finden Sie die kompletten Presseunterlagen zum Gespräch.

PRESSEGESPRÄCH
EINE VORSCHAU AUF DAS PROGRAMM DER VIENNALE 2015
22. OKTOBER – 5. NOVEMBER 2015
Wien, 21. August 2015
Sehr geehrte Damen und Herren!
Wir freuen uns, Sie über den aktuellen Stand der Vorbereitungen für die Viennale 2015 zu informieren.
Die Viennale findet in diesem Jahr von 22. Oktober bis 5. November statt.
In den vorliegenden Unterlagen präsentieren wir Ihnen eine erste Vorschau sowie bereits feststehende
Programmpunkte der 53. Ausgabe der Viennale. Darüber hinaus stellen wir Ihnen die Plakatsujets
des Festivals und der Retrospektive vor.
Laufend aktualisierte Informationen finden Sie auf unserer Website www.viennale.at,
Pressematerialien und Fotos zum Download unter www.viennale.at/de/presse/download.
Für alle weiteren Fragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.
Mit besten Grüßen
Das Viennale-Presseteam
[email protected]
Fredi Themel 01/526 59 47-30
Birgit Ecker 01/526 59 47-33
Doris Hochrieser 01/526 59 47-20
Akkreditierungen, ab 24. August:
Doris Hochrieser 01/526 59 47-20
[email protected]
(Annahme der Akkreditierungsanträge bis 2. Oktober)
Viennale
Vienna International Film Festival
Siebensterngasse 2
A-1070 Wien
printed by
VIENNALE 2015
22. OKTOBER BIS 5. NOVEMBER
VIENNALE 2015
Schule des Sehens
HAUPTPROGRAMM VIENNALE 2015
Spielfilme
Dokumentarfilme
CHOREOGRAPHIE DES BEGEHRENS
Ein Tribute an die Schauspielerin Tippi Hedren
DER MANN AUS ITUzAINGó
Raúl Perrone – The Last of the Independents
HOW GREEN WAS MY VALLEY
Der Filmemacher Manoel de Oliveira – Erinnert von Pedro Costa
GESCHICHTEN VOM NÜTzLICHEN LEBEN
Der uruguayische Filmemacher Federico Veiroj
RETROSPEkTIVE
AnIMALS – Eine kleine Zoologie des Kinos
VIENNALE 2015
Schule des Sehens
Das Besondere und Schöne an einem Filmfestival wie der Viennale ist der Umstand, dass es Zerstreuung und
Konzentration in einem ist. Zerstreuung in der Vielfalt, im großen Angebot, im Zugleich der zahlreichen Ereignisse.
Konzentration in der einzelnen, ausgewählten Arbeit, in der spezifischen filmischen Form, in den verdichteten
Programmen. Dieser Widerspruch macht ein Filmfestival aus. Der Gegensatz des Vielen und Einzelnen, ohne deshalb beliebig zu sein. Sich weder cineastischem Spezialistentum noch der filmischen Eventkultur verpflichtet zu
fühlen. Ob die Viennale diesem Anspruch gerecht werden kann, kann ein neugieriges und kritisches Publikum
jedes Jahr aufs Neue überprüfen.
Die Viennale will vor allem eines sein: Schule des Sehens. Aber Schule nicht im Sinne einer didaktischen Anstalt, nicht im Sinne von Belehrung und Erziehung, sondern im Sinne eines Laboratoriums, der Erkundung und
Entdeckung, der Erfahrung und des Staunens. Eine Schule des Sehens und des Erkennens.
NIE YIN NIANG
Hou Hsiao-Hsien, Taiwain/China/Hongkong/
F 2015
ME AND EARL AND THE DYING GIRL
Alfonso Gomez-Rejon, USA 2014
JACO
Paul Marchand, Stephen Kijak, USA 2014
Hauptprogramm Viennale 2015
Je größer das Angebot an Filmen von Jahr zu Jahr wird, desto wichtiger wird die Auswahl, die ein Festival präsentiert. Diese Auswahl umfasst im Falle der Viennale rund 150 neue, aktuelle Langfilme, eine Reihe von Kurzfilmen
sowie einzelne Schwerpunktprogramme. Und selbst dieses umfangreiche Angebot ist nicht mehr als ein Bruchteil
der unübersehbaren weltweiten Produktion.
