2. Advent

„In der Weihnachtsbäckerei, gibt’s so manche Leckerei“, flötete Giles vor sich hin,
während er, mit einer Schürze umgebunden, alle Zutaten für die heutige Keksorgie
zusammen suchte.
„Eier und Salz, Pfeffer und Schmalz.“
„Giles! Falscher Text“, fuhr Bee ihm dazwischen, „zwischen Mehl und Milch… so geht
es weiter.“
Giles verdrehte die Augen. „Kannst Du nicht mal lieber die Ausstecher holen, als hier
große Töne zu spucken?“
Bee äffte Giles lautlos nach und verschwand in der Vorratskammer, um die Ausstecher für
die Plätzchen zu holen.
Giles hörte es poltern, fluchen und scheppern. Ganz vorsichtig lugte er in den Raum und sah
Bee am oberen Regal hängen, wie sie mit einer Kiste kämpfte, der nicht oben bleiben
wollte.
Amüsiert lehnte sich Giles gegen den Türrahmen und wartete darauf, dass seine Frau die
Kiste doch noch in die Ecke pfefferte. Aber nichts dergleichen. „So, DU bleibst jetzt da
oben und wehe du bewegst dich auch nur noch einen Millimeter, dann hat für dich das
letzte Stündchen geschlagen und du wirst ausgesetzt“, sagte Bee mit strenger Miene
zum Karton, als sie ihn ein viertes Mal in das Regal schob.
„Ob das hilft?“, fragte Giles laut, worauf Bee erschrocken zusammenzuckte und noch
einmal gegen das Regal rumste, weshalb die Kiste nachgab und erneut in Richtung Boden
fiel.
Giles hüpfte hinüber. „Tja, du hast verloren… NUN wirst du ausgesetzt.“
„Was ist da überhaupt drin?“, wollte Bee dennoch wissen.
„Keine Ahnung, ist ja auch egal! Er wird eh zur Adoption freigegeben.“ Giles riss sich
die Kiste unter den Nagel und wollte aus der Vorratskammer.
„Halt warte. Was ist, wenn da etwas drin ist, was wir gerade suchen?“
„Suchen wir denn was?“ Giles zog fragend eine Augenbraue hoch.
„Ja, ich suche deinen heißgeliebten Plätzchenausstecher.“
Sofort stellte Giles die Kiste ab und öffnete sie.
„Da sind sie ja!“, strahlte er über beide Ohren, als die Plätzchenformen zum Vorschein
kamen und er seine Form erblickte. „Ein Glück haben wir die Kiste nicht zur Adoption
freigegeben. JETZT kann die Backsession beginnen. Nun haben wir wirklich
alles.“ Beide stiefelten zurück in die Küche und gingen an die Arbeit.
Die anfängliche Harmonie schwenkte jedoch recht schnell um. Giles hatte irgendwann keine
Lust mehr, nur die „blöden“ Eier in die Schüssel zu schlagen – seine Worte –, während Bee
den Rest der Arbeit machte und das Ganze mit Hilfe der Küchenmaschine vermischte.
„Bitteschön! Dann mach DU das doch! Und wehe, der Teig wird nichts“, meckerte Bee
irgendwann genervt und Giles hüpfte freudig hinüber zu ihrem Platz. Skeptisch beäugte er
zuerst die Küchenmaschine, glaubte dann aber doch, dass er diese bedienen könne und war
guter Dinge.
Bee trat schon einmal etwas zur Seite. Sie kannte die Tücken der Maschine und nahm daher
schon einmal einen gewissen…. Sicherheitsabstand.
Fröhlich pfeifend schüttete Giles die Eier in die Rührschüssel und schob den Stromregler der
Küchenmaschine nach oben – auf die höchste Stufe. Es passierte, wie Bee es geahnt hatte:
Der „Teig“ spritzte in alle Himmelsrichtungen, verteilte sich auf der Küchenplatte, dem
Küchenboden und natürlich auf die beiden Backmeister.
„Mach die Maschine aus!“
Giles drückte den Knopf und es wurde still.
