46 | DIE STIFTUNG 4/15 6FKXOSpLFKWIÉU Vermögensverwalter Der Vermögensverwalter Commerz Real hat Ende Mai Corporate Volunteering im großen Stil betrieben. Nahezu die gesamte Belegschaft war zur Stelle, um eine Realschule in Wiesbaden zu renovieren. Bürgerliches Engagement lässt sich sicher noch weiter ausbauen, doch so ein Social Day kann eine wertvolle Unterstützung für gemeinnützige Einrichtungen sein. Von Martina Benz ier ist das Gas, hier schalten Sie an, bitte die Finger vom Schneideblatt fernhalten!“ Das sind die Anweisungen, die einer der Commerz-Real-Mitarbeiter von einem Gärtner bekommt, bevor er mit dem Heckenschneiden beginnt. Während der junge Mann sich Staub und Blätter aus den Haaren fegt und seine Hände auf Blasen untersucht, zeigt er stolz auf die frisch gestutzte Hecke des Sportzentrums der Albrecht-Dürer-Realschule. „Ich werde morgen auf jeden Fall spüren, dass ich heute etwas anderes gemacht habe als sonst. Das Ding ist schwer“, erzählt er und meint damit die motorisierte Heckenschere. „Aber sieht doch gut aus“, fügt er grinsend hinzu. Die Wiesbadener Schule ist an diesem Tag Ende Mai nicht wiederzuerkennen. Überall wimmelt es von Menschen, die ihre Schulzeit eigentlich schon längst hinter sich haben. Dreckige Arbeitshosen, alte T-Shirts, weiße Maleranzüge und mittendrin professionelle Gärtner, Malermeister und Kameraleute. Die Schule soll innen wie außen wieder auf Vordermann gebracht werden, und das soll in der Region nicht unbeachtet bleiben. „Hoffe, der da oben fällt nicht aus dem Fenster“, scherzt Marketing-Mitarbeiterin Dr. Tatjana Geschwill, und zeigt auf einen der vielen in Weiß gekleideten Menschen, der gerade vom Gerüst aus einen Schulflur mit frischer Farbe versieht. Vorsichtshalber bleiben die Fenster ab dem zweiten Stock an diesem Tag geschlossen. Überall, wo man hinsieht, fröhliche, zufriedene Gesichter und fleißig arbeitende Menschen, die ansonsten bei der Tochtergesellschaft der Commerzbank Finanzierungskonzepte entwickeln, Fonds auflegen, Vermögen verwalten und Kunden betreuen. Die 420 Mitarbeiter, von „H Referenten über Spezialisten bis hin zu Führungskräften und Vorständen der Standorte Düsseldorf und Wiesbaden, sollen näher zusammenrücken und sich von einer ganz anderen Seite kennenlernen. „Dieses Jahr sind fast alle mit dabei“ „Alle sind gleich hier, man arbeitet ganz unbeschwert miteinander. Das stärkt den Teamgeist“, freut sich Geschwill. Diese Meinung geht den Tag über aus vielen Gesprächen hervor. So viel lautes Lachen hätten sie nicht alle Tage, erzählt Vorstandsassistentin Ruth Schöpplein, bevor sie sich wieder ihrer Kollegin und dem Unkraut auf dem Pausenhof widmet. Nach Einsätzen in den vergangenen zwei Jahren, bei denen bereits die Führungskräfte und der Vorstand in gemein- nützigen Einrichtungen aktiv waren, war es der Wunsch vieler Mitarbeiter, in diesem Jahr selbst auch mit dabei zu sein. „Durch die kleinere Teilnehmerzahl und das direkte Zusammentreffen mit den Bewohnern der Häuser boten die Social Days in den beiden vergangenen Jahren mehr Gelegenheit für die persönliche Anteilnahme an deren Sorgen und Nöten“, erinnert sich Vorstandsmitglied Dr. Frank Henes. „Aber dieses Jahr sind fast alle mit dabei, das ist natürlich mit Blick auf die Solidarität innerhalb der Mitarbeiterschaft etwas ganz Besonderes.“ Und das, obwohl das auch die Kosten enorm steigen lässt. Die Düsseldorfer Mitarbeiter wurden schon eine Nacht zuvor in einem Hotel in Wiesbaden untergebracht, und es müssen viel mehr Menschen mit Essen und Werkzeug versorgt werden. Entsprechend ist auch das Claudia Meder (links) und Ruth Schöpplein haben beim Heckenschneiden eindeutig Spaß an diesem ungewöhnlichen Arbeitstag. TH E MA | 47 es darum geht, mit öffentlichen Mitteln bedacht zu werden. Auch in diesem Jahr ist sie wieder auf Platz 26 gelandet, und das, obwohl es reichlich zu tun gibt. Nach Aussage der Schulleiterin ein Zustand, der für die Schüler nicht mehr zumutbar war. Auch die Mitarbeiter der Commerz Real waren schockiert: „Ich hatte ein Déjà-vu, als ich in den Raum für den Kunstunterricht gekommen bin“, erzählt eine Mitarbeiterin aus dem Bereich Kommunikation und Marketing. „Das sieht aus wie in meiner Schule vor über 30 Jahren. Und das zeigt, wie lange hier nichts gemacht worden ist.