Wie schon in den letzten Jahren ist das erzählerische und das dokumentarische Kino nahezu gleich stark im
Hauptprogramm der Viennale vertreten, die vielen grenzgängerischen und hybriden Arbeiten, die dazwischen
changieren, inklusive. Es ist Privileg der Viennale, da sie weder über einen Wettbewerb verfügt noch sich einer
filmischen Spezialisierung verschrieben hat, frei und offen programmieren zu können.
So finden sich auch in diesem Jahr vertraute Namen des internationalen Kinos wie Nanni Moretti, Hou HsiaoHsien, Woody Allen, Michael Almereyda und Miguel Gomes neben zahlreichen neuen und neu zu entdeckenden
L’ASTRAGALE
Brigitte Sy, F 2014
RABO DE PEIXE
Joaquim Pinto, Nuno Leonel, P 2015
MIA MADRE
Nanni Moretti, I 2014
Filmemacherinnen und Filmemachern. Und manchmal scheint es, als würde gerade der Overkill an Bildern und
Tönen unserer virtuellen Welten eine überraschende, erfinderische und konzentrierte Filmarbeit provozieren.
Schöne Beispiele dafür sind etwa Filme wie TIRED MOONLIGHT (Britni West), SUEÑAN LOS ANDROIDES (Ion de
Sosa), XIU cHUN DAO (Lu Yang), ME AND EARL AND THE DYING GIRL (Alfonso Gomez-Rejon) oder LU BIAN YE
cAN (Gan Bi). In ihnen ist etwas wie die oben erwähnte Schule des Sehens momenthaft gegenwärtig.
Das Jahr 2015 ist zweifellos kein großes Jahr für das heimische Kino, das hat sich auch auf den diversen
Festivals und im internationalen Vergleich gezeigt. Es ist eher ein Jahr des Durchatmens, das aber dennoch eine
Reihe schöner und ungewöhnlicher Arbeiten hervorgebracht hat, die im Rahmen der kommenden Viennale gezeigt werden, darunter LAMPEDUSA IN WINTER (Jakob Brossmann), AUS DEM NIcHTS (Angela Summereder)
oder SEIT DIE WELT WELT IST (Günter Schwaiger).
Die Sujets der Viennale 2015
Manches internationale Filmfestival hat als Erkennungszeichen ein Tier gewählt. Die Berlinale hat als Wappentier
einen Bären, Rotterdam den Tiger, Lissabon eine Krähe und Locarno den Leoparden, um nur einige zu nennen.
Die Viennale, in diesem Jahr im Besonderen auch ein Festival, das sich den Tieren widmet, schmückt sich 2015
mit einem ausgefallenen Sujet, dem Abbild eines viele Millionen Jahre alten Schädels eines fossilen Krokodils.
Es soll unser Festival in diesem Jahr beschützen und begleiten.
Das Sujet der diesjährigen Retrospektive verweist auf einen legendären Film der Kinogeschichte, auf Alfred
Hitchcocks THE BIRDS . Ein programmatisches Beispiel der heurigen Retrospektive, die wie immer gemeinsam
mit dem Österreichischen Filmmuseum realisiert wird und den Titel „ANIMALS – Eine kleine Zoologie des Kinos“
trägt. Und im Übrigen gar nicht so klein ist. Zugleich ist das Plakat der schöne Anlass, einen der großen Gäste der
diesjährigen Viennale anzukündigen, die legendäre amerikanische Schauspielerin Tippi Hedren.
