Krankenhaus, Prozessverbesserung

Krankenhaus, Prozessverbesserung,
Verschwendungsreduzierung – Passt das
zusammen?Eine Annäherung an das Thema in 3 Stufen:
Stufe 1: Warum kann es auch in meinem Arbeitsumfeld Sinn machen,
über Verschwendung nachzudenken?
Wenn Sie das erste Mal über das Wort „Verschwendung“ bezogen auf Ihren Arbeitsalltag stolpern,
werden Sie dieses sicherlich mit Empörung von sich weisen. „Bei mir gibt es keine Verschwendung!
Ich behandle und heile Patienten und tue damit Gutes! Das Einzige was ich als Verschwendung
empfinde, ist die tägliche Administration, die mir durch die Geschäftsführung und die schlechten
Prozesse aufgedrückt wird. Für die bin ich jedoch nicht verantwortlich.“
Wenn Sie sich mit einem Prozessverbesserer nach dem Lean-Management-Ansatz unterhalten, wird
dieser anders an die Sache herangehen. Er wird als erstes fragen, was denn der Kunde Ihrer
Arbeit/Dienstleistung von Ihnen konkret erwartet. Und da wird es schon kompliziert. Wer ist denn
der Kunde im Krankenhaus? Sie werden wahrscheinlich zwischen Krankenkasse und Patient
schwanken. Die Krankenkasse gibt das Geld, und wer das Geld gibt, ist der Kunde. Andererseits ist
der Patient derjenige, um den es geht. Er erhält die Leistung. Er könnte also auch der Kunde sein.
Wenn Sie diesen Gedanken genauer durchdenken, fragen Sie sich vielleicht, ob das Arzt-PatientenVerhältnis ein Kunden-Lieferanten-Verhältnis im wirtschaftlichen Sinne darstellen kann, da es hier
um Heilung und Zuwendung geht. Auch handelt es sich um kein Verhältnis auf „Augenhöhe“, da der
Patient häufig nicht weiß, was das Beste für ihn ist. Das wissen unter Umständen nur Sie. Der
Kundenbegriff bleibt demnach eine schwierige Thematik.
Für den Prozessverbesserer ist die Sache jedoch ganz einfach. Für wen die Leistung erbracht wird, der
ist auch der Kunde und der steht im Vordergrund. In unserem Fall ist das der Patient! Der Patient ist
also der Kunde unserer gesundheitlichen Leistung.
Was will dieser Kunde nun von uns/mir? Er will Heilung; er will Zuwendung; er will Diagnostik; er will
Medikamente; er will Pflege usw. Alle diese Tätigkeiten bezeichnet der Verbesserer mit dem Wort
„Wertschöpfung“. Meint also, wann immer wir diese Art von Tätigkeiten ausüben, erzeugen wir
Werte im Sinne des Kunden (Patienten). Führen wir hingegen Tätigkeiten aus, die nicht dieser
Kategorie entsprechen, also keinen direkten Wert für den Kunden erzeugen, bezeichnet der
Verbesserer diese Tätigkeit als „Verschwendung“ oder als „notwendige Nichtwertschöpfung“. In
seinen Augen erhöhen diese Tätigkeiten zwar die Kosten im Krankenhaus, weil sie die kostbare
Arbeitszeit der Mitarbeiter verbrauchen; sie erzeugen jedoch keinen Mehrwert im Sinne des
Patienten. Würde man den Patienten genau nach diesen Tätigkeiten fragen, würde er sagen, er
persönlich brauche diese nicht.
Beispiele für „Verschwendung“ sind: Warten auf andere Kollegen oder Diagnostik, Gehen zum
Materialschrank, Transportieren von Materialien, Nach- und Doppelarbeiten, übertriebene
Diagnostik und ungenutztes Mitarbeiterwissen. Als „notwendige Nichtwertschöpfung“ könnten
Dokumentationen, Übergabegespräche, Übergabezettel, Drucken usw. gelten. Diese benötigen wir
im Arbeitsablauf, doch der Patient hat unmittelbar nichts von Ihnen. Sie dienen nicht der Heilung
oder bedeuten nicht Zuwendung. Sie repräsentieren lediglich unseren derzeitigen
Organisationsstand. Sollten wir beispielsweise eine elektronische Akte einführen, würde eine Vielzahl
von Doppeldokumentationen wegfallen und der Prozess würde sich beschleunigen. Wir würden
weniger kostbare Zeit für diese Tätigkeiten ausgeben müssen.
