18 www.kg-koeniz.ch | JANUAR 2015 Gefährliche Situation an Tramhaltestelle: «Unhaltbare Situation ans Licht der Öffentlichkeit bringen.» «Überraschungen öffnen neue Perspektiven» SUSANNE BERGER: WERBERIN UND PFARRERIN / Porträt einer Frau mit überraschendem Werdegang: Wie Susanne Berger nach jahrelanger Tätigkeit in der Werbung zum Pfarrberuf kam. Rasch und kreativ handeln ERFOLGREICHE ZIVILCOURAGE muss nicht unbedingt kompliziert sein: Manchmal reicht ein einfaches Räuspern. Überraschungen und Überlegungen bei einem Zivilcourage-Kurs im Kirchgemeindehaus Wabern. Ich werde aggressiv. Bin ange... über diesen Erwachsenen, der aus dem Nichts aufgetaucht ist und uns asozial von der Seite anquatscht. Leise sollen wir sein und unseren Abfall recyclen. Für wen hält der sich eigentlich? Er soll besser abhauen und uns in Ruhe chillen lassen. Der mutig eingreifende Mann hat sich die Intervention etwas einfacher vorgestellt. Ich bin am 19. September 2014 an einem Zivilcourage-Kurs im Kirchgemeindehaus Wabern und Teil einer Gruppe Jugendlicher, die feiern wollen. Unbeeindruckt von der Standpauke des Erwachsenen drehe ich das Radio wieder auf. Der Intervenierende schaut amüsiert aber auch etwas ratlos zu den Leitenden, die Szene wird abgebrochen. Es wird besprochen, warum die Intervention nicht den gewünschten Effekt hatte und was ein nächstes Mal anders gemacht werden könnte. Erfolgreich eingreifen Erfolgreiches Eingreifen muss nicht unbedingt kompliziert sein: «Manchmal reicht ein einfaches Räuspern, um für einen Menschen Partei zu ergreifen, eine unhaltbare Situation aus der Anonymität zu reissen und ans Licht der Öffentlichkeit zu bringen», erklärt Sozialdiakon Philippe Häni vom Leiterteam der Zivilcourage- TIPP Barocke Musik Ornament und Eleganz – Musik des Barockzeitalters. Mit Studierenden der Hochschule der Künste Bern und Elie Jolliet, Orgel und Cembalo. Samstag 17. Januar 2015, 18.00 Uhr, Thomaskirche Liebefeld. IMPRESSUM «Reformiert.» kann schriftlich abbestellt werden: Verlag reformiert., Abos, Seestrasse 42, 3700 Spiez. [email protected] ADRESSEN KIRCHGEMEINDE KÖNIZ Präsident Kirchgemeinderat Bruno Sigrist, 031 978 03 30, [email protected] Ev.-ref. Kirchgemeinde Köniz Tel. 031 971 30 30, Fax: 031 971 30 35 Ritterhuus Schloss Köniz, Muhlernstrasse 5, Postfach 589, 3098 Köniz [email protected], www.kg-koeniz.ch Redaktion «reformiert.» Köniz (S. 13–18): Alfred Arm,Tel. 031 974 19 74 E-Mail: [email protected] Redaktionsschluss allg. Teil Feb.-Nr: Mo. 29. Dezember, 12 Uhr. Redaktionsschluss Kreise Feb.-Nr: Mi. 7. Januar, 12 Uhr. Abende, die in den Kirchgemeindehäusern in Wabern und im Spiegel durchgeführt worden sind. Wie das Leben ist jeder Zivilcourage-Abend anders. «Eine Situation, in der Zivilcourage gefragt ist, überfällt uns oft aus dem Nichts. Sie wird nicht auf dem Fahrplan der SBB angekündigt. Gefragt ist eine rasche und dennoch nicht unüberlegte Intervention», so Häni weiter. Seit bald drei Jahren unterstützt die Theatergruppe HANKERUM*, von der ich ein Teil bin, die Zivilcourage Kurse der Kirchgemeinde Spiegel und Wabern. Wir bieten den Kursteilnehmende, die sich mit Zivilcourage auseinandersetzen möchten, eine praktische Übungsanlage mit Spontantheater. In geschütztem Rahmen darf Jede und Jeder ausprobieren, wie sich eine Intervention anfühlt und was sie bewirkt. Und obwohl alles gespielt ist, schlägt das Herz bei Schauspielern und Besuchern vor einem Einsatz nicht selten höher. Wie die Teilnehmenden reagieren, ist nicht voraussehbar. Überraschungen sind vorprogrammiert! Aus Ungewissheit entsteht Kreativität Aus dieser Ungewissheit