Fall 2
(BGH NJW 1997, 2679 – Die Besten) Bei K handelt es sich um die
Bayerische Landesärztekammer. Sie geht gegen B, den Chefredakteur
des Nachrichtenmagazins „F." vor. In Heft Nr. 6/93 dieses Magazins
wurde auf dem Titelblatt die Artikelserie „Die 500 besten Ärzte
Deutschlands" angekündigt. In dem Heft wird die Serie, die 13 Folgen
umfassen soll, zunächst vorbesprochen. Als Kriterien für die Auswahl
der "besten" Ärzte werden die Häufigkeit des Eingriffs, die
wissenschaftliche Reputation, die Empfehlungen von Ärzten und die
Teilnahme an Kongressen genannt. Zugleich werden unter der
Überschrift „Die 500 besten Ärzte Teil I: Spezialisten für
Herzkrankheiten" 46 Mediziner unter Angabe ihres Namens und ihrer
Wirkungsstätte in einer Tabelle mit den Auswahlkriterien vorgestellt.
Sechs Professoren werden abgebildet. Die genannten Ärzte haben an
der Veröffentlichung selbst nicht mitgewirkt. K verlangt von B
Unterlassung der Veröffentlichung der Artikelreihe; sie hält diese für
getarnte Werbung. Kann K dagegen vorgehen und wenn ja, wie
erfolgt dies praktisch?
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Lösungsskizze Fall 2 (1)
Anspruch der K gegen B aus § 8 Abs. 1 Satz 1 iVm. §§ 3, 4
Nr. 3 UWG.
1. Aktivlegitimation nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG
Problem: K vertritt die Interessen von Freiberuflern und
nicht von Gewerbetreibenden.
Beachte Normwortlaut: Auch ein Verein zur Förderung
selbständiger beruflicher Interessen ist erfasst. Grund: Die
Ordungsaufgabe des Wettbewerbsschutzes greift auch hier.
2. Geschäftliche Handlung nach § 3 Abs. 1, 2 Abs. 1 Nr. 1
UWG?
(a) Verhalten eines Trägers
(b) zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens
(c) vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss
d) Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren bzw.
die Durchführung eines Vertrages über Waren. Problem:
Marktbezug oder Ausübung der Pressefreiheit nach Art. 5
Abs. 1 Satz 2 GG? Beachte: Es kommt für § 2 Abs. 1 Nr. 1
UWG nicht auf eine subjektive Wettbewerbsabsicht an.
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Lösungsskizze Fall 2 (2)
Grundsätzlich Interessenkonflikt:
(1) Journalistische Aussagen über Marktteilnehmer und
ihre Angebote können die Wettbewerbschancen der
Marktteilnehmer objektiv beeinflussen.
(2) Dennoch muss die wertsetzende Bedeutung des Art. 5
Abs. 1 Satz 2 GG in der Zivilrechtsordnung beachtet
werden (vgl. auch das Presseprivileg nach § 9 Satz 2
UWG)
=> Konsequenz: Journalistische Tätigkeit stellt dann eine
geschäftliche Handlung dar, wenn sie nicht nur im
Kernbereich des Art. 5 I 3 GG stattfindet, sondern darüber
hinausgehend (durch Unterschreitung des Mindestmaßes der
journ. Recherchepflicht, durch Unsachlichkeit, nicht zu
rechtfertigende
Rechtsverletzungen
usw.)
in
das
Marktgeschehen eingreift (sog. werblicher Überschuss ohne
sachliche Rechtfertigung).
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Lösungsskizze Fall 2 (3)
Vorliegender Fall:
Grobe Verletzung der journalistischen Recherchepflicht, die
zu
einem
werblichen
Überschuss
auf
Kosten
von
Sachinformation geht.
Beruht vorliegend auf dem unausgewogenen Verhältnis
zwischen der werbeartigen Anpreisung der vermeintlich
besten Ärzte Deutschlands
und
dem geringen Grad an journalistischer Sorgfalt bei der
Ermittlung
des
Rangverhältnisses;
denn
die
zugrunde
liegenden Kriterien lassen keinen sachbezogenen Schluss auf
die Qualität der Ärzte zu.