Spätestens jetzt wird klar, warum die Frage der Verschwendung oder besser Wertschöpfung so
interessant ist, sowohl für den Kunden also auch für uns. Je weniger Tätigkeiten/Zeit wir für die nicht
wertschöpfenden oder verschwenderischen Arbeiten aufwenden, desto mehr Zeit haben wir für den
Patienten oder andere Dinge. Das spart unsere Zeit und gleichzeitig Kosten für das Haus. Wir nutzen
also den Tag besser für die eigentliche Aufgabe von Ärzten und Pflegekräften aus. Ein weiterer Effekt
von wenig Zeitverschwendung ist außerdem, dass der Patient schneller durch den
Krankenhausprozess gelangt. Er bekommt schneller die Diagnostik, die Dokumentation verbraucht
weniger Zeit und der Arzt kann öfter beim Patienten sein und die Therapie anpassen.
Der Begriff Verschwendung wertet also nicht das persönlich Engagement oder beschreibt die
Tätigkeitsgüte, sondern er beschreibt, wie viel der Arbeitszeit mit Tätigkeiten für den Patienten im
Sinne einer Werterhöhung (Heilung…) aufgewendet werden und wie viel Zeit dagegen beim aktuellen
Prozess für Kostenerhöhung/Verschwendung verbraucht wird.
Der Verschwendungsbegriff hilft uns, Potenzial zur Verbesserung zu identifizieren. Alles, was nicht
wertschöpfend ist, lohnt es, auf Verbesserung hin zu untersuchen. Kann die Dokumentation
vereinfacht werden? Kann das Material näher an den Patienten gebracht werden? Kann ein Warten
auf den fehlenden Arzt bei der Visite reduziert werden? Können Doppelarbeiten durch
Absicherungen vermieden werden? Können Transporte zur Diagnostik durch bessere räumliche
Anordnung reduziert werden? Die „Wertschöpfungs- oder Verschwendungsbrille“ erzeugt eine neue
Sicht auf die Dinge und bringt Handlungsmacht. Sich mit Verschwendung bzw. notwendiger
Nichtwertschöpfung auseinanderzusetzen heißt also, sich mit den täglichen Zeitfressern und den
Kostentreibern zu befassen und eröffnet Möglichkeiten.
Stufe 2: Ich habe über Verschwendung nachgedacht und möchte Sie
reduzieren!
Innerlich mit dem Wunsch versehen, die leidige Verschwendung endlich mal anzugehen, stellt sich
nur die Frage, wie? Dafür sind 5 Schritte notwendig: 1. Richtung verstehen, 2. Istzustand ermitteln, 3.
Sollzustand definieren, 4. Umsetzen und 5. Dranbleiben
1. Richtung: Befragen wir wieder den Prozessverbesserer, wird dieser antworten, dass wir als erstes
die Richtung unserer Verbesserung verstehen müssen. Wo soll es hin gehen? Was wollen wir
erreichen? Was soll Teil unserer Verbesserungen sein und was nicht? Sie werden schnell feststellen,
dass es häufig eine Vielzahl von Möglichkeiten gibt. Die, um die es gehen soll, bezeichnen wir im Lean
Management häufig mit „Nordstern“. Dieser soll unsere Verbesserungen auf ein gemeinsames Ziel
ausrichten und somit einen Gleichklang der Verbesserungen erzeugen. Ansonsten will der eine nach
Westen, der andere nach Süden und ein Dritter nach Osten. Das kann für jeden Einzelnen ein guter
Weg sein, bringt jedoch das Gesamtsystem in Schwierigkeiten. Denn alle arbeiten unter einem
gemeinsamen Dach - dem Krankenhaus. Und hier sollte der Patient im Fokus stehen. Wie können wir
als Haus erfolgreich sein, wenn sich jeder im Hinblick auf seine Richtung optimiert? Passt das dann
auch zusammen? Es ist also wichtig, dass wir unseren Verbesserungsbemühungen eine gemeinsame
Richtung vorgeben. Dieser sogenannte Nordstern wird anschließend noch in Zwischenetappen
runterbrechen zu sein, doch dazu später.
