Kinder‐ und Jugendgesundheit: Notwendigkeit der Frühen Hilfen Prim. Dr. Klaus Vavrik, Österreichische Liga für Kinder‐ und Jugendgesundheit Internationale Statistiken zeigen Österreich als Land mit hohem Wohlstand, guter Versorgung und Lebensqualität, gleichsam als „Insel der Seligen“: Österreich ist elftreichstes Land der Welt und zweitreichstes Land in der EU (Quelle: Internationaler Währungsfonds) Bei Gesundheitsausgaben an der 5. Stelle weltweit, 3. Platz in der EU (BMG/GÖG 2010) Lt. Euro Health Consumer Index Platz 10 unter 36 Ländern (2014) Bei der Lebenserwartung Platz 10 unter 33 europäischen Staaten (2013 WKO) Und trotzdem existieren Schattenseiten und die Not spezifischer Bevölkerungsgruppen, v.a. betroffener Kinder und Jugendlicher: Lt. OECD liegt Österreich 2010 in den Bereichen Gesundheit und Risikoverhalten von Kindern und Jugendlichen im hintersten Feld Der Anteil der Gesundheitsausgaben für die Bevölkerung unter 20 Jahren beträgt: in Ö 5,8%; EU‐Durchschnitt 6,4%, D 8,3%, GB 9,6% Etwa 5‐10% der Kinder in Österreich leben unter hoher psychosozialer Belastung wie Verwahrlosung, Gewalt, psychische Krankheit oder Überforderung der Eltern oder unter schwierigen, prekären Verhältnissen In Österreich gelten 18% der Kinder und Jugendlichen (das sind etwa 300.000 junge Menschen) als armutsgefährdet, 124.000 leben in manifester Armut. Die Folgen für Kinder, die in solchen Risikokonstellationen aufwachsen, sind hinlänglich bekannt: 10x so hohe Suchtraten, 3x so viele Störungen des Sozialverhaltens und doppelt so viele Depressionserkrankungen mit 19 Jahren! (Mannheimer Longitudinalstudie, Laucht). Diese Kinder haben häufiger Unfälle (> 70%) und erkranken öfter und schwerer. Sie leben meist unter gesundheitsgefährdenden Bedingungen (Feinstaub, Ernährung, Bewegung, ...) und erleiden später 3x so häufig Herz‐Kreislauf‐Erkrankungen, Gelenksbeschwerden, Diabetes, u.a.m... Sie haben im Durchschnitt eine um 5‐8 Jahre geringere Lebenserwartung. Auch bei später höherem Wohlstand bleibt das Erkrankungsrisiko weitgehend gleich! Diese Fakten vor Augen, wird klar, weshalb das Angebot der Frühen Hilfen für psychosozial belastete Familien so wichtig ist, wo sie ansetzen und weshalb sie so nachhaltig positiv auf die Gesundheit der Kinder einwirken können. Zusätzlich sind Frühe Hilfen auch eine überaus erfolgreiche Gewaltprävention. Dort, wo sie funktionieren, sinken Misshandlungs‐ und Missbrauchserfahrungen um 55%! Darüberhinaus gibt es deutlich besser Bildungsverläufe, weniger Nachhilfebedarf oder Klassen‐ wiederholungen sowie höhere Schulbildung und Berufsqualifizierung der so unterstützen Kinder und Jugendlichen. Die volkswirtschaftlichen Kosten werden von Meier‐Gräwe in sogenannten Lebenslaufszenarien zwischen 400.000 – 1 Mio. Euro pro Einzelfall errechnet. Dies ist somit auch das mögliche Einsparungspotential öffentlicher Kosten durch den Einsatz von Frühen Hilfen. Die Stadt Dormagen gilt als eines der ersten Best‐Practice‐Modelle für Frühe Hilfen in Deutschland und hat nun die geringsten Jugendwohlfahrtskosten in ganz Nordrein‐Westfahlen. Aber das Wichtigste: Frühe Hilfen sind für jedes einzelne Kind, das davon profitiert, ein großer Gewinn für einen guten Start ins Leben! Sie schaffen ein Stück gesundheitlicher Chancengerechtigkeit für ein gesundes Aufwachsen, welches den begleiteten Familien ohne Hilfe so nicht möglich wäre. Dem Hauptverband der Österreichischen Sozialversicherungsträger und seinem Weitblick ist es zu danken, dass er dieses Thema so konsequent und zukunftsorientiert aufgegriffen hat! Wissenschaftliche Forschung sowohl der Lebenslaufperspektive wie auch der Neurobiologie belegen die große Relevanz der frühen Kindheit für die spätere lebenslange Gesundheit. Frühe Hilfen dürfen nicht warten, bis belastete Familien sich an sie wenden. Da ist es oft schon zu spät. Sie müssen aktiv auf sie zugehen. Am besten zu allen Kindern gleichermaßen und zeitnah zur Geburt!
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