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Zeitfresser identifizieren und eliminieren
Die meisten von Ihnen kennen die Verschwendungsarten in der Produktion (auch "7V"
genannt). Wie aber sieht es in der Verwaltung aus? Dieser Beitrag soll dazu beitragen, Sie für
die Verschwendungen in administrativen Bereichen zu sensibilisieren.
Verschwendungen im Office zeigen sich überwiegend im Umgang mit der Zeit, die uns täglich für die
Erfüllung unserer Aufgaben zur Verfügung steht. Ziel unserer täglichen Bemühungen ist die
Bereitstellung qualitativ hochwertiger Informationen bzw. Dienst- / Serviceleistungen innerhalb eines
vom Kunden gewünschten oder akzeptierten Zeitrahmens.
Verschwendung in einzelnen Arbeitsschritten kumuliert sich im Verlauf eines administrativen
Prozesses zu einem Stundenberg, der unwiederbringlich verloren geht.
Möglicherweise kennen Sie einen typischen Einwand, der gerne vorgetragen wird, wenn es um die
Prozessoptimierung in administrativen Bereichen geht: "Ich behaupte ja nicht, dass es bei uns nichts
zu optimieren gibt. Aber wir sind hier nicht in der Produktion, wo man die bekannten
Verschwendungsarten so wunderbar klar sehen kann. Wir arbeiten nicht nach Arbeitsplänen, und wir
sind extrem stark fremdbestimmt. Ständig kommen neue Anforderungen und andere
unvorhergesehene Dinge von außen und werfen unsere eigene Planung über den Haufen."
Diese Aussage ist kein Einzelfall und sollte auch nicht auf die leichte Schippe genommen werden.
Jedes Unternehmen ist ein System, in dessen Geflecht von Funktionen, Prozessen und Schnittstellen
sich viele Zahnrädchen drehen. Reibungsverluste und Verschwendungen entstehen da vermeintlich
ganz von selbst - sowohl systembedingt als auch innerhalb der Prozesse. Deshalb wird häufig
zwischen System-Verschwendung und der Verschwendung in einem Prozess unterschieden.
Beide Grundarten der Verschwendung werden meist von den Beteiligten nicht erkannt, was
hauptsächlich daran liegt, dass wir die an uns gestellten Aufgaben in einer eingespielten und
routinierten Art und Weise bearbeiten.
Routine gibt Sicherheit und lässt uns glauben, die Tätigkeit fehlerfrei und schnell auszuführen. Wir alle
kennen die Nummer Eins der Killerphrasen-Charts, wenn es um Veränderungen geht: "Das haben wir
schon immer so gemacht." - Hier heißt es 'Aufgepasst'. Denn diese Routine bedeutet gleichzeitig,
dass die Aufgabe oder der Prozess offenbar nicht mehr in Frage gestellt wird. Und das ist äußerst
fahrlässig, weil ein Routine-Job oft Arbeitsschritte enthält, die möglicherweise gar nicht (mehr)
erforderlich sind.
Ein Beispiel: Sie erhalten Informationen zur Erstellung eines Angebotes. Der interne Lieferant versorgt
Sie mit fehlerhaften oder unvollständigen Informationen. Statt den Vorgang zur Nachbesserung wieder
zurückzugeben, telefonieren Sie routinemäßig mit den entsprechenden Stellen, um die Informationen
zu erhalten. Schließlich soll das Angebot ja raus, und die Retour des Vorgangs würde ja mindestens
zwei weitere Tage in Anspruch nehmen (Hauspost usw.). Da machen Sie es lieber selbst! Dieses
"Selbermachen" gehört mittlerweile zu Ihrer Routine. Ihr interner Lieferant merkt davon nichts und
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sieht daher auch keinen Anlass, sich so zu verbessern, dass fehler- oder mangelhafte Informationen
gar nicht erst weitergegeben werden.
Wie geht man nun vor, um die Verschwendung aus dem System und den Prozessen zu
entfernen?
Externe Berater wie wir oder interne Berater (Change Manager etc.) müssen in den meisten Fällen
zunächst eine ganz entscheidende Barriere überwinden, und zwar die im Unternehmen
vorherrschenden Paradigmen. Häufig werden Verbesserungsanstrengungen von einer reinen
Kostenorientierung getrieben. Die Eliminierung von Verschwendungen erfordert jedoch eine
ganzheitliche Betrachtung von Prozessen und eine Umorientierung zum Faktor Zeit. Nach Daniel T.
