Planung und Bau von Gefahrgutlagern – eine unterschätzte Disziplin

Planung von Industrie- und Gewerbebauten
Andreas Rasche
Planung und Bau von Gefahrgutlagern – eine unterschätzte Disziplin
Die planwerk elbe GmbH aus Hamburg ist seit 1980 als professioneller Generalplaner für den Industrie-, Gewerbe- und Verwaltungsbau im Ingenieurwesen tätig. Speziell im Bereich „Planung
und Bau von Gefahrgutlagern“ verfügt das Büro über einen langjährigen Erfahrungsschatz und entsprechende Fachleute.
Manchmal kommen Unternehmen schneller in die Situation, ein Gefahrgutlager einzurichten, als man denkt. Diese
Erfahrung konnte Dipl.-Ing. Matthias Fritsch, Geschäftsführer des Generalplaners planwerk elbe GmbH in Hamburg, bei einigen Kunden machen. Ausschlaggebend sind
meist keine spektakulären Katastrophen, sondern der profane Umstand, dass sich die Anforderungen der Kunden
ändern – beispielsweise wenn der Kunde eines Logistikunternehmens, der eigentlich nichts mit Gefahrgut zu tun
hat, seine Produktpalette erweitert und möchte, dass Güter, z. B. brennbare Flüssigkeiten der Klasse 3, mit gelagert
werden sollen.
Schwierig für den Planer wird es, wenn der Logistiker
nicht vorhersagen kann, um welche Gefahrgüter es sich
handelt, wenn sich die Anforderungen der Kunden ändern.
Für diese Unternehmen stellt sich die Frage, ob Teile des
eigenen Lagers zur Gefahrgutlagerung neu-, aus- oder umgebaut werden müssen bzw. können. Konkreter bzw. einfacher ist die Einrichtung von Gefahrgutlagern bei Betrieben, die den Umgang mit Gefahrgut kennen, weil sie sie
eventuell produzieren. Dann existieren bereits Vorstellungen, um welche Stoffe es sich handelt.
Generell sind Unternehmen gut beraten, bei der Planung eines solchen Komplexes mit Experten zusammenzuarbeiten oder die Verantwortung an einen externen Dienstleister zu vergeben. Ein Generalplaner benötigt Mitarbeiter,
die über das erforderliche Fachwissen sowie über Kenntnisse gültiger Gesetze, Verordnungen und Bestimmungen
verfügen, um zu erkennen, was im speziellen Fall zutrifft.
Was ist ein Gefahrstofflager?
Gefahrstofflager kann es in jeder typischen Bauform für
Lager geben. Selbst bei Lagerung geringer Mengen Gefahrstoffe ist bereits ein Gefahrstoffschrank oder Gefahrstoffcontainer erforderlich. Beim sogenannten Giftschrank in
einem Gartencenter handelt es sich also bereits um ein Gefahrstofflager. Das Besondere sind jeweils die Schutzkonzepte, die sich aus den Forderungen einschlägiger Gesetze,
Verordnungen, Technischer Regeln oder Unfallverhütungsvorschriften ergeben.
Was sind Gefahrstoffe?
Als Gefahrstoffe gelten Stoffe oder Mischungen, die entweder explosionsgefährlich, entzündlich, giftig, gesundheitsschädlich, ätzend, reizend, sensibilisierend, krebserregend,
fortpflanzungsgefährdend, erbgutverändernd, wassergefährdend oder umweltgefährdend sind. Relevant für die
Klassifizierung und Einstufung der gelagerten Gefahrstoffe
sind die Lagerklassen: Jedem gelagerten Gefahrstoff ist, abhängig von seinen Gefahrenmerkmalen, eine Lagerklasse
zugeordnet. Sie ist bei der Gefahrstofflagerung von großer
Bedeutung.