Aus Lean-Management-Sicht ließe sich ein Nordstern für das Krankenhaus wie folgt beschreiben:
 100 % Wertschöpfung: Wie arbeiten alle daran, dass idealerweise die gesamte Arbeitszeit für
den Kunden verbraucht wird. 100 % Wertschöpfung heißt im Umkehrschluss 0 %
Verschwendung.

Null Fehler: Alle Tätigkeiten sollen den Kunden immer zufriedenstellen, sowohl medizinisch
als auch prozessual. Wir wollen keine Kraft/Energie in Nacharbeit und Korrekturen stecken.
 Keine Infektionen: Kein Patient infiziert sich in unserem Krankenhaus mit fremden Keimen.
Unsere Hygienevorkehrungen sind perfekt.
 100 % Verfügbarkeit: Alle Geräte und Einrichtungen stehen technisch jederzeit zur
Verfügung. Sie sind stets gewartet und betriebsbereit. Technische Ausfälle kommen nicht vor
oder wirken sich durch organisatorische Maßnahmen nicht aus.
 Flexibilität: Unsere Prozesse sind so organisiert, dass wir jederzeit flexibel auf die
Kundenwünsche reagieren können.
 Mitarbeiterzufriedenheit: Die Mitarbeiter sind das höchste Gut im Krankenhaus. Sie
versorgen die Patienten; sie repräsentieren das Haus; sie haben die Fachkenntnisse und sie
haben uns viel Kraft bei der Einarbeitung gekostet. Sie machen aus den toten Einrichtungen
und Prozessen ein lebendiges Krankenhaus. Ihre Zufriedenheit ist uns deshalb wichtig.
 Pull (Ziehen): Alle Tätigkeiten werden aufgrund von Kundenwünschen bzw. echten
Verbräuchen erzeugt. D.h., wir schieben keine Patienten einfach in den nächsten Bereich,
obwohl dieser voll ist. Wir erzeugen keine Leistung, wenn diese nicht aktuell abgefordert
wird. Wir nehmen keine Patienten auf, obwohl die Rettungsstelle voll ist oder alle Betten
bereits belegt sind. In einem ziehenden Prozess führt beispielsweise ein freies Bett dazu, dass
wir einen neuen Patienten versorgen können. Weil wir einen neuen Patienten versorgen
können, können wir einen Patienten aufnehmen usw. Stellen Sie sich eine Eimerkette beim
Löschen vor. Nur wenn der Letzte in der Kette einen Eimer ins Feuer gießt, können alle einen
Eimer weiterreichen. Die Kette funktioniert nur so perfekt.
Durch die o. g. sieben Merkmale unseres Nordsterns können wir nun leichter erkennen, woran wir
arbeiten müssen. Gleichzeitig wird nun deutlich, wenn wir eine „falsche“ Verbesserung durchführen
wollten. Eine Vergrößerung der Verpackungseinheiten von Einwegkanülen zwecks Kostenersparnis
im Einkauf beispielsweise wäre auf einmal zu hinterfragen, da dies eine Vergrößerung der Bestände
und des Flächenbedarfs im Schwesternzimmer (beides Verschwendungsarten) verursachen würde.
Der Teilaspekt „100 % Wertschöpfung“ würde also missachtet werden und uns nicht näher an den
Nordstern heranbringen, sondern eine andere Verbesserungsrichtung anstreben.
Die Beschreibung des Nordsterns verdeutlicht uns somit einerseits unsere Handlungsoptionen und
andererseits bewahrt er uns vor „Fehlverbesserungen“.
