Social Day der Commerz Real

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| DIE STIFTUNG 4/15
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Vermögensverwalter
Der Vermögensverwalter Commerz Real hat Ende Mai Corporate Volunteering im großen Stil
betrieben. Nahezu die gesamte Belegschaft war zur Stelle, um eine Realschule in Wiesbaden zu
renovieren. Bürgerliches Engagement lässt sich sicher noch weiter ausbauen, doch so ein Social
Day kann eine wertvolle Unterstützung für gemeinnützige Einrichtungen sein. Von Martina Benz
ier ist das Gas, hier schalten
Sie an, bitte die Finger vom
Schneideblatt fernhalten!“
Das sind die Anweisungen,
die einer der Commerz-Real-Mitarbeiter
von einem Gärtner bekommt, bevor er
mit dem Heckenschneiden beginnt. Während der junge Mann sich Staub und Blätter aus den Haaren fegt und seine Hände
auf Blasen untersucht, zeigt er stolz auf
die frisch gestutzte Hecke des Sportzentrums der Albrecht-Dürer-Realschule.
„Ich werde morgen auf jeden Fall spüren,
dass ich heute etwas anderes gemacht
habe als sonst. Das Ding ist schwer“, erzählt er und meint damit die motorisierte
Heckenschere. „Aber sieht doch gut aus“,
fügt er grinsend hinzu.
Die Wiesbadener Schule ist an diesem
Tag Ende Mai nicht wiederzuerkennen.
Überall wimmelt es von Menschen, die
ihre Schulzeit eigentlich schon längst
hinter sich haben. Dreckige Arbeitshosen,
alte T-Shirts, weiße Maleranzüge und
mittendrin professionelle Gärtner, Malermeister und Kameraleute. Die Schule soll
innen wie außen wieder auf Vordermann
gebracht werden, und das soll in der
Region nicht unbeachtet bleiben.
„Hoffe, der da oben fällt nicht aus
dem Fenster“, scherzt Marketing-Mitarbeiterin Dr. Tatjana Geschwill, und zeigt
auf einen der vielen in Weiß gekleideten
Menschen, der gerade vom Gerüst aus
einen Schulflur mit frischer Farbe versieht. Vorsichtshalber bleiben die Fenster ab dem zweiten Stock an diesem Tag
geschlossen.
Überall, wo man hinsieht, fröhliche,
zufriedene Gesichter und fleißig arbeitende Menschen, die ansonsten bei der
Tochtergesellschaft der Commerzbank
Finanzierungskonzepte entwickeln, Fonds
auflegen, Vermögen verwalten und Kunden betreuen. Die 420 Mitarbeiter, von
„H
Referenten über Spezialisten bis hin zu
Führungskräften und Vorständen der
Standorte Düsseldorf und Wiesbaden, sollen näher zusammenrücken und sich von
einer ganz anderen Seite kennenlernen.
„Dieses Jahr sind
fast alle mit dabei“
„Alle sind gleich hier, man arbeitet ganz
unbeschwert miteinander. Das stärkt den
Teamgeist“, freut sich Geschwill. Diese
Meinung geht den Tag über aus vielen Gesprächen hervor. So viel lautes Lachen
hätten sie nicht alle Tage, erzählt Vorstandsassistentin Ruth Schöpplein, bevor
sie sich wieder ihrer Kollegin und dem
Unkraut auf dem Pausenhof widmet.
Nach Einsätzen in den vergangenen
zwei Jahren, bei denen bereits die Führungskräfte und der Vorstand in gemein-
nützigen Einrichtungen aktiv waren, war
es der Wunsch vieler Mitarbeiter, in diesem Jahr selbst auch mit dabei zu sein.
„Durch die kleinere Teilnehmerzahl
und das direkte Zusammentreffen mit den
Bewohnern der Häuser boten die Social
Days in den beiden vergangenen Jahren
mehr Gelegenheit für die persönliche Anteilnahme an deren Sorgen und Nöten“,
erinnert sich Vorstandsmitglied Dr. Frank
Henes. „Aber dieses Jahr sind fast alle
mit dabei, das ist natürlich mit Blick auf
die Solidarität innerhalb der Mitarbeiterschaft etwas ganz Besonderes.“
Und das, obwohl das auch die Kosten
enorm steigen lässt. Die Düsseldorfer Mitarbeiter wurden schon eine Nacht zuvor
in einem Hotel in Wiesbaden untergebracht, und es müssen viel mehr Menschen mit Essen und Werkzeug versorgt
werden. Entsprechend ist auch das
Claudia Meder (links) und Ruth Schöpplein haben beim Heckenschneiden eindeutig Spaß an diesem
ungewöhnlichen Arbeitstag.
TH E MA |
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es darum geht, mit öffentlichen Mitteln
bedacht zu werden. Auch in diesem Jahr
ist sie wieder auf Platz 26 gelandet, und
das, obwohl es reichlich zu tun gibt.