Herausforderungen bei der Planung von Gefahrstofflagern
Grundsätzlich muss in Deutschland bei der Lagerung von
Gefahrstoffen eine Vielzahl an gesetzlichen Anforderungen
erfüllt werden. Neben den baulichen Herausforderungen
stellen sich Fragen, wie man Umwelt und Mitarbeiter vor
Gefahren schützen kann, die von klassifizierten Stoffen
ausgehen. Welche Sicherheitsbestimmungen und Sicherheitseinweisungen für Mitarbeiter und teilnehmende Gewerke sind z. B. bei Bauarbeiten im laufenden Betrieb erfor-
Bild 1. Projektbeispiel: planwerk elbe übernimmt die
Generalplanung für den Neubau einer Lagerhalle für Gefahrstoffe für die Ernst Glomm GmbH + Co. KG
Ernst & Sohn Special 2016 · Industrie- und Gewerbebauten
13
Planung von Industrie- und Gewerbebauten
Bild 2. Seitenansichten der Lagerhalle für Gefahrstoffe
derlich? Welche Leistungen muss das planungsausführende
Ingenieurbüro erbringen?
Ein Gefahrstofflager zu planen und zu bauen, erfordert
daher enormes Spezialwissen – von der Erstellung eines
Lagerkonzeptes über das Brandschutzkonzept bis hin zur
statischen Auslegung. Auch Anforderungen aus der technischen Gebäudeausrüstung müssen berücksichtigt werden,
z. B. Lüftungsanlagen bei Lagern für entzündliche Stoffe
(Flammpunkt < 55 °C) oder die Beheizung der Flächen,
z. B. Flächenheizungen, um Dächer frei von Installationen
zu halten.
Rechtliche Grundlagen beim Bau von Gefahrgutlagern
Das Besondere am Bau eines neuen oder der Umgestaltung eines bereits existierenden Lagers zur zukünftigen
Einlagerung von Gefahrstoffen ist die Beachtung diverser
Rechtsvorschriften der EU, des Bundes sowie der Länder.
Die Anforderungen haben sich über die Jahre weiterentwickelt. Vor allem die Harmonisierung länderspezifischer
Anforderungen zum europäischen Recht hat volle Fahrt
aufgenommen. Alte Verordnungen laufen nach und nach
aus und werden durch neue Europanormen ersetzt – was
Bild 3. Auch Abfüllbereiche oder Umschlagflächen
­müssen mit „dichten“ Flächen versehen werden
14
Ernst & Sohn Special 2016 · Industrie- und Gewerbebauten
Planung von Industrie- und Gewerbebauten
Bild 4. Umschlag- und Verladefläche sowie Auffangwannen für Löschwasser und Medienrückhaltung
manchmal allerdings zu Komplikationen führt, da dieser
Prozess noch lange nicht abgeschlossen ist. Um neue Normen und Richtlinien besser verstehen zu können, ist es oft
hilfreich, die alten zu kennen. Seitens des Planers sind
Fachwissen und Erfahrungen mit den Rechtsvorschriften
und deren Aus­legung zwingend notwendig.
Wie umfangreich dieses Spezialwissen sein muss, zeigen die anzuwendenden gesetzlichen Regelungen. Hierzu
zählen u. a. das Bundesimmissionsschutzgesetz, das Wasserhaushaltsgesetz, die Störfall-Verordnung, die Anforderungen
aus dem Gefahrstoffrecht oder die Löschwasser-RückhalteRichtlinie. Die Einführung der TRGS 510 (Technische Regel
für Gefahrstoffe 510) fasst z. B. den Umgang mit Gefahrstoffen zusammen. Einschränkung hier ist allerdings: Sie bezieht
sich auf „Gefahrgut in ortsbeweglichen Behältern“. Somit ist
die TRGS für Gefahrgutlager mit Stückgut, z. B. Fässern,
IBCs, Kanistern, Big Bags etc., von enormer Wichtigkeit.
Neben den baulichen, organisatorischen und technischen Anforderungen an ein Gefahrstofflager sind die in
den TRGS aufgeführten Zusammenlagerungsverbote von
großer Bedeutung, da sich bei der Erstellung des Lagerkonzeptes entsprechende Compartments ergeben können. Unterschiedliche Stoffe dürfen beispielsweise nur unter Berücksichtigung entsprechender Schutzmaßnahmen zusammen gelagert werden.
