Das Heft zum

welt
JUNI - AUGUST 2015
„Wir sind etwas Neues!“
Kinder der ersten Migrantengenerationen erzählen
C 51 78
Aus dem Inhalt
Wir sind etwas Neues!
8
Erfahrungen im Umgang mit Partnerschaften stehen im
Mittelpunkt des diesjährigen Jahresfestes der Ökumene in
Breklum, das vom 20. bis zum 21. Juni in Breklum stattfindet.
Es steht unter dem Motto „Wo zwei oder drei … – Ökumenische Partnerschaften zwischen Schatztruhe und Beziehungskiste“.
Tansania, Brasilien, Indien, Papua Neuguinea. Estland – ein
unerschöpflicher Schatz an Partnerschaften. Gemeinden in
Übersee und Europa begegnen sich mit Gemeinden der
Nordkirche. Die Partnerschaften sind geprägt von Vielfalt, aber
auch vom Anderssein. Sie vertiefen das Gefühl von globaler
Verbundenheit, bieten aber auch Stoff für Konflikte und
Missverständnisse. Um die ökumenische Vielfalt zu feiern, lädt
das Jahresfest ein zum Austausch in Gesprächen, Workshops,
Musik, Gottesdiensten und gemeinsamem Essen. Weitere
Informationen unter: www.nordkirche-weltweit.de
Lesen Sie mehr auf Seite 32.
Fotos: C. Plautz (1), U. Plautz (2), Wikimedia (3), D. Gertsner (1), R. Grützmann (1), C. Wenn (3), YMT privat (1), L. Triebel (1), ZMÖ-Breklum (1)
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Theresia Siahaan und Alex
Reimann über Identität,
Erziehung und die Wichtigkeit
christlichen Engagements
„Deutsch mit Migrationshintergrund“
Was macht es mit einem,
wenn man ständig auf die
Herkunft angesprochen wird?
Migrant erster Klasse
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14
Philipp Alvares de Souza
Soares stellt fest, dass es bei
der Herkunft wohl unterschiedliche Klassen gibt.
Ich bin
Weltbürger und
meine Nationalität
ist guter Wille
Sokrates
Heimat kann überall
sein
Rafael Jancen ist in zwei Ländern aufgewachsen und weiß
heute, dass Heimat keinen
festen Ort hat.
Was ist, wenn ich 18 bin?
16
18
Carmelina kam mit ihrer Mutter
vor vier Jahren nach Deutschland. Beide leben ohne Papiere
mit vielen Unsicherheiten.
Religion kann Grenzen
überwinden
Jugendliche erfahren im interkulturellen Konfirmandenunterricht, dass Religion wie
ein Brücke sein kann.
weltbewegt-Post-Anschrift: Zentrum für Mission und Ökumene – Nordkirche weltweit, Postfach
IMPRESSUM: weltbewegt (breklumer sonntagsblatt fürs Haus) erscheint viermal jährlich. HERAUSGEBER UND V
­ ERLEGER: Z
­ entrum für Mission und Ökumene
– Nordkirche weltweit, Breklum und ­Hamburg. Das Zentrum für Mission und Ökumene ist ein Werk der ­Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland.
DIREKTOR: Pastor Dr. Klaus Schäfer (V.i.S.d.P.), REDAKTION: Ulrike Plautz, GESTALTUNG: Christiane Wenn, KONZEPT: Andreas Salomon-Prym, SCHLUSS­
­ amburg, Telefon 040 88181-0, Fax: 040 88181-210, w
­ ww.nordkirche-weltweit.de.
KORREKTUR: Constanze Bandowski, ADRESSE: Agathe-Lasch-Weg 16, 22605 H
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weltbewegt
Schwerpunkt
Editorial
Zuhause ist dort, wo
offene Menschen sind
Indho M. Abyan ist Flüchtling
und hat in Hamburg zum ersten Mal das Gefühl, angekommen zu sein.
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Meine Identität ist
das Unterwegssein
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Der Brasilianer Diego Grützmann ist ein „Dritt-KulturKind“. Zurzeit arbeitet er als
Freiwilliger in Durban.
Ich will ein Ziel im
Leben haben
Die zweite Generation in
Mecklenburg-Vorpommern
hat meist osteuropäische
Wurzeln.
Man lernt, toleranter
zu sein
Ravinder Singh gehörte zu
den ersten, die durch das
FORUM – Young Migrant
Talents e.V. gefördert wurden.
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28
Heimat ist kein Ort,
sondern ein Gefühl
Die Inderin Pranita Biswasi und
Ester Nabaasa aus Uganda arbeiten als Freiwillige in Breklum,
in einer völlig „anderen“ Welt.
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„Wir sind etwas Neues“ – diesen
Satz formulieren nicht nur Alex
und Theresia im Interview. So
fühlen und denken viele der Befragten mit bikulturellem Hintergrund, mit denen wir gesprochen haben. Jugendliche und junge Erwachsene, die noch andere kulturelle Wurzeln
haben, hier in Deutschland leben und zum größten Teil
auch hier geboren sind.
Für viele ist die Einwanderungsgeschichte ihrer Eltern
nicht mehr Manko sondern Mehrwert. Es ist doch toll,
mehrere Kulturen in sich zu tragen, meinen sie und profitieren in Alltag und Berufsleben davon. Längst hat
auch die Wirtschaft ihr Potenzial entdeckt. Dennoch
müssen nicht wenige nach wie vor für ihren Weg kämpfen, um sich ihren Platz in der Gesellschaft zu erobern –
trotz sozialer Ausgrenzung, trotz manchmal bildungsferner Eltern oder auch traumatischer Fluchterfahrungen.
Vielen ist es gelungen, einen eigenen Weg zu gehen und
hoffnungsvolle Lebensperspektiven zu entwickeln. Dass
dabei Religion eine verbindende, Kulturgrenzen überwindende Kraft entwickeln kann, haben Jugendliche
auch während ihres interkulturellen Konfirmandenunterrichts im Hamburger Stadtteil St. Georg erlebt und so
geht es auch anderen, die sich wie Alex und Theresia in
ihren christlichen Auslandgemeinden engagieren.
In Porträts, Interviews und als Autoren erzählen Jugendliche und junge Erwachsene von ihrem Alltag, schildern
ihre Einsichten und Erfahrungen.
Vielleicht sind Sie neugierig auf das Lebensgefühl derer
geworden, die sich als die „Neuen“ bezeichnen?
Viel Freude beim Lesen wünscht Ihnen
Jahresfest der Ökumene
„Ökumenische Partnerschaften
zwischen Schatztruhe und Beziehungskiste“ – so lautet das Motto
des Jahresfestes in Breklum.
„Liebe Leserin, lieber Leser,!
32
P.S. Ihre Meinung interessiert uns, darum schreiben Sie
uns gerne! Redaktion: [email protected]
oder an die Postadresse.
52 03 54, 22593 Hamburg, Telefon 040 88181-0, Fax -210, E-Mail: [email protected]
DRUCK, VERTRIEB UND VERARBEITUNG: Druckzentrum Neumünster, JAHRESBEITRAG: 15,– Euro, SPENDENKONTO: IBAN DE77 520 604 100 000 111 333
EVANGELISCHE BANK, BIC GENODEF1EK1. Mit Namen gekennzeichnete Artikel geben die Meinung des Autors/der Autorin und nicht unbedingt die Ansicht des
­herausgebenden Werkes wieder. Die Redaktion behält sich vor, Manuskripte redaktionell zu ­bearbeiten und gegebenenfalls zu kürzen. Gedruckt auf TCF – total
chlorfrei gebleichtem Papier.
weltbewegt
3
Come together
Die Uhren ticken in Deutschland
anders. Hier ist vieles planbarer – auch
die persönlichen Ziele.
Das Handy symbolisiert den mobilen
Fortschritt der Südkoreaner, ihre digitale
Offenheit. Das öffnet neue Türen und
bindet Randgruppen ein.
In Deutschland ist alles akkurat, im
Arbeits- wie im Privatleben. Selbst der Garten ist präzise geschnitten. Das vermittelt
auch Sicherheit und Geborgenheit.
Tee steht für Gelassenheit und
symbolisiert die große Bedeutung der
gemeinsamen Mahlzeiten in Indonesien.
Die Uhr steht für die Pünktlichkeit, Verlässlichkeit und dafür, dass in Deutschland alles
reibungslos funktioniert.
4
weltbewegt
Rafael
Alex
Theresia
Fotos: U. Plautz (9), A. Reimann (2), ZMÖ-Bildarchiv (1), E. Fuchs (2), Carmelina (2), Zeichnungen: C. Wenn
Das Besteck aus Polen ist mein
ständiger Begleiter. Es steht für
häusliche Gemütlichkeit und dafür,
dass man mit anderen schneller privat
wird.
Schwerpunkt
Schwerpunkt
Welches Symbol verbindet eure Herkunftskultur? Was ist für euch
typisch deutsch? Auf diese Fragen haben Jugendliche und junge
Erwachsene, die in diesem Heft zur Wort kommen, eine sinnbildliche
Antwort gefunden.
Meine Hündin musste leider zurück
bleiben. Mein Onkel schickt mir Fotos
von ihr. Von ihm ist auch die Basketballpumpe.
Hier in Deutschland setzten wir uns
für eine Klassenkameradin ein, die
abgeschoben werden soll.
Mein Opa hat immer die Garmoschka
gespielt. Das erinnert mich an Russland.
Was außer der Fahne typisch für
Deutschland ist, weiß ich nicht.
Diese Bibel des kasachischen Erzbischofs
erinnert mich an meine Heimatkultur.
Mit Deutschland verbinde ich die
Armbänder, die alle etwas mit meinen
Freunden zu tun haben.
Carmelina
Daniel
Ilja
weltbewegt
5
Vielfalt ist längst Normalität
Ulrike Plautz
Migrationshintergrund
Zu Menschen mit Migrationshintergrund zählen
seit 1950 nach Deutschland Zugewanderte und
deren Nachkommen. Zu diesem Personenkreis
gehört die ausländische Bevölkerung – unabhängig davon, ob sie im Inland oder im Ausland
geboren wurde – sowie alle Zugewanderten
unabhängig von ihrer Nationalität. Daneben zählen
zu den Personen mit Migrationshintergrund auch
die in Deutschland geborenen eingebürgerten
Ausländer sowie eine Reihe von in Deutschland
Geborenen mit deutscher Staatsangehörigkeit, bei
denen sich der Migrationshintergrund aus dem
Migrationsstatus der Eltern ableitet. Zu den
letzteren gehören auch die deutschen Kinder
(Nachkommen der ersten Generation) von
Spätaussiedlern und Eingebürgerten und zwar
auch dann, wenn nur ein Elternteil diese
Bedingungen erfüllt, während der andere keinen
Migrationshintergrund aufweist. Außerdem
gehören zu dieser Gruppe seit dem Jahr 2000 auch
die (deutschen) Kinder ausländischer Eltern, die
die Bedingungen für das Optionsmodell erfüllen,
also mit einer deutschen und einer aus-ländischen
Staatsangehörigkeit in Deutschland geboren
wurden.
Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung
„Als ‚Third Culture Kids‘ oder Drittkultur-Kinder
werden Kinder und Jugendliche bezeichnet, die in
einer anderen Kultur aufgewachsen sind als ihre
Eltern, oder die während ihrer Kindheit und
Jugend oft umgezogen sind und dabei die Kultur
gewechselt haben.“
Definition nach David C. Pollock und Ruth E. Van Reken
6
weltbewegt
B
i- oder multikulturell leben in Deutschland – das
ist heute nichts Besonderes. Immerhin leben in diesem Land 16,5 Millionen Menschen, die einen sogenannten Migrationshintergrund haben, also Menschen,
die noch andere kulturelle Wurzeln haben als deutsche.
Das sind mehr als 20 Prozent der Bundesbürgerinnen
und -bürger.
Dennoch weckt der Begriff Migration in der öffentlichen Wahrnehmung nach wie vor negative Assoziationen.
Demnach erscheinen Migration und Verschiedenheit in
erster Linie als Problem und Herausforderung für eine
weitgehend homogen vorgestellte Gesellschaft. In vielen
Medien wird Integration zwar als notwendig dargestellt, aber nicht weiter konkretisiert. So werden Begriffe
wie „Ausländer“, „Fremde“, „Migranten“ und „Menschen
mit Migrationshintergrund“ häufig nicht unterschieden,
sondern sinngleich im selben Text verwendet.
Einer aktuellen Studie der Integrationsbeauftragten
der Bundesregierung zufolge finden diese negativen
Zuschreibungen auch in Schulbüchern statt. So würden auch hier Ausländer und Flüchtlinge in deutschen Schulbüchern immer noch negativ dargestellt.
Zuwanderung werde nach wie vor meist als „konfliktträchtig und krisenhaft“ beschrieben, heißt es in der
Studie. So wundert es nicht, dass viele Jugendliche
den Zusatz „Migrationshintergrund“ als Abwertung
empfinden.
„Ich integriere mich selber“
Wie notwendig ein Umdenken ist, um diesen Jugendlichen gerecht zu werden, betont der Migrationsforscher und Psychologe Tarek Badawia. Er hat beobachtet, dass für Jugendliche – bei allen biografischen
Unterschieden – zwei paradoxe Leitsätze gelten: „Ich
werde nicht integriert, sondern ich integriere mich
selber“ und: „Ich bin weder deutsch noch ausländisch
und trotzdem beides“. Um diese kreative Identitätsfindung bei bikulturellen Jugendlichen zu unterstützen und anzuerkennen, sei es besonders wichtig,
„ihre Experimente zur Selbstfindung nicht nur zuzu-
Schwerpunkt
Wurzeln kennengelernt. Sie teilt die beschriebenen
Erfahrungen.: „Ich erlebe viele der Heranwachsenden
als absolut bildungsbeflissen, mit einem starken Willen.
Sie wollen sich ihren Platz in der Gesellschaft erobern.“
Natürlich gäbe es auch in dieser gesellschaftlichen
Gruppe, wie überall, große Unterschiede: „Stereotypen
greifen nicht.“ Aber sie beobachte, dass eine Generation
heranwächst, die sich als etwas „Eigenes, als etwas
Neues“ begreift. In und mit zwei Kulturen aufzuwachsen,
„das begreifen viele nicht nur als Herausforderung,
darin sehen viele auch eine Chance“.
Cartoon: B. Zeller/toonpool.com (1), Figuren: C. Wenn
lassen, sondern zu fördern“. Ein Ansatz, den auch
Barbara Seibert, Initiatorin des FORUMS – Young
Migrant Talents, verfolgt, die wir in einem Artikel
(s.S. 28-29) vorstellen. Mit ihrem Programm will sie
begabte Jungendliche mit Migrationshintergrund
fördern.