Jones und James P. Womack (1998) folgen dann automatisch Kostensenkungen und
Produktivitätssteigerungen: Wenn es dem Unternehmen gelingt, die Durchlaufzeit zu vierteln, so
entspricht dies einer 50-prozentigen Steigerung der Produktivität und einer Reduzierung der Kosten
um 20%.
Quelle: Lean Thinking (Womack & Jones)
Zur ganzheitlichen und zeitorientierten Betrachtung von Prozessen stehen verschiedene
Analysemethoden zur Auswahl. Eine davon, die besonders hervorzuheben ist, nennt sich
"Wertstromanalyse" (Value Stream Mapping). Sie hat ihren Ursprung im Toyota Produktionssystem
und ist mittlerweile auch in den Servicebereichen ein erprobtes und anerkanntes Instrument. Die
Wertstromanalyse stellt Durchlaufzeiten und reine Bearbeitungszeiten gegenüber, zeigt
Verschwendungen in den einzelnen Prozessschritten auf und ordnet diese nach dem
Verursacherprinzip zu, ohne dass dies als Fingerzeig verstanden werden soll. Das Ergebnis der
Wertstromanalyse, das heißt die Darstellung der Ist-Situation, ist Basis und Ausgangspunkt für die
Neugestaltung der Wertströme nach schlanken Kriterien.
Bevor eine solche Wertstromanalyse durchgeführt wird, müssen jedoch sowohl die Entscheider als
auch die Mitarbeiter für die verschiedenen Arten der Verschwendung sensibilisiert werden. Der Begriff
"Verschwendung" wird allerdings häufig fehlinterpretiert als mangelnde Wertschätzung der eigenen
Leistungen. Keinesfalls soll das Gefühl vermittelt werden, dass bislang schlecht oder falsch gearbeitet
wurde. Es gibt lediglich eine neue Perspektive, die uns sehen lehrt, wo und wie wir uns weiter
verbessern können.
Was ist eigentlich Verschwendung? Verschwendung ist vom Charakter her alles, was über das
minimale Maß an Zeit, Ausrüstung, Material, Fläche hinausgeht, das erforderlich wäre, um eine
Kundenanforderung (intern wie extern) zu befriedigen. Eine noch straffere Definition besagt, dass alle
Tätigkeiten Verschwendung seien, die dem Produkt oder der Dienstleistung keinen Wertzuwachs
geben. Nicht alle Tätigkeiten, die man hiernach als Verschwendung einordnen würde, lassen sich
jedoch vermeiden. So ist beispielsweise die Erstellung von Rechnungen vom Charakter her eine
Verschwendung, für das Fortbestehen des Unternehmens jedoch unvermeidbar.
Welches sind denn nun die Verschwendungen, die uns als Zeitdieb das Leben in administrativen
Bereichen schwer machen?
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Nachfolgend sind zu jeder Verschwendungsart ein paar Beispiele aufgezählt, von denen Sie sicher
einige aus Ihrem beruflichen Umfeld kennen.
Art
Ausprägung
Überinformation
• Informationen liefern ohne exakten Auftrag
• Überfrachtung von Informationen mit nicht geforderten Daten
• Informationen in zu häufiger Frequenz
• Zu detaillierte Angaben oder Bearbeitung
• Verteiler zu groß, veraltet ...
• Statistiken der Statistiken wegen
• Überflüssige Kopien (Emails, Sicherheitskopien)
Bestände
• Doppelt bis dreifach vorhandene Arbeits- / Büromittel
• Horten von Aufträgen / Vorgängen
• Büroausstattung als Statussymbol
• unbearbeitete / angearbeitete / fertige, aber nicht weitergeleitete Vorgänge
• Doppelte Ablage
• Aktenbestände
• Datenbestände im PC / auf dem Server
• Ablage nicht mehr benötigter Informationen
• Veraltete EDV-Programme / Hardware
Informationstransfer
• Doppeltransporte: Papier, Datenträger, Email, Fax, Brief
• Schlecht organisierte Hauspost
• "Bürotourismus"
• Keine einheitliche Ablagesystematik
• Mangelnde Verständlichkeit von Informationen
• Schnelles Liefern von Informationen, langsame interne Weiterleitung
Wartezeiten
• Warten auf Informationen (personen- oder maschinenbedingt)
• Kommunikationspartner nicht erreichbar
• Zeit für Beantwortung und Rückfragen
• Warten auf Telefonkontakt
• Wartezeit durch geringe Anzahl oder Defekte (Kopierer, Drucker, Faxgeräte...)
