„Leise rieselt der Schnee, still und starr ruht der See“, trällerte Bee, während sie durch das Haus tänzelte, um dieses etwas weihnachtlich zu schmücken. Bee liebte die Vorweihnachtszeit und die damit verbundene Arbeit: das Dekorieren. Im Gegensatz zu Giles. Wenn Bee keine grünen Schuppen hätte, könnte man meinen, Giles wäre der Grinch der Familie. Er hat einfach keine Geduld, wenn es ums Schmücken des Anwesens ging, zumindest was die Innenräume betraf. Giles bettelte schon nach zehn Minuten, ob er nicht endlich draußen anfangen dürfe. Damit es keinen Ehestreit gab, ließ sich Bee jedes einzelne Mal zu einem „Ja“ breitschlagen. Immerhin hatte sie somit das Haus für sich und konnte nach Lust und Laune schmücken. „Bee? Bee? SCHNEUZELCHEN!“, hallte es nach gut 20 Minuten durch die große Vorhalle. Bee, die gerade einen Lichterbogen in eines der Fenster stellte, beugte sich leicht nach hinten, zog leicht skeptisch eine Augenbraue hoch und erblickte ihren Ehemann. Giles glich einem unbeleuchteten Weihnachtsbaum. Er war mit einer kilometerlangen Lichterkette umwickelt und versuchte sich mit einer irrwitzigen Tanzeinlage – für Bee war der Tanz nicht erkennbar – zu befreien. „Könntest Du mich BITTE befreien?“, bat Giles seine Liebste, während er treuherzig mit den Augen klimperte. Bee konnte sich kaum das Lachen verkneifen. Völlig verzweifelt stand Giles mitten in der Halle und hoffte auf die Hilfe seiner Frau. Aber Bee wäre nicht Bee, wenn sie diese Hilflosigkeit nicht ausnutzen würde. Mit einem schelmischen Grinsen flog sie auf Giles zu. In ihrem Arm hatte sie einige Christbaumkugeln. „Dir fehlt noch was“, flachste sie und in Windeseile hingen die Kugeln an dem verzweifelten Giles. „So gefällst du mir schon viel besser. Aber etwas fehlt noch.“ Giles wankte unter dem Gewicht des Schmuckes. „Bee! Nimm mir um Himmelswillen bitte die Dinger ab!“ Bees Augen leuchteten auf. „Ich hab’s! Warte!“ Bee hüpfte zum Ende der Lichterkette und griff nach dem Stecker. „BEE! Lass das bitte!“, rief Giles panisch und versuchte sich erneut zu befreien, wobei er sich noch mehr verhedderte und beinahe stürzte. „Stell dich nicht so an“, konterte Bee und zog am Lichterkettenkabel, während Giles in die andere Richtung lief. Zuerst gab es noch einen Widerstand, doch plötzlich ertönte ein Knall und die beiden kullerten über den Boden. Das Kabel war für die beiden Streithähne nicht kräftig genug und riss. Giles‘ Purzelbäume fanden ein abruptes Ende, als er mit seinem Hintern auf die Wand am anderen Ende der Vorhalle traf. Ihm war leicht schwindelig und über ihm kreisten die Sterne. Bee war schneller wieder bei Sinnen, schüttelte sich einmal kurz und stand schon wieder auf den Beinen. Als Giles seine Augen öffnete, war alles verschwommen. „Giles? Giles?! Alles okay mit dir?“, fragte Bee und sah ihn mit besorgter Miene an. „Schneuzelchen…“, keuchte er, bevor ihm die Augen zufielen. Bee, die nun Panik bekam, beugte sich hinab und fing an ihn zu schütteln. „Giles! Giles, bitte wach auf! Hör auf mit dem Mist!“, brüllte sie, als seine Augen noch immer verschlossen blieben. „Giles, ich mache auch alles, was du willst, aber bitte mach deine verdammten Augen wieder auf!“ Auf einmal öffnete Giles eines seiner Augen und ein leichtes Grinsen legte sich auf sein Gesicht. Bee, völlig panisch, merkte davon nichts und rüttelte weiterhin an ihm, als Tränen der Verzweiflung ihr in die Augen stießen. Das berührte Giles‘ Herz. Er beugte sich zu ihr hinauf und gab seiner Liebsten einen ganz kurzen, aber liebevollen Kuss. Völlig perplex sah Bee in das Gesicht ihres Mannes. „Oh Giles, Giles, du lebst… du lebst“, quiekte sie freudig, schlang ihre Arme um seinen Hals und drückte ihn fest an sich. Giles keuchte und wedelte mit den kurzen Ärmchen, da Bee ihn so fest drückte, dass ihm die Luft wegblieb. „Beee“, keuchte er und seine Frau ließ ihn endlich los. Er hustete ein paar Mal und Bee tätschelte ihm den Kopf. „Geht’s wieder?“ „Ja, und wo kriege ich nun eine neue Lichterkette her?“ Bee zuckte die Schultern. „Stell doch nur das Rentier und den Schlitten auf. Improvisation ist alles“, grinste sie. Giles verdrehte entnervt die Augen und seufzte. „Typisch mein Schneuzelchen. Ich lass mir was einfallen. Ich bin dann wieder draußen.“ Und mit diesem Satz flatterte Giles davon und auch Bee schmückte weiter die Innenräume. Zwei Stunden später saßen Bee und Giles gemütlich mit einer Tasse Tee beieinander auf dem Sofa und bestaunten ihr Werk, sowohl den Außen – als auch den Innenbereich der nun im weihnachtlichen Glanz erstrahlte. Beide sahen voller Stolz aus dem großen Fenster in den Garten „Haben wir gut hinbekommen“, sagte Giles. „Mhhhm, haben wir. Auch trotz der Verzögerung.“ „An der wir beiden nicht ganz unschuldig dran waren.“ „Du wohl eher.“ „Warum ich? Du wolltest mich rösten.“ „Nein… ich wollte dich erleuchten, nicht rösten.“ „Vermutlich mit demselben Endergebnis …“ „Nun stell dich mal nicht so an, du sahst lustig aus.“ „Ja klar, du hattest mal wieder deinen Spaß.“ „Ja, wie immer“, gluckste Bee. „Na toll“, grummelte Giles. „Sei nicht grummelig. Sei froh, dass alles geschafft ist“, meinte Bee mit stolzgeschwellter Brust, während sie ihn leicht mit dem Flügel anstieß. „Bin ich auch.“ „Na also, dann freu dich.“ „Ich freu mich doch.“ „Sieht man aber nicht.“ Giles sah zu Bee und grinste breit. „Und jetzt?“, fragte er unverständlich mit zusammengebissenen Zähnen. „Du bist so blöd.“ „Warum? Ich freue mich doch.“ „Ja, und nun genieße die Aussicht.“ „Tue ich doch.“ Er sah noch immer zu seiner Frau. „Sieh nach draußen.“ „Ich schaue aber lieber dich an.“ „Schleimst du jetzt?“ „Sollte ich?“ „Vielleicht …“ „Ich liebe dich, Schneuzelchen.“ Bee grinste und lehnte sich an ihren Mann. „Ich dich auch.“ Nun herrschte Funkstille und die Zwei genossen die Ruhe, während sie sich über das Lichtermeer freuten, welches im Garten erstrahlte. Ob die Ruhe auch wirklich bis Weihnachten anhält? Warten wir es mal ab.
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