Martina Severin-Kaiser, Ökumenebeauftragte der
Nordkirche und Geschäftführerin der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Hamburg (ACKH), hat im
Rahmen ihrer Arbeit mit internationalen Gemeinden
auch viele Kinder und Jugendlichen mit bikulturellen
weltbewegt
7
„Wir sind etwas Neues“
Theresia Siahaan und Alex Reimann sprechen über Identität,
konservative Erziehung, Konflikte und darüber, warum ihnen
christliches Engagement so wichtig ist.
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weltbewegt
Schwerpunkt
„ Es ist ke
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Reise od
er
Ferien, e
s ist ein
zweites L
eben.“
Unbe
Fotos: U. Plautz (1), C. Wenn (2), Zeichnungen: C. Wenn
kannt
Theresia, Ihre Eltern sind in Indonesien geboren
und Sie in Deutschland. Sie gehören also zur
sogenannten zweiten Generation. Welches Selbstverständnis haben Sie?
es bei Kritik schnell: Das waren wieder die Chinesen,
die Afrikaner oder die Deutschen, anstatt auf Einzelheiten einzugehen die einen stören, zum Beispiel auf
Charaktereigenschaften.
Theresia: Beide Kulturen gehören zu mir. Sie haben
mich geprägt und machen mich zu der, die ich heute bin.
Natürlich denke ich manchmal: Wer bin ich jetzt
eigentlich? Ich fühle mich deutsch und dann wieder
nicht, weil ich auch die indonesische Mentalität in mir
habe.
Alex: Bei mir ist es noch anders. Meine Mutter kommt
aus Südkorea und mein Vater aus Deutschland. In der
Schule wurde ich immer „der Koreaner“ genannt. Dabei
fühle ich mich als Deutscher, weil ich hier aufgewachsen
bin. Wenn ich heute wegen meines Aussehens
angesprochen werde, denken viele: Na so richtig
deutsch sieht er ja wohl nicht aus. Mittlerweile kann ich
locker damit umgehen.
Theresia: Wir müssen uns vielleicht eingestehen, dass
wir diese eindeutige Identität nie haben werden.
Alex: Einige der zweiten Generation werden dadurch
bitter, traurig oder auch aggressiv, wenn sie sich ständig
rechtfertigen müssen und das Gefühl haben, nirgendwo
anerkannt zu sein. Jeder Mensch will zu einer Gruppe
gehören. Manchmal ist das doch auch skurril. Wenn
einige von unseren afrikanischen Freunden ihr
Heimatland besuchen, werden sie dort „white man“
genannt. Hier in Deutschland sind sie dann die
„Schwarzen“.
Was verbindet Sie mit Gleichaltrigen der sogenannten zweiten Generation aus anderen Ländern?
Was nervt am meisten?
Theresia: Wenn Leute sagen: Du sprichst aber gut
deutsch. Auch, wenn sie das nicht böse meinen.
Alex: Oder man wird auf englisch angesprochen, obwohl man doch erstmal davon ausgehen sollte, dass
man deutsch in Deutschland spricht. Schlimmer ist es
für Menschen mit dunkler Hautfarbe. Sie werden oft so
angesprochen als ob sie blöd wären. Anstrengend finde ich auch die Stereotypisierung. Zum Beispiel heißt
Alex: Ich denke, dass wir eine besondere Sensibilität im
Umgang mit Menschen aus anderen Kulturkreisen
entwickelt haben. Das kommt mir in der internationalen
Geschäftswelt zugute. Dort kann ich bei Konflikten
vermitteln oder kulturelle Zusammenhänge besser
verstehen. Aber ich finde auch, dass Kinder mit unserem
Hintergrund grundsätzlich viel konservativer erzogen
werden als Deutsche. Egal, ob sie aus Asien oder Afrika
kommen.
Was könnten die Gründe sein?
Alex: Da kann ich nur aus meiner Sicht sprechen. Als in
den 60er Jahren die ersten Gastarbeiter aus Korea
hierher kamen, haben sie das Koreabild aus dieser Zeit
konserviert. Inzwischen hat sich Südkorea aber sehr
stark entwickelt. Ich habe den Eindruck, dass die
Elterngeneration dieser Entwicklung nicht so schnell
hinterher gekommen ist und das eigene Herkunftsland
fremd geworden ist. Daraus hat sich eine Parallelkultur
entwickelt. Wir von der zweiten Generation sind deutsch,
werden aber zuhause nach altem Vorbild erzogen. Das
führt zu vielen Konflikten mit der älteren Generation.
Außerdem werden Mädchen noch viel mehr behütet. Ich
kenne viele, die ihre Beziehung bis zur Hochzeit geheim
gehalten haben. Das ist schwierig.
Theresia: Das stimmt. Aber ich finde zusätzlich, dass
bei vielen auch Leistung und Bildung ganz weit oben
stehen. Die meisten Eltern haben für das, was sie
erreicht haben, hart gearbeitet. Sie wollen, dass ihre
Kinder es einmal besser haben. Ich kann das auch
verstehen. Bei uns in Indonesien müssen Eltern viel
Schulgeld für ihre Kinder zahlen. Hier gibt es nicht so
weltbewegt
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Theresia
Siahaan (27)
arbeitet in einer
internationalen
Spedition.
Sie engagiert
sich in der
IndonesischChristlichen
Gemeinde in
Hamburg unter
anderem als
Jugendgruppenleiterin.
hohe Hürden. Das ist eine Chance, die wir wirklich
nutzen sollten. Damit sporne ich meinen Bruder immer
an, wenn er keine Lust auf Hausaufgaben hat. Ich finde
es einfach wichtig, dass Jugendliche einen Schulabschluss machen.
Was verbinden Sie denn mit dem Begriff Heimat?
Alex: Für mich ist Heimat nicht auf eine Kultur oder ein
Land beschränkt. Das können viele Orte sein.
Theresia: Heimat ist dort, wo ich mich zuhause fühle
und das kann überall sein.
Welche Bedeutung hat die Sprache für die Identität?
Was macht denn ein Zuhause-Gefühl aus?
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weltbewegt
Theresia: Dazu gehören Vertrautheit und Geborgenheit.
Ich fühle mich dort zuhause, wo ich verstanden werde
und ich so sein kann, wie ich bin, ohne mich rechtfertigen
zu müssen.
Alex: Es ist dort, wo meine Freunde sind und Menschen,
die ein offenes Herz haben.
Sie engagieren sich ja sehr in Ihren christlichen
Gemeinden. Sind die Kirchengemeinden so etwas
wie ein Zuhause?
Alex: Erst einmal auf jeden Fall, ja. Weil in der Gemeinde
die Menschen als Individuum gesehen werden und nicht
als Angehörige einer Ethnie. Das zieht mich an.
Andererseits setzen sich Konflikte zwischen den
Generationen auch hier fort. Vielen Jugendlichen ist die
Art der Gottesdienste vielleicht fremd geworden. Einige
verlassen die Gemeinden, manche auch, weil sie
Konflikte mit den Älteren haben. Unser Bestreben ist es,
Jugendliche zu animieren trotzdem zu bleiben. Junge
Leute müssten zum Beispiel in den Vorstand. Gemeinden
sollen ja nicht nur ein kulturelles Erbe vermitteln, sondern
auch Erbe des Glaubens.
Fotos: U. Plautz (2), C. Wenn (1), Zeichnungen: C. Wenn
Theresia: Sprache ist enorm wichtig. Bei uns zu Hause
sprechen wir vor allem indonesisch. Ich verstehe zwar
alles, kann es aber nicht so gut sprechen. Meine Eltern
sprechen indonesisch und ich antworte auf deutsch.
Dabei verwende ich einen indonesischen Satzbau,
damit meine Mutter das besser versteht. Wir haben
inzwischen eine richtige Mischsprache entwickelt. Jede
Familie hat inzwischen ihre eigene Sprache. Das ist oft
ziemlich lustig.
Alex: Das führt aber auch zu Problemen. Wenn man die
Sprache der anderen Generation nicht richtig gut
beherrscht, können Diskussionen auf höherem Niveau
oft nicht stattfinden, ohne dass es zu Missverständnissen
kommt.
Alex Reimann
(34) arbeitet in
einer internationalen Leasing Firma.
Er engagiert
sich in einer
koreanischen
Gemeinde und
organsiert
unter anderem
interkulturelle
Jugendveranstaltungen und
Gottesdienste.
Wie schaffen Sie es, Jugendliche in Ihrer Gemeinde so anzusprechen, dass sie Lust haben weiter
dabei zu bleiben?
Alex: Es hat angefangen mit Gottesdiensten, die wir
selbst gestalten. Viermal im Jahr feiern wir Worship
United, einen Gottesdienst, den wir gemeinsam mit
Jugendlichen aus anderen Migrantengemeinden
organisieren. Die Gottesdienste sollen die Basis für
andere Jugendveranstaltungen wie Workshops,
musikalische Events, Gesprächs- und Bibelkreise
oder Seminare sein. Wir wollen demnächst auch
Veranstaltungen mit deutschen Jugendlichen
organisieren. Das Netzwerk untereinander ist für uns
enorm wichtig.
Theresia: Mir ist in unserer Jugendgruppe der
Austausch mit Gleichaltrigen am wichtigsten. Einmal
hatten wir uns mit dem Thema Identität beschäftigt. Wir
sind zu dem Schluss gekommen, dass wir weder
indonesisch oder deutsch sind, sondern etwas ganz
Neues. Es ist doch ein großer Schatz die verschiedenen
Kulturen zu vereinen. Ich möchte gern vermitteln, dass
wir ihn nutzen sollten. Für uns selbst und auch für Gott.
Alex: Ich denke, vor allem durch unsere Gottesdienste
hat die erste Generation gesehen, dass wir etwas
wollen. Sie sieht, dass uns der Glaube wichtig ist. Auch
wenn wir ihn anders leben wollen als sie. Das hat vielen
imponiert. Ich bin ein Netzwerker und sehe meine
Hauptaufgabe darin, Menschen miteinander ins
Gespräch zu bringen, die einen ähnlichen Kontext haben
wie wir.
Schwerpunkt
Welche Bedeutung hat die Religion für Sie?
Theresia: Die ist sehr wichtig. Denn das, was alle
Menschen verbindet, ist der Glaube.
Alex: Im christlichen Glauben spielen Ethnien keine
Rolle. Gott ist es egal, wie du aussiehst, wo du
herkommst und welche Sprache du sprichst. Mir geht
es so, wenn ich in eine Kirche komme, egal wo auf der
Welt, dann fühle ich mich zuhause. Auf Identitätssuche
ist jeder, aber unsere wahre Identität liegt einfach im
Glauben. Identität ist letztlich ja ein irdischer Wert, wie
nicht zuletzt auch Generationskonflikte weltliche
Themen sind, die im Glauben überwunden werden
können. Der Glaube vermittelt uns: Wir sind alle Kinder
Gottes. Und das stärkt.
Das Gespräch führte
Ulrike Plautz.
weltbewegt
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„Deutsch
mit Migrationshintergrund“
Was denken Deutsche mit einer
Einwanderungsgeschichte, Angehörige der sogenannten zweiten
Generation, wenn sie dauernd auf
ihre Herkunft angesprochen werden?
Ich fragte Hanna Attar, die ich vom
gemeinsamen Netzwerken her
kenne. Die 26-Jährige kommt aus
Emden und besitzt die deutsche
Was macht es aus, wenn man wegen Staatsangehörigkeit. Ihr wird die
Frage, wo sie „eigentlich“ herkomme,
seines Aussehens ständig auf die Herkunft immer noch häufig gestellt, übrigens
angesprochen wird? auch von türkischen Mitbürgern. Sie
berichtet, dass ein Elternteil aus
Paul Steffen Deutschland und einer aus Syrien
stammt.
Ich wollte von Hanna Attar wissen,
was sie denn denke, wenn man sie
als Mensch mit Migrationshintergrund
bezeichnet. „Ich glaube dann, dass ich etwas Besonderes bin. Vor allem aber
anders. Das muss auch nicht negativ gemeint sein, das ist vom Kontext
abhängig.“ An schlechten Tagen hätte sie das allerdings schon genervt. „Als
ich jünger war, habe ich mich öfter gefragt, warum immer nur das Äußere zählt
– oder vielmehr, warum das so wichtig ist. Ich bin doch so viel mehr“, so
Hanna Attar. „Mittlerweile ist das auf dem Arbeitsmarkt ja eine richtige
Zusatzqualifikation und Menschen mit Migrationshintergrund werden gezielt
gesucht.“ Als ihre Familie vor einiger Zeit vergeblich versucht hatte, die
Großmutter aus Syrien nach Deutschland zu holen, war ich mir nicht sicher,
ob Hannas „deutsche Identität“ einen Knacks bekommen hätte. „Ich habe
mich für mein Land geschämt, aber mein Deutschsein habe ich nie in Frage
gestellt“, meint sie. Inzwischen konnte sie auch wieder gute Erfahrungen
machen und etwas für ihren Mann erreichen, der aus dem Sudan kommt. „Es
ist nichts so festgefahren, dass man nichts tun kann. Da bin ich froh hier zu
sein.“ So die Erfahrungen von Hanna Attar.
Ein anderes Gespräch führte ich mit Ayoub Sattari. Auch er ist in Deutschland
geboren, ebenfalls mit deutscher Staatsangehörigkeit und bezeichnet sich
als Tunesien-Deutscher und manchmal als Ausländer. Er ist ein junger Aktivist,
der sich gegen Rassismus und für Demokratie und kulturelle Verständigung
einsetzt. Auf meine Frage nach der Fremdzuschreibung als Mensch mit
Migrationshintergrund zögert er kurz und sagt dann: „Weißt du, es ist so, wie
ich es in einem französischen Film gehört habe: Wir alle sind Bewohner
desselben Planeten. Wir sind Menschen.“ Im Verlauf des Gesprächs suchen
wir gemeinsam nach Worten und nach richtigen Bildern. Er findet und verwirft
Analogien und kämpft darum, seinen Standpunkt klar zu machen, ohne „uns
Deutsche“ zu verletzen.
