KAPITÄNE Interview mit Frank und Lennart Stolp

KAPITÄNE
Interview mit Frank und Lennart Stolp
Was hat der Zuschauer gesehen, wenn er "Kapitäne" angeschaut hat?
Frank Stolp: Einen bildgewaltigen Dokumentarfilm über fünf Kapitäne. Er hat diese Kapitäne als
ganz unterschiedliche und jeweils sehr facettenreiche Persönlichkeiten kennen gelernt und
erlebt, hat Einblicke in ihre Arbeitswelten aber auch in ihre persönlichen Welten erhalten. Er hat
ein Angebot bekommen, sich mit verschiedenen Themen rund um das Kapitänsein
auseinanderzusetzen, die aber sicher auch in seinem eigenen Leben eine Rolle spielen.
Welche Themen sind das?
Frank Stolp: Entscheidungen treffen und in der Verantwortung stehen - das sind für mich die
zentralen und spannendsten Elemente des Kapitänsamts. Es sind Themen, die mich bewegen
und mit denen ich als Unternehmer schon lange Zeit beschäftigt bin. Themen, mit denen sich im
Grunde aber jeder Mensch mehr oder weniger auseinandersetzen muss. Im Kapitänsamt kann
man sie nur ganz wunderbar bildhaft und griffig zum Ausdruck bringen.
In „Kapitäne“ geht es aber nicht nur um Entscheidungen und Verantwortung: Heimat, Familie,
Einsamkeit – auch das sind Themen, an denen wir mit allen Kapitänen vorbeikommen. Und weil
sie so unterschiedliche Typen sind, gehen sie damit alle ganz unterschiedlich um.
Ich möchte die Zuschauer mit diesem Film emotional erreichen, will ihnen etwas zeigen, das sie
zum Nachdenken bringt. Ich möchte diese elementaren Themen und Fragen aufgreifen – ohne
den Anspruch, etwas zu beantworten oder zu lösen. Dieser Film ist weder eine fertige Geschichte
noch ein Patentrezept für irgendetwas. Das sind Momentaufnahmen. Angebote an die
Rezipienten, sich hier und da wieder zu finden und sich ihre eigenen Gedanken zu machen.
Wer sind Ihre fünf Kapitäne?
Lennart Stolp: Genau genommen sind es vier Kapitäne und ein Schiffsführer im Hamburger Hafen.
Alles ganz unterschiedliche Typen – jeder mit seinen ganz persönlichen Ecken und Kanten.
Mit Iko Eiben und Rainer Stange haben wir zwei ältere Kapitäne, die seit ewigen Zeiten zur See
fahren und enorm viel erlebt haben. Es sind Kapitäne eines eher alten Schlags. Während Iko
Eiben sein Leben lang auf ganz unterschiedlichen Schiffen im Einsatz war, führte Rainer Stange
Containerschiffe – zuletzt viele Jahre lang dasselbe Schiff.
Dann haben wir zwei jüngere Kapitäne, die aber auch schon sehr viel Erfahrung haben: Ulf
Wolter und Patrick Ehnert. Ulf Wolter fährt im Prinzip seit seiner Kindheit zur See, früher auch viel
auf Expeditionsschiffen, jetzt auf dem Kreuzfahrtschiff MS Europa 2. Patrick Ehnert, Kapitän der
Helgoland-Fähre Halunder Jet, ist auch schon auf großer Fahrt gewesen, ist jetzt aber sesshaft
geworden, hat wieder geheiratet und ein Haus gekauft.
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Unser fünfter Kapitän, Günther Rieck, ist eigentlich Schiffsführer. Er fährt Touristen mit seiner
Barkasse Sabine durch den Hamburger Hafen. Günther könnte sich nie vorstellen, zur See zu
fahren und von Hamburg bzw. seine Familie getrennt zu sein.