2. Istzustand: Nachdem die Richtung der Verbesserungsaktivitäten gefunden wurde, müssen wir uns
um die Beurteilung des Istzustandes kümmern. Hierfür werden Analysen benötigt, die uns am besten
mit Zahlen, Daten und Fakten versorgen. Neben den vielen Detailanalysen würde uns der
Prozessverbesserer vermutlich folgende Analysen für einen guten Überblick ans Herz legen:
Wertstromanalyse, Kreidekreisanalyse, Tätigkeitsanalyse und Wegediagramm.
 Die Wertstromanalyse ist ein Werkzeug, um Gesamtprozesse darzustellen. Hierbei sollen
sowohl der physische Fluss von Patienten als auch der Informationsprozess in einer
gemeinsamen Darstellung (vom Eingang bis zum Ausgang) zusammengefasst werden. Als
typisches Ergebnis wird die Gesamtdurchlaufzeit (manchmal Verweildauer) und die dabei
aufgewendete Behandlungszeit (Wertschöpfung) ermittelt. Bei einer tatsächlich
durchgeführten Analyse betrug die Verweildauer eines internistischen Patienten 9 Tage,
wovon der Patient nur 1,2 Tage „Behandlung/Zuwendung“ erfahren hat. Für jede
Behandlungsminute musste er also 7 Minuten warten. Diese Wartezeit stellt das eigentliche
Verbesserungspotenzial dar.
 Bei der Kreidekreisanalyse handelt es sich um eine Beobachtung in Form einer freien Analyse
ohne Formatvorlagen. Im Allgemeinen werden nur ein leeres Blatt und ein Stift verwendet,
um über einen längeren Zeitraum (z. B. 2 Stunden) alle gemachten Beobachtungen bei der
Prozessbeobachtung zu dokumentieren. Dies könnten beispielweise sein: hektische
Arbeitsweise, viele Störungen durch Telefonate, Hygienemängel, Doppeldokumentationen,
schlechte Arbeitshöhe der Medikamente usw. Diese werden im Anschluss priorisiert und
bewertet.
 Bei der Tätigkeitsanalyse handelt es sich um eine genauere Analyse der Tätigkeiten am
Arbeitsplatz. Hierfür bieten sich zwei grundsätzliche Möglichkeiten an - die
Arbeitsschritteanalyse und die Mehrfachmomentaufnahme. Bei ersterer werden die
einzelnen Tätigkeiten genau in der durchgeführten Reihenfolge dokumentiert und
anschließend nach „wertschöpfend“ und „Verschwendung“ unterschieden. Alle nicht
wertschöpfenden Tätigkeiten werden anschließend auf Optimierung hin untersucht. Häufig
beträgt der Anteil der Wertschöpfung weniger als 30 %.
Bei der Mehrfachmomentaufnahme wird die Arbeitsaufgabe in Kategorien eingeteilt
(Behandeln, Dokumentieren, Gehen, Nacharbeit, Vorbereiten, Warten, …) und anschließend
durch mehrfache Stichproben der aktuellen Tätigkeitsart ein Verhältnis ermittelt. Bei einer
tatsächlich durchgeführten Analyse wurde beispielsweise folgendes Ergebnis für einen 8Stunden-Tag ermittelt: 1,5 h Behandlungs-/Zuwendungszeit, 2 h Informationsaustausch/suche, 20 min Ablage, 3,5 h Dokumentation/ Leistungsanforderung, 0,5 h Patiententransport
und 20 min Vorbereitung. Der hohe Dokumentations- und Anforderungsumfang war hier
beispielsweise ein zentrales Handlungsfeld.
 Mit Wegediagramm bezeichnet man visuelle Darstellungen von Laufwegen innerhalb eines
Arbeitsplatzlayouts. Es werden alle Laufwege, die für einen Prozess notwendig sind, in einem
Layout/Grundriss eingezeichnet. So können unnötige Wege, schlechte
Arbeitsmittelanordnungen und Hauptverkehrsströme identifiziert werden. Als Ergebnis wird
neben der visuellen Darstellung stets auch die Summe der gelaufenen Meter angegeben.