„Ich sehe mich als Tunesien-Deutscher, weil ich vom ersten bis zum
dreizehnten Lebensjahr in Tunesien gelebt habe.“ Ayoub Sattari arbeitet im
Kundendienst eines Autohauses und findet es „nicht schlimm“ nach seiner
Herkunft gefragt zu werden. Er findet es völlig in Ordnung, wenn jemand sagt,
dass er seit Generationen hier verwurzelt ist. „Wenn einer sich als DeutschDeutscher oder als Ureinwohner sieht und das nicht gegen mich wendet,
warum denn nicht?“ Für ihn sei es nur dann schwierig, wenn jemand daraufhin
meint, sich ihm gegenüber herablassend verhalten zu können. Schließlich sei
Paul Steffen ist
er bei einer Anti-Pegida Demonstration gewesen, „um gegen diesen echten
Leiter der Akademie
Rassismus ein Zeichen zu setzen“.
für Zukunftsfragen
Fazit: Nach den Interviews wurde mir klar, dass es ist wichtiger ist, auf
des Kirchenkreises
Begegnungen und Gespräche zu setzen, anstatt immer auf die richtigsten
Hamburg West/
und aktuellsten Sprachregelungen.
Südholstein
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weltbewegt
Ist das eigentlich noch
wichtig welche Wurzeln
man hat? Junge Erwachsene mit sogenanntem
Migrationshintergrund
machen da unterschiedliche Erfahrungen.
Schwerpunkt
Fotos: Corel (1), Kahuroa/gemeinfrei (1)
Migrant
erster Klasse
Ich habe erst spät
gemerkt, dass ich
nur ein halber
Deutscher bin. Als
ich acht war, gab
es eine KampagPhilipp Alvares de Souza Soares
ne: „Mein Freund
ist ein Ausländer.“
Meine
Lehrerin
nahm das zum Anlass, mit uns über das Thema zu sprechen.
Für mich waren die ausländischen Kinder in der Klasse bis dahin Waldemar
und Elnaz. Ich war mir meines Andersseins nicht bewusst. Mein Vater ist Brasilianer, meine Mutter Deutsche. Aber in die Kategorie „Ausländer“ wollte ich
nicht gehören. Sie war mit dem Wort „Problem“ verknüpft. Kinder spüren sehr
genau, welche Gefühle mitschwingen, wenn Erwachsene bestimmte Begriffe
benutzen. Die Abneigung zeigt sich in Tonfall und Gestik. Sie kommt in Tarnfarben daher.
Das Wort ist noch immer negativ besetzt. Auch die Floskel „Menschen mit
Migrationshintergrund“ erzeugt keine besseren Assoziationen. Jeder denkt
sofort an türkische Parallelgesellschaft, Armut, Neukölln. Wenn in Zeitungen
oder Studien die Rede von Migranten ist, sind meist diejenigen gemeint, die
Probleme haben, gefördert werden müssen, benachteiligt sind oder von Nazis
bedroht werden. Dabei steht der Begriff inzwischen für 16 Millionen Menschen
in Deutschland aus über 180 Ländern – und ihre hier geborenen Nachkommen. Eine sehr heterogene Gruppe also.
Rückblickend wird schnell klar, warum ich mich nicht wie andere Ausländerkinder fühlte. Ich sehe schon nicht so aus, habe keinen Akzent. Außerdem
wurde ich als Deutscher erzogen, sendete also Signale der Zugehörigkeit.
Aber was noch viel wichtiger ist: Brasilianer – sofern sie helle Haut haben –
gelten als wertvoller als etwa Türken und Albaner, und sogar als Polen, die
doch aus einem Nachbarland kommen und auch Christen sind.
Mit den Brasilianern teilen die Deutschen keine durch Kriege belastete Vergangenheit, dafür gibt es viele Klischees vom tropischen Paradies, Samba
tanzenden Bikinischönheiten und genialen Fußballspielern. Ok, es gibt Armut,
die Favelas – aber die Menschen scheinen doch trotzdem so glücklich zu sein!
Es ist leicht, so ein Abziehbild zu mögen.
Ich kann mich an unzählige Szenen an Supermarktkassen oder Behördenschaltern erinnern, an denen mir ganz ohne Anstrengung Zuneigung zuteil
wurde – nur wegen meines Namens auf EC-Karte oder Personalausweis. Mein
ausländischer Vater schien mehr Trumpf als Makel zu sein. Besonders die
links-akademischen Milieus machen einen Menschen schnell zum weltgewandten Kosmopoliten, der vor allem deshalb interessant scheint, weil er
anders, nicht ganz deutsch ist.
Auch später an der Uni wurde ich oft aufgefordert, meinen Namen langsam
auszusprechen, um daraufhin warme Blicke zu ernten. Wenn mich ein Lehrer
oder Dozent noch nicht kannte, fand er mich erst einmal deshalb gut, weil ich
ein halber Brasilianer war. So fühlte es sich jedenfalls an.
Das war alles sehr angenehm für mich. Aber nicht nur. Denn auch schmeichelhafte Klischees sind hohl. Die Menschen erwarten, dass ihr Vorurteil bestätigt
wird. Wenn ich zum Beispiel erzähle, dass ich mich nicht für Fußball interessiere, sind einige schnell überfordert.
Die meisten Deutschen sind Ausländern gegenüber tatsächlich aufgeschlossen. Nur dass viele die einzelnen Herkunftsländer hierarchisieren. Sie hätten
wahrscheinlich ein Problem damit, in einem Viertel zu wohnen, in dem hauptsächlich Kongolesen leben, ein Schweden-Ghetto hingegen würde sicher
schnell gentrifiziert. Diese selektive Liebe ist auch ein Schutz: Wer sagt, dass
er Brasilianer, Italiener oder Thailänder total klasse findet, der kann doch nicht
ausländerfeindlich sein – oder?
Der Artikel ist
in voller Länge
erschienen bei
Zeit-Online vom
14.1.2013.
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Internationale Begegnungsstätte Haus der Kulturen in
Lübeck
Heimat kann überall sein
Rafael Jancen
N
Zweifach verwurzelt.
Rechts die Stämme eines
schlangenwüchsigen Kiefernwaldes in Polen, links eine typisch
deutsche Eiche.
Heimat kann überall sein.
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atürlich habe ich mich oft
gefragt, wer bin ich denn?
Bin ich deutsch oder polnisch? Ich
könnte es nicht beantworten. Heute
merke ich, dass es mir gar nicht mehr
wichtig ist, es genau zu definieren.
Wenn ich an Polen denke, dann
habe ich allenfalls Heimatgefühle zu
meinem Dorf, zu meiner Familie und
zu den Menschen, die ich dort kenne.
Aber nicht zu der Nation Polen. Mit
Deutschland geht es mir genauso. Da
fühle ich mich in Lübeck zuhause und
hier in Hamburg, wo ich studiere.
Mittlerweile merke ich: Ich kann
meine Heimat in mir tragen. Sie ist
nicht an einen festen Ort gebunden.
Ein Zuhause-Gefühl kann ich an
verschiedenen Orten spüren, die gut
für mich sind.
Dass ich zweisprachig und quasi zwischen zwei Ländern aufgewachsen bin, empfinde ich als eine große
Bereicherung. Ich erlebe, dass man mit
so einem besonderen Hintergrund
eine größere Aufmerksamkeit für das
Verhalten von Menschen, für Kulturen und nicht zuletzt für die Sprache
entwickelt. Deshalb habe ich mich
nach dem Abitur für das Slavistikstudium entschieden. Die Sprache sagt
so viel über die Perspektiven und
Werte von einzelnen Menschen sowie von ganzen Gesellschaften aus.
Allein, welche unterschiedlichen
Bilder mit bestimmten Wörtern verknüpft werden, finde ich faszinierend.
Ein banales Beispiel: Bei dem Wort
„Baum“ hat man in Libyen wohl
andere Bilder vor Augen als in Polen
oder Deutschland. Sicher fällt es mir mit meinen
Erfahrungen auch leichter, Konflikte zu verstehen, die
entstehen, wenn Menschen aus unterschiedlichen Kulturräumen zusammenkommen.
Allerdings glaube ich wiederum nicht, dass allein die
Tatsache, dass man unterschiedliche Kulturen kennt, zu
mehr Toleranz führt. Das hängt doch von mehreren
Faktoren ab. Zum Beispiel auch davon, wie man in dem
neuen Land aufgenommen wird. Wenn Menschen sich
nicht willkommen fühlen, kann das auch zur Abschottung
führen.
In meinem späteren Beruf möchte ich auch immer etwas
mit Menschen zu tun haben. Das ist mir im letzten Jahr
noch einmal sehr deutlich geworden. Nach meinem
Bachelorabschluss habe ich ein Freiwilliges Soziales Jahr im
Haus der Kulturen in Lübeck geleistet. Ich brauchte die
Unterbrechung für mich, um mir über meine weiteren Ziele
noch mehr Klarheit zu verschaffen. Im Haus der Kulturen
hatte mir besonders die Arbeit mit Jugendlichen aus
unterschiedlichen Ländern viel bedeutet. Es waren auch
Flüchtlinge aus Afghanistan, Pakistan und Syrien dabei.
Ihre Geschichten haben mich tief beeindruckt. Die Kraft,
die bei ihnen sichtbar wurde – neben all dem Schweren, das
sie erlebt hatten. Ich wäre froh, wenn ich ihnen mit meinem
Deutschunterricht das Leben hier zumindest etwas
erleichtern konnte. Sie haben es ja immer noch schwer
genug und ich finde die Abschottungspolitik Europas
zurzeit unerträglich. Aber das ist ein ganz eigenes Kapitel.
Plötzlich wurden materielle Werte wichtig
Auch wenn meine Lebensgeschichte nicht im Entferntesten so dramatisch ist, wie die von Flüchtlingen, weiß ich
wie es ist, etwas hinter sich lassen und sich in einer neuen Umgebung zurechtfinden zu müssen, wo die Sprache
fremd ist, man zunächst einmal überhaupt keine
Orientierung hat und die ganzen Abläufe nicht kennt.
Ich bin vor 25 Jahren in Lübeck geboren. Dort habe ich
bis zu meinem fünften Lebensjahr gelebt. Dann sind wir
nach Polen umgezogen, in ein winziges Dorf mit circa 70
Schwerpunkt
Fotos: U. Plautz (1), Rzuwig/Wikimedia (1), Abrget47j/Wikimedia (1), C. Wenn (1), Zeichnung: C. Wenn (1)
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Einwohnern, wo meine Eltern ursprünglich herkommen.
Als ich 15 war, ging es wieder zurück nach Lübeck. Die
Umstellung von Polen nach Deutschland war für mich
schon sehr groß. Ich kam in eine Schule, in der die meisten
sehr wohlhabend waren. Plötzlich spielten materielle Dinge
eine große Rolle. Bisher war mir das immer egal, aber nun
war es plötzlich ein Thema. Es musste dann schon der echte
Burberry-Schal sein und beim Ausgehen haben Klassenkameraden schon mal locker 50 Euro ausgegeben. Da
konnte ich natürlich nicht mithalten. Ich war eben nicht so
wohlhabend und bin es natürlich als Student auch heute
nicht. Aber das stört mich nicht mehr. Damals hatte es mir
das Ankommen jedoch schwer gemacht. Auch wenn ich
immer Freunde hatte, fühlte ich mich trotzdem nicht so
richtig zugehörig. In dieser Zeit war materielle Sicherheit
für mich absolut erstrebenswert. Das hat sich dann in der
Abi-Zeit gegeben. Nach und nach habe ich mich frei
gemacht und entdeckt, was mir wirklich wichtig ist. Neben
den Menschen ist es die Bildung. Damit meine ich nicht
nur Universitätswissen, sondern ich möchte überhaupt
viel über Menschen und die Welt erfahren. Ich brauche
Denkanregungen und liebe den Austausch mit anderen
Menschen. Für mich hat jeder Mensch eine Form von
Bildung, nicht nur Akademiker. Ich möchte mich in
meinem Leben stets weiterentwickeln. Dabei finde ich es
absolut wichtig, offen zu sein und über den Tellerrand
hinauszuschauen, auch global zu denken. Ich möchte nicht
nur für mich da sein, sondern auch für andere. Mein Ziel
ist es, etwas zu bewirken, um das Leben von anderen zu
erleichtern. Ich möchte mit meinen Möglichkeiten einen
Beitrag dazu leisten, dass mehr Gerechtigkeit herrscht.
Ich will neugierig bleiben!
Wenn ich mir etwas wünschen dürfte, dann wünschte ich
mir eine Gesellschaft ohne jegliche Form von Gewalt.
Konflikte können auch friedlich ausgetragen werden. Ich
weiß, es klingt sehr utopisch. Aber solche Utopien finde
ich wichtig, als Gegengewicht zur Realität. In meinen
Augen fördern Gier und Egoismus die Gewalt, Eigen-
schaften, die im Kapitalismus leider
sehr gefördert werden. Ich beobachte
zudem, dass Menschen, die zur
Gewalt neigen, häufig schlechte Beobachter und Zuhörer sind. Eine weitere Ursache ist aus meiner Sicht
auch mangelndes Wissen. Wenn
Menschen mehr über andere Lebensweisen wissen, denken sie weniger in
Stereotypen. Dazu gehört die Frage:
Was hat die anderen beeinflusst, so
zu werden, wie sie sind? Wichtig
finde ich, sich eine Neugier auf andere Menschen zu bewahren – ohne
Vorurteile. Wir sollten es immer
wieder wagen aufeinander zuzugehen. Es lohnt sich! Und es ist überall
möglich.
Protokoll: Ulrike Plautz
„Heimat ist
kein Ort . . .
Heimat ist ein
Gefühl.“
Ester Nabaasa
weltbewegt
15
Unbekannt
Was ist, wenn ich 18 bin?
Carmelina* ist ein sportliches Mädchen mit ernstem Blick, das ihr Fußballtrikot oft auch zuhause trägt. Wenn sie aber lacht, strahlt ihr ganzes Gesicht.
Ihre Lieblingstiere sind Hunde, über die weiß sie richtig viel. Vor vier Jahren
war sie mit ihrer Mutter aus Mittelamerika nach Deutschland gekommen.
Die meiste Zeit davon hat die heute 14-Jährige in Hamburg in einer Hausgemeinschaft verbracht. Noch leben beide ohne Papiere, mit vielen Unsicherheiten im Alltag.
M
ir kommt es vor, als sei ich in Hamburg geboren.
Ich fühle mich so wohl hier, überhaupt nicht als
Ausländerin oder wie man das nennt. Die Menschen,
mit denen ich lebe, sind freundlich und ich kenne alle so
gut. Das Einzige, was ich vermisse, ist meine Hündin.
Sie heißt Mia, das heißt „meine“ auf Spanisch. Ich konnte sie nicht mitnehmen, aber mein Patenonkel schickt
mir Fotos und schreibt, wie es ihr geht. Von ihm habe
ich auch die Basketballpumpe geschenkt bekommen.
Sie erinnert mich immer an ihn. Meine Heimat aber ist
Hamburg, das ist mir ganz klar. Nur dass die Sprache
und das Land anders sind als dort, wo ich herkomme.
Deutsch spreche ich richtig gut, das war ganz einfach zu
lernen, weil alle mit mir Deutsch reden.