Alle unsere fünf Kapitäne haben gemeinsam, dass sie von ihrem Beruf fasziniert sind, dass sie ihn
mit Herzblut ausüben und ihre Verantwortung extrem ernst nehmen. Unterschiedlich sind ihre
Führungsstile und ihre jeweiligen Pläne für die Zukunft.
Hier gerne etwas detaillierter: Was haben die Kapitäne gemeinsam, was
unterscheidet sie?
Frank Stolp: Alle unsere Kapitäne sind sehr verantwortungsbewusst und entscheidungsfreudig. Sie
fühlen sich ganz klar in der Verantwortung – von dem Zeitpunkt, zu dem sie ihr Schiff betreten bis
zu dem Zeitpunkt, an dem sie es wieder verlassen. Und jeder von ihnen sagt auch ganz klar, dass
er es ist, der im Ernstfall das Schiff als letzter verlassen würde.
Trotzdem gibt es große Unterschiede im Verständnis der Kapitänsrolle und darin, wie diese Rolle
ausgefüllt und wie die Beziehung zur Mannschaft gestaltet wird. Die beiden älteren Kapitäne, Iko
Eiben und Rainer Stange, legen viel Wert auf das Chef-Sein. Sie wollen als Kapitäne permanent
in der Verantwortung stehen und Entscheidungen treffen. Sie allein. Insbesondere Rainer Stange
aber weiß auch um die Bedeutung der Mannschaft. Deshalb widmet er der Pflege der
Beziehung zu seinen Leuten auch viel Zeit. Aber die Mannschaft wird nicht in Entscheidungen
eingebunden.
Unsere jüngeren Kapitäne sind anders sozialisiert und haben einen anderen Führungsstil. Sie
beziehen die Mannschaften und Teams stärker ein. Insbesondere Patrick Ehnert versucht,
Konflikte untereinander und in der Diskussion zu lösen. Trotzdem sind es in kritischen Situation sie,
die am Ende entscheiden müssen. Während Ulf Wolter davon spricht, dass man lerne, diese
Verantwortung als Kapitän anzunehmen und zu tragen, sagt Iko Eiben, man müsse dafür
geboren sein.
Mit dem Kapitänsamt bzw. mit dieser Verantwortung ist auch immer Einsamkeit verbunden. Das
erleben alle unsere Kapitäne. Sie sind eigenständige, aber auch eher einsame Menschen, die
Vieles mit sich selbst ausmachen wollen und müssen. Ich habe das auch während der Drehs
wahrgenommen. Es war zunächst teilweise sehr schwierig, an die Kapitäne heranzukommen,
man hat richtig gemerkt, dass keiner von ihnen es gewöhnt ist, sich anderen groß zu öffnen und
über diese Dinge zu sprechen. Wir mit unserem Filmprojekt hatten da aber nochmal einen
anderen, einen abstrakteren Zugang, so dass sich unsere Kapitäne langsam aber sicher
geöffnet haben.
Lennart Stolp: Eine weitere Gemeinsamkeit ist die Beziehung zu den Schiffen: Vier von fünf
Kapitänen haben eine sehr innige Beziehung zu ihrem Schiff. Ulf Wolter sagt, Schiffe seien ja nicht
umsonst weiblich und die Beziehung von Schiff und Kapitän sei vergleichbar mit der von Kapitän
und einer Frau – eine Ersatzbeziehung für die Monate auf See sozusagen. Rainer Stange wollte
am Ende nur noch das Containerschiff Canopus fahren, Günther Rieck und Patrick Ehnke
kennen jede Schraube in ihren Schiffen und begleiten die Sabine und den Halunder Jet
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regelmäßig und mit viel Einsatz in die Werft. Der einzige Kapitän, der sich Zeit seines Lebens an
kein Schiff so eng gebunden hat, ist Iko Eiben. Er ist dort gefahren, wo er gebraucht wurde. Auf
allen möglichen Schiffen.
