketenfeuer nahm zu, drang jetzt auch von der Straße her. Um die Kinder nicht zu ängstigen, befahl er sich selbst, Ruhe auszustrahlen. Unerschrocken sah er den Schüler n in die Augen, in denen sich jedoch Unsicherheit spiegelte. Krachend flog die Tür auf. Ein fremder Soldat stand in der Türschwelle. Er trug einen ledernen Wams, um den sich ein Gurt spannte, eine weite Hose mit mehreren bunten Streifen und hohe lederne Stiefel. „Das ist nur eine Schule, hier gibt es nichts zu holen!“, schmetterte Bruno ihm entgegen. Der Soldat schaute ihn verwundert an, seine Augen flackerten, strahlten so etwas wie Unberechenbares aus. Der Mann hatte ihn offensichtlich nicht verstanden. „Schule! Kinder!“, versuchte er dem Soldaten kurz und knapp klarzumachen. Für einen Moment wünschte er sich eine Waffe herbei, um seine Kinder und sich verteidigen zu können. Entschlossen und die Gefahr missachtend, trat er auf den Soldaten zu, der bereits den blanken Säbel in der Hand hielt. Eines der jüngeren Kinder schluchzte laut auf, und sofort fingen die Kleineren allesamt laut zu weinen an. Der Soldat baute sich drohend vor ihm auf, stieß einen kurzen, lauten Schrei aus und mit einer abrupten Bewegung schlug er mit dem Säbel Brunos Kopf ab. Das Letzte, was Brunos Augen noch wahrnehmen konnten, waren die Tische der Schüler, die mit hoher Geschwindigkeit auf ihn zurasten, während sein Körper in sich zusammensank.