Nach Aussage der Schulleiterin ein
Zustand, der für die Schüler nicht mehr
zumutbar war. Auch die Mitarbeiter der
Commerz Real waren schockiert: „Ich
hatte ein Déjà-vu, als ich in den Raum für
den Kunstunterricht gekommen bin“, erzählt eine Mitarbeiterin aus dem Bereich
Kommunikation und Marketing. „Das
sieht aus wie in meiner Schule vor über
30 Jahren. Und das zeigt, wie lange hier
nichts gemacht worden ist.“
Den Einsatz vermittelten eine
Agentur und die Stadt Wiesbaden
FOTOS: © MARTINA BENZ
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Arbeiten erinnern.
Projekt an sich viel größer ausgefallen.
Nicht zu vergessen die investierte Arbeitszeit Hunderter Mitarbeiter, die an diesem
Tag ihre sonstigen Aufgaben liegen lassen.
„Dass mittags alle mit Farbspritzern im
Gesicht zusammensitzen – das war unser
Ziel.“ Vorstandsvorsitzender Dr. Andreas
Muschter erholt sich wie alle anderen
fleißigen Helfer in der Mittagssonne von
der morgendlichen Arbeit. Um 9 Uhr ging
es los, und es soll bis 18 Uhr weitergehen.
Dann wird gemeinsam gegrillt und gefeiert. Muschter hat vor dem Essen zusammen mit der Schulleiterin Anna Marx eine
Linde gepflanzt, die noch viele Jahre an
diesen Tag erinnern soll.
Nicht zuletzt möchte man außerdem
den Mitarbeiterzusammenhalt stärken,
in der Region bekannter werden und für
ein positives Image sorgen. Der Social
Day wird das diesjährige Sommerfest
der Commerz Real ersetzen. Doch das
scheint keinen zu stören. „Wir rücken
durch diesen Arbeitseinsatz viel näher
zusammen, als das auf einem Fest möglich wäre“, so Schöppleins Meinung. Und
auch die restlichen Mitarbeiter scheinen
einverstanden zu sein: „Das hier ist viel
besser. Es hat einen ganz anderen Charakter als andere Events.“ „Wir tun etwas
Nützliches.“ „Der Zustand der Schule ist
erschreckend.“
Wie viele andere pädagogische Einrichtungen hat auch die Albrecht-DürerRealschule mit finanziellen Engpässen zu
kämpfen. Aufgrund ihrer qualitativ hochwertigen Bauweise des beginnenden
20. Jahrhunderts rutscht sie auf der
Rangliste der zu renovierenden Schulen
Jahr für Jahr zu weit nach hinten, wenn
Aus diesem Grund wurde die AlbrechtDürer-Realschule als Projekt für den diesjährigen Social Day auserkoren – auch
wenn es sich um eine staatliche Schule
handelt, für die primär das Land Hessen
die Verantwortung trägt. Vermittelt haben
diesen Einsatz das Sozialunternehmen
„Mehrwert – Agentur für soziales Lernen“
sowie die Stadt Wiesbaden. Gemeinsam
mit einer Elterninitiative wurden dann die
zu erledigenden Aufgaben festgelegt.
Zwischen beigen, hellblauen und grünen Wänden stehen Menschen in weißen Maleranzügen, die Schuhe in blaue
Plastiktüten gewickelt. Gelbe Farbeimer
schmücken den Gang, graue Heizkörper
riechen noch nach frischem Anstrich.
Jeans und Gesichter sind mit Farbe verschmiert, als in den Pausen „Selfies“ gemacht werden. So sieht der Arbeitsplatz
der Malergruppen aus. Kniend, stehend,
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von Stühlen sowie vom Gerüst aus wird
all das mit neuem Glanz versehen, was
vorher sorgsam abgeklebt und vorgestrichen worden war. Über die Farbe für ihr
Zimmer durfte jede Klasse aus einer
Vorauswahl selbst abstimmen.
„So haben wir endlich wieder eine
Basis, die dann von den Schülern, Eltern
und der Schule selbst erhalten werden
kann“, atmet die Schulleiterin auf. Den
gesamten Tag über eilt die herzliche Frau
von einem zum anderen und verteilt
Dank und freundliche Worte.
Gruppe „V“ sorgt
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Ruth Schöpplein steht inzwischen mit ihrer Arbeitsgruppe „G13“ zusammen und
lässt sich ein Stück Erdbeerkuchen
schmecken. „G“ steht für Garten. In den
13 Gärtnerteams werden Schulhof und
Sportzentrum von Unkraut befreit, ein
vom Förderverein der Schule gesponserter Geräteschuppen gebaut, Hecken
geschnitten und alte Tore abmontiert. Neben den 23 Maler- und 13 Gärtnerteams
gibt es außerdem die Gruppe „V“, die für
die Verpflegung der Mitarbeiter zuständig ist. Diese sieht man den ganzen Tag
über mit Tabletts oder Getränkekästen
von einer Gruppe zur nächsten gehen und
Verpflegung und gute Laune verteilen.