Hier kommen schnell einige Kilometer pro Tag zusammen.
Anhand der o. g. Analysen haben wir ein ziemlich genaues Bild unserer Arbeit erhalten. Wir kennen
die Gesamtsicht auf das Krankenhaus (Wertstromanalyse), wir haben allgemeine
Verbesserungserkenntnisse anhand der Kreidekreisanalyse gewonnen, wir kennen einzelne
Arbeitsschritte in Ihrer täglichen Verteilung (Mehrfachmomentaufnahme), wir haben eine detaillierte
Sicht auf die einzelnen Tätigkeiten hinsichtlich der Wertschöpfung und Verschwendung erhalten
(Arbeitsschritteanalyse) und wir kennen die Wegesituation bzw. die Güte der
Arbeitsmittelanordnung (Wegediagramm). Damit lässt sich nun eine Menge anfangen.
3. Sollzustand: Nun geht es darum, den Sollzustand zu definieren. Wir haben zwar im ersten Schritt
die Richtung definiert, doch diese ist zu weit weg und damit unerreichbar. Wir benötigen also ein
Teilziel oder eine herausfordernde Etappe auf dem Weg Richtung Nordstern. Hierfür bietet sich ein
Verbesserungsschritt an, der gerade noch nicht erreichbar scheint. Er soll uns herausfordern, aber
gleichzeitig nicht so unerreichbar, wie der Nordstern sein. So können wir Verbesserungsenergie und
Kampfgeist bei den Beteiligten wecken. Wenn das Etappenziel zu leicht ist, kommen nur bekannte
Lösungen und Ideen heraus. Dann betreten wir nur bekannte Pfade und die Verbesserungsaktivitäten
langweilen uns und bringen uns nur wenig voran. In einer Rettungsstelle in einem Krankenhaus
wurde als Etappenziel die Halbierung der Durchlaufzeit angestrebt. Sie lag vorher bei ca. vier Stunden
(Ankunft bis Entlassung bzw. stat. Aufnahme) und sollte auf zwei Stunden reduziert werden. Dieses
Ziel war eine enorme Herausforderung und führte zu neuen Pfaden. So wurden beispielsweise
Umbauten, neue Raumaufteilungen, neue Arbeitsaufgabenverteilungen, eine neue
Patientensteuerung und ein neuer Umgang mit der Ressource Zeit durchgeführt bzw. implementiert.
Vieles davon wäre am Anfang nicht vorstellbar gewesen. Im Ergebnis wurde durch die kurze
Durchlaufzeit außerdem eine Fallzahlsteigerung im zweistelligen Prozentbereich erzielt.
4. Umsetzung: Das Etappenziel ist benannt und soll nun realisiert werden. Jetzt gilt es, Ideen,
Maßnahmen und Verbesserungen zu finden, die uns in Richtung des Etappenziels bringen. Hierbei
können die zuvor durchgeführten Istanalysen die notwendigen Handlungsoptionen liefern. Was
verschwendet unsere Zeit? Wie können wir Wartezeiten vermeiden? Wie können wir besser mit
einander kommunizieren? Wie können wir uns besser organisieren?
Die Zahlen, Daten und Fakten der Istanalyse müssen gemeinsam mit den Mitarbeitern durchforstet,
geknetet und auf mögliche Verbesserungen hin untersucht werden. Viele kleine
Einzelverbesserungen müssen zusammengetragen, bewertet, ausprobiert und umgesetzt werden.
Der Prozessverbesserer würde uns wahrscheinlich empfehlen, sowohl große Sprünge (z. B.
Umbauten oder Personalumstrukturierungen) als auch viele kleine Verbesserungen (z. B.