Viennale 2015
Retrospektive 2015
VIENNALE • FILMMUSEUM
RETROSPEKTIVE
ANIMALS
Eine kleine Zoologie des Kinos
22. OKTOBER BIS 5. NOVEMBER 2015
A1 FREELINE 0800 664 015 • TICKETS AB 17. OKTOBER • WWW.VIENNALE.AT
16. OKTOBER – 30. NOVEMBER 2015
www. viennale.at • www. filmmuseum.at
Österreichisches Filmmuseum
1010 Wien, Augustinerstraße 1, Tel. 533 70 54
Auswahl aus dem Spielfilm-Programm
L’AstRAgALe Brigitte Sy, F 2014
ComoARA Corneliu Porumboiu, RO/F 2015
the DiARy of A teenAge giRL Marielle Heller, USA 2014
the enD of the touR James Ponsoldt, USA 2014
expeRimenteR Michael Almereyda, USA 2015
iRRAtionAL mAn Woody Allen, USA 2015
Kiseiju YAMAZAKI Takashi, Japan 2014
KozA Ivan Ostrochovsky, SLO/CZ 2015
Lu biAn ye CAn Gan Bi, China 2015
Le mAsque De sAn Jacques Sarasin, CH/F/Mali 2014
me AnD eARL AnD the Dying giRL Alfonso Gomez-Rejon, USA 2014
miA mADRe Nanni Moretti, I 2014
DeR nAChtmAhR AKIS, D 2015
nie yin niAng Hou Hsiao-Hsien, Taiwain/China/Hongkong/F 2015
queen of eARth Alex Ross Perry, USA 2015
RAK ti Khon KAen Apichatpong Weerasethakul, Thailand/GB/D/F/Malaysia 2015
RéALité Quentin Dupieux, F/B 2014
suenAn Los AnDRoiDes Ion de Sosa, E 2014
tAngeRine Sean Baker, USA 2014
tiReD moonLight Britni West, USA 2015
tRois souVeniRs De mA jeunesse Arnaud Desplechin, F 2015
VALLey of LoVe Guillaume Nicloux, F 2015
xiu Chun DAo LU Yang, China 2014
Auswahl aus dem Dokumentarfilm-Programm
A poem is A nAKeD peRson Les Blank, USA 1974/2015
AnD when i Die, i won’t stAy DeAD. bob KAufmAn, poet Billy Woodberry, USA/P 2015
bAttLes Isabelle Tollenaere, B/NL 2015
behinD jim jARmusCh Léa Rinaldi, F 2011
bitteR LAKe Adam Curtis, GB 2015
bReAKing A monsteR Luke Meyer, USA 2015
ComA Sara Fattahi, Syrien/Libanon 2015
CLAuDe LAnzmAnn: speCtRes of the shoAh Adam Benzine, GB/Kanada 2015
Counting Jem Cohen, USA 2015
DReAmCAtCheR Kim Longinotto, GB 2015
hotLine Silvina Landsmann, Israel/F 2015
jACo Paul Marchand, Stephen Kijak, USA 2014
the LooK of siLenCe Joshua Oppenheimer, DK/NO/FIN/Indonesien/ GB 2014
the nightmARe Rodney Ascher, USA 2014
posLeDniy Limuzin Daria Khlestkina, RUS /D 2014
RAbo De peixe Joaquim Pinto, Nuno Leonel, P 2015
seit Die weLt weLt ist Günter Schwaiger, A/E 2015
stRiChe ziehen Gerd Kroske, D 2014
the thoughts thAt onCe we hAD Thom Andersen, USA 2015
toponimiA Jonathan Perel, Argentinien 2015
une jeunesse ALLemAnDe Jean-Gabriel Périot, F/CH/D 2015
the woLfpACK Crystal Moselle, USA 2015
Choreographie des Begehrens
Ein Tribute an die Schauspielerin Tippi Hedren
Sie hat im Laufe ihres Lebens über 50 Filme fürs Kino und fürs Fernsehen gedreht, aber genau zwei davon reichten
aus, dass sie für immer Unsterblichkeit erlangt hat. 1962 und 1963 entstanden mit der damals gut 30-jährigen
Tippi Hedren in der Hauptrolle und unter der Regie von Alfred
Hitchcock die beiden legendären Klassiker THE BIRDS und
MARNIE . Der Rest ist Geschichte.