„Wenn sich so viele Erwachsene
einen kompletten Tag lang der Schule
widmen, dann hat das eine starke Vorbildfunktion. Und es ist unglaublich, was
an einem Tag alles geschafft werden
kann“, lauten die begeisterten Worte der
Schulleiterin. Zudem sucht die Schule
derzeit ohnehin vermehrt den Kontakt zu
Unternehmen, um die wirtschaftlichen
Kompetenzen der Schüler verstärkt auszubilden.
„Ist das Senf oder Farbe?“ „Beides“,
antwortet der Kollege lachend. Heute ist
es endlich mal egal, wie man aussieht.
„Die Mitarbeiter sollen für sich aus
diesem Tag mitnehmen, wie effektiv sie
sein können, wenn sie Aufgaben aktiv anpacken“, erklärt Muschter. „Manchmal
muss man den Leuten einfach einen Pinsel in die Hand drücken, damit sie sehen,
dass so mehr geschafft werden kann, als
wenn man erst mal überlegt, ob nicht
besser ein Farbroller verwendet werden
sollte.“ Es gehe darum, dass am Abend
Mit viel Sorgfalt versehen Julia Weisbecker und
Markus Ketomäki die Heizkörper mit einem
frischen Anstrich.
alles erledigt sei und ein professionelles
Ergebnis erzielt wurde.
„Renovieren liegt uns. Immobilien sind
unser Spezialgebiet und wir haben hier
viele Leute mit entsprechendem Knowhow. Deshalb wollten wir auch in diesem
Jahr wieder in diesem Bereich aktiv werden“, erklärt der Vorstandsvorsitzende
hinter einer runden Sonnenbrille, kurz
bevor er seine Pause beendet und sich
aufmacht, eine Bank für den Schulhof
mitzubauen.
Da dennoch die wenigsten Mitarbeiter der Commerz Real ausgebildete Maler,
Tischler oder Gärtner sind, wurden professionelle Handwerker hinzugezogen,
die die Arbeiten betreuen. Außerdem
wurden bestimme Fähigkeiten und Einschränkungen bei der Teameinteilung berücksichtigt. Wenn die Auswertung des
Social Days ergebe, dass der Tag für alle
Seiten zufriedenstellend über die Bühne
gegangen sei, dürfe das laut Muschter
gerne im kommenden Jahr wiederholt
werden.
Ein Projekt zu finden, das so vielen
Mitarbeitern auf einmal eine Beteiligung
ermöglicht, sei allerdings gar nicht so
einfach. Gerne sei die Commerz Real
deshalb offen für Projektvorschläge, solange sie das Kriterium der Gemeinnützigkeit erfüllten. „Wir werden da aktiv
werden, wo es am nötigsten ist.“
Während all dies vor sich geht, sind
die rund 500 Kinder der Schule auf einem
Wanderausflug. „Sonst wäre das wohl in
komplettes Chaos ausgeartet“, so die
Erklärung einer der drei Event-Organisatorinnen. Nur die 80 Schüler der 8. und
9. Klassen dürfen dabei sein und im Rahmen ihres Projekttages endlich mal bei
den Erwachsenen den Ton angeben. Als
Leiter der Arbeitsgruppen führen sie diese an ihre Arbeitsplätze, sorgen für ausreichend Material und für Orientierung
unter den Ortsfremden.
Für die Commerz-Real-Mitarbeiter ist
es amüsant zu sehen, wie ein 15-jähriges
Mädchen den Bereichsleitern Anweisungen gibt, und für die Schüler ist es eine
wichtige Erfahrung, dabei ernst genommen zu werden. „Unsere oftmals noch
etwas hierarchische Welt wird dadurch
kurz auf den Kopf gestellt, und das tut
uns allen gut”, kommentiert Produktmanager Markus Ketomäki. Und Ruth
Schöpplein schwärmt regelrecht von den
Schülern der Gruppe „G13“. „Am liebsten
würden wir sie mitnehmen.“
Schulleiterin würde weitere
Zusammenarbeit sehr begrüßen
Die Vorstandsassistentin hofft, dass
sich ein solches Event wiederholen lässt.
Auch wenn Social Days aufgrund des
Vorwurfs einmaliger, begrenzt nachhaltiger Arbeitseinsätze mancherorts in
der Kritik stehen. Doch dabei muss es
nicht bleiben. Die Schulleiterin würde
eine weitere Zusammenarbeit mit der
Commerz Real mit offenen Armen empfangen. Denkbar wären Betriebsbesichtigungen, Berufswahlvorbereitung, Sponsoring oder Ähnliches.
Auch wenn es hierzu noch keine konkreten Gespräche gegeben hat, kann sich
die Commerz Real das sehr gut vorstellen, so Kommunikationschef Markus
Esser. Schließlich folgte auf den ersten
Social Day im Hochheimer Antoniushaus
auch eine weiterführende Kooperation,
in deren Rahmen die Einrichtung für körper- und mehrfachbehinderte Menschen
beispielsweise bei der Planung, Organisation und Gestaltung eines behindertengerechten Basketball-, Hockey- und
Handballfeldes unterstützt wurde.
Man darf also gespannt sein, wie die
Commerz Real ihr bürgerschaftliches
Engagement im kommenden Jahr fortsetzen wird.
FOTO: © MARTINA BENZ
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