Frank Stolp: Alle fünf Kapitäne haben neben den Leben an Bord natürlich auch ein Leben an
Land. Das ist bei jedem der Kapitäne sehr unterschiedlich, und zwar deshalb, weil sie ganz
unterschiedliche Antworten geben auf die Fragen: Was zählt Heimat für sie? Wie wichtig ist es für
sie, nach Hause zu kommen oder irgendein zu Hause zu haben? Welche Rolle spielt Familie?
Bei Günther Rieck zum Beispiel ist das ganz klar. Er hat entschieden, die Barkasse seines Vaters als
Selbständiger zu übernehmen und ist zufrieden damit. Er macht diesen Job, um seine Familie zu
ernähren. Denn die ist für ihn das Wichtigste. Günther könnte sich nie vorstellen, auf große Fahrt
zu gehen und längere Zeit getrennt von Frau und Kindern zu sein. Auch für den anderen
jüngeren Kapitän, Patrick Ehnert, sind Heimat und Familie sehr wichtig. Deshalb hat er ein zweites
Mal geheiratet, sich ein Haus in der Nähe von Hamburg gekauft, ist sesshaft geworden. Beruflich
ist er allerdings noch ‚sehr auf dem Weg‘, also noch nicht dort angekommen, wo er hin will.
Ulf Wolter steht voll und ganz im Leben. Er weiß genau, was er will. Das Kapitänsein definiert er
ganz klar als nur einen Teil seines Lebens. Denn er hat noch viele weitere Interessen und
Leidenschaften, für die er seine Land-Zeit nutzt: Zum Beispiel arbeitet er schon an seinem zweiten
Buch über Schiffswracks. Er ist dafür eigens nach Afrika geflogen, um die dortigen
Wrackfriedhöfen zu erkunden.
Unsere beiden älteren Kapitäne sind irgendwann dahin gekommen, dass sie sagen: Das was wir
haben oder was wir sind, reicht uns nicht aus – wir wollen nochmal weiter. Wir wollen noch
andere Dinge erleben, wollen uns nochmal an neue Abenteuer heranwagen. Und das tut
sowohl Iko Eiben, indem er noch einmal heiratet und seinen Wohnsitz von Hamburg in die USA
verlegt, als auch Rainer Stange, der sein Haus und sein Auto verkauft und auf die Philippinen
geht. Übrigens interessanterweise aus einer ähnlichen Vorgeschichte heraus: Beide haben ihre
Frauen verloren - Krebs - und wollen jetzt noch einmal neu anfangen. Bedrückendes hinter sich
lassen. Vielleicht auch eine Art Flucht.
Um es kurz zu machen: Jeder hat unterschiedliche Lösungen für das Leben an Land und die
eigene Zukunft. Und das hat uns interessiert. Es ist spannend, wie jeder der Kapitäne sein Leben
lebt – das berufliche und das private.
Lennart Stolp: Mit den Fragen nach dem Leben an Land, nach Familie und Heimat geht
natürlich auch die grundsätzliche Frage der Beziehungs- und Bindungsfähigkeit einher. Hat das
Kapitänsein negativen Einfluss auf die Beziehungsfähigkeit? Man kann, denke ich, auf jeden Fall
sagen, dass insbesondere die langen Abwesenheiten funktionierende Beziehungen erschweren.
Alle unsere Kapitäne bemerken, dass „Nach-hause-Kommen“ immer mit Fremdeln und
Neuaufbau verbunden ist. Die Beziehungen zu den Kindern und das Leben an Land müssen
immer neu aufgebaut werden, wenn man so lange weg war. Die ersten Ehen zweier unserer
Kapitäne sind gescheitert, damals waren sie noch sehr jung, aber sie haben jeweils ein Kind
daraus. Der eine hat inzwischen, wie Frank schon erwähnte, ein zweites Mal geheiratet und will
nun alles besser machen. Der andere hatte seitdem selten längere Beziehungen. Der dritte hat
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das Klischee ‚in jedem Hafen ne andere‘ – so scheint es zumindest – ziemlich exakt bedient. Er
fühlte sich zuhause immer eher als Gast, der sich so wenig wie möglich in die Kindererziehung
eingemischt hat. Aber dann haben wir noch zwei Kapitäne, die sehr viel Wert auf Beziehung bzw.