Zwischenergebnis: Gemessen am Schutzzweck des § 3 Abs.
1 UWG muss die Äußerung der K auf Rechtmäßigkeit hin
kontrolliert werden können.
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Lösungsskizze Fall 2 (4)
3. Unlauterkeit nach § 3 Abs. 1 UWG
a) Voraussetzungen des § 4 Nr. 3 UWG
Problem: Wird hier der Werbecharakter von geschäftlichen
Handlungen verschleiert?
a) Die Maßnahme stellte eine geschäftliche Handlung iSd.
§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG dar und hat folglich
geschäftlichen Charakter iSd. § 4 Nr. 3 UWG.
b) Handelt es sich um eine Werbemaßnahme?
Problem:
Es
könnte
Journalismus
sich
handeln,
einfach
nicht
um
aber
schlechten
um
eine
Werbemaßnahme.
Werbung = Handlung, die auf Absatzförderung zielt (vgl.
Art. 2 lit. a Werbe-RL 2006/114/EG
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Lösungsskizze Fall 2 (5)
Beachte: Der Begriff der getarnten Werbung ist nach Art. 7
Abs. 2 UGP-Richtlinie besonders weit auszulegen:
Als irreführende Unterlassung gilt es auch, wenn ein Gewerbetreibender ... den
kommerziellen Zweck der Geschäftspraxis nicht kenntlich macht, sofern er sich
nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt, und dies jeweils einen
Durchschnittsverbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst oder
zu veranlassen geeignet ist, die er ansonsten nicht getroffen hätte.
Köhler/Bornkamp § 4 Rn. 3.10: Es genügt bereits die
Verschleierung des geschäftlichen Charakters i.S.d. § 2 Abs. 1
Nr. 1 UWG und es kommt nicht darauf an, dass hier
zielgerichtet Werbung betrieben wird.
=> Der Begriff der Werbung muss vor allem anhand des
Normzwecks von § 4 Nr. 3 UWG konkretisiert werden
Es geht darum, eine informierte Entscheidung der Verbraucher
zu ermöglichen. Dazu gehört auch, dass die Verbraucher den
Wert einer Informationsquelle beurteilen können. Einer
journalistisch aufbereiteten Information vertrauen sie mehr als
einer Information, die nicht journalistisch geprüft ist.
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Lösungsskizze Fall 2 (6)
Konsequenzen aus dem Normzweck
! Für den Charakter als Werbemaßnahme kommt es nicht
entscheidend
auf
die
Motive
der
Journalisten
(Werbeabsicht) an.
! Entscheidend ist der objektive Einfluss auf die
informierte Verbraucherentscheidung nach § 3 Abs. 2
Satz 1 UWG. Verbraucher oder des Verlegers an,
sondern auf die nach außen entfaltete Wirkung.
Anwendung auf den vorliegenden Fall:
(1) Objektiv betrachtet fördert der Artikel den Absatz von
Dienstleistungen der darin hervorgehobenen Ärzte.
Insoweit hat er Werbecharakter
(2) Der Zweck des § 4 Nr. 3 UWG ist ebenfalls berührt,
weil hier Fehlvorstellungen über den Wert der
Informationsquelle erzeugt werden: Was äußerlich wie
das Ergebnis einer journalistischen Recherche wirkt,
ist es nicht.
=> Insgesamt liegt „Werbung“ i.S.d. § 4 Nr. 3 UWG vor.
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Lösungsskizze Fall 2 (7)
c) Verschleierung
Entscheidend: Sichtweise eines vernünftigen Verbrauchers an
(§ 3 Abs. 2 Satz 2 UWG): Kann dieser den Werbecharakter
der geschäftlichen Handlung nicht erkennen, liegt eine
Verschleierung vor. Auf Verschleierungsabsicht kommt es
nicht an.