Hitchcock hatte Aufnahmen des blonden Models in einem
Magazin entdeckt und war vom ersten Augenblick an geradezu
obsessiv fasziniert von der jungen Frau. Bis ins kleinste Detail
bestimmte er die Anmutung, die Erscheinung und das Schauspiel der damals unerfahrenen Tippi Hedren, zuerst in der
Rolle der jungen Lehrerin Melanie Daniels in THE BIRDS , danach als die Figur der geheimnisvollen Marnie im gleichnamigen Film. „It’s a remarkable gesturalism“, schrieb camille Paglia über Hedrens Darstellung, „raised to the level of
choreography“. „Hitchcock made her with THE BIRDS and maybe tried to ruin her with MARNIE “, so lautet die
halboffizielle Version jener schließlich an Hitchcocks Wahn legendär gescheiterten Zusammenarbeit, die zugleich
zwei ganz und gar außergewöhnliche Momente der Filmgeschichte markiert.
Mit THE BIRDS als Teil der großen diesjährigen Retrospektive und einer Galavorführung von MARNIE in Anwesenheit von Tippi Hedren erweist die Viennale jener außergewöhnlichen Darstellerin ihre besondere Ehre.
Dass sie aber mehr als die Heldin Hitchcocks war, zeigt unter anderem jenes wilde Tierfilmprojekt ROAR , an dem
Tippi Hedren über 10 Jahre hinweg arbeitete und in dem sie gemeinsam mit ihrer Tochter Melanie Griffith spielt,
ein Werk, das die Viennale in einer raren Vorstellung im Rahmen des Festivals präsentiert.
In Anwesenheit von Tippi Hedren.
Der Mann aus Ituzaingó
Raúl Perrone – The Last of the Independents
Der Vater des argentinischen Independent-Kinos drehte die meisten seiner Filme in (und über) Ituzaingó, eine
kleine, 15 Kilometer westlich von Buenos Aires gelegene Stadt. Ituzaingó hat es Perrones Werken zu verdanken,
dass es heute ein ebenso bedeutender urbaner Filmraum ist wie
etwa Paris und New York für andere Regisseure. In fast 28 Jahren
machte Raúl Perrone über 40 Filme ohne jegliche externe finanzielle Unterstützung. Er zählt zu den wenigen Regisseuren, die
über profunde Kenntnisse des Digitalformats verfügen, was ihm
ermöglicht, eine filmische Logik darin zu begründen. Jede einzelne Aufnahme in seinen Filmen, darunter P3ND3JO5 oder FAVULA , dient als unwiderlegbarer Beweis dafür.
Perrones Arbeiten sind lebende Organismen in permanenter
Permutation. Seine ersten „Barrio“-Filme, die sich durch einen
naturalistischen Stil auszeichnen und auf Worten basieren,
haben wenig mit der experimentellen, formalen Differenziertheit seiner späteren Werke gemeinsam, in denen
Worte außerhalb des Rahmens bleiben und (Gesichts-)Ausdrücke eine hyperbolische Dimension erreichen. Dabei
handelt es sich um Geschichten über Nachbarn, Freunde und Liebe, ominöse Fabeln, die in einem imaginären
(auf einem verlassenen Gelände oder in einer Fabrik inszenierten) Dschungel oder in einem Schloss spielen. Und,
kürzlich, eine Samurai-Erzählung. Die Vielfalt der Themen ist ebenso offensichtlich wie der ästhetische Anspruch
eines Regisseurs, der Film für Film die Sprache des Kinos neu erfindet.
How Green Was My Valley
Der Filmemacher Manoel de Oliveira
Erinnert von Pedro Costa
Im Frühling dieses Jahres starb im Alter von 105 Jahren einer der bedeutendsten Meister des modernen Kinos – der portugiesische Regisseur Manoel de Oliveira.
In seinem Werk, das nahezu die gesamte Filmgeschichte umfasst,
sind das Theater und die Musik, das Dokumentarische und das Erzählerische, Literatur und Malerei, Realismus und Stilisierung, alle
Formen und Geschichten in aller Widersprüchlichkeit eine bis dahin
ungekannte Einheit eingegangen. Die Welt und das Haus, die Geschichte und der Fluss, die Soldaten und die Liebenden, die fernen
Länder und das heimatliche Tal des Douro, wer wird diese Welt jemals
wieder im Kino so wunderbar erstrahlen und erklingen lassen? Zur
Erinnerung an Manoel de Oliveira und als Labour of Love hat der portugiesische Filmemacher Pedro costa auf Einladung der Viennale rund ein Dutzend Filme aus dessen umfassenden Werk ausgewählt, ergänzt um eine Handvoll von Olveiras Lieblingsfilmen von Regisseuren wie Luis Buñuel,
carl Theodor Dreyer, John Ford oder Paulo Rocha.