Standardisierung der Abläufe, Optimierung der Arbeitsplatzorganisation, Visualisierung der
Patientenwartezeiten, Einführung einer täglichen Teambesprechung, usw.) durchzuführen. Die
großen Sprünge sind häufig notwendig, um die grundsätzlichen Voraussetzungen für die neuen
Abläufe zu schaffen. Die vielen kleinen Verbesserungen dagegen setzen die einzelnen Details um und
erhalten die Verbesserungsenergie bei den beteiligten Mitarbeitern wach. Sie erzeugen eine hohe
Erfolgsdichte. Jede erfolgreiche Verbesserung bringt Befriedigung und macht Lust auf mehr. Hierbei
ist es zwingend erforderlich, dass die Verbesserungen anhand von Zahlen, Daten und Fakten messbar
und für alle transparent gemacht werden. Ansonsten gehen sie im Arbeitsalltag unter und die
Verbesserungsaktivitäten verlaufen im Sande.
5. Dranbleiben: Wir haben jetzt die angestrebte Verbesserung umgesetzt und sind stolz auf das
Erreichte, mit Recht! Wir haben neben der eigentlichen Arbeit viel Kraft und Mühen in die
Verbesserung gesteckt. Wir haben wahrscheinlich Überstunden gemacht, haben mit vielen
Mitarbeitern diskutiert, haben Überzeugungsarbeit geleistet, haben uns über die eigenen Wünsche
zum Wohle des Gesamtsystems hinweggesetzt, haben den neuen Ablauf bei allen Beteiligten
eingeschliffen und sind sicherlich auch ein wenig müde. Wir sind im wahrsten Sinne des Wortes
fertig.
Was jetzt folgt ist die Aufgabe des „Betreuens“. Jedes noch so gute System muss durch
Energieeinsatz am Leben bzw. funktionieren gehalten werden. Neue Probleme müssen beseitigt,
Schwierigkeiten überwunden und die Disziplin aufrechterhalten werden. Alle Systeme neigen zum
Zerfallen. Das ist sowohl in der Natur als auch im Arbeitsleben der Fall. Der Lohn für diesen
Energieeinsatz ist, dass wir dauerhaft dem Nordstern ein Stück näher gekommen und anteilig mehr
Arbeitszeit für die Heilung/Betreuung des Patienten aufwenden können. Gleichzeitig haben wir die
Wirtschaftlichkeit des Krankenhauses gestärkt und die Patienten zufriedener gemacht. Der Preis
lohnt sich. Der Prozessverbesserer würde sagen, dass wir uns auf dem Weg des KVP, d. h. der
kontinuierlichen Verbesserung begeben haben, und das ist gut so.
Stufe 3: Was muss ich tun, damit aufgedeckte Verschwendung
dauerhaft reduziert wird?
Jeder kennt das Problem der Projekte. Sie kommen und sie gehen. Langjährige Mitarbeiter fragen
sich bei Veränderungen schon lange nicht mehr, ob die im Projekt erarbeiteten Lösungen dauerhaft
Bestand haben werden oder nicht. Sie wissen genau, dass demnächst „eine neue Sau durch’s Dorf
getrieben werden wird“. Dementsprechend ist die Reaktion/Begeisterung eher nicht mit dem Wort
„euphorisch“ zu beschreiben.
Am Ende eines Projekts haben wir viele Stunden und Tage an Zeit und Energie investiert (Analysen,
Ideensammlung, Diskussionen, Tests, Umsetzungen usw.). Der neue Prozess wird nun nach bestem
Wissen und Gewissen wie geplant betrieben. Können wir akzeptieren, dass das alles wieder zerfällt?
Sicher nicht! Wir müssen also etwas anders machen.
Große Ankündigungen, Workshops, Projektpläne mit Projektleitern, teure Berater,
Mitarbeiterschulungen und nachfolgende Kontrollen oder Audits hat jedes Verbesserungsprojekt,
egal nach welcher Methode. Beim Lean-Management-Ansatz gehören neben der reinen
Verbesserung immer folgende Elemente dazu:
 Wir wollen eine KULTUR schaffen, die dauerhaft nach Verbesserung strebt. Die einmalige
Verbesserung ist nur ein Schritt auf dem Weg Richtung Nordstern.