Er traute sich gar nicht zu seiner Frau zu schauen. Er hörte nur, wie sie neben ihm schnaufte
und DAS bedeutete nichts Gutes. Mit Unschuldsmiene sah er leicht zu Bee hinüber, seine
Lippen zierten ein unschuldiges Lächeln, seine Augen klimperten entschuldigend. „Ist doch
gar nichts passiert“, sagte er, durchs Lächeln kaum hörbar.
„Nicht!?!? Schau dir diese Schweinerei hier doch mal an!“ Bees Augen fingen an zu
leuchten und von den Wangen aufwärts, verfärbten sich die grünen Schuppen langsam
rötlich.
„Ehm... Bee... du...du hast da was", stammelte Giles, deutete mit dem Finger
auf Bees Gesicht, welches sich immer mehr verfärbte und ging einige Schritte zurück.
Bee schnaufte kräftigt und ihre Augen leuchteten noch mehr.
„Ich mach es weg, versprochen… gleich wenn wir fertig sind. Es tut mir leid…
möchtest Du wieder an die Küchenmaschine? Ich mache auch nichts mehr kaputt,
versprochen.“ Giles hatte seine kurzen Ärmchen hinter dem Rücken gekreuzt, sah
beschämt zu Boden und drehte einen Fuß hin und her. Bee seufzte. Egal was Giles auch
immer wieder anstellte, sie konnte ihm nicht lange böse sein.
„Wir machen es gemeinsam weg, sonst wird es hart und dann machen wir weiter.
Sonst werden wir nie fertig, okay?“
Giles sah auf und nickte. „Danke, Schneuzelchen“, sagte er nun freudig, hüpfte auf Bee zu
und nahm sie fest in den Arm.
„Das nächste Mal passt du einfach ein wenig auf“, sagte Bee, als Giles sie endlich
wieder los gelassen hatte, „nicht, dass du noch SO aussiehst.“ In diesem Moment kam
Giles eine Mehlwolke entgegen, die Bee von ihrer Pfote aus in seine Richtung gepustet
hatte.
Ein breites Grinsen legte sich auf das Gesicht von Bee. Giles hustete kurz und sah
kämpferisch zu seiner Frau. „Wie du mir, so ich dir“, sagte er noch, bevor Bee ebenfalls
eine Mehlwolke abbekam.
Nach einer kurzen Rangelei, schnellem Aufräumen des Missgeschickes, stand Bee wieder
an der Küchenmaschine und ließ den Teig richtig durchkneten. Giles bereitete schon einmal
die Arbeitsfläche vor. Er bestäubte diese mit Mehl, suchte noch schnell das Nudelholz und
war fertig, als Bee die Küchenmaschine ausschaltete.
„Darf ich ausrollen, bitte, bitte." Giles sah seine Frau flehend an.
„Okay, roll den Teig aus und ich mache schon die Bleche fertig."
Voller Harmonie verbrachten die Beiden schließlich damit, die Küche in eine Keksbäckerei
zu verwandeln. Bee schob die fertig ausgestochenen Kekse in den Ofen. Giles wartete
bereits darauf die fertigen Kekse verzieren zu dürfen.
Nachdem die Kekse fertig gebacken waren, begann Giles mit dem Dekorieren der Kekse.
„Was machst du da?", wollte Bee wissen.
„Nichts, guck nicht, noch nicht." Giles tat geheimnisvoll.
„Du machst es echt spannend."
„Ja, Moment noch... gleich fertig."
Bee räumte schon einmal ein wenig auf, während Giles noch fachmännisch das letzte Blech
bearbeitete.
„So, kannst gucken", strahlte Giles.
Dreizehn Kekse lagen nebeneinander mit jeweils einem Buchstaben drauf.
„S C H N E U Z E L C H E N", las Bee und sah lächelnd zu Giles.
„Guck auf das Blech dort drüben", meinte Giles und deutete auf das andere Blech.
Dort lagen Herzkekse die Giles schön rot verziert hatte.
„Ich möchte damit sagen: Danke, dass es dich gibt." Dafür bekam Giles einen dicken
Schmatzer und das erste Mal, seit langem, erwiderte Bee darauf nichts. Sie war in
diesem Moment einfach nur glücklich.