• Nicht rechtzeitige Information bei EDV-Ausfall
• Warten aufgrund fehlender oder nicht eingehaltener Terminabsprachen
• Überflüssige Besprechungen, Diskussionen
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Organisation des
Arbeitsprozesses
• ungeplantes, unstrukturiertes Bearbeiten
• fehlende oder nicht eingehaltene Standards
• kein Verwenden von Stempeln, Vordrucken
• kein Reden in Zahlen, Daten, Fakten
• zu viele beteiligte Stellen/ Doppelarbeit
• Kommunikationsmängel (mehrfache Rückfragen)
• falscher Sachbearbeiter
Bewegungen
• Anordnung der Büromaterialien / Büro-Layout
• Suche nach Akten in Schränken, im Archiv
• Meetings in Konferenzräumen statt Stehungen am Ort des Geschehens
• Meetings statt Telefonkonferenz
Fehler
• Doppel- / Nacharbeit
• Einstellung des falschen Mitarbeiters
• Delegation der Aufgabe an nicht dafür qualifizierte Mitarbeiter
• fehlende Schulung
• falsche Entscheidung aufgrund falscher Daten
• fehlende Qualitätssicherung
• Absprache / Kundenwünsche unvollständig
• falsche oder zu wenig Informationen
Zur Sensibilisierung der Mitarbeiter hinsichtlich der Verschwendungen eignen sich insbesondere
Fallstudien oder Simulationen, die den gedanklichen Transfer in die eigene Betriebspraxis
vereinfachen. Ein moderierter Workshop in einem Pilotbereich kann ebenfalls zu sehr eindrucksvollen
Ergebnissen führen. Nach einer kurzen theoretischen Einführung und der Durcharbeitung eines
einfachen Fallbeispiels werden die Teilnehmer gebeten, Verschwendungen aus ihren Bereichen und
Prozessen zu nennen. Erfahrungsgemäß sprudeln die Teilnehmer nach anfänglicher Zurückhaltung
mit Dutzenden von Tätigkeiten, in denen sie eine der Verschwendungsarten wiedererkennen. Nach
Sammlung der Verschwendungen werden sie den folgenden Gruppen zugeordnet:
1. eigene Verantwortung
2. Schnittstelle - geteilte Verantwortung
3. fremdbestimmt
Beispiel einer Buchhaltung mit 26 Mitarbeitern:
Gruppe 1: Eigene Verantwortung
Gruppe 2: Schnittstelle - geteilte Verantwortung
Gruppe 3: Fremdbestimmt
36,0 h / Woche
39,8 h / Woche
42,0 h / Woche
In diesem Beispiel ergeben sich in Summe 117,8 Stunden pro Woche. Wenn eine 35-Stunden-Woche
zugrunde gelegt wird, bedeutet dies, dass - natürlich nur rein rechnerisch - die Wochenarbeitszeit von
3,4 Mitarbeitern ausschließlich mit nicht wertschöpfenden bzw. nutzbringenden Tätigkeiten
"verschwendet" wird.
Messbare Erfolge lassen sich natürlich am Schnellsten erzielen, indem Sie mit der Eliminierung jener
Verschwendungen beginnen, die im eigenen Verantwortungsbereich entstehen, also aus eigener Kraft
beeinflussbar sind. Bitte bedenken Sie, dass dies noch der erste Schritt ist und dass die Optimierung
bzw. das Re-Design der aktuellen Prozesse weitere Potenziale in sich birgt.
Die nächste Lean-Revolution wird in den administrativen Bereichen stattfinden, soviel steht fest. Die
zunehmende Anzahl von Bucherscheinungen und Kongressen sowie Seminar- und
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Beratungsangeboten zu diesem Thema lassen vermuten, dass viele Fachleute diese Revolution
bereits im Gange sehen. Allerdings stehen wir noch ganz am Anfang, wenn man berücksichtigt, dass
die Unternehmen nur sehr zögerlich auf diesen Zug aufspringen. Die Unternehmen, die jetzt bereits
anfangen, die "schlanken Prinzipien" richtig zu interpretieren und umzusetzen, werden ihren
Wettbewerbern ein gutes Stück voraus sein. Hat Ihr Mitbewerber schon damit begonnen?
Eine beispielhafte und zugleich typische Verschwendung in administrativen Bereichen:
Unstrukturierte Besprechungen in zu häufiger Frequenz rauben viel unserer kostbaren Zeit.
Ich hoffe, dass meine Ausführungen / meine Interpretationen Sie anregen, über sich, Ihr Umfeld und
Ihre Prozesse einmal nachzudenken! Viel Erfolg!
Ihr
Marco Rodermond
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