“ Den Einsatz vermittelten eine Agentur und die Stadt Wiesbaden FOTOS: © MARTINA BENZ 'LHYRQ$QQD0DU[XQG'U$QGUHDV0XVFKWHUJHSpDQ]WH/LQGHVROOQRFKODQJHDQGDVJHPHLQVDPH Arbeiten erinnern. Projekt an sich viel größer ausgefallen. Nicht zu vergessen die investierte Arbeitszeit Hunderter Mitarbeiter, die an diesem Tag ihre sonstigen Aufgaben liegen lassen. „Dass mittags alle mit Farbspritzern im Gesicht zusammensitzen – das war unser Ziel.“ Vorstandsvorsitzender Dr. Andreas Muschter erholt sich wie alle anderen fleißigen Helfer in der Mittagssonne von der morgendlichen Arbeit. Um 9 Uhr ging es los, und es soll bis 18 Uhr weitergehen. Dann wird gemeinsam gegrillt und gefeiert. Muschter hat vor dem Essen zusammen mit der Schulleiterin Anna Marx eine Linde gepflanzt, die noch viele Jahre an diesen Tag erinnern soll. Nicht zuletzt möchte man außerdem den Mitarbeiterzusammenhalt stärken, in der Region bekannter werden und für ein positives Image sorgen. Der Social Day wird das diesjährige Sommerfest der Commerz Real ersetzen. Doch das scheint keinen zu stören. „Wir rücken durch diesen Arbeitseinsatz viel näher zusammen, als das auf einem Fest möglich wäre“, so Schöppleins Meinung. Und auch die restlichen Mitarbeiter scheinen einverstanden zu sein: „Das hier ist viel besser. Es hat einen ganz anderen Charakter als andere Events.“ „Wir tun etwas Nützliches.“ „Der Zustand der Schule ist erschreckend.“ Wie viele andere pädagogische Einrichtungen hat auch die Albrecht-DürerRealschule mit finanziellen Engpässen zu kämpfen. Aufgrund ihrer qualitativ hochwertigen Bauweise des beginnenden 20. Jahrhunderts rutscht sie auf der Rangliste der zu renovierenden Schulen Jahr für Jahr zu weit nach hinten, wenn Aus diesem Grund wurde die AlbrechtDürer-Realschule als Projekt für den diesjährigen Social Day auserkoren – auch wenn es sich um eine staatliche Schule handelt, für die primär das Land Hessen die Verantwortung trägt. Vermittelt haben diesen Einsatz das Sozialunternehmen „Mehrwert – Agentur für soziales Lernen“ sowie die Stadt Wiesbaden. Gemeinsam mit einer Elterninitiative wurden dann die zu erledigenden Aufgaben festgelegt. Zwischen beigen, hellblauen und grünen Wänden stehen Menschen in weißen Maleranzügen, die Schuhe in blaue Plastiktüten gewickelt. Gelbe Farbeimer schmücken den Gang, graue Heizkörper riechen noch nach frischem Anstrich. Jeans und Gesichter sind mit Farbe verschmiert, als in den Pausen „Selfies“ gemacht werden. So sieht der Arbeitsplatz der Malergruppen aus. Kniend, stehend, Anzeige +LHUoQGHQ6WLIWXQJHQLKUH3UREOHPOÄVHU Der Dienstleisterspiegel auf www.die-stiftung.de Neu an Bord: WAVE Management Concept Vermögensmanagement Christian Gahrmann Philanthropy Consulting | DIE STIFTUNG 4/15 von Stühlen sowie vom Gerüst aus wird all das mit neuem Glanz versehen, was vorher sorgsam abgeklebt und vorgestrichen worden war. Über die Farbe für ihr Zimmer durfte jede Klasse aus einer Vorauswahl selbst abstimmen. „So haben wir endlich wieder eine Basis, die dann von den Schülern, Eltern und der Schule selbst erhalten werden kann“, atmet die Schulleiterin auf. Den gesamten Tag über eilt die herzliche Frau von einem zum anderen und verteilt Dank und freundliche Worte. Gruppe „V“ sorgt IÉUGLH9HUSpHJXQJ Ruth Schöpplein steht inzwischen mit ihrer Arbeitsgruppe „G13“ zusammen und lässt sich ein Stück Erdbeerkuchen schmecken. „G“ steht für Garten. In den 13 Gärtnerteams werden Schulhof und Sportzentrum von Unkraut befreit, ein vom Förderverein der Schule gesponserter Geräteschuppen gebaut, Hecken geschnitten und alte Tore abmontiert. Neben den 23 Maler- und 13 Gärtnerteams gibt es außerdem die Gruppe „V“, die für die Verpflegung der Mitarbeiter zuständig ist. Diese sieht man den ganzen Tag über mit Tabletts oder Getränkekästen von einer Gruppe zur nächsten gehen und Verpflegung und gute Laune verteilen. „Wenn sich so viele Erwachsene einen kompletten Tag lang der Schule widmen, dann hat das eine starke Vorbildfunktion. Und es ist unglaublich, was an einem Tag alles geschafft werden kann“, lauten die begeisterten Worte der Schulleiterin. Zudem sucht die Schule derzeit ohnehin vermehrt den Kontakt zu Unternehmen, um die wirtschaftlichen Kompetenzen der Schüler verstärkt auszubilden. „Ist das Senf oder Farbe?