Diese Filme sind Teil eines größeren, Manoel de Oliveira gewidmeten Programms, das die Viennale und das
Österreichische Filmmuseum mit großzügiger Unterstützung der cinematheca Portuguesa in diesem Herbst gemeinsam veranstalten.
Geschichten vom Nützlichen Leben
Der uruguayische Filmemacher Federico Veiroj
Mit gerade drei Langfilmen und einer Hand voll kurzer Arbeiten ist es dem uruguayischen Regisseur Federico
Veiroj gelungen, innerhalb weniger Jahre ein ganz und gar unverwechselbares, faszinierendes filmisches Oeuvre
zu realisieren. In Montevideo geboren und aufgewachsen zählt Veiroj zu einer kleinen Gruppe von cinephilen,
deren Heimat die dortige cinémathèque war, ein Ort, der nicht zufällig in Veirojs zweitem Film LA VIDA ÚTIL
eine zentrale Rolle spielt. Aber die umfassende und
kenntnisreiche Liebe zum Kino ist für Veiroj alles andere
als cineastischer Selbstzweck, sondern vielmehr Quell eigenständiger, oftmals komischer und mechanischer, zugleich höchst lebendiger und origineller Erzählungen.
Filmische Erzählungen, die von jenen Widersprüchen
handeln, in die sich ein Mensch verstrickt, der versucht,
ein eigenes nützliches und geglücktes Leben zu erfinden.
Ob der 13-Jährige, verwirrte und frühreife jüdische Teenager Bregman in AcNÉ (2008), der arbeitslose Filmvorführer Jorge in LA VIDA ÚTIL (2010), der aus dem Kino der
cinémathèque ins Leben aufwacht, oder der 35-Jährige Tamayo in Veirojs neuestem Film EL APÓSTATA (2015),
ein komischer, verstockter Don Quijote im Kampf gegen Kirche, Familie und Autorität, sie alle sind in Veirojs
wunderbarer und subtiler filmischer Arbeit brothers in arms im Ringen um ein sinnhaftes und glückliches Leben.
Ungewöhnliche Figuren und Zeugen eines ebenso altmodischen wie zugleich utopischen Kinos, das im Rahmen
der kommenden Viennale erstmals in seiner Gesamtheit zu sehen ist.
In Anwesenheit von Federico Veiroj.
RETROSPEkTIVE
ANIMALS
Eine kleine Zoologie des Kinos
Was man ständig sieht, verliert man leicht aus den Augen. Man nimmt das Alltägliche als selbstverständlich hin,
weil man seine Aufmerksamkeit auf das Außergewöhnliche richtet. Dabei kommt es nicht auf die Größe dessen
an, was im Leben des Menschen eine scheinbar untergeordnete Rolle spielt. Es kommt vielmehr auf die Größe
des Menschen an, der sich von seiner Umgebung unterscheiden muss, um sich seiner selbst zu vergewissern. Zu
ebener Erde, hoch in der Luft oder tief im Wasser: Erst der Vergleich – in der Malerei, der Literatur und vor allem
im Kino – macht uns sicher, dass wir das Maß aller Dinge sind. Obwohl doch ein Sprichwort behauptet, der
Mensch sei ein Gewohnheitstier.
Das Kino ist eine Illusionsmaschine mit Erkenntnisgewinn. Dass etwa das galoppierende Pferd einen Augenblick
lang nicht den Boden berührt, wissen wir seit Eadweard Muybridge, doch man braucht in der Geschichte des
Kinos gar nicht bis zu den Anfängen zurückzublicken, um zu sehen, welche Faszination die Darstellung von
Tieren auf der Leinwand auf uns ausübt. Denn diese kommt einer Bändigung gleich, dem Festhalten einer dem
Menschen imgrunde fremden Welt. Nicht zufällig spricht man vom sogenannten Tierreich: einem Reich, das es
auch im Kino seit mehr als hundert Jahren zu erkunden, zu erforschen und zu erobern gilt.