Vor vier Jahren sind meine Mutter und ich nach
Deutschland gekommen. Wir haben keine Papiere, aber
darüber möchte ich gar nicht nachdenken. Es macht mir
schon Angst. In Mittelamerika, wo ich herkomme, habe
ich noch meine Familie und meinen Patenonkel. Wir
mussten fort, weil es so gefährlich war. Ich durfte nur
noch mit dem Taxi zu Schule und sonst gar nicht aus dem
Haus. In Hamburg kann ich allein in den Park gehen oder
zum Schwimmen mit meinen Freunden. Ich spiele
Fußball im Verein und stehe im Tor. Früher wollte ich mal
Fußballerin werden, aber das will ich jetzt
nicht mehr. Englisch und Sport sind gerade
meine Lieblingsfächer.
Manchmal möchte ich nicht älter
werden
In meiner Klasse gibt es nur zwei Kinder,
die in Deutschland geboren wurden oder
deutsche Eltern haben. Die anderen
kommen aus allen möglichen Ländern,
aus der Türkei, aus Syrien, Afghanistan,
Venezuela, Mazedonien. Aber das
macht für mich keinen Unterschied.
Ehrlich gesagt, finde ich es überhaupt
nicht wichtig, woher jemand kommt.
In meiner Klasse halten wir zusammen. Eine meiner
16
weltbewegt
*(Name geändert)
Klassenkameradinnen soll abgeschoben werden. Sie ist
aber schon ganz lange in Hamburg. Wir wehren uns alle
dagegen, Schüler und Lehrer. Wir haben außerdem eine
Online-Petition gestartet und ein Plakat mit einer Weltkugel gemalt, wo draufsteht: Annehmen statt abschieben. Sogar das Fernsehen war da und hat über uns
berichtet. Ich will einfach daran glauben, dass es hilft,
was wir tun. Meine Klassenkameradin gehört doch zu
uns!
Am Wochenende fahre ich oft zu Bekannten an die
Ostsee. Wir haben uns in der Gemeinschaft kennen
gelernt und sie sind fast so etwas wie Familie für mich. Sie
haben zwei Hunde, das ist schön. Wir gehen viel am
Strand spazieren, kochen und reden über alles Mögliche.
Manchmal denke ich, ich möchte nicht älter werden.
Oder nur ganz, ganz langsam. Ich weiß nicht genau, wieso.
Kind-Sein ist einfach chilliger. Die Erwachsenen sind
manchmal so hektisch. Ich bin glücklich so, wie es ist und
brauche eigentlich nichts weiter. Auch keinen Führerschein oder so. Außerdem weiß ich nicht, wie es werden
soll, wenn ich sechzehn oder achtzehn bin und
wir immer noch keine Papiere haben. Ob
ich dann abgeschoben werde? Ich
möchte hier bleiben mit meiner
Mutter. Nach Mittelamerika
würde ich nur reisen, um
meine Verwandten zu
besuchen. Hier ist es viel
entspannter. Ein Mitglied aus der Gemeinschaft sagt mir dann,
ich solle nicht so viel
über die Zukunft nachdenken. „Carpe diem“,
meint er dann oft. Das
versuche ich auch.
Mein größter Wunsch
ist, dass irgendwann
alle Menschen gleichberechtigt sind.
Protokoll: Kathrin Wienefeld
Fotos: Corel (1), C. Horvat/Wikimedia (1), C. Wenn (2)
„Du kannst nicht
weggehen ohne
verändert zurückzukommen.“
Schwerpunkt
weltbewegt
17
„Religion
kann Grenzen
überwinden“
Im Hamburger Stadtteil St. Georg
gibt es schon seit Jahren einen interkulturellen Konfirmandenunterricht. Emma, Wendy, Lorenda,
Alva, Thore und Wondibel wurden
gerade konfirmiert und schildern
ihre Erfahrungen.
Lorenda
Lorenda Opoku(14):
Emma Rantzau (13):
Es ist toll, dass wir so viele Jugendliche
in unsere Konfirmandengruppe habe,
deren Eltern aus Afrika kommen. Ich
finde zum Beispiel die Gottesdienste
von Afrikanern viel lebendiger. Sie begrüßen sich, singen und tanzen durch
die ganze Kirche. Ich war dort oft zu
Gospelgottesdiensten und zu einer
Taufe. Mir gefällt auch, dass die afrikanischen Jugendlichen in meiner
Gruppe viel aufgeschlossener und
fröhlicher sind als wir. Die zwei Jahre,
in denen wir als Konfirmanden zusammen waren, waren für mich eine sehr
bereichernde Zeit. Ich glaube an Gott
und mag gerne über Religion reden.
Religion bedeutet, dass man an einen
Gott glaubt – jeder an einen anderen
– und dass man davon überzeugt ist.
Ich glaube, in dem Moment wo ich
konfirmiert werde, gibt es eine besondere Nähe zu Gott, die zu spüren ist.
Religion heißt für mich, auch zu lernen,
dass man mit anderen Menschen so
umgeht, wie man möchte, dass andere
mit einem selbst umgehen. Liebe den
anderen wie dich selbst, das ist für
mich ein wichtiger Satz.
18
weltbewegt
Wendy
Wendy Otto (15):
Ich finde erstaunlich, wie verschieden die Perspektiven sein können,
die Menschen auf das Leben
haben. Dabei fand ich es im
Unterricht interessant zu erfahren,
wie sehr diese unterschiedlichen
Ansichten manchmal von der
eigenen Kultur geprägt sind. Ich
finde es auch gut, dass wir mehr
über den Islam und das Judentum
erfahren haben, die ja unserer
Religion sehr verwandt sind. Es ist
einfach spannend zu erfahren, wie
die Religionen mit wichtigen
menschlichen Fragen und Problemen umgehen. Es gibt viele
Gemeinsamkeiten. Zum Beispiel
hat jede der Religionen eine Heilige
Schrift, im Judentum die Thora und
im Islam der Koran. Überall gibt es
auch Richtlinien, wie man sich
verhalten soll, wie eine Art Regelbuch. Ich finde aber grundsätzlich,
dass keine Religion behaupten darf,
dass nur ihre Regeln für alle
Menschen auf der Welt gelten
dürfen.
Fotos: U. Plautz (6), Zeichnung: C. Wenn
Emma
Der gemeinsame Unterricht war
sehr spannend für mich. Auch zu
sehen, wie unterschiedlich Gottesdienste sein können. In der
deutschen Kirche finde ich gut,
dass man dort auch leise zu Gott
sprechen und in sich kehren kann.
Das geht besser als in afrikanischen Gottesdiensten, wo immer
Party ist. Die Entscheidung zur
Konfirmation ist mir wichtig.
Religion gibt Geborgenheit und ist
wie eine Art Wegweiser. Ich finde,
Menschen brauchen eine Orientierung, an der sie sich festhalten
können. Bei der Beschäftigung mit
der Religion finde ich interessant,
welche Verschiedenheiten und
welche Gemeinsamkeiten es gibt.
Wichtig finde ich dabei, dass die
Verschiedenheiten Religionen nicht
voneinander trennen. Sie machen
sie ja gerade besonders. Alle
Religionen haben gemeinsam, dass
sie an eine Übermacht, an einen
Gott glauben, der uns Kraft gibt,
wenn wir haltlos sind. Im Konfirmandenunterricht habe ich
außerdem erfahren, dass Religion
Grenzen überwinden kann. Nicht
nur zu anderen. Für mich ist sie wie
eine Brücke, die mein Leben in
Deutschland mit meinem Mutterland Ghana verbindet.
Alva Diederich(14):
Thore Kraack (15):
Wondibel Opoku (17):
Mich hat der Konfirmandenunterricht sehr bereichert. Manchmal
wundere ich mich, wie viel Heckmeck einige darum machen, dass
wir mit afrikanischen Jugendlichen
zusammen Konfer machen. Ich
finde das ganz normal. Die anderen
gehören doch selbstverständlich
dazu. Konfirmation ist für mich eine
Bestätigung. Als ich getauft wurde,
wusste ich ja noch gar nicht, ob ich
wirklich an Gott glaube. Auch wenn
ich Zweifel habe, möchte ich mich
trotzdem zum Glauben bekennen.
Ich finde Religion einfach spannend. Zum Beispiel auch die
Rituale, die andere Religionen
haben. Ich mag afrikanische
Gottesdienste sehr, die sind richtig
schön. Dort gibt es Musik mit
Bongobegleitung, statt einer Orgel,
die sich oft so getragen anhört. Bei
uns habe ich häufig das Gefühl,
dass Gottesdienste manchmal
Pflichtveranstaltungen sind, bei
denen man nach einer Stunde
schon auf die Uhr guckt. Allerdings
haben sie mit den langsameren Liedern und ihrer eher ruhigen
Stimmung auch einen Charme und
ich bin sie als Norddeutsche eher
gewohnt. Ich könnte zum Beispiel
nicht so tanzen oder singen, wie es
im afrikanischen Gottesdienst
üblich ist. Da habe ich doch eine
andere Kultur.
Ich habe in der gemeinsamen Zeit
viel über andere Menschen und ihre
Kulturen gelernt. Wenn ich an
unsere Gottesdienste denke, finde
ich beide Formen gut. Manchmal
gehe ich lieber in einen afrikanischen Gottesdienst, den ich
interessanter finde. Bei den
Deutschen ist es ruhiger. Dort
sitzen oft mehr Rentner, die sich
natürlich nicht so gerne bewegen.
Trotzdem entspricht mir auch diese
Form, weil sie vertraut ist. Deshalb
würde ich an Feiertagen wie Ostern
oder Weihnachten eher einen
deutschen Gottesdienst besuchen.
Am wichtigsten ist mir in der
Religion die Gemeinschaft. Das ist
für mich so etwas wie eine Heimat.
Ich interessiere mich allerdings
auch sehr für andere Religionen.
Deshalb Ich finde es wichtig, dass
man als Christ auch mal eine
Moschee besucht. Erst dann
bekomme ich ein Gefühl für den
Raum und dafür, was die andere
Religion ausmacht. Ich sehe eher
die Gemeinsamkeiten zwischen
den Religionen. Die Unterschiede
liegen oft nur an der Oberfläche.
Ich finde grundsätzlich, dass
Religion hilft, Menschen, besser zu
verstehen.
Ich bin ja schon konfirmiert. Und für
mich hatte es die Bedeutung, dass
ich mich im Glauben und in meiner
Beziehung zu Gott gefestigt fühle.
Mich hat der Unterricht auch sehr
geprägt, deshalb engagiere ich
mich in der Jugendarbeit. Ich fand
es interessant mehr über andere
Religionen zu erfahren, welche
Bedeutung zum Beispiel Jesus im
Islam hat. Es gibt viele ähnliche
Wertvorstellungen in den Religionen. Wenn Menschen sich bekriegen, hat das nichts mit Religion zu
tun. Als ich zum ersten Mal einen
deutschen Gottesdienst besucht
hatte, dachte ich erst: Ich bin auf
einer Beerdigung. Es war so still.
Bei uns steht ja eher die Musik im
Vordergrund. Eigentlich haben
beide Formen etwas. An deutschen
Gottesdiensten mag ich, dass sie
so kompakt sind. Manchmal ist es
auch gut, dass der Gottesdienst
schon nach einer Stunde zu Ende
ist. Wenn sie bei uns anfangen zu
„preachen“ denke ich nach drei
Stunden ab und an: Nun könnten
sie auch bald mal ein Ende finden.
Für mich ist die Religion auch wie
ein Zuhause. Ich bin zwar deutsche
Staatsbürgerin, meine Eltern
kommen aber aus Ghana. Religion
gibt mir den Anschluss an meine
Ursprungsheimat. Sie hat eine
Sprache, die uns Menschen
verbindet. Hautfarbe und Nationalität sind dabei völlig unwichtig.
Alva
Thore
Protokolle:
Ulrike Plautz
Wondibel
weltbewegt
19
Fotos: U. Plautz
„Zuhause
ist dort,
wo Menschen
mich in ihr
Leben lassen“
20
weltbewegt
Indho Mohamud Abyan (26) war vor acht
Jahren aus Somalia geflohen. Seine
Situation hatte er vor einem Jahr im
Interview eindrucksvoll geschildert.
Dann ist alles ganz anders gekommen.
Meine Freunde haben mir zum Beispiel beigebracht,
was Geburtstag bedeutet. Diesen Tag hatte ich bisher
noch nie gefeiert. An meinem Geburtstag also hatte
mich ein Freund zu sich eingeladen. Wir saßen zu
zweit in der Küche. Bis ich plötzlich ein Rascheln und
dann ein Kichern hörte. Freunde hatten sich im Flur
und auf der Toilette versteckt und kamen nun aus
allen Ecken, um mir zu gratulieren. So etwas hatte ich
in meinem ganzen Leben noch nicht erlebt.
Vor einigen Wochen haben nun meine Freunde und
deren Familien sogar beschlossen, meiner Mutter in
Somalia monatlich 50 Euro zu überweisen. Das ist
einfach unglaublich. Ich kenne mittlerweile wirklich
viele nette Menschen und wurde sehr unterstützt. Vor
allem durch kirchliche Einrichtungen, die sich für
Flüchtlinge wie mich einsetzen.
In der Familie meiner Gasteltern bin ich inzwischen
fast so etwas wie der große Bruder. Manchmal koche
ich für alle. Die Fladenbrote sind am beliebtesten. Vor
kurzem hatten meine Gastmutter und meine Mutter in
Somalia miteinander telefoniert. „Ich freue mich so
sehr, dass Sie sich so um meinen Sohn kümmern“,
hatte meine Mutter am Telefon erklärt. Gleichzeitig
sagte meine Gastmutter: „Ich freue mich sehr, Ihren
Sohn hier zu haben.“ Ich saß dazwischen und musste
übersetzen. Beide hatten auf ihre Weise das gleiche
gesagt. Ich hatte plötzlich das Gefühl, an zwei Orten
gleichzeitig zu Hause zu sein.
Protokoll: Ulrike Plautz
Hier in Hamburg habe ich zum ersten Mal das Gefühl,
richtig angekommen zu sein. Vorher hatte ich vor
allem mit Menschen zu tun, die in einer Behörde
sitzen. Ich weiß noch genau, wie ich mich vor einem
Jahr gefühlt hatte. Am Tag, als ich das Interview für
weltbewegt gegeben hatte. Zuvor hatte ich erfahren,
dass ich wieder nach Ungarn zurück müsse. Dabei
hatte ich gerade einen Praktikumsplatz in einem
Altenheim gefunden. Der Vertrag war schon unterschrieben. Dann das. Ich kannte das schon. Aber es
ist jedes Mal ein neuer Schock. Acht Jahre hatten sie
mich von einem Land ins andere abgeschoben.