 Wir sehen die MITARBEITER als unser wertvollstes Gut an und beteiligen und stärken sie
deshalb im Rahmen der Verbesserungsarbeit.

Wir wollen eine FÜHRUNGsstruktur/ -kultur, die den verbesserten Prozess aktiv lebt, fordert
und fördert.
Wenn wir also wollen, dass Verschwendung permanent erkannt und nachhaltig reduziert wird,
dürfen wir uns nicht nur um den reinen PROZESS kümmern, sondern müssen auch die Mitarbeiter
und die verantwortlichen Führungskräfte fortlaufend mit einbeziehen. Sie müssen in die Lage
versetzt werden, Verbesserungsarbeit zu einem festen Teil ihrer täglichen Arbeit und ihres Handelns
zu machen. Dann wird der Kapazitätseinsatz des Verbesserungsprojektes kompensiert und sogar
überkompensiert. Jede Verbesserung wird weitere Verbesserung erzeugen und somit zu einer
Verbesserungslawine führen. Um dies Wirklichkeit werden zu lassen, bieten sich folgende Elemente
an:
 Transparenz bei den Mitarbeitern schaffen (Worum geht es? Was ist das Ziel? Was ist meine
Rolle bei der Zielerreichung?)
 Wissen bei den Mitarbeitern aufbauen (Analysen, Leanprinzipien, Visualisierung,
Problemlösung)
 Übung in der Anwendung geben (Theorie mit eigener Praxis verbinden)
 Führungskräfte als Unterstützer, Berater und Coach des Prozesses etablieren (ohne und
gegen sie wird kein Prozess auf Dauer bestehen können)
 Vorbild für die Kollegen sein (Begeisterung, Disziplin, Interesse an Routinetätigkeiten sind
wesentliche Skills der Führungskräfte in schlanken Prozessen)
 Changemanagement aktiv betreiben (das Herz ansprechen, positive Beispiele finden,
Veränderung ermöglichen und Vertrauen schaffen)
Diese Elemente müssen nun so in Zusammenhang gebracht werden, dass die Verbesserung klar,
verständlich, nachvollziehbar und nachhaltig wird.
Die Vision gibt die Richtung vor. Die Transparenz über die Ziele und der eigenen Rolle schafft das
Vertrauen für die Verbesserungsarbeit. Die positiven Beispiele und das aktive Auseinandersetzen mit
dem notwendigen Changemanagement stellen die Bereitschaft/Begeisterung der Mitarbeiter sicher.
Die Beteiligung und Schulung der Mitarbeiter fördern einen tragfähigen Soll-Prozess bei
gleichzeitigem internem Wissensaufbau. Die Unterstützung der Führungskräfte und deren
förderndes/forderndes Begleiten des Prozesses sorgen für den notwendigen Zug/Sog. Der Zug/Sog
sorgt dafür, dass die Mitarbeiter die schwierige Phase des Überganges vom alten zum neuen Prozess
schaffen und stellt die Einhaltung der neuen Standards sicher. Die Einhaltung bewirkt die nachhaltige
Transformation von der alten Kultur (gleichgerichtetes Verhalten der Mitarbeiter) in die neue Kultur.
Die Mitarbeiter üben dann den neuen Prozess in der gleichen Routine, wie im alten Prozess aus. Die
erwartete Verbesserung tritt tatsächlich ein und die erzeugte neue Routine bedeutet Nachhaltigkeit
für das Ergebnis. Etwaige Änderungsbedarfe oder notwendige Anpassungen aufgrund von
geänderten Bedingungen können durch die Mitarbeiter und Führungskräfte selbständig bearbeitet
werden. Das erlangte Wissen im Verbesserungsprozess ist hierfür die Basis.
Nachhaltigkeit ist das Ergebnis von gelebter Führung.
Sollten Sie Interesse an der Ausbildung der eigenen Mitarbeiter zum Prozessverbesserer haben,
schauen Sie doch mal in unser Ausbildungsprogramm.
http://leango.de/ausbildung
Andreas Scholz, LEANGO-Unternehmensberatung