gewinne ich Kreativität. Man serviert mir sozusagen eine Carte Blanche, die ich ausfüllen darf. Um auf der Bühne authentisch zu wirken, sollte ich in jedem Augenblick einer Szene in meiner Rolle bleiben. Wenn ich vorgän- «Interventionen die logisch erscheinen, können in der Praxis kläglich scheitern.» Ve r o n i c a C a r d i l l o ( H a n ke r u m ) gig ein Gefühl für die Rolle entwickle wird sie flexibel. Ich kann mich darin in verschiedene Situationen begeben und werde dabei selbst immer wieder überrascht, wie sich meine neu kreierte Persönlichkeit verhält. Die Kunst des Improvisierens besteht darin, die rationale Welt der Gedanken zu verlassen und den Mut zu haben, sich spielerisch auf Glatteis zu begeben und seinen Impulsen zu folgen. Auch wenn sich die Überraschung bei mir auch schon mal in Form einer real gebrochenen Nase gezeigt hat, die Faszination für die Improvisation erlischt nicht. Überraschungen inbegriffen. Bild und Text: Melvin Hasler * Improvisationsgruppe Hankerum www.hankerum.ch Hankerum kann man mieten. Anfragen an: [email protected] Nächster Zivilcourage Kurs am 12. Mai 2015, 18.30–22.00 Uhr. Anmeldung: [email protected], 076 480 07 84. Weil die Anschlüsse nach Zimmerwald, wo Pfarrerin Susanne Berger lebt und arbeitet, rar sind, holt sie mich mit dem Auto ab. Eine gewisse Flexibilität gehöre zu ihrem Beruf, sagt sie. Zu unseren Füssen liegen während des Gesprächs drei Hunde, die ihr auf Schritt und Tritt folgen und mit denen sie sehr liebevoll umgeht. Eltern waren «Baha’i» 1958 wurde Susanne Berger in Zürich in eine aussergewöhnliche Familie geboren: Ihre Eltern waren «Baha’i». Baha’i ist eine Religion, die ursprünglich aus dem Iran stammt und in deren Zentrum der Glaube an die Einheit aller Menschen steht. Bergers Kindheit war geprägt von häufigen Umzügen. Als Siebenjährige kam sie nach Bern, wo ihre Familie fortan im nationalen Zentrum der Baha’i lebte. «Hier herrschte ein reges spirituelles Leben. Reisende kamen, vor allem Iraner. Ich fand es Pfarrerin Susanne Berger: sehr spannend, wie sie gekleidet wa- «Ich war selbst überrascht, als ich meinen Werbejob kündigte und mich der Religion zuwandte.» ren und wie sie beteten. Sie brachten die weite Welt in unser Haus.» Trotz der vielen anregenden Begegnungen Stelle, im Moment schlimm sind. Im Nachentschied sich Susanne Berger mit 15 Jah- hinein erkenne ich, dass sie helfen, neue ren dagegen, sich als Baha’i zu erklären. Perspektiven aufzutun.» Statt sich der Religion zu widmen, absolvierte sie die Matura und ging danach hin- Pfarrstellvertreterin in Köniz aus in die weite Welt.Ein Jahr verbrachte sie Nachdem sie in Köniz als Verweserin tätig in Israel. Nach einem abgebrochenen Stu- war, ist sie jetzt seit eineinhalb Jahren Pfardium von Germanistik, Soziologie und rerin in Zimmerwald. Es gebe GemeinsamKunst wandte sie sich der Kommunika- keiten zwischen dem Beruf des Pfarrers tionsbranche zu und fasste Fuss im Werbe- und der Kommunikation. Bei beidem gehe und PR-Bereich. Die kreative, dynamische es darum, sich auf das Gegenüber und Arbeit gefiel ihr und sie hatte jahrelang eine seine Bedürfnisse einzulassen. An ihrer Arbeit als Pfarrerin schätzt sie das Begleieigene Werbe- und PR Agentur. ten von Menschen in extremen LebensMitte 40 kam die Wende situationen – ihre Arbeit reicht von Trauun«Ich hatte mich in eine berufliche Sack- gen und Taufen bis hin zur Seelsorge.«Es ist gasse manövriert und eine neue Stelle an- ein unglaublich reicher Beruf, bei dem man getreten, bei der ich mich grässlich lang- aus der Fülle des Lebens schöpfen kann.» weilte.» Nicht nur ihr Umfeld, sondern auch Vermisst sie denn nie ihre frühere Arbeit? sie selbst war überrascht,dass sie kündigte «Nein», sagt sie zufrieden und deutet aus und sich wieder vermehrt der Religion zu- dem Fenster, wo sich ein märchenhaftes wandte. Sie begann Theologie zu studieren. Bergpanorama auftut. «Jetzt habe ich in «Überraschungen finde ich etwas Tolles, jeder Hinsicht eine Traumstelle.» selbst wenn sie, wie die enttäuschende Bild und Text: Meret Hasler Von Kleidergrösse 52 auf 40 BÄRBEL BRÖNIMANN, SIGRISTIN IN NIEDERSCHERLI liess sich im Juli 2013 einen Magenbypass verpassen. Sie war nicht überrascht, als sie abnahm. Doch das Ausmass erstaunte sie. Die 57-Jährige, die seit rund fünf Jahren in einem Teilzeitpensum als Sigristin in der Kirche Niederscherli tätig ist, betätigte sich schon vorher ehrenamtlich im Kirchenkreis. Beruflich war sie früher jahrelang im Verkauf tätig, unter anderem auch in einem Modehaus. Nach einer Phase der Arbeitslosigkeit fand sie zwei Teilzeitstellen. Neben dem Sigristenamt ist sie noch als Post-Zustellerin in Niederscherli im Einsatz. Eigentlich hätte sie gerne Familie gehabt, da sie ein richtiges Hausmütterchen sei, sagt sie. Das Schicksal wollte es leider anders. 1994 starb ihr Freund bei einem Unfall. Danach habe sie begonnen, übermässig zu essen. Warum haben Sie sich zu dieser Magenbypass-Operation entschieden? Ich war ja nie wirklich schlank so wie jetzt. Aber in den letzten Jahren nahm ich immer mehr zu. Ich hatte Schmerzen in den Beinen, musste Tabletten nehmen, war kurzatmig und wurde immer unbeweglicher. Zudem gefiel ich mir nicht mehr und fühlte mich immer minderwertiger. Ich ass immer mehr und ein Sättigungsgefühl Wie waren die Auswirkungen nach der Operation? Ich bin überrascht und erfreut über mein neues tolles Körpergefühl. Ich kann mich wieder schneller fortbewegen und sogar wieder unter den Tisch kriechen. Es ist wie wenn ein zweites Leben angefangen hätte. Ich freue mich, endlich wieder schickere Kleider kaufen zu können. Immerhin hat sich mein Körper von Grösse 52 auf Grösse Bärbel Brönimann, Sigristin: «Früher wollte ich allen entsprechen. Jetzt kann ich auch ein40 reduziert. Ich kann mal mit gutem Gewissen Nein sagen.» mich wieder akzeptieren und schaue jetzt stellte sich nur noch selten ein. Deshalb besser zu mir. Ich nehme mir die Zeit, um erkundigte mich bei einigen Frauen, die bewusst und in Ruhe zu essen. Früher diese Operation bereits hinter sich hatten, wollte ich allen entsprechen und habe mir nach den Auswirkungen. Alle rieten mir oft unnötigen Stress aufgeladen. Jetzt dazu, auch meine Hausärztin ermunterte kann ich auch einmal mit gutem Gewissen mich zu diesem Schritt. Nein sagen. Wie waren die Reaktionen der Leute? Fast alle haben sehr positiv reagiert. Viele kamen zu mir und fragten mich, was denn passiert sei. Einige erkundigten sich besorgt, ob ich krank sei. Die Meisten gratulierten mir ehrlich und hatten Freude. Gab es auch negative Überraschungen? Kurz nach der Operation gab es kleinere Komplikationen, die jedoch problemlos behoben werden konnten. Mittlerweile gibt es auch Leute, die meinen, es reiche jetzt mit dem Abnehmen. Dabei kann ich das doch gar nicht gross steuern! Nicht alle Leute haben Freude daran, dass ich mich heute nicht mehr so hetzen lasse, sondern selbstbewusster auftrete. Gibt es in der Kirche auch Überraschungen? In letzter Zeit kommen überraschenderweise Leute jeglichen Alters in die Kirche und verweilen dort einen Moment. Manche zünden eine Kerze an und andere suchen vermutlich die Stille. Bild und Text: Monica Wieser
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