Zwischendurch auch immer wieder zurück nach
Ungarn, in das Land, das ich nach meiner Flucht aus
Somalia zuerst betreten hatte. Ich war drauf und dran,
die Hoffnung ganz zu verlieren. War erschöpft von der
dauernden Unsicherheit im Nacken. Und unzufrieden.
Ich bin schon über zwanzig und will etwas machen
aus meinem Leben. Aber so? Wie soll das gehen?
Inzwischen geht es mir wirklich gut. Gerade komme
P.S.: Nach wie vor hofft Indho Mohamud Abyan auf eine
ich aus der Volkshochschule. Ich will einen Hauptrechtskräftige Gewährung des Bleiberechts durch die Härteschulabschluss machen. Ansonsten helfe ich seit
fallkommission. (Anm. d. Redaktion).
zwei Monaten bei einer Tischlerei im Hamburger
Schanzenviertel aus. Die praktische Arbeit mit Holz
gefällt mir. Diese Tätigkeit hatte mir meine Gastmutter
organisiert, bei der ich seit Herbst letzten Jahres
wohne. Dort fühle ich mich sehr wohl. Auch weil ich
nun richtig dazugehöre. Deshalb kann ich auch ganz
anders auf andere Menschen zugehen. Sicher hat
es auch etwas geholfen, dass ich in den Jahren
zuvor lernen musste, mich auf verschiedene
Familie ist mehr als eine Blutsverbindung.
Kulturen einzulassen. Ich musste einfach
Familie, das sind alle Menschen in deinem Leben,
schnell erfassen, wie das Land tickt, in das
die dich in ihr Leben lassen.
ich gerade kam und musste in kurzer Zeit
wenigstens so viel von der jeweiligen
Das sind die, die dich so respektieren, wie du bist.
Sprache lernen, dass ich mich im Alltag
Es sind die Menschen, die dich dafür lieben,
zurechtfinden konnte.
wie du bist.
In Hamburg habe ich inzwischen richtig gute
Freunde gefunden. Manchmal machen wir
Es sind diejenigen, die alles dafür tun,
kleine Ausflüge an die Alster. Einmal ging es
um dich lächeln zu sehen.
sogar ans Meer. Zum ersten Mal seit meiner
Flucht aus Somalia war ich wieder am Strand.
Es sind die, die dich lieben
Natürlich habe ich Heimweh. Vor allem würde
ohne dass du dafür etwas tun musst.
ich meine Mutter gern einmal wiedersehen. Neun
Jahre war ich nicht mehr dort. Ob ich einmal ganz
Indho Mohamud Abyan
zurückgehe? Ich weiß es noch nicht. Inzwischen habe
ich mich sehr an diese Kultur gewöhnt und fühle mich
hier zuhause. Mit allem, was manchmal auch fremd ist.
Fotos: D. Gerstner (1), Corel (1)
ZUHAUSE
weltbewegt
21
Besteht meine Identität
darin, unterwegs zu sein?
Diego Grützmann
M
ein Name ist Diego Grützmann und ich bin gebürtiger Brasilianer. Nach neun Jahren in meinem
Geburtsland zog ich mit meiner Familie nach Deutschland. Mein Vater ist Pastor und hatte in Breklum,
einem kleinen Ort im Norden Schleswig-Holsteins,
eine neue Arbeitsstelle. Mit kindlicher Sorglosigkeit und ohne weitere Gedanken zu verschwenden,
stimmte ich dem Umzug zu. Zu diesem Zeitpunkt
konnte ich mir noch nicht vorstellen, wie mich das
prägen und zu dem machen würde, der ich heute
bin: ein Dritt-Kultur-Kind.
Die Anfangszeit in Deutschland war alles andere als
leicht für mich. Die gewohnte Umgebung und meine
Freunde, Bekannten und Verwandten blieben in Brasilien. In Deutschland war alles neu. Neue Wohnung,
neue Stadt, neue Sprache, neue Kultur und damit auch
neue Schwierigkeiten. Es hatte lange gedauert, bis ich
wirklich angekommen war. Oft bin ich an meine
Grenzen gestoßen. Nicht selten fragte ich meine Eltern:
„Können wir nicht bald nach Brasilien zurück?”
Mittlerweile ist meine Familie wieder nach Brasilien
zurückgekehrt. Ich bin heute 20 und lebe zurzeit in Südafrika. Hier in Durban absolviere ich einen Freiwilligendienst in einem Kindergarten für Flüchtlingskinder. In
Südafrika habe ich mich sehr schnell eingelebt und
zurechtgefunden. Ich denke, dies hat auch, zumindest in
gewisser Weise, mit meiner bisherigen Auslandserfahrung zu tun.
Einige Herausforderungen, die mir dort begegneten,
waren mir nicht mehr neu und erinnerten mich an
Situationen, die ich schon gemeistert hatte. Ein Beispiel: Als meine Eltern 2012 nach Brasilien zurückgekehrt waren, hatte ich mich entschieden allein in
Deutschland zu bleiben, um hier mein Abitur abzuschließen. So war ich zum Zeitpunkt meiner Ausreise nach Südafrika bereits gewohnt, nicht mehr bei
meinen Eltern zu wohnen und um einiges selbstständiger.
Es passiert beinahe von allein, dass ich die Kulturen miteinander vergleiche. Dann fallen mir
Gemeinsamkeiten, aber auch Gegensätze auf.
22
weltbewegt
Mich überrascht es besonders, dass
ich hier anfänglich viele Dinge
erlebt oder gesehen hatte, die ich mit
Brasilien assoziierte. Sei es das Verhältnis von Arm und Reich, der
Bezug zu Kirche und Familie oder
nicht zuletzt die Lebensmittelauswahl in den Supermärkten. Wenn
ich über das Thema Sicherheit in
Südafrika nachdenke, fällt mir auf,
wie gut es mir in Deutschland ging,
wo ich mich mit dem Thema kaum
auseinandersetzen musste.
Ich fühle mich dort zuhause,
wo Menschen sind, deren
Werte ich teile
Was ist Heimat? Man könnte meinen, der Begriff Heimat wäre einfach
zu definieren. Ich habe allerdings
meine Schwierigkeiten, diese Frage
zu beantworten. Ist es Brasilien, weil
ich dort geboren wurde? Ist es
Deutschland, weil ich dort am längsten gelebt habe? Ist Heimat überhaupt ein Ort, oder doch eher ein
Gefühl? Es sind Fragen, für die ich
eher vage Antworten habe. Ich fühle
mich oftmals hin- und hergerissen.
Als sich Brasilien und Deutschland
in Halbfinale der Weltmeisterschaft
in 2014 gegenüberstanden, traf ich
jedoch eine Wahl.
„ Stabilitä
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Schwerpunkt
Fotos: Freiwilligenprogramme (2), C. Wenn (2), G. und R. Grützmann (2), Wikimedia (2)
Diego Grützmann (20) arbeitet als Freiwilliger in Durban/Südafrika und betreut dort
Kinder in einem Kindergarten für Flüchtlingskinder. Er wurde im Rahmen von „weltwärts“, dem Stipendien- und Freiwilligenprogramm des Zentrums für Mission und
Ökumene, ausgesandt.
Sein Vater, Pastor der evangelischen Kirche
in Brasilien (EKLBB), hatte von 2004 bis 2012
als Ökumenischer Mitarbeiter des ZMÖ in
Breklum gearbeitet.
Hinter meiner Wahl verbarg sich
keine hochkomplizierte Wahrscheinlichkeitsrechnung oder die Aussage
eines Orakels über den möglichen
Sieger. Ich entschied mich für Brasilien, wobei mein Gefühl der Verbundenheit das einzige Auswahlkriterium war.
Es gibt viele Definitionen von Heimat und sie alle sind rein subjektiv.
Meine Eltern verabschiedeten sich
von Deutschland mit ihrer Fotoausstellung, die den Namen „Heimat
auf Zeit” trug. Für mich kann Heimat mehr als nur ein Ort sein. Letztendlich ist Heimat für mich überall
dort, wo ich Zuhause bin und mich
Zuhause fühle. Familie und Freunde
spielen dabei eine Rolle, denn sie
machen das Zuhause-Gefühl aus.
Ein weiterer Bestandteil dieses
Gefühls ist es, dazuzugehören und
seinen Platz in einer Gruppe zu
haben, dessen Werte mit den eigenen
übereinstimmen. Manchmal löst
schon eine Kleinigkeit, wie eine traditionelle Runde mit einem “Chimarrão”, einem südamerikanischen
Mate-Tee, dieses Zuhause-Gefühl
aus.
Ich vergleiche mich, meine Ansichten und Werte, mit den Menschen
und Normen anderer Kulturen.
Erst nach diesem Vergleich erfolgt
für mich der Anpassungsprozess.
Durch meine bisherigen Erfahrungen in anderen Ländern denke
ich, dass ich einige besondere Fähigkeiten entwickelt habe, die auf privater sowie auf beruflicher Ebene
hilfreich sind.
Zu meinem Leben gehören Trennungen und ein weiterer Horizont
Ich spreche fünf Sprachen und erlerne neue mit
Freude und meist mit Leichtigkeit. Ich habe viele Menschen kennengelernt und im Umgang mit ihnen meine
sozialen Fertigkeiten verbessert. Es fällt mir leicht, Kontakte zu knüpfen. Dadurch habe ich Freunde auf mehreren Kontinenten. Außerdem habe ich gelernt Sachen zu
hinterfragen und die Fähigkeit erlangt, verschiedene
Ansichtspunkte zu verstehen und respektieren. Zum
Bespiel ist es für mich immer selbstverständlich Menschen in die Augen zu sehen, wenn ich mit ihnen rede.
In Südafrika erlebe ich, dass einige Gesprächspartner
ihren Blick stets gesenkt halten und jeglichen Augenkontakt vermieden. Was mir anfänglich merkwürdig
erscheint und sich zugegebenermaßen immer noch
komisch anfühlt. Doch für mich ist es eine selbstverständliche Geste des Respekts.
Meine Erfahrung verschafft mir außerdem einen
weiteren Horizont und globales Denken, sei es auf
ökonomischer, politischer oder kultureller Ebene.
Dadurch verstehe ich besser, wie die Welt funktioniert. Anpassungsfähigkeit und Flexibilität sind
weitere Fähigkeiten, die ich nun in meinem
Repertoire habe.
Ein Dritt-Kultur-Kind zu sein bringt allerdings
auch einige Nachteile mit sich. Trennungen, seien
es die von der Familie, von Freunden oder von
Orten, werden zwangsläufig zu einem Teil des
Lebens. Die große Distanz zu meinen Verwandten
macht ein Wiedersehen selten möglich. Es ist auch
schwer, Stabilität in einer Kultur zu finden, denn
ich stehe immer zwischen zwei oder mehreren Kulturen. Ich weiß nicht wirklich, wo ich dazugehöre.
Dadurch wird es ständig Situationen geben, in denen
ich auf Unverständnis treffe. Meine Stabilität erhalte
ich durch das Unterwegssein. Ich merke, dass ich verschiedene Weltansichten und Wertesysteme erst einmal
sortieren muss, bevor ich meine eigene Identität definieren kann.
weltbewegt
23
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Viktoria und Kristina sind beide 16 Jahre. Viktoria kam 2003 mit vier Jahren mit Eltern, Großeltern und Tanten als Spätaussiedlerin
von Russland ins Erstaufnahmelager nach Friedland. Kristina war drei, als sie mit Familie und Verwandten nach Friedland kam.
Anschließend ging es für sie in das Aufnahmelager bei Lübtheen, bevor sie dann schließlich in die Kleinstadt Hagenow kamen.
Viktoria besucht die 10. Klasse einer Regionalschule und Kristina das Gymnasium.
Die Diplom-Pädagogin Katja Huenges arbeitet seit September 2007 in der evangelischen Kirchengemeinde in Hagenow in der
Arbeitsstelle zur Unterstützung der Integration von Spätaussiedlern und anderen Zugewanderten. Zu den vielfältigen Projekten
gehören auch Gitarrengruppen, in denen auch Viktoria, Kristina und Daniel sind. Die Arbeitsstelle wurde eingerichtet, da der größte
Teil der Zugewanderten zur Gruppe der „Russlanddeutschen“ gehören. Viele sind Mitglieder der evangelischen Kirche, haben aber
kirchliches Leben vorher kaum kennengelernt.
26
weltbewegt
Fotos: C. Wenn (2), I. Stein (1)
: Katja Hue
Schwerpunkt
Forum
Ich bin dort
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wo Freunde und
Familie sind
Wir sind 2002 nach Deutschland gekommen, da war ich drei Jahre. Meine Mutter hatte entschieden, dass es
hier besser für mich sei als in ihrer Heimat in der Nähe von Omsk. Wir haben erst in Wismar gewohnt, meine Mutter
hat studiert, mein Vater gearbeitet. So war ich als Kind oft bei den Großeltern, die mit uns nach Deutschland
gekommen sind. Ich glaube, dass ich viel von ihnen übernommen habe.
Ilja Stein ist
Hamburg ist mein Zuhause. Heimat ist für mich dort, wo meine Freunde und Familie sind. Wenn ich mit Freunden
15 Jahre und
an der Außenalster sitze, fühle ich mich heimisch. Aber das geht mir auch so, wenn ich in Russland mit meinen
lebt mit seinen
dortigen Freunden zusammen bin. Manchmal sind meine Eltern genervt, dass ich meinem Freundeskreis so viel
Eltern in
Zeit schenke. Für mich sind aber Freunde und Familie fast gleichwertig. Vielleicht liegt das daran, dass ich sehr
Hamburg-Harselbstständig bin. Ich pflege meinen Bekanntenkreis und der ist ziemlich groß, weil ich in der Kirche und im
burg.
Ruderverein aktiv bin und Gitarre und Saxophon spiele. Mir bedeutet mein Glaube viel. In meiner evangelischen
Gemeinde betreue ich eine Konfirmandengruppe. Bei einer Exkursion nach Dänemark haben wir eine Woche lang
über Religion, Leben und Tod gesprochen. Da war dieser Ort ein Stück Heimat.
Meiner Ansicht nach ist Deutschland bereits ein multikulturelles Land. Man kommt ja gar nicht umhin, Freunde mit
Migrationshintergrund zu haben. Mein bester Freund ist Deutscher. Durch ihn habe ich jedoch auch Menschen
mit polnischem, russischem und ukrainischem Hintergrund kennengelernt. Mir fällt auf, dass sie irgendwie lockerer
miteinander umgehen, so als ob sie mehr im Jetzt lebten. Das spüre ich auch, wenn ich in
Russland Urlaub mache. Sport ist Jugendlichen dort wichtiger als hier. Da ich sehr sportlich
bin und Leistungsruderer war, wurde ich gleich aufgenommen. Auch vom Erwachsenensein
gibt es dort ein anderes Verständnis. In Deutschland ist man mit fünfzehn noch eher ein Kind,
in Russland fast ein Mann.