Familie legen: Zentral für Rainer Stange war immer seine Ehefrau, der er treu bis zu ihrem Ende
beiseite stand und mit der er sein Leben an Land in vollen Zügen genoss. Und Günther Rieck ist
wie gesagt das beste Beispiel für einen totalen Familienmenschen – an den Beziehungen zu
seiner Frau und den Kindern gibt es nichts zu rütteln.
Wie sind Sie an Ihr Projekt, die Themen und die Protagonisten herangegangen?
Lennart Stolp: Auch wenn man unvoreingenommen an ein solches Projekt rangehen will: Jeder
hat Klischees und Ideen im Kopf, von dem, was und wie Seefahrt ist - abenteuerlich, romantisch
und so weiter...
Frank Stolp: Ich hatte zur Vorbereitung auf den Film Bücher gelesen und klar wollte ich auch
wissen: Gibt es die viel beschriebene Seefahrerromantik noch? Stimmen die ganzen Klischees?
Aber diese naiven eigenen Vorstellungen haben wir beim Drehen schön in unseren Hinterköpfen
gelassen und sind ganz offen reingegangen: Wir waren einfach da, haben uns auf die Situation
eingelassen und alles aufgesogen und mitgenommen, was passierte. Ohne Filter, ohne Auswahl.
Deshalb haben wir auch erstmal unglaublich viel Material gedreht.
Und sind Ihre romantischen Vorstellungen bestätigt worden?
Frank Stolp: Nein, überhaupt nicht. Wir haben ziemlich schnell gesehen, dass von der alten
Seefahrerromantik nicht mehr viel übrig ist. Kapitäne sind beileibe nicht nachts in irgendwelchen
Hafenspelunken unterwegs und entdecken permanent neue Inseln und Länder. Das war
vielleicht mal. Seefahrt heute ist nüchtern und real. Alles ist nach wirtschaftlichen
Gesichtspunkten ausgerichtet und damit sehr reguliert und hoch technisiert. Ein Kapitän hat
heute gar nicht mehr so viel Spielraum – er ist abhängig von Reedereien, Charterern,
Weltmärkten und vielem mehr.
Was macht "Kapitäne" so besonders?
Frank Stolp: Zunächst mal ist Kapitäne für uns selbst etwas ganz Besonderes: Nach vielen Jahren
als Filmdienstleister haben wir es uns gegönnt, diesen Film zu machen. Es gab dafür kein Budget
und keinen Auftrag, sondern schlicht und einfach die feste Absicht, diesen Film zu machen.
Finanziell, zeitlich und kräftetechnisch war und ist das eine große Herausforderung für uns – dieser
Film ist an allen Ecken und Enden hart erkämpft. Aber wir haben das durchgezogen. Weil
Kapitäne für uns eine absolute Herzensangelegenheit ist.
Besonders an dem Film ist auch das Verhältnis zu unseren Protagonisten: Wir haben unsere
Kapitäne über eine lange Zeit begleitet, so dass Vertrauen und gegenseitige Wertschätzung
entstehen konnten. So war die Atmosphäre bei den Drehs entspannt, ja fast natürlich. Wir
durften in unseren langen Interviews mit den Kapitänen unsere Fragen offen stellen und das
Wichtige: Wir haben auch offene Antworten bekommen. Wir konnten unter die Oberfläche
gehen und diese fünf starken Persönlichkeiten so zu sagen herausschälen. Mir geht es um die
Menschen, die hinter dem Kapitänsamt stehen und um ihre Wesenszüge. Weil man da nicht
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einfach so drankommt, haben wir uns Zeit gelassen, um zunächst diese ehrliche und
vertrauensvolle Atmosphäre zu schaffen und uns diesen Menschen dann langsam zu nähern.