Handelt es sich beim Lagergut z. B. um wassergefährdende Stoffe, sind Lager, Abfüllbereiche oder Umschlagflächen mit sogenannten dichten Flächen zu versehen, damit
nichts in den Boden und in das Grundwasser versickern
kann. Böden und Sohlen müssen zudem statisch entspre-
chend ausgelegt werden. Nur so wird der erforderliche
Dichtheitsnachweis erfüllt. Sollte die Gefahr bestehen, dass
die Gefahrstoffe den mineralischen Beton an- oder auflösen, sind entsprechende Beschichtungen oder sonstige abdichtende Maßnahmen wie Stahl- oder HDPE-Auskleidungen (thermoplastische Kunststofffolie) zu planen. Je nach
Wassergefährdungsklasse (WGK) gelten also unterschiedliche Anforderungen an die Beschaffenheit und die Ausstattung an ein Gefahrstofflager. Ein sehr wichtiges Thema ist
darüber hinaus der bauliche- und technische Brandschutz.
Hier bietet die Industriebau-Richtlinie Möglichkeiten,
Brandabschnitte entsprechend zu dimensionieren.
Innerhalb Deutschlands regelt die Gefahrstoffverordnung (GefStoffV), welche Stoffe und Gemische als gefährlich gelten (§ 3, GefStoffV). Sie gibt vor, welche Schutzmaßnahmen im Umgang mit Gefahrstoffen und deren Lagern
getroffen werden müssen. Dabei ist zu beachten, dass die
Begriffe Gefahrstoff und Gefahrgut nicht identisch sind.
Die Kennzeichnung eines Gefahrstoffes soll über Gefahren
beim Umgang mit diesen Stoffen informieren. Dies gilt für
deren Herstellung, Weiterverarbeitung und Verwendung.
Die Gefahrgutkennzeichnung bestimmt die Transportgefahren und beinhaltet z. B. Informationen über den Stoff
und dessen Gefahren. Ein Stoff kann demnach ein Gefahrgut sein, aber kein Gefahrstoff und umgekehrt. Darüber
hinaus umfasst der Begriff Gefahrgut neben Substanzen
komplexe Produkte wie etwa Munition oder Bauteile.
Beim Transport von Gefahrstoffen kann man anhand
der Klassifizierungsvorschriften des jeweiligen Verkehrsträgers (ADR für Straße, RID für Schiene, ADN für Binnenschiffe, IMDG-Code für See und IATA-DGR für Luft)
ersehen, ob dieser Gefahrstoff ein Gefahrgut ist. Wenn ein
Stoff gemäß Chemikalienrecht als Gefahrstoff eingestuft
ist, gilt er nicht automatisch als Gefahrgut. Beim Gefahrgutlager finden diese Bestimmungen dahingehend wieder
Berücksichtigung, da äußere bzw. vorgelagerte Abfüllbereiche oder Umschlagflächen zum Lager zählen.
Ingenieurleistungen mit Partnerkonzept
Das Ingenieurwerk aus Hamburg Wilhelmsburg bündelt eine
Vielzahl unterschiedlicher Fachdisziplinen und Fachdienstleister zu einem schlagkräftigen und innovativen Netzwerk
mit umfassenden Betreuungskonzepten für Industrie und
Gewerbe. Die planwerk elbe GmbH mit der Spezialkompetenz „Planung und Bau von Gefahrgutlagern“ gehört zu die­
sem Netzwerk. Ihr Portfolio umfasst außerdem Gebäudeplanung und Architektur, TGA, Tragwerksplanung und In­ge­
nieurbau. Zusätzliche Ingenieurleistungen bei Planung und
Bau von Gefahrgutlagern können sich aus dem Anforderungs­
profil des Auftrages ergeben und bedürfen z. B. der Unterstützung von Logistikplanern oder des Einsatzes von Gutachterexpertisen, etwa bei der Erstellung von Gefährdungsbeurteilungen. All diese Punkte gilt es im Sinne des Be­treibers durch integrale Planung sinnvoll in Einklang zu bringen.
Weitere Informationen:
Bild 5. Gefahrstoffschränke an der Umschlagfläche für Gefahrstoffe
(Grafiken/Fotos: pwe)
Ernst & Sohn Special 2016 · Industrie- und Gewerbebauten
planwerk elbe GmbH
Industrie und Verwaltung
Georg-Wilhelm-Straße 183 B, 21107 Hamburg
Tel. (040) 419 21-100, Fax (040) 419 21-199
[email protected], www.planwerkelbe.de
15