Seit einiger Zeit spüre ich deutlicher, dass ich eine deutsche und eine russische Seite habe.
Ich spreche beide Sprachen. Wenn ich Deutsch rede, lispele ich ein bisschen. Das tue ich
nicht, wenn ich – mit leichtem Akzent – russisch spreche. Zwei Sprachen zu können, hat viele
Vorteile. Ein Nachteil ist, dass diese Sprache in meinem Kopf Platz einnimmt. Wenn ich in
der Schule dazu noch Englisch und Spanisch lerne, haben es andere manchmal leichter als
ich. Aber die Vorteile überwiegen. Ich kann die kyrillische Schrift lesen und werde oft gebeten,
etwas in der Sprache zu schreiben. Russisch ist ein Teil von mir, der mir fehlen würde.
Deshalb versuche ich gerade, dieser Kultur näher zu kommen, lese und höre russische Musik.
Ilja Stein
Ich mag die Sprache. Das Russische steht für mich für Emotionen, Glaube, Familie,
Gelassenheit. Mit meiner deutschen Seite verbinde ich vor allem meinen Freundeskreis,
Toleranz und Sicherheit vom Staat.
Mich interessieren überhaupt andere Menschen, Länder und Kulturen. Das fördert Kreativität,
Phantasie und letztendlich den Kontakt zu Menschen. Was wäre denn, wenn jeder in seinem Land bleiben würde?
Das wäre kein Leben. Letztendlich haben doch alle Kulturen eines gemeinsam: dass man Mitmenschen achten
sollte, egal welchen Glaubens. Das ist ein Wert für mich. Vielleicht liegt es an meinem Hintergrund, dass ich so
viel über diese Dinge nachdenke. Ein Freund von mir ist Russe, sein Großvater wurde in den Krieg gegen die
Ukraine geschickt. Darüber haben wir oft gesprochen.
Ich möchte Sport, Informatik und Religion studieren und Lehrer werden; auch um manches besser zu machen.
Zum Beispiel finde ich es nicht gut, wenn jemand bevorzugt und ein anderer ungerecht behandelt wird. Später
will ich einmal in Deutschland, den USA oder England leben. Auf jeden Fall in einer toleranten Gesellschaft, in der
jeder seine Meinung sagen darf, ohne unterdrückt zu werden.
Protokoll: Katrin Wienefeld
„Wenn jeder
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seinem Land
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weltbewegt
27
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„Man lernt
toleranter zu sein“
Ravinder Singh gehörte zu den ersten
Teilnehmern des FORUMS – Young Migrant
Talents e.V., das junge Menschen mit
Einwanderungsgeschichte fördert.
Herr Singh, Sie sind deutscher Staatsbürger mit
indischen Wurzeln und leben derzeit in den USA.
Vor einigen Jahren verbrachten Sie ein Jahr in
Hongkong. Was macht für Sie der Begriff „Heimat“
aus?
Über diese Frage habe ich schon des Öfteren
nachgedacht und bin zu dem Entschluss gekommen,
dass Heimat für mich dort ist, wo die Familie ist. Daher
würde ich Hamburg als meine Heimat bezeichnen.
Bisher galt für mich Hamburg als schönster Ort der Welt.
Seitdem ich allerdings hier in Kalifornien studiere, könnte
ich mir auch vorstellen, meinen Lebenssitz hierhin zu
verlegen. Die Freunde, die ich hier gefunden habe, sind
wirklich etwas Besonderes geworden. Es wird mir
schwer fallen, nach dem Semesterende alle gehen zu
lassen.
In Hamburg lebten Sie eine Jugend lang in einer
viel- und nicht religiösen Umgebung: Christen, Muslime, Orthodoxe, Nichtreligiöse. Welche Rolle spielte die Religion bisher in Ihrem Leben?
Meine Eltern sind Sikhs. Ich würde sagen, dass ich
religiös bin, würde mich aber nicht wirklich einer Religion
zuordnen. In der Vergangenheit habe ich schon mal den
Hinduismus, Islam, Buddhismus und Sikhismus
praktiziert. Ich bin der Ansicht, dass Religionen ein Weg
sind, Gott näher zu sein und Hoffnung zu finden.
Und, haben Sie aus Ihrer Religion bestimmte Werte
entwickelt?
Ich habe aus indischen Religionen, dem Hinduismus
und Sikhismus, gelernt, dass Toleranz sehr wichtig ist.
Der Sinn einer Religion ist es, den Menschen dazu zu
erziehen, ein „guter“ Mensch zu sein.
In unserer Organisation FORUM – Young Migrant
Talents e. V. haben wir in den sieben Jahren des
Bestehens keine offenen religiösen Konflikte erlebt.
28
weltbewegt
Vielerorts ist das anders. Wie erklären Sie sich
diese Differenz?
Wahrscheinlich liegt das daran, dass wir YMT‘s aus
verschiedenen Kulturen kommen und uns alle respektieren. Wir sitzen alle im gleichen Boot. Bei YMT
muss sich keiner für seine Religion schämen oder
rechtfertigen. Die Atmosphäre war immer sehr angenehm, wenn wir über Religion gesprochen haben.
Entwickelt man besondere Fähigkeiten des Weltverständnissen, wenn schon die Familie in zwei
Kulturen lebt?
Man lernt definitiv, toleranter zu sein und andere Menschen nicht nach dem Äußeren zu beurteilen. Meinen
Eltern war es wichtig, dass wir gegenüber jemandem
Fotos: YMT privat (2), C. Wenn (1),
Cartoon: J. Tomaschoff/toonpool.com
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Schwerpunkt
aus einer anderen Kultur immer Respekt zeigen. Es hat
mir im Leben sehr geholfen mit Menschen aus
unterschiedlichen Kulturen zu agieren.
Wie verstehen Sie den Begriff „Parallelgesellschaft“?
Darunter verstehe ich, dass in Deutschland gewisse
Schichten aneinander vorbei leben. Die Minderheiten,
die Immigranten, leben in ihrer Welt und die Deutschen
in einer anderen. So scheint es mir zumindest manchmal.
Das Verständnis zwischen beiden „Gesellschaften“ ist
immer noch sehr schlecht. Dies ist der Grund, warum
es mit Pegida und der AfD so weit kommen konnte.
Vor einigen Wochen erzählten Sie mir von einem
Gefühl der Freiheit und des Glücks, welches Sie in
Ihrem derzeitigen Studienort erleben. Der Gründungsmythos Amerika lebt? Ich denke, es kommt darauf
an, wo in den USA man lebt.
Kalifornien unterscheidet sich
noch mal deutlich von anderen
Bundesstaaten. Die Menschen
hier sind alle sehr offen,
freundlich und gut gelaunt.
Darüber hinaus nehmen sie
das Leben viel entspannter.
Seitdem ich hier bin, unternehme ich viel mehr in der
Natur. Ich gehe kajaken, surfen, wandern und erforsche
die Gegend rund um Monterey,
wo ich studiere. Man hat das
Gefühl, richtig zu leben.
Ravinder Singh (links) während einer Auslandsreise mit
dem FORUM Young Migrant Talents e.V. nach Istanbul.
Rechts: Die Fachreferentin Sarah Wittkopf.
Ravinder Singh
wurde am 3. September 1991 in Ludhiana (Indien) geboren. Nach seinem
Besuch in einer
Hamburger Realschule war Singh auf
einer Höheren Handelsschule
und
wechselte danach
aufs Gymnasium
Allee in HamburgAltona. 2012 schloss er seine Schulbildung mit dem
Abitur ab. Auf Vermittlung von FORUM – Young
Migrant Talents e. V. (YMT) nahm er noch während der
Schulzeit für ein Jahr an einem Austauschprojekt in
Hongkong teil. Danach begann er ein Studium in den
Fächern Politik, Gesellschaft, Wirtschaft (PGW) und
Anglistik für Höheres Lehramt. Zudem war Ravinder
Singh Stipendiat der Deutschlandstiftung Integration
im Stipendiaten- und Mentorenprogramm „Geh
Deinen Weg“. Derzeit absolviert er ein Auslandssemester an der Universität von Monterey/Kalifornien.
Im Herbst 2015 wird er sein Studium in Deutschland
fortsetzen. Ravinder Singh hat fünf jüngere Geschwister, von denen vier ebenfalls YMT-Mitglieder
sind. Er gehört zur ersten YMT-Generation.
Herzlichen Dank, Herr Singh!
Emrecan Ata, Gülsah Cakas
Die Fragen stellte Barbara Seibert.
Barbara Seibert,
studierte Geografin
und Religionswissenschaftlerin, gründete in Hamburg
2007 das FORUM Young Migrant
Talents e.V., der
Bildungsprogramme
zur Förderung
engagierter und
begabter jungen
Migrantinnen und
Migranten anbietet.
Heute gibt es die
Organisation auch
in Berlin.
Im Rahmen des
Programms werden
neben schulbegleitenden Veranstaltungen auch Informationsveranstaltungen
zu gesellschaftspolitischen und
religiösen Themen
angeboten, u. a.
unter Mitwirkung
von Dr. Klaus
Schäfer, Direktor
des Zentrums für
Mission und
Ökumene.
weltbewegt
29
„Ich vermisse
etwas und habe
doch alles“
Mein erster Eindruck von Deutschland war, dass es einerseits ein
modernes Land ist, dass die Menschen aber auch das Alte und
Bewährte schätzen. Mir ist aufgefallen, dass viele sehr neugierig auf
andere Kulturen sind und mehr darüber erfahren wollen. Zuerst ist
mir die große Stille aufgefallen, die ich hier erlebe. Das finde ich
schon besonders und genieße das. Ebenso wie die Möglichkeit sehr
eigenständig leben zu können. Beeindruckend finde ich auch die
Jahreszeiten. Im Winter gehe ich zu Arbeit, wenn es dunkel ist und
wenn ich nach Hause komme, ist es bereits wieder dunkel. Im
Sommer kann ich dann draußen noch abends um zehn die Zeitung
lesen.
Neun Monate lebe ich nun schon in diesem kleinen Ort an der
Küste Norddeutschlands. Zu meinen Hauptaufgaben gehört es, die
Klima-Ausstellung „Der achte Tag“ zu betreuen, die derzeit im
Christian Jensen Kolleg in Breklum gezeigt wird. Das heißt, ich führe
Interessierte durch die Ausstellung. Mein Anliegen ist es, den
Besuchern dabei ein tieferes Verständnis für die Zusammenhänge
zum Thema Klima zu vermitteln. Als Umweltwissenschaftlerin ist es
mir ein Herzensanliegen darüber zu sprechen, wie unterschiedlich
die klimatischen Bedingungen sind, unter denen die Menschen in
der Welt leben. Schon jetzt haben ja viele Menschen, vor allem in
den Ländern des Südens, unter den Folgen des Klimawandels zu
leiden. Die Meeresspiegel steigen und gefährden tiefer liegende
Regionen und Inseln. Gletscher schmelzen, die lokalen
Wetterverhältnisse ändern sich. Mit der Folge, dass es immer
häufiger Stürme gibt und Dürreperioden die länger andauern. Diese
Auswirkungen sind wirklich ein großes globales Problem.
Eindrücklich haben wir über diese Folgen auch auf der Weltklimakonferenz in Lima gesprochen, an der ich als Jugenddelegierte
im vergangenen Jahr teilgenommen hatte.
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30
weltbewegt
Meine andere Aufgabe in Breklum besteht darin, bei der Organisation
von Seminaren zu helfen und einen Permagarten zu betreuen. Einen
Garten, der so angelegt ist, dass die Pflanzen sich gegenseitig
schützen. Bei dieser Arbeit wird mir noch einmal bewusst, wie
wichtig Pflanzen für eine bessere Zukunft sind. Übrigens habe hier
zum ersten Mal gesehen, wo die Äpfel herkommen.
Natürlich denke ich auch an Indien, denke an Situationen, in
denen ich mich mit meinem Bruder um ein Stück Schokolade
gestritten habe, oder meine Eltern mich trösteten, als ich traurig war.
Das bedeutet für mich Heimat, die ich verlassen habe und die ich
vermisse. Aber Zuhausesein bedeutet auch, wenn man etwas
vermisst und sich immer noch so fühlt, als ob man alles hat. Und
das kann an Orten sein, zu denen man eine besondere Beziehung
entwickelt. Dort, wo man spürt, dass man dazu gehört.
Ich wünsche mir für die Zukunft, dass alle Menschen auf der Welt
gleiche Rechte und Chancen haben und die gleichen Möglichkeiten,
um sich an den Ressourcen der Natur zu erfreuen. Ich möchte mich
für eine Veränderung und für eine Verbesserung der Lebensbedingungen von Menschen einsetzen. Auch wenn ich nur kleine
Veränderungen bewirken kann. Ich will es versuchen.
Fotos: L. Triebel (1), CJK (1)
„Ich will etwas verändern“
Schwerpunkt
Forum
Die Inderin Pranita Biswasi (24) und Ester Nabaasa (23)
aus Uganda arbeiten derzeit als Freiwillige im Christian
Jensen Kolleg in Breklum. Dort engagieren sie sich für
Themen, die ihnen am Herzen liegen.
Ich freue mich, dass Pranita auch in Breklum ist. Wenn ich Zeit
habe, begleite ich meine indische Kollegin durch die Ausstellung.
Denn wenn sie abreist, werde ich die Führungen übernehmen. Das
Thema Umwelt interessiert mich ebenfalls sehr. Als ich hierherkam,
war ich natürlich sehr neugierig auf das Land und den Lebensstil
der Menschen. Ich wollte meine kulturellen Kenntnisse erweitern,
aber auch mein Wissen und meine Fähigkeiten einbringen. Ich bin
froh, dass ich das hier kann.
Ich mag es, mich mit anderen auszutauschen. Das macht mich
aufmerksam für die Eigenheiten der deutschen und ugandischen
Kultur. Ich will noch so viel kennenlernen.
Was mich an Deutschland anfangs sehr beeindruckt hat, waren
die schönen alten Häuser. In Uganda muss man schon sehr lange
suchen, um alte Häuser zu finden, die noch so gut aussehen. Dann
kann ich mich natürlich auch noch an den ersten Schnee erinnern.
Noch nie habe ich zuvor Schnee gesehen. Das war wirklich
aufregend.
