Nr. 56 | 23. Februar 2016 Fränkisches Freilandmuseum 15 Dorf unterm Hakenkreuz Drei Ausstellungen widmen sich 2016 dem Thema „NS-Zeit“ Geschmückter Festwagen der Gelchsheimer Jungbauern beim propagandistischen Festumzug des deutschen Handwerkertages in Aub zur Feier der NSDAPMachtergreifung 1933. Foto: Adam Menth Volk. Heimat. Dorf. So heißt die große Jahresausstellung der Arbeitsgemeinschaft süddeutscher Freilichtmuseen, die sich mit Ideologie und Wirklichkeit im ländlichen Bayern der 1930er und 1940er Jahre, der einschneidendsten Epoche der jüngeren deutschen Geschichte beschäftigt. Das Fränkische Freilandmuseum des Bezirks Mittelfranken in Bad Windsheim beleuchtet diese NS-Zeit zudem mit zwei weiteren Ausstellungen: Der Hesselberg – ein >Heiliger< Ort der Täter und Eine Stadt in Pommern: Slupsk/Stolp – gestern und heute. Sie sieht auf den ersten Blick aus wie eine gewöhnliche Honigschleuder. Erst bei genauerem Betrachten fällt der Spruch „Sieg Heil“ auf dem Handkurbelrad auf. Dieses Exponat der Jahresausstellung Volk. Heimat. Dorf. belegt eindrucksvoll, wie sehr Termine Ausstellungen der NS-Staat in das Leben seiner Bürger eingriff. Auch auf dem Land. Wie aber verhielt es sich dort speziell? Was änderte sich im Dorf nach 1933? Welchen Einfluss nahm die nationalsozialistische Diktatur tatsächlich auf den Alltag der Menschen? Und welche Konsequenzen brachte der Zweite Weltkrieg mit sich? Diesen und anderen Fragen geht die Ausstellung nach. Aussagekräftige Exponate dokumentieren, wie sich das Unfassbare und das scheinbar Banale überlagerten. Gezeigt wird, wie sehr alle Lebensbereiche der damaligen Zeit ideologisch aufgeladen waren, seien es die Landwirtschaft, das Bauwesen oder der gewöhnliche Alltag der Menschen. Ebenso wenig wird die Tatsache ausgespart, dass auch auf dem Land Verbrechen begangen wurden: Dass beispielsweise jüdische Mitbürger verfolgt und massenhaft Zwangsarbeiter zur Landarbeit herangezogen wurden. Beendet wurde die nationalsozialistische Diktatur und der von ihr heraufbeschworene Weltkrieg erst durch den Einmarsch alliierter Truppen – mit teils gravierenden Folgen für Stadt und Land. Die Ausstellung endet aber nicht im Jahr 1945, denn die Nachwirkungen jener Epoche reichen weit in die Nachkriegszeit und sind zum Teil bis in die Gegenwart spürbar. Eine Stadt in Pommern: Słupsk/Stolp gestern und heute Sa 16. 4. – So 18. 9. 2016 Ausstellungsscheune Volk. Heimat. Dorf. Ideologie und Wirklichkeit im ländlichen Bayern der 1930er und 1940er Jahre Sa 14. 5. – So 11. 12. 2016 Ausstellungsscheune Veranstaltungen Veranstaltungen Heil- und Gewürzkräutermarkt Sa 23. 4. – So 8. 5. 2016 Tag des Bieres So 24. 4. 2016 Historischer Jahrmarkt Do 5. – So 8. 5. 2016 Kinderfest Sa 4. – So 5. 6. 2016 Museumsnacht Sa 11. 6. 2016 Alle Termine und weitere Infos unter www.freilandmuseum.de Spielzeugflieger, von einem Zwangsarbeiter gefertigt (links), und Honigschleuder mit NSParole (rechts) Fotos: Ute Rauschenbach. Hopfen und Malz . . . Der Hesselberg – ein „heiliger“ Ort der Täter Sa 12. 3. – Mo 16. 5. 2016 Spitalkirche Ostermarkt Sa 26. – Mo 28. 3. 2016 Auch die Wander-Ausstellung Der Hesselberg, die vom KOMM-Bildungsbereich und der Diskurswerkstatt e.V. in Nürnberg konzipiert wurde, thematisiert die NS-Zeit. Sie untersucht die Entwicklung und den Aufbau von Kultstätten, wo die politischen Vorstellungen des Nationalsozialismus zelebriert wurden. Ein Beispiel sind die insgesamt sieben „Frankentage“ am Hesselberg zwischen 1933 und 1939, bei denen sich Julius Streicher als „Frankenführer“ feiern ließ. Sie zählten neben den Reichsparteitagen in Nürnberg zu den größten Massenveranstaltungen in Bayern – kamen doch jeweils bis zu 100.000 Menschen dorthin. Die Ausstellung holt mittels historischer Fotografien, Texte und Werbematerialien sowie mit Ton- und Filmaufnahmen diesen vergessenen Ort der Täter ins Bewusstsein zurück. Dabei wird aufgezeigt, weshalb der Hesselberg als Kultort ausgewählt wurde, wie sich die Feiern auf dem Berg im Laufe der NS-Herrschaft veränderten und wie es möglich sein konnte, dass der Ort am Ende des „Tausendjährigen Reiches“ in Vergessenheit geriet. Die dritte Ausstellung Eine Stadt in Pommern: Słupsk/Stolp – gestern und heute wird im Rahmen der Regionalpartnerschaft von Mittelfranken und der Woiwodschaft Pommern sowie der PartnerFreilandmuseen Słupsk und Bad Windsheim gezeigt. Fotografien des damals deutschen Stolp aus der Vorkriegszeit werden gegenwärtigen Ansichten von Gebäuden, Plätzen und Straßen im heute polnischen Slupsk gegenüber gestellt oder in Fotomontagen eingebettet. Sie zeigen, wie die im März 1945 von der Roten Armee zerstörte Stadt ehemals aussah, unter welchen Bedingungen die Zuwanderer damals leben mussten und wie sich das Zusammenleben der Polen mit den verbliebenen Deutschen und Russen gestaltete, wie der Prozess der Integration verlief und wie die Stadt nahe der Ostseeküste zu neuem Leben erwachte. Dabei spielen Zeitzeugeninterviews eine wichtige Rolle. Besonders interessant ist, wie die Flüchtlinge und Umsiedler ihre alten Traditionen mitbrachten und kultivierten. Simon Kotter / Ute Rauschenbach Im kleinen Hofbrauhaus aus Kraisdorf wird einmal im Jahr gebraut. Foto: Frank Boxler Zum 1000. Biersud im Fränkischen Freilandmuseum und zum 500. Jubiläumsjahr des Bayerischen Reinheitsgebots, sowie zum 527-jährigen Jubiläum des 1489 in Bamberg verkündeten Reinheitsgebots gibt es ein weiteres Jubiläum: Museumsbraumeister Sigi Brückler kann in diesem Jahr sein 20jähriges Brauerjubiläum feiern. Wenn das kein Grund ist, darauf anzustoßen! Was zunächst verhalten begann, ist heute eine nicht mehr wegzudenkende Größe im Museumsgeschehen. Das Kommunbrauhaus aus Schlüsselfeld im Landkreis Bamberg von 1844 wurde vor 20 Jahren im Museum neu eröffnet und seitdem wird dort auch wieder regelmäßig Bier gebraut. Es wird als naturtrübes, unfiltriertes, helles „MuseumsZwickel“ und als „Museums-Dunkel“ ins Fass und in die Bügelflasche abgefüllt und direkt nebenan, in der Wirtschaft am Brauhaus ausgeschenkt. Aber nicht nur dort ist das Museumsbier erhältlich. Es hat seinen Weg bis in den Norden Deutschlands gefunden und wird auch in Berlin oder Hamburg gerne getrunken. Zwischen Februar und Dezember wird im Museum Bier gebraut, drei- bis viermal pro Woche. Das ergibt rund 150 Sude mit einer Ausschlagmenge von rund 3.500 Hektolitern oder 700.000 Bierflaschen pro Jahr. Den Museumsbesucher freut`s – nicht nur, weil das Ergebnis so gut schmeckt, sondern weil der komplizierte Brauvorgang spannend zu verfolgen ist und weil Braumeister Brückler ein Mensch mit Ausstrahlung ist: Man hört ihm gerne zu, denn er ist nicht nur ein versierter, erfahrener Brauer, sondern auch charmant und hat den Schalk im Nacken. Er ist fest davon überzeugt, dass ein Biersud nur gelingen kann, wenn am Ende des Brauvorgangs die Aroma-Hopfengabe „mit Liebe“ eingestreut wird. Und das könne nur eine schöne Frau! So wurden schon unzählige Museumsbesucherinnen für diesen wichtigen Dienst gewonnen. An besonderen Brautagen wird die „Damenwahl“ jedoch langfristig angebahnt und so wird es auch zum 1000. Biersud am Sonntag des Sommerfestes sein. Doch auf wen die Wahl dabei gefallen ist, bleibt noch geheim! Im Fränkischen Freilandmuseum gibt es aber noch ein zweites Brauhaus, das aus wissenschaftlicher Sicht vielleicht sogar noch etwas bedeutender ist. Das kleine Hofbrauhaus aus Kraisdorf im Landkreis Haßberge ist das wohl älteste erhaltene Brauhaus Europas, das noch voll funktionstüchtig ist. Es stammt aus dem Jahr 1699. Der Brauvorgang mit Mälzen, Schroten, Maischen, Abläutern, Anschwänzen, Würzekochen und Kühlen wird hier noch komplett von Hand ausgeführt, mit hölzernen Gerätschaften wie Rührscheiten und Schöpfern. Eben ganz so wie früher. Neben dem Sudführer braucht es zehn weitere gestandene Männer, die „Pump-Aufs“, um den anstrengenden Brauvorgang zu bewältigen. Früh um 6 Uhr geht es los und auch Museumsbesucher dürfen probeweise mit anpacken. Braumeister Jürgen Strauß von der Bad Windsheimer Bürgerbräu hat den Vorgang fest im Griff. In seiner Brauerei wird die abgekühlte Würze aus beiden MuseumsBrauhäusern gegoren, gelagert und abgefüllt. Nach etwa sechs Wochen ist das Bier dann trinkfertig – wohl bekomm`s! Jürgen Müller / Ute Rauschenbach Ein schönes Paar: Zwickel und Dunkel aus dem Bad Windsheimer Freilandmuseum Foto: Ute Rauschenbach
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