Problem: K nennt die Kriterien für die Beurteilung der Ärzte
in seinem Artikel. Ein durchschnittlicher Verbraucher muss
u.U. erkennen, dass diese journalistischer Sorgfalt nicht
genügen.
Aber: Der Artikel spricht zwei Gruppen von Lesern an:
diejenigen, die sich für die Berichterstattung der B im
Detail interessieren, weil sie akut betroffen sind und sich mit
den Informationen genau auseinandersetzen. Diese studieren
den
Artikel
und
erkennen
Seriositätsproblem.
8
das
journalistische
Lösungsskizze Fall 2 (8)
Daneben tritt aber der Kreis der flüchtigen Leser, die sich –
von einschlägigen Problemen nicht betroffen – den Namen
eines genannten Facharztes in ihrer räumlichen Nähe einfach
als für künftige Fälle einprägen, sich für den Artikel als
solchen aber nicht näher interessieren.
! Diesem
zweiten
Teil
gegenüber
wird
der
Werbecharakter verschleiert.
d) B als Chefredakteur verantwortlich? Grundsätzlich
haften jurist.Pers. auch im UWG nach § 31 BGB für ihre
Repräsentanten (= jede Person, die für die jurist.Pers.
Führungsaufgaben wahrnimmt; Köhler, in Köhler, Bornkamm,
UWG, § 8 Rn. 2.19). Daneben ist der Repräsentant selbst
jedoch ebenfalls für seine Handlung verantwortlich, weil er
die gegen das UWG verstoßende Verletzungshandlung steuert
(Köhler
aaO.
Rn.
2.20).
Im
Rahmen
Unterlassungsanspruchs ist er Handlungsstörer!
9
des
Lösungsskizze Fall 2 (9)
e) Wiederholungsgefahr nach § 8 Abs. 1 Satz 1 und 2 UWG
Weil B hier eine ganze Serie in diesem Sinne plant, besteht
Wiederholungsgefahr.
f) Eine Verjährung nach § 11 UWG ist noch nicht
eingetreten.
g) Ergebnis: Der Anspruch besteht.
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Zusatzfrage (1)
Wie geht K am besten vor?
Eine Klageerhebung liegt vergleichsweise fern, da bereits
Wochen vergehen würden, bis der Klageschriftsatz der
Gegenseite zugestellt und die Sache rechtshängig würde. Bis
zu einer rechtskräftigen Entscheidung werden u.U. Jahre ins
Land gehen.
Eine Abmahnung nach § 12 Abs. 1 Satz 1 UWG kommt in
Betracht:
Aufforderung
Unterlassungserklärung,
zur
die
Abgabe
ihrerseits
einer
durch
ein
Vertragsstrafeversprechen abgesichert ist. Nachteil: Auch hier
muss eine Frist für die Abgabe der Unterlassungserklärung
gesetzt werden, die abzuwarten ist. Bis dahin ist u.U. bereits
das nächste Heft der Zeitschrift erschienen.
Einstweiliger Rechtsschutz nach §§ 935, 940 ZPO: Vorteil
= rasche gerichtliche Entscheidung. Nachteil: Es droht K eine
Verurteilung
auf
die
Verfahrenskosten,
wenn
B
einstweilige Verfügung sofort nach § 93 ZPO anerkennt.
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die
Zusatzfrage (2)
Fazit:
Kann K mit einem Einlenken von B auf eine Abmahnung hin
rechnen, ist dieser Weg zu wählen, damit das Abwälzen der
Prozesskosten vermieden werden kann.
Ist mit einem Einlenken der B auf eine Abmahnung nicht zu
rechnen, bietet sich der Weg über den einstweiligen
Rechtsschutz nach §§ 935, 940 ZPO an, da rasch eine
vorübergehende rechtliche Klärung zu erreichen ist und keine
wertvolle Zeit verloren geht.
§ 93 Kosten bei sofortigem Anerkenntnis
Hat der Beklagte nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage
Veranlassung gegeben, so fallen dem Kläger die Prozesskosten zur
Last, wenn der Beklagte den Anspruch sofort anerkennt.
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