Ich bin auch immer wieder überrascht, wie pünktlich alles
stattfindet oder erledigt wird. Es gibt kaum Verzögerungen. Auch
das Verkehrssystem funktioniert fast perfekt. Ich war wirklich
aufgeregt, als ich hier zum ersten Mal mit der Bahn fuhr. In Uganda
gibt es auch Eisenbahnen, allerdings werden damit Güter
transportiert und keine Menschen. Sehr schön finde ich hier auch
das viele Grün und die vielen bunten Blumen an einem Ort. Ich liebe
übrigens auch das deutsche Essen, Sauerkraut, Leberkäse,
Kartoffelbrei, Schokolade, Äpfel und Erdbeeren. Was ich außerdem
sehr mag, sind die Begrüßungen, die Art sich jeden Tag „Hallo“ zu
sagen oder „Moin“.
Trotzdem denke ich auch gerne an Uganda. Aber Heimat ist für
mich kein Ort, sondern ein Gefühl. Ich fühle mich dort zuhause, wo
ich von liebvollen und sorgenden Menschen umgeben bin. Wo ich
mit anderen Geschichten, Ideen, Hoffnung und Traurigkeit teilen
kann. Vor allem wenn man die Sprache und Kultur noch nicht gut
kennt, helfen diese Erfahrungen, um sich trotzdem verbunden zu
fühlen. Für die Menschen in der Welt wünsche ich mir Frieden. Ich
wünsche mir, dass Menschen das bekommen was sie zum Leben
brauchen, auch die Erziehung und die Medizin, die sie brauchen.
Menschen sollten nicht mehr unter den Folgen des Klimawandels
leiden müssen, weder unter Unwetter oder Dürre noch unter Luftverschmutzung. Mein Ziel ist es, hier und überhaupt in meinem Leben,
noch möglichst viel zu lernen, damit ich die Menschen in meiner
Heimat Uganda unterstützen zu kann.
Protokolle: Ulrike Plautz
„Heimat ist
kein Ort, sondern
ein Gefühl“
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weltbewegt
31
Partnerschaften zwischen
Schatztruhe
und Beziehungskiste
139. Jahresfest der Ökumene in Breklum
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ine Prozession wird das zweitägige Jahresfest der Ökumene
2015 am 20. Juni in Breklum eröffnen. Hereingetragen werden Schatzkisten, reich gefüllt mit Kostbarkeiten und Kleinoden aus den Partnerschaften mit aller Welt. Gruppen
und Institutionen aus dem Bereich
der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland werden sie
gestaltet haben mit ihren Erfahrungen aus den Beziehungen in die
verschiedenen Kontinente. Dazu gehören zwischenmenschliche Begegnungen mit ihren Gemeinsamkeiten, Unterschieden und auch
Missverständnissen, sowie Vertrautes und Fremdes im Verständnis der
Bibel und im geistlichen Leben.
Der Reichtum, den das weltweite
Netz der Partnerschaften in sich
birgt, wird ebenfalls die Begegnungen und Gespräche, Work-
32
weltbewegt
shops und Aktionen während des
diesjährigen Jahresfestes anregen.
Zwei Tage lang können Partnerschaftsgruppen ihre Erfahrungen
austauschen, Neugierige sich informieren oder Interessierte sich
anregen lassen: Was ist attraktiv an
einer Partnerschaft? Welche Früchte
kann sie tragen? Wann oder warum
kann sie mühselig werden? Wo kann
es zu Verstimmungen führen? Droht
nicht auch manchmal aus einer
verheißungsvollen Schatztruhe eine
beengende Beziehungskiste zu
werden?
„Wo zwei oder drei – ökumenische
Partnerschaften zwischen Schatztruhe und Beziehungskiste“, so lautet
darum das Motto des Jahresfestes auf
dem Breklumer Campus. Partnerschaftsgruppen, Kirchenkreise, Kirchengemeinden sind eingeladen, ihre
weltweite Verbundenheit zu feiern
und zu bedenken. Die Idee für
Thema und Inhalte ergab sich aus
dem Blick auf die Partnerkirchenkonsultation, zu der die Nordkirche
etwa 30 internationale Partnerkirchen für September
eingeladen hat.
In Breklum wird zurzeit an einzelnen Programmpunkten für das
Jahresfest intensiv gefeilt: am
Auftakt des Festes, an kreativen
und vertiefenden Workshops, an
Spielerischem zwischendurch,
an einem festlichen Abendprogramm, das den ersten Tag
ausklingen lassen soll.
An diesem Abend soll
unter anderem ein Internetportal
feierlich eröffnet werden, mit dessen
Hilfe sich kirchliche und nichtkirchliche Partnerschaften in der
Nordkirche vernetzen können.
Im Plenum des Samstagnachmittags geht es um Parallelen in
ökumenischen und zwischenmenschlichen Partnerschaften. Dr.
Wolfgang Schnetzer, Bremer Trainer
und Therapeut, wird Muster, Strukturen und Phasen vorstellen, in
denen sich ökumenische Partnerschaften und zwischenmenschliche Beziehungen gleichen. „Aus
dem besseren Verständnis der Beziehungsstrukturen ergeben sich
neue Möglichkeiten zu gestaltendem Handeln“, so die These des
Therapeuten.
Der Gottesdienst am folgenden
Sonntag in der Breklumer Kirche
gehört bereits zur Tradition. Dort
wird Bischof Job Titos Mbwilo aus
der Evangelisch-Lutherischen Kirche
in Tansania predigen. Nach dem
Mittag wird Rudolf Giesselmann
einen experimentellen Raum zum
gegenseitigen Zuhören entwickeln.
Als Bühne für sein „listening projekt“
dient ein leerer, zu einer Seite hin
geöffneter Caravan. Außerdem wird
eine Fotoausstellung eröffnet, mit der
man unter anderem bereits einen
Rückblick auf den ersten Tag des
Festes werfen kann. Das Fest endet
mit einem Ausblick auf die Partnerkirchenkonsultation im September,
die unter dem Motto steht: „Gemeinsam den Weg der Gerechtigkeit
gehen“.
Fotos: C. Wenn (4)
Klaus-Uwe Nommensen
Nachrichten
Nachrichten
Schwerpunkt
de der Generalversammlung des
Zentrums für Mission und Ökumene. Auch Philip Potter fühlte sich
dem Zentrum für Mission und
Ökumene verbunden. So hatte er
sich 2007 für die Aktion „ Aids
bewegt“ zusammen mit seiner Frau
engagiert, die die Kampagne
eröffnet hatte. „Wir verlieren mit
ihm einen Mann, der die Ökumene
maßgeblich geprägt hatte“ erklärte
Direktor Dr. Klaus Schäfer.
Philippinischer
Seemannspastor
Aktionsstag der Aktion „Aids bewegt“ am 17. Juni 2007 auf der Kieler
Woche. Hier im Gespräch Angelious Michael, Indien, Bischöfin Bärbel
Wartenberg-Potter, Philip Potter und Direktor Dr. Klaus Schäfer (v.l.n.r.)
Großer Mann der Ökumene
Nachruf auf Philip Potter
In einem öffentlichen Trauergottesdienst am 16. April nahm eine internationale Trauergemeinde Abschied im Lübecker Dom Abschied
von Philip Potter – einem großen
Mann der Ökumene. Philip Potter
war in der Nacht zum 31. März
2015 im Alter von 93 Jahren in
Lübeck verstorben. Eine der
Traueransprachen hielt unter
anderem Desmond Tutu, Friedensnobelpreisträger und ehemaliger
Erzbischof von Kapstadt. Desmond
Tutu und Philip Potter verband eine
lange Freundschaft und das
gemeinsame Engagement gegen
Rassismus. Philip Potter war von
1972 bis 1984 Generalsekretär des
Ökumenischen Rates der Kirchen
(ÖRK) in Genf und in diesem Amt
der erste Vertreter aus der sogenannten Dritten Welt. Er hatte sein
Amt immer auch politisch verstanden. „In der einen Hand die Bibel,
in der anderen die Zeitung“, war
sein Motto. Potter ist auf der
Karibik-Insel Dominica geboren.
Schon seine Kindheit war ökumenisch geprägt. Demnach waren
ihm konfessionelle Grenzen fremd.
Er hatte multikulturelle Wurzeln,
deshalb sei es ihm auch leicht
gefallen, mit Menschen der
verschiedensten Kulturen in
Kontakt zu kommen, hatte seine
Frau Bärbel Wartenberg-Potter
einmal erklärt, mit der er seit 1985
verheiratet war. 1971 erhielt er von
der Universität Hamburg seinen
ersten Ehrendoktor, später auch
von der Universität Kapstadt.
Außerdem war Potter Träger des
japanischen Niwano-Friedenspreises und des „Oliver Tambo
Ordens“ Südafrikas. Zeitlebens hat
er sich für die Einheit der Kirchen,
Gleichheit und Würde aller
Menschen, für Gerechtigkeit,
Frieden und Bewahrung der
Schöpfung eingesetzt. Nach seiner
Pensionierung ging er mit seiner
Frau von Genf nach Jamaika, wo
beide an der Universität Theologie
lehrten. Als Bärbel Wartenberg
Potter 2011 zur Lübecker Bischöfin
gewählt wurde, zogen beide nach
Lübeck. Die ehemalige Lübecker
Bischöfin war lange Zeit Vorsitzen-
Pastor June Mark Yaňez
von den Philippinen wird
ab 11. Mai 2015 im
Hamburger Seemannspfarramt der evangelischen Nordkirche
arbeiten. Zu seinen
Aufgaben gehören unter
anderem Bordbesuche
im Hamburger Hafen,
Mitarbeit in den Seemannsclubs sowie
Unterstützung der Arbeit für
Kreuzfahrt Crews. „Mehr als die
Hälfte der Seeleute sind Philippinos. Er wird die Arbeit der Seemannsmission sehr bereichern“,
meint Seemannspastor Matthias
Ristau. Pastor June Mark Yaňez ist
Mitglied der „National Council of
Churches in the Philippines“
(NCCP) und wird für drei Jahre in
Hamburg tätig sein. Er stammt aus
Cagayan de Oro, im Süden der
Philippinen und war bislang
Gemeindepastor. Er hat Erfahrungen im sozialpolitischen Bereich
gesammelt und sich in der
Vergangenheit unter anderem für
die ökumenische Entwicklungsorganisation Kasimbayan und den
NCCP engagiert. „Durch ihn
können wir in der Nordkirche viel
zum Thema Arbeitsmigration
lernen“, erklärt Katrin Fiedler,
Ostasienreferentin des Zentrums
für Mission und Ökumene.
June Mark Yaňez
weltbewegt
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33
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Veranstaltungen
Mit einem feierlichen Aussendungsgottesdienst werden 30
junge Erwachsene am Samstag,
den 1. August 2015 im Ratzeburger Dom verabschiedet. Die jungen
Menschen werden als Freiwillige
nach Argentinien, Paraguay,
Tansania, Südafrika, Indien, China,
Kiribati und Papua-Neuguinea
entsandt. Als Entsendeorganisation für die Nordkirche vermittelt das
Zentrum für Mission und Ökumene
junge Menschen in entwicklungspolitische und sozialdiakonische
Projekte.
Die Aussendungsfeier beginnt um
10.30 Uhr mit einem Gottesdienst
im Dom mit anschließendem
gemeinsamen Mittagsimbiss.
Weitere Informationen:
www.nordkirche-weltweit.de
Sommerfest für ehemalige
Freiwillige
Nachtrag:
Autorin des Nachrufs von Alex Afram
in der weltbewegtAusgabe März - Mai
2015 war Martina
Severin-Kaiser.
34
34
weltbewegt
weltbewegt
Am 29. August findet ab 16 Uhr
im Zentrum für Mission und
Ökumene ein Sommerfest für
ehemalige Freiwillige, Stipendiatinnen und Stipendiaten statt. Eingeladen sind auch Familienangehörige, Freunde und Interessierte.
Wie im letzten Jahr möchte das
Zentrum für Mission und Ökumene
eine Möglichkeit zum Austausch
bieten. Es geht darum, die Verbindungen aufrechtzuerhalten und
Partnerkirchenkonsultation
„Gemeinsam den Weg der Gerechtigkeit gehen“ – unter dieser
Überschrift steht die Partnerkirchenkonsultation vom 12. bis
zum 21. September 2015. Mehr
als 60 Delegierte der weltweiten
Partnerkirchen der EvangelischLutherischen Kirche in Norddeutschland werden im September zu einer zehntägigen
Konsultation über Fragen der
Gerechtigkeit in der Nordkirche
erwartet. Auftakt der Konsultation
ist am 12. September in Hamburg.
Im Anschluss werden die Delegierten in Gruppen vier Tage in
Hamburg, Schleswig-Holstein und
Mecklenburg Vorpommern
unterwegs sein. Vor Ort wollen sie
sich darüber informieren, wo sich
unsere Kirche für mehr Gerechtigkeit engagiert sowie Perspektiven
und Impulse für gemeinsame
Anliegen formulieren. Dabei
stehen neben Begegnungen und
gemeinsame Andachten auch die
Vertiefung inhaltlicher Themen wie
Flucht und Migration, sowie
Klimagerechtigkeit und soziale
Gerechtigkeit auf dem Programm.
Am Sonntag, den 20. September
endet die Konsultation mit einem
Festgottesdienst um 10 Uhr in der
Hamburger Hauptkirche St.
Michaelis.
Kontakt: Pastor Matthias Tuve,
Ökumemenische Arbeitsstelle,
Pommerscher Evangelischer
Arbeitskreis, [email protected],
Weitere Informationen:
www.nordkirche-weltweit.de.
Ökumenischer Pilgerweg für
Klimagerechtigkeit
Unter dem Motto: „Geht doch!“
startet am 13. September mit
einer Eröffnungsveranstaltung
um 13 Uhr in Flensburg ein
„Ökumenischer Pilgerweg für
Klimagerechtigkeit“ zur UNKlimakonferenz 2015 in Paris.
Der Pilgerweg, der von Flensburg
über Trier nach Paris führt, endet
am 6. Dezember.
Weitere Informationen:
Pastorin Anne Freudenberg,
Tel. 040 88181-234, a.freudenberg
@nordkirche-weltweit.de oder
www.klimapilgern.de (s. auch
Hinweis weltbewegt März - Mai
S.34).
Flüchtlingsschiff in
Mecklenburg
Das „Flüchtlingsschiff MS Anton“
ist in Mecklenburg-Vorpommern zu
sehen. Die Kunstinstallation wird
vom 4. bis 12. Juli in RostockWarnemünde und danach vom 17.
bis 19. Juli in Greifswald zu sehen
sein. Der dänische Künstler Jens
Fotos: C. J. N. L. Kyll/Wikimedia (1), M. Baumann/adpic.de, ZMÖ-Bildarchiv (1)
Gottesdienst für Freiwillige
sich über neue Projekte auszutauschen. „Wir möchten den GrillNachmittag nutzen und die
Freiwilligen, Stipendiaten und
Stipendiatinnen aus fast vier
Jahrzehnten an einen Tisch
bringen, auch um den Austausch
zwischen den Generationen zu
fördern“, erklärt Julia Brockmeier.