Vom „Tier im Film“ zu sprechen, bedeutet zunächst also immer den Blick auf das Fremde zu richten, so vertraut
es uns auch scheinen mag. „Der Esel durchläuft in seinem Leben dieselben Etappen wie ein Mensch“, schrieb
Robert Bresson über seinen AU HAZARD BALTHASAR , „das heißt Kindheit: Zärtlichkeit. Reife: Arbeit, Talent, das
Genie in der Mitte des Lebens; und die mystische Zeit vor dem Tod.“ Bressons Film ist deshalb einer der schönsten
und zugleich poetischsten Tierfilme, weil er uns das Vertraute im Fremden offenbart. Er zeigt, wie der Mensch
allen anderen Lebewesen Schaden zufügt und sie sich zunutze macht, doch wie er gleichzeitig zu Mitleid und
Empathie fähig ist. Im Umgang mit den Tieren ist für den Menschen, wie für Johnny Weismuller in TARZAN THE
APE MAN, noch nicht alles verloren, und gerne mag manches Tier – vornehmlich der Hund – als des Menschen
bester Freund gelten wie etwa in LASSIE cOME HOME , doch im Kino bildet es den buchstäblich natürlichen Gegenpart zur Zivilsation. Und so rührt das Tier auf der Leinwand vornehmlich an unsere Ängste und unsere Sehnsüchte. Das Tier ist Projektionsfläche und Spiegelbild zugleich.
Eine Retrospektive zum Tier im Film muss alle diese Facetten berücksichtigen, sie muss historisch präzise Meilensteine und Nebenwerke enthalten – und jenen Filmen Augenmerk schenken, welche die Beziehung des
Menschen zum Tier als conditio humana begreifen. Dann liegen plötzlich Dokument und Science Fiction ganz
nahe beieinander, scheinen Frederick Wisemans PRIMATE und Franklin J. Schaffners PLANET OF THE APES
nächste Verwandte. Und werden Utopie und Märchen, etwa die Metamorphose des Menschen in eine monströse
Fliege wie in David cronenbergs THE FLY und jene in eine „Bestie“ wie in Jean cocteaus LA BELLE ET LA BêTE ,
zum Schauplatz fehlender menschlicher Liebe.
Wer das Tier hingegen jagt, weil es größer ist als der Mensch und diesen klein macht, ist auch ein Menschenfeind. Deshalb muss Robert Taylor am Ende von Richard Brooks THE LAST HUNT im Bisonfell erfrieren und
Gregory Peck in John Hustons MOBY DIcK mit seinem größten Feind untergehen. Weil sie nichts anderes mehr
sehen können als das eine Tier – und es nicht mehr aus den Augen verlieren.
Michael Pekler
EIN PROGRAMM VON VIENNALE UND ÖSTERREICHISCHEM FILMMUSEUM
16. Oktober bis 30. November 2015
Österreichisches Filmmuseum, Augustinerstraße 1, 1010 Wien
Tel. 01/533 70 54 • www.filmmuseum.at
Filme der Retrospektive
CLAsh of the woLVes 1925, Noel M. Smith 74 min
ChAng: A DRAmA of the wiLDeRness 1927, Merian C. Cooper & Ernest B. Schoedsack 68 min
tARzAn the Ape mAn 1932, W.S. Van Dyke 100 min
King Kong 1933, Merian C. Cooper & Ernest B. Schoedsack 101 min
gARe! Les Lions! (AChtung! Löwen!) 1912, Lux 5’30’’
bRinging up bAby 1938, Howard Hawks 102 min
the pRiVAte Life of A CAt 1945/46, Alexander Hammid & Maya Deren 29 min
bAmbi 1942, Disney 70 min
LAssie Come home 1943, Fred M. Wilcox 89 min