Nur so konnten am Ende diese starken Bilder herauskommen und nur so haben uns die Kapitäne
Dinge offenbart, die sie sonst nicht offenbart hätten. Im Film kommen auch nur die Kapitäne zu
Wort – es gibt keinen Off-Ton. Denn ihre Äußerungen sprechen für sich. Und wir lassen sie stehen
– wie gesagt als Angebot an die Rezipienten.
Ich habe das Gefühl, die Kapitäne haben unser Projekt im Laufe der Zeit zu ihrem eigenen
gemacht. Iko Eiben hat in diesem Zusammenhang einmal gesagt, dass dieser Film sein
Vermächtnis sein wird. Das zeigt, dass er uns nicht nur vertraut hat, sondern dass auch er es
spannend gefunden hat, dass mit uns da mal jemand einen ganz anderen Blick auf ihn als
Menschen und Kapitän geworfen hat. Und das macht mich stolz.
Wie ist die Bildsprache des Films?
Lennart Stolp: Wir haben mit Festbrennweiten gedreht; ohne Zoom, so dass man die Kamera
bewegen muss, wenn man den Bildausschnitt verändern will. Man macht dadurch überlegtere
Aufnahmen, beobachtet besser, lässt länger laufen und kriegt mehr mit. Weil man eben auch
weiß, man kann jetzt nicht mal so einfach eben näher ranspringen.
Frank Stolp: Ja, man ist insgesamt offener für die Situation, weil man nicht so sehr selber handelt.
Unsere Strategie war es, uns von außen und sehr behutsam den Themen zu nähern. Es war uns
nicht von vornherein klar, was beziehungsweise an welchen Stellen wir das Material letztlich
verdichten wollen. Insofern ist das ein offenerer Ansatz und wir haben insgesamt mehr als 100
Stunden gedreht! Wenn man in der Lage ist, sofort etwas über den Haufen zu werfen, dann tut
man es auch leichter und verdichtet vielleicht zu früh. Dem Verzicht auf Handlungsschnelligkeit
beim Dreh stand so die Möglichkeit gegenüber, sich viel tiefer auf die Situation einzulassen. Diese
Möglichkeit haben wir bewusst und intensiv genutzt.
Wir hatten nie die Absicht, etwas Künstliches bzw. Kunstvolles zu schaffen und darzustellen. Im
Gegenteil: Wir zeichnen aus dem vielen wertvollen Material, das wir sammeln durften,
verantwortungsbewusst und der Sache gerecht werdend ein Bild und eine reale
Momentaufnahme, der Kapitäne.
Gibt es Musik und wenn ja, wie wird sie eingesetzt?
Frank Stolp: Die Musik wird eigens für unseren Dokumentarfilm von zwei jungen begabten
Musikern komponiert und produziert. Es gibt also eine wertvolle und eigenständige musikalische
Ebene, die die nachdenkliche und Grundstimmung des Films zum Ausdruck bringt.
Lennart Stolp: Eigenständig aber nicht insofern, als dass die Musik zu sehr Musik ist.
Frank Stolp: Genau, die Musik unterstreicht lediglich, was Bilder und Text kreieren – sie wird ganz
behutsam eingesetzt und bestätigt die in der jeweiligen Situation herrschende Stimmung. Nicht
mehr und nicht weniger.
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Hat „Kapitäne“ technische Besonderheiten?
Lennart Stolp: Wir haben Kapitäne im Kinoformat produziert, also im CinemaScope. Das ist nicht
unbedingt typisch für einen Dokumentarfilm. Aber es passt zum Thema, zu den Weiten der
Landschaften. Es ist das ästhetisch schönere Format. Dabei ist es filmerisch keineswegs leicht:
Man hat mehr Bild sinnvoll zu gestalten und auszufüllen.
Frank Stