Kritik – und unsere Festung wackelt…

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www.kg-koeniz.ch | DEZEMBER 2015
Kritik – und unsere
Festung wackelt…
Konstruktiv kritisieren – einige Tipps
1.
2.
3.
4.
Basis für konstruktive Kritik ist eine gute Beziehung
Vor einer Kritik das Positive und Gemeinsame hervorheben
Bei sachlichen Themen bei der Sache bleiben – keine Angriffe auf die Person
Bei Beziehungsthemen Ich – Botschaften: Also «Ich erlebe dich als zurück
haltend» statt «Du bist geizig»
5. Bedürfnisse als Bitte formulieren. Auf Erwartungen verzichten
6. Konflikte nicht über E-Mail austragen.Hier schaukeln sich Konflikte oft bis zum
fa
völligen Chaos hoch. Ein Treffen vereinbaren, ev. Moderator bestimmen.
KONSTRUKTIVE GESCHICHTEN ZU
KRITIK: Bei Kritik gehen alle Beteiligten sofort
in Kampfstellung und nehmen oft gar nicht wahr,
dass nur eine Sache oder ein Verhalten gemeint ist.
Reformiert.-Mitarbeiterin Romi Gygax, 82, erzählt
kritische Geschichten aus ihrem Leben.
«Veilchenkopf» in der Kritik
In der Primarschule hatte ich einen Lehrer,
genannt «Veilchenkopf». Eines Tages kritisierte er meine gelackten Fingernägel.
Ich wurde gehänselt und musste mein Gesicht wieder finden. In der Pause schrieb
ich wütend auf die Wandtafel, «Veilchenkopf sollte seine Haare nicht violett färben.» Stille folgte… Ich drehte mich um.
Da stand Veilchenkopf an der Türe und las
meine Inschrift. Er stand vor die Klasse hin
und erklärte ruhig und freundlich: «Das
stimmt. Ich habe leider einen Gelbstich im
weissen Haar und versuche diesen mit
einem ‹Blaukügeli› zu eliminieren. Wenn
man nicht exakt arbeitet, kommt eben dieser violette Ton hervor. Ich will mir Mühe
geben das nächste Mal exakter zu arbeiten.» Dann gab’s einen Aufsatz und er
beurteilte mich mit einer Sechs. Keine
Repressalien, nichts Böses blieb zurück...
Bereits seit 70 Jahren lebt nun «Veilchenkopf» als Vorbild in meiner Erinnerung.
Oder ich erinnere mich an einen gemütlichen Nachmittag mit Tochter und Enkel.
Meine Tochter blickte nachdenklich und
meinte ganz ruhig: «Als Grossmutter bist
du Spitze Mami, als Mutter warst du das
nicht immer.» Ehe ich in Abwehrstellung
gehen konnte redete sie weiter: «Das wird
mir wohl einmal nicht anders gehen, man
muss als unerfahrene Mutter erst mühsam herausfinden, wie Erziehung funktioniert.» Ein gutes Gespräch statt Reibereien entstand darauf hin.
Kreativität statt Kritik
Eine grosse Genugtuung bereitete mir ein
Erfolg unter Einsatz von Kreativität an
Stelle von Kritik. Als mein Mann pensioniert wurde, wollte er unbedingt in der
Küche mithalten und wechselte alle meine
Utensilien von links nach rechts. Er finde,
so seine Begründung, er habe Mitspracherecht in der Küche, hie und da mache
er sich schliesslich hier auch nützlich. Ich
ging ich in den Keller und legte all seine
schön sortierten Werkzeuge ebenfalls von
Kritik nagt am Selbstwert
DESTRUKTIVE UND KONSTRUKTIVE KRITIK / Wer
kennt diese Situation nicht? Engagiert und ambitioniert
arbeitet man an einem Projekt. Da plötzlich kommt sie,
die ungeliebte Kritik…
«Das Zauberwort zu konstruktiver
Kritik heisst HUMOR».
links nach rechts. «Ich brauche ja auch hie
und da ein Werkzeug», lautete nun mein
Argument. Ich habe verdrängt was folgte,
aber ich erinnere mich, dass ich bat: «Leiser bitte». Meine Küchenutensilien waren
ab sofort wieder an ihrem alten Platz.
Aggression ist oft die Folge auf Kritik. Dabei gibt es ein Zauberwort das wirklich
zaubern kann, es heisst HUMOR. Kürzlich
hörte ich wie ein Frau zu ihrem Mann
sagte: «Wenn du schon deine Hose bis
unter die Arme hochziehst, solltest du
eigentlich eine passende Sockenfarbe tragen.»
Text: Romi Gygax
Zeichnung: Laura
D I R E K T: KO N S T R U K T I V K R I T I S I E R T
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Redaktionsschluss allg. Teil Jan.-Nr:
Mi. 25. November, 12 Uhr.
Redaktionsschluss Kreise Jan.-Nr:
Mi. 2. Dezember, 12 Uhr.
men müssen, weil sie in diesem Alter mit
dieser Entscheidungen überfordert sind.
Von der Kirche würden wir uns wünschen, dass gut integrierte, aktive Christen aus gemischten oder aus secondo
Familien mehr Unterstützung in traditionellen kirchlichen Gepflogenheiten
bekommen, damit wir mit den Verantwortlichen der Kirche und gemeinsam
mit dem Kind die Entscheidung darüber
treffen können, wann für welchen Schritt
der richtige Zeitpunkt gekommen ist.»
Text und Bild: Barbara Bürki
* Agnostizismus
Agnostizismus (altgriechischen «Unwissen») ist
die philosophische Ansicht, dass die Existenz oder
Nichtexistenz Gottes grundsätzlich nicht klärbar ist.
«Konstruktive
Kritik sollte
zeitnah und am
besten unter
vier Augen
erfolgen.»
Meret Hasler
Kritik nagt am Selbstwert
Kritik am Arbeitsplatz ist ein
delikates Thema, weil es
psychologisch gesehen den
Selbstwert bedroht. Wie sehr
negatives Feedback am Selbstwert nagt, hat unter anderem
mit der Persönlichkeit des Kritisierten zu tun. Es gibt Leute,
die stecken Kritik viel leichter
weg als andere.
Eine klar destruktive Rückmeldung lässt kaum jemanden kalt
– es demotiviert und macht ärgerlich. Destruktiv sind Feedback dann,wenn sie in harschem Tonfall daherkommen oder in einem unangemessenen Umfeld übermittelt werden – etwa im
Beisein von anderen Leuten. Destruktiv
kann es auch sein, wenn der Fehler der Person und nicht der Situation zugeschrieben
und die Kritik viel zu spät geäussert wird.
Die Abteilung der Arbeits- und Organisationspsychologie der Universität Bern geht
davon aus, dass auch weniger gravierende
Formen als das destruktive Feedback den
Selbstwert bedrohen können. Etwa dann,
wenn die Kritikerin oder der Kritiker die
Rückmeldung zu ausführlich gibt und unnötig rechtfertigt. Selbstwertbedrohend
kann ebenfalls wirken, wenn man ein Detail
– etwa einen Kommafehler – aufbauscht.
«Stille im Wort»
Ehemals wohnhaft im Moos bei Schliern, seit
2008 freie Mitarbeiterin von reformiert.-Köniz.
Sie hat vor kurzem in Bern ihr Masterstudium in
Psychologie abgeschlossen.
TIPP
Film Wildniscamp
Diesen Advent findet in Wabern mit
Pfarrer Bernhard Neuenschwander
ein ganz besonderer Zyklus statt.
Das Thema: «Stille im Wort».
Die Stille bringt eine eigene Sprache zur
Welt, eine poetisch-mystische Sprache,
eine Sprache, in der der göttliche Logos
geboren wird. Die Veranstaltungsserie will
in dieses Geheimnis hineinführen und
zum eigenen Suchen und Finden von Worten der Stille anregen. Alle Veranstaltungen finden im reformierten Kirchgemeindehaus in Wabern statt:
– Am 8. Dezember um 19.30 Uhr eine Begegnung mit Markus Waldvogel, Philosoph und Autor von «Zingara Triste»
(verlag die brotsuppe, 2015) und
– am 15. Dezember um 19.30 Uhr mit der
Lyrikerin Andrea Maria Keller, Autorin von
«Mäanderland» (Edition Howeg, 2013).
Keine Kritik zu äussern, kann sicherlich
keine Lösung sein. Kritik kann helfen, auszumachen, wo wir mit unserer Arbeit stehen, um gegebenenfalls Kursänderungen
vorzunehmen. Konstruktive Rückmeldungen gehen sehr spezifisch auf Fehler ein –
es wird nicht generalisiert à la «Du machst
das ständig falsch». Das Feedback sollte
zeitnah und am besten unter vier Augen
erfolgen. Nicht zu unterschätzen ist auch,
dass man mit Mimik und Gestik viel ausdrücken kann – um wertschätzend und
motivierend zu kritisieren, ist nicht zuletzt
eine grosse Portion Achtsamkeit vonseiten der Kritiker nötig.
Text: Meret Hasler
Meret Hasler
Kritik hilft bei Kursänderungen
Doch was können wir tun, um selbstwertbedrohendes Feedback zu vermeiden?
Foto: I. de Crasto, pixelio.de
Violeta Wiedmer:
«Nach dem Konfirmationslager erkannten
wir unseren Sohn kaum wieder. Er wollte
sich nun taufen lassen.»
«Wir hatten unsere Kinder nicht getauft,
weil wir der Meinung waren, dass sie sich
als Erwachsene entscheiden sollen, welcher spirituellen Gemeinschaft sie sich
anschliessen wollen. Ich komme aus der
serbisch-orthodoxen Kirche, bei uns ist
es üblich, dass wir uns als Erwachsene
taufen lassen. Es war uns wichtig, dass
die Kinder im christlichen Glauben aufwachsen, mein Mann Christoph ist reformiert und so haben wir unseren ältesten
Sohn in den KUW-Unterricht geschickt.
Nach dem Konfirmationslager erkannten
wir unseren Sohn kaum wieder. Er war
plötzlich überzeugt, dass er sich taufen
lassen muss, obwohl er sich immer als
Agnostiker* bezeichnet hatte. Aus dieser
Erfahrung haben wir gelernt, dass wir für
die Kinder die Verantwortung überneh-
«Du, hör mal...», sagt die Chefin oder auch der Mitarbeiter,
und schon der Tonfall signalisiert, dass etwas nicht stimmt,
dass ich den Ansprüchen nicht
zu genügen scheine. Und die
eben noch blühende Motivation fällt in sich zusammen.
Ärger, Frustration und Resignation machen sich breit:
«Egal wie ich es mache – es ist
nicht gut».
Foto: zVg
Kritik kann unser Selbstverständnis erschüttern, wir fühlen uns abgelehnt und
verunsichert, die Festung von Kompetenz
und Rechthaben wackelt. Kritik schmeckt
wie Spinat, ist nicht schmackhaft, aber
gesund. Schauen wir uns ein paar Beispiele an:
MEINUNG
Stille birgt eine poetisch-mystische Sprache.
– Der Zyklus wird am 19. Dezember um
11 Uhr mit einem Café religio-philosophique abgeschlossen. Hier können die Teilnehmenden ihre Gedanken zum Thema
einbringen und miteinander austauschen.
Dieser Veranstaltungszyklus ist eine Perle
für alle, die Gott in sich suchen.
Mehr Informationen:
www.kirche-wabern.ch
Premiere: Reportage über «Feuer in
dir – das Wildniscamp für Jungs» im
Gantrischgebiet im August 2015.
Allein in die Wildnis gehen und in der Stille
sein.Eine Filmreportage zeigt,wie die Teilnehmer des Wildniscamps im Gantrischgebiet
vom 7.–9. August 2015 ein Wagnis eingehen:
Mit Plane und Schnur bauen die Jungen ein
«Tarp» und verbringen dort eine Nacht unter
freiem Himmel.Bei Wind und Wetter.Auf Entdeckungsreise zu ihrem inneren Feuer. Ganz
allein. Dies birgt einen Gewinn: Denn frei ist,
wer im Leben allein und still sein kann. «Seit
dem Wildniscamp habe ich an Selbstvertrauen gewonnen. Wenn ich ins Zweifeln gerate, gelingt es mir besser, Mut zu schöpfen»,
sagte der 14-jährigeJoshua danach.
Filmpremiere am Freitag, 11. Dezember um
20 Uhr in der reformierten Kirche Wabern.