gooD-bye, my LADy 1956, William A. Wellman 94 min
ReD hot RiDing hooD 1943, Tex Avery 7’30’’
LA beLLe et LA bête 1946, Jean Cocteau 96 min
ReD RiVeR 1948, Howard Hawks 132 min
gone to eARth 1950, Michael Powell & Emeric Pressburger 110 min
CAni DietRo Le sbARRe 1955, Gillo Pontecorvo 12 min
umbeRto D. 1952, Vittorio De Sica 88 min
ein fAbeLtieR fLiegt nACh DeutsChLAnD 1954, Michael Grzimek 11 min
mogAmbo 1953, John Ford 115 min
mysteRies of the Deep 1959, Disney 24 min
gojiRA (goDziLLA) 1954, Ishiro Honda 96 min
ViVe LA bALeine 1972, Chris Marker & Mario Ruspoli 17 min
moby DiCK 1956, John Huston 116 min
ChAsse Aux phoques DAns LA meR De LA tAsmAnie (seehunDjAgD in tAsmAnien) 1910, Pathé 5’30’’
the LAst hunt 1956, Richard Brooks 108 min
une fée … pAs Comme Les AutRes 1957, Jean Tourane 60 min
CAne toADs: An unnAtuRAL histoRy 1988, Mark Lewis 47 min
pAstoRi Di oRgosoLo 1958, Vittorio De Seta 10 min
inDiA, mAtRi bhumi 1957–59, Roberto Rossellini 95 min
KoiyA Koi nAsunA Koi (the mAD fox) 1962, Tomu Uchida 109 min
gLimpses of biRD Life 1910, Oliver Pike 6’50’’
the biRDs 1963, Alfred Hitchcock 120 min
ViDAs seCAs (tRoCKenes Leben) 1963, Nelson Pereira dos Santos 101 min
Au hAsARD bALthAsAR 1966, Robert Bresson 98 min
De VogeLtjesVAngeR (DeR VögLeinfängeR) 1925, N.V. Orion Filmfabriek 5 min
uCCeLLACCi e uCCeLLini (gRosse VögeL – KLeine VögeL) 1966, Pier Paolo Pasolini 88 min
RAt Life AnD Diet in noRth AmeRiCA 1968, Joyce Wieland 16 min
pLAnet of the Apes 1968, Franklin J. Schaffner 112 min
gAAV (Die Kuh) 1969, Dariush Mehrjui 105 min
Kes 1969, Ken Loach 110 min
L’enfAnt sAuVAge 1970, Francois Truffaut 83 min
bAtAiLLe suR Le gRAnD fLeuVe 1951, Jean Rouch 33 min
Le sAng Des bètes 1949, Georges Franju 22 min
Le CoChon 1970, Jean Eustache & J.-M. Barjol 52 min
LA CheniLLe De LA CARotte 1911, Pathé Frères 9 min
LA peine Du tALion 1906, Gaston Velle 6 min
phAse iV 1974, Saul Bass 84 min
De poes (Die KAtze) 1968, Johan van der Keuken 6 min
VAse De noCes 1974, Thierry Zeno 82 min
gRigio 1957, Ermanno Olmi & Pier Paolo Pasolini [Text] 11 min
pRimAte 1974, Frederick Wiseman 105 min
LAst Lost 1996, Eve Heller 12’30’’
KoKo, Le goRiLLe qui pARLe / KoKo, A tALKing goRiLLA 1978, Barbet Schroeder 85 min
the CoRRiDoR 2010, Sarah Vanagt 7 min
AgRAhARAthiL KAzhuthAi (ein eseL im bRAhmAnen-DoRf) 1978, John Abraham 95 min
L’hippoCAmpe, ou ’CheVAL mARin’ 1935, Jean Painlevé 14 min
mon onCLe D’AmeRique 1980, Alain Resnais 126 min
DAs boxenDe KänguRuh 1895, Max Skladanowsky 20’’
the AnimALs fiLm 1981, Victor Schonfeld & Myriam Alaux 136 min [Urfassung]
siD 1998, Jeffrey Scher 3 min
white Dog 1982, Samuel Fuller 90 min
tieRe ohne feinD unD fuRCht 1953, Michael Grzimek 10 min
A zeD & two noughts 1985, Peter Greenaway 115 min
Cheese mites 1903, Charles Urban 2’30’’
the unCLeAn woRLD 1903, Percy Stow 2 min
the stRength AnD AgiLity of inseCts 1911, Percy Smith 4 min