“ „Beides“, antwortet der Kollege lachend. Heute ist es endlich mal egal, wie man aussieht. „Die Mitarbeiter sollen für sich aus diesem Tag mitnehmen, wie effektiv sie sein können, wenn sie Aufgaben aktiv anpacken“, erklärt Muschter. „Manchmal muss man den Leuten einfach einen Pinsel in die Hand drücken, damit sie sehen, dass so mehr geschafft werden kann, als wenn man erst mal überlegt, ob nicht besser ein Farbroller verwendet werden sollte.“ Es gehe darum, dass am Abend Mit viel Sorgfalt versehen Julia Weisbecker und Markus Ketomäki die Heizkörper mit einem frischen Anstrich. alles erledigt sei und ein professionelles Ergebnis erzielt wurde. „Renovieren liegt uns. Immobilien sind unser Spezialgebiet und wir haben hier viele Leute mit entsprechendem Knowhow. Deshalb wollten wir auch in diesem Jahr wieder in diesem Bereich aktiv werden“, erklärt der Vorstandsvorsitzende hinter einer runden Sonnenbrille, kurz bevor er seine Pause beendet und sich aufmacht, eine Bank für den Schulhof mitzubauen. Da dennoch die wenigsten Mitarbeiter der Commerz Real ausgebildete Maler, Tischler oder Gärtner sind, wurden professionelle Handwerker hinzugezogen, die die Arbeiten betreuen. Außerdem wurden bestimme Fähigkeiten und Einschränkungen bei der Teameinteilung berücksichtigt. Wenn die Auswertung des Social Days ergebe, dass der Tag für alle Seiten zufriedenstellend über die Bühne gegangen sei, dürfe das laut Muschter gerne im kommenden Jahr wiederholt werden. Ein Projekt zu finden, das so vielen Mitarbeitern auf einmal eine Beteiligung ermöglicht, sei allerdings gar nicht so einfach. Gerne sei die Commerz Real deshalb offen für Projektvorschläge, solange sie das Kriterium der Gemeinnützigkeit erfüllten. „Wir werden da aktiv werden, wo es am nötigsten ist.“ Während all dies vor sich geht, sind die rund 500 Kinder der Schule auf einem Wanderausflug. „Sonst wäre das wohl in komplettes Chaos ausgeartet“, so die Erklärung einer der drei Event-Organisatorinnen. Nur die 80 Schüler der 8. und 9. Klassen dürfen dabei sein und im Rahmen ihres Projekttages endlich mal bei den Erwachsenen den Ton angeben. Als Leiter der Arbeitsgruppen führen sie diese an ihre Arbeitsplätze, sorgen für ausreichend Material und für Orientierung unter den Ortsfremden. Für die Commerz-Real-Mitarbeiter ist es amüsant zu sehen, wie ein 15-jähriges Mädchen den Bereichsleitern Anweisungen gibt, und für die Schüler ist es eine wichtige Erfahrung, dabei ernst genommen zu werden. „Unsere oftmals noch etwas hierarchische Welt wird dadurch kurz auf den Kopf gestellt, und das tut uns allen gut”, kommentiert Produktmanager Markus Ketomäki. Und Ruth Schöpplein schwärmt regelrecht von den Schülern der Gruppe „G13“. „Am liebsten würden wir sie mitnehmen.“ Schulleiterin würde weitere Zusammenarbeit sehr begrüßen Die Vorstandsassistentin hofft, dass sich ein solches Event wiederholen lässt. Auch wenn Social Days aufgrund des Vorwurfs einmaliger, begrenzt nachhaltiger Arbeitseinsätze mancherorts in der Kritik stehen. Doch dabei muss es nicht bleiben. Die Schulleiterin würde eine weitere Zusammenarbeit mit der Commerz Real mit offenen Armen empfangen. Denkbar wären Betriebsbesichtigungen, Berufswahlvorbereitung, Sponsoring oder Ähnliches. Auch wenn es hierzu noch keine konkreten Gespräche gegeben hat, kann sich die Commerz Real das sehr gut vorstellen, so Kommunikationschef Markus Esser. Schließlich folgte auf den ersten Social Day im Hochheimer Antoniushaus auch eine weiterführende Kooperation, in deren Rahmen die Einrichtung für körper- und mehrfachbehinderte Menschen beispielsweise bei der Planung, Organisation und Gestaltung eines behindertengerechten Basketball-, Hockey- und Handballfeldes unterstützt wurde. Man darf also gespannt sein, wie die Commerz Real ihr bürgerschaftliches Engagement im kommenden Jahr fortsetzen wird. FOTO: © MARTINA BENZ 48
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