Sie betreut die Rückkehrendenarbeit im Referat für Stipendien- und
Freiwilligenprogramme und ist
verantwortlich für die Süd-NordProgramme. Bei dieser Gelegenheit sollen auch die neuen Büroräume des Stipendien- und
Freiwilligenreferats im Erdgeschoss
eingeweiht werden. Weitere Informationen:
Julia Brockmeier, j.brockmeier@
nordkirche-weltweit.de,
Tel. 040 88181-341
Service
Service
Galschiøt hat
diese Installation
auf einem
Fischkutter
geschaffen. Dort
stehen siebzig
„Flüchtlinge“
dicht gedrängt,
dargestellt durch
Bronzeskulpturen,
deren Gesichter
von Armut und
traumatischen
Erlebnissen erzählen. Mit dieser
Installation will der Künstler auf die
Flüchtlingsdramen an den EUAußengrenzen aufmerksam
machen. Kapitän Knut Andersen
hat mit diesem Schiff für die NGO
„Danish Societey for a living Sea“
schon an vielen Häfen festgemacht
und war in Deutschland erstmals
auf dem Kirchentag 2013 in
Hamburg zu sehen.
Weitere Informationen:
Dietrich Gerstner, d.gerstner@
nordkirche-weltweit.de,
Tel. 040 88181-332 oder unter
www.nordkirche-weltweit.de.
Breklumer Gezeiten
Vom 20. bis 27. August findet
auch in diesem Jahr wieder der
Breklumer Sommer statt.
Das Programm ist ein Angebot an
Menschen unterschiedlichen
Alters, die gemeinsam Urlaub
machen möchten. Es gibt gemeinsame Aktivitäten aber auch die
Möglichkeit etwas allein zu
unternehmen. Die Angebote sind
vielfältig. So stehen unter anderem
der Besuch einer Hallig oder des
Noldemuseums auf dem Programm. Es gibt Andachten und
thematische Impulse, dabei steht
auch in diesem Jahr ein Land einer
Partnerkirche im Focus.
Weitere Informationen:
www.nordkirche-weltweit.de
Leitung: Pastorin Jutta JessenThiesen
Anmeldung: buerobreklum@
nordkirche-weltweit.de,
Tel. 04671 9112-14
Pilgern im Herbst
Zum Pilgern im Herbst lädt das
Referat Ökumenische Spiritualität
vom 28. September bis zum 2.
Oktober 2015 ein. Gepilgert wird
auf unterschiedlichen Wegen durch
die Landschaft Nordfrieslands.
„Gemeinsam und auch in der Stille
erleben wir die Natur um uns und
unser eigenes Leben darin“, so die
Veranstalter. Das Christian Jensen
Kolleg ist der Ausgangsort, an dem
die Tage mit einer Andacht
beginnen. Die täglichen Strecken
sind etwa 15 Kilometer lang. Sie
erfordern eine normale Kondition
und eine gewisse Wetterfestigkeit.
Kosten: 265 €. Anmeldung bis
1. September 2015
Leitung: Jutta Jessen-Thiesen,
Dagmar Messow, Karl Peter
Hellfritz
Weitere Informationen:
www. Nordkirche-weltweit.de
In eigener Sache
Unsere neuen Kontodaten
Dem Zentrum für Mission und
Ökumene ist von der Evangelischen Bank (vormals EDG) aus
technischen Gründen eine neue
Kontoverbindung zugeteilt worden.
Schwerpunkt
Bitte verwenden Sie bei Überweisungen ab sofort nur noch
folgende Kontodaten:
Empfänger: Zentrum
für Mission und
Ökumene
IBAN: DE77 520 604
100 000 111 333
BIC: GENODEF1EK1
Evangelische Bank.
Damit uns Ihre Spende
zuverlässig erreichen
kann, benutzen Sie
bitte keine alten Überweisungsträger mehr. In dieser weltbewegtAusgabe finden Sie am Ende des
Heftes den neuen Überweisungsträger und eine kleine Informations-Karte zum Heraustrennen.
Damit haben Sie unsere neuen
Bankdaten immer griffbereit.
Gerne senden wir Ihnen bei Bedarf
weitere Zahlscheine zu.
Tel: 040 88181-0 oder E-Mail:
[email protected].
Falls Sie einen Dauerauftrag
eingerichtet haben, informieren Sie
Ihre Bank bitte so schnell wie
möglich über unsere neuen
Kontodaten.
Wir danken Ihnen auch im Namen
unserer Partner sehr herzlich für
die Unterstützung der Programme
und Projekte des Zentrums für
Mission und Ökumene.
Leserbriefe sind
herzlich willkommen.
Bitte senden an:
Redaktion weltbewegt, Zentrum für
Mission und Ökumene, Agathe-LaschWeg 16, 22605
Hamburg, E-Mail:
[email protected]
Leserbrief
Nun wollen wir etwas tun
(Ausgabe 2/14, Thema: Gerechtigkeit, Interview mit Indho Mohamud
Abayan)
Im letzten Jahr haben wir das Interview mit Indho
Mohamud Abayan gelesen. Mittlerweile hat uns Indhos
Odyssee dazu inspiriert, auf örtlicher Ebene etwas zu
wagen. Zwei Mitglieder unserer Gemeinschaft gehen
jetzt wöchentlich in die Landesaufnahmestelle für
Flüchtlinge, die sich in unserer Nähe befindet, um die
Kinder dort zu betreuen. Zwei andere Mitglieder aus
unserer Gemeinde machen beim dortigen informellen
Sportprogramm mit.
Chris Zimmermann, Holzlandgemeinschaft,
Bad Klosterlausnitz
weltbewegt
weltbewegt
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35
sandt. Jedes weitere Magazin kostet € 0,15 plus Vers
(zu erfragen beim Behelfsdienst, tel. aus Österreich:
Andere Konditionen gelten für Österreich (zu erfragen
0732. 76 10 - 38 13) und die schweiz (tecum, tel. aus
behelfsdienst, tel. aus Österreich: 0732. 76 10 - 38 13
der schweiz: 052 720 73 81).
die schweiz (tecum, tel. aus der schweiz: 052 720 73
Wir freuen uns über jede spende: evangelische darle
Wir freuen uns über jede spende: evangelische darle
genossenschaft Kiel (edg), Konto 317 659, BlZ 210 6
genossenschaft Kiel (edg), Konto 317 659, blZ 210 6
nächsteAusgabe
Ausgabe
DieDienächste
erscheint am 1. Oktober
2012
erscheint
Thema Ökumene
am
1.1.September
2015
amzum
Dezember
2013
Unser
Unser aktuelles
aktuellesProjekt
Projekt
in
in China
den
Partnerländern
Buenos
Aires/Argentinien
Wenn Eltern gestorben sind oder ihre Familien verlassen
Zentrum
für Mission
und
QuilmesDas
ist eine
Vorstadt
am Rande
vonÖkumene
Buenos verhaben, bleiben in ländlichen Regionen Chinas meist nur
mittelt
jungen
Auslandsaufenthalte
Aires. Hier
leben
cirkaMenschen
500 000 Menschen
– sehr
die Großeltern, die sich
um die
Seite_2.indd
1 Kinder kümmern können.
Asien,in Afrika,
dem Pazifik,
Europa und Die
Laviele voninihnen
den zahlreichen
Elendsvierteln.
Oft durch ein arbeitsreiches, hartes Leben selbst körperteinamerika.
Sie
können
für
einen
Zeitraum
Lage
der
armen
Familien
hat
sich
in
den
vergangelich geschwächt, erwirtschaften sie kaum genug, um sich
von einigen
Monaten
bis
zu einemInJahr
nen die
30 Jahren
kontinuierlich
verschlechtert.
den
und
ihnen
anvertrauten
Kinder
durchzubringen.
Ob in
Projekten
Partner
des Zentrums
fürfesten
Miswenigsten
Familiender
gibt
es Winterschuhe,
jemanden
mitauf
einer
Schulgeld,
Arztbesuch
oder
dem
sion diese
undMangelernährung
Ökumene
mitarbeiten.
Die Waisenjungen
Arbeit.stellen
Hunger,
und unzureichende
Lande
Dinge die Pflegefamilien
der
kinder
oftFreiwilligen
vor unüberwindbare
finanzielle
Hürden.
lernen,
mit
den Seit
Augen
Gesundheitsversorgung
sinddie
dieWelt
Folgen.
Staatliche
2002
unterstützt
die
Amity
Foundation
Waisen
anderergibt
wahrzunehmen
undländliche
ihren
eigenen
Sozialvorsorge
es kaum.
So sind
die
Lebensperund
ihre
Pflegefamilien
–
meist
die
Großeltern
–
ganz
Lebensstil
und
eigenen Denkmuster
neu
spektiven
für Kinder
undihre
Jugendliche
in Argentinien
gezielt.
Im
ganzen
Land
gibt
es
chinesischen
Regierungszu bewerten.
schlecht.
statistiken zufolge 570 000 Waisen, von denen ein Drittel
Vor Ort unterstützen
dieQuilmes
Freiwilligen
Projekte
Die Evangelische
Gemeinde in
versucht,
ein
dringend Unterstützung benötigt. Besonders betroffen ist
Bildung,
DorfentZeugnisund
der Einrichtungen,
Liebe Gottes fürdie
diezur
Kinder
greifbar
die Provinz Henan, denn hier gibt es durch einen Blutoder zum
werden wicklung,
zu lassen. InGesundheitsvorsorge
den beiden Kindertagesstätten
spendeskandal in den neunziger Jahren viele Aids-WaiUmweltschutz
beitragen.und
In dieser
Zeitdeerwer„Los Angelitos“
(Die Engelchen)
„El Arca
los
sen.
ben
die
jungen
Menschen
wichtige
entwickNiños“
(Die
Kinderarche)
werden
125
Kinder
von
Neben der finanziellen Unterstützung legt die Amity drei
und
KenntMonatenlungspolitische
bis
sechs Jahren
betreut.
Sie erhalten
drei
Foundation
besonderen
Wert
auf interkulturelle
die seelische
Betreuung
nisse.
Siegegenseitigen
lernen eine neue
Perspektive
einzuMahlzeiten,
Gesundheitsbetreuung
und eine
umfasder
Kinder.
Durch
Austausch,
Weiterbildung
und
Gemeindearbeit
sollen
die
sozialen
Fähigkeiten
nehmen und
sich nach
für eine
sende Förderung.
Parallel
dazuihrer
gibt Rückkehr
es Programme
der
Kinder
gefördert
und
ihre
seelische Widerstandskraft
gerechtere
undin
solidarische
Lebensweise
für die
Eltern:
Beratung
Erziehungsfragen
und
gestärkt
werden.
„Ziel
ist
auch, den
Kindern und
wieder
einzusetzen.
AlsesBotschafterinnen
BotAngebote,
die die
Gemeinschaft
stärken.
eine
positive
Lebenseinstellung
zu
vermitteln“,
sagt
Wang
schafter fürZuschüsse
interkulturelles
Lernen geben
sie
Da die staatlichen
nicht ausreichend
und
Wei, bei der Amity Foundation für das Projekt zuständig.
Hilfe
für
Welterfahrungen
Kindertagesstätten der
Waisenkinder
sammeln
–
sich
engagieren
Evangelischen Gemeinde
Quilmes
Erfahrungen
an andere
und brinauch nurIhre
unzuverlässig
fließen,
ist dieweiter
Kita-Arbeit
in
in den Alltagdurch
in Deutschland
ein.
Quilmesgen
auf sie
Unterstützung
Spenden angewieHelfen Sie mit Ihrer Spende!
Sie für
mit,Mission
junges und
Engagement
unsere
sen. DasHelfen
Zentrum
Ökumenefürfördert
25 Euro reichen für die Unterrichtsmaterialien eines
Welt
fördern.30
Mit
Ihrergewährleisten
Spende
fürAires
die
die Arbeit
derzu
kirchlichen
Partner
in Buenos
Kindes
für
ein
Schuljahr,
Euro
die Freiwilligenprogramme
ökumenisches
und bittet
in der jetzigenund
Krise
um Mithilfe
durch
Gesundheitsversorgung
90werden
Euro
decken
die
Leben
und
gesellschaftliche
MitverantworSpenden.
Wir
würden
uns
freuen,
wenn
Sie
mit uns
Lebenshaltungskosten eines Kindes für ein Jahr.
tungdie
gestärkt
damit junge
Freiwillige
unsere
gemeinsam
Kita in–Quilmes
in dieser
schwierigen
Spendenkonto
des Zentrums
für Mission
bereichern
und verändern.
SituationGesellschaft
unterstützen.
Jede Spende
hilftund
denÖkumene:
KinKonto
27375
BLZ:
21060237
EDG
Kiel
dern und Familien in Quilmes.
Ob Laura-Marie
in Tansania,
Daniel in Indien
Eva in
Die
Kinder werden
von den kirchlichen
Kitas oder
in Quilmes
gut
betreut.
China
– die Freiwilligen wollen verstehen, wie die Menschen in den Partnerländern leben und was man dort
wirklich zum Leben braucht. Die jungen Freiwilligen hinterfragen vieles aus ihrer neuen Perspektive – und lernen, wie sich Fremdsein in Freundschaften verwandelt.
36 weltbewegt
weltbewegt
28
Waisen in China/Amity (Projekt 5520)
Spendenkonto
des Zentrums
für Mission
und Ökumene:
Spendenkonto
des Zentrums
für Mission
und
Projekt-Nr. bitte bei der Überweisung angeben!
Ökumene:
Nähere Informationen auch auf den Seiten 12 bis 13.
Projekt 7015
05 Freiwilligenprogramme
Konto- 27375,
BLZ: 210 602 37 EDG Kiel,
IBAN: DE77 520 604 100 000 111 333
Kitas in Buenos Aires (Projekt 6104)
BIC: GENODEF1EK1 Evangelische Bank
Foto: Quilmes (1), Titel:Foto:
C. Wenn,
Titelfotos: Freiwilligenprogramme (3), L. Paulsen (1), J. Gerundt (1), L. Borghorst (1), T. Kleyer (1), C. Kienel (1), C. Beyer (1), D. v. Eye (1), S. Aghte (1), D. Lünse (1)
U.
Fotos: Freiwilligenprogramme
(1),Plautz
Titel: (1)
U. Plautz (8), YMT privat (1), Freiwilligenprogramme (1), L. Triebel (1), CJK (1), C. Wenn (1)
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