Les mouChes 1913, Eclipse 6 min
the fLy 1986, David Cronenberg 92 min
Le CinémA Lent et Les moVements RApiDes Des AnimAux 1915, Pathé 6 min
i Do not Know whAt it is i Am LiKe 1986, Bill Viola 89 min
mADAme bAbyLAs Aime Les AnimAux 1911, Alfred Machin 8’30’’
tieRisChe Liebe 1995, Ulrich Seidl 111 min
bAbe: pig in the City 1998, George Miller 97 min
queeR pets 1912, Percy Smith 4’30’’
best in show 2000, Christopher Guest 90 min
sen to ChiChiRo no KAmiKAKushi (ChihiRos Reise ins zAubeRLAnD) 2001, Hayao Miyazaki
125 min
gRizzLy mAn 2005, Werner Herzog 103 min
en KLuVen VäRLD (A DiViDeD woRLD) 1948, Arne Sucksdorff 9 min
the fAntAstiC mR. fox 2009, Wes Anderson 87 min
VisVAngst met AALsChoLVeRs in neDeRLAnDs inDië (fisChfAng mit KoRmoRAnen) 1925, Anonym 3 min
pesCheReCCi 1958, Vittorio De Seta 11 min
LeViAthAn 2012, Lucien Castaing-Taylor & Verena Paravel 87 min
Darüber hinaus umfasst die Retrospektive fünf thematisch und motivisch kompilierte Kurzfilmprogramme,
betitelt: Tier- und Menschengärten, Hund und Katz und Gromit: 130 Jahre Kino, Animali | Criminali,
Der Gesang der Tiere, Animated Animals.
PRESSEBILDER DER VIENNALE 2015
Ausgewählte Spielfilme
TIRED MOONLIGHT
Britni West, USA 2015
KISEIJU
Yamazaki Takashi, Japan 2014
EXPERIMENTER
Michael Almereyda, USA 2015
LE MASQUE DE SAN
Jacques Sarasin, CH/F/Mali 2014
COMOARA
Corneliu Porumboiu, RO/F 2015
IRRATIONAL MAN
Woody Allen, USA 2015
STRICHE ZIEHEN
Gerd Kroske, D 2014
THE WOLFPACK
Crystal Moselle, USA 2015
PHASE IV
Saul Bass, USA 1974
BULLY FOR BUGS
Chuck Jones, USA 1953
Ausgewählte Dokumentarfilme
COUNTING
Jem Cohen, USA 2015
Retrospektive
INDIA, MATRI BHUMI
Roberto Rossellini, I/F 1957–59
Tippi Hedren
THE BIRDS
Alfred Hitchcock, USA 1963
MARNIE
Alfred Hitchcock, USA 1964
Tippi Hedren und Alfred Hitchcock
DOURO FAINA FLUVIAL
P 1931
O ESTRANHO CASO DE ANGÉLICA
P 2010
FAVULA
Argentinien 2015
P3ND3JO5
Argentinien 2013
ACNÉ
Uruguay/Argentinien/E/Mexiko 2008
EL APÓSTATA
E/F/Uruguay 2015
Manoel de Oliveira
Manoel de Oliveira
Raúl Perrone
Raúl Perrone
Federico Veiroj
Federico Veiroj
Diese und weitere Fotos zum Download finden Sie unter www.viennale.at im Bereich Presse.
Kostenloser Abdruck nur im Zusammenhang mit der Viennale 2015.
Rückfragen bitte an: Viennale PRESSE • [email protected] • Tel. 01/526 59 47-30
Anlässlich des Sommer-Pressegesprächs dankt die Viennale ihren wichtigsten Förderern und Sponsoren,
ohne deren großzügige Unterstützung das Festival in dieser Form nicht realisierbar wäre.
FÖRDERER
SPONSOREN
RECYCLINGPARTNER
FESTIVALSPONSOR
Am Gelingen des diesjährigen Festivals ist wieder eine große Anzahl von Sponsoren und
Kooperationspartnern beteiligt. Zur Programm-Pressekonferenz am 9. Oktober
werden alle Sponsoren der Viennale 2015 bekannt gegeben.
VIENNALE – Vienna International Film Festival
Siebensterngasse 2, 1070 Wien • T +43/1/526 59 47 • F +43/1/523 41 72
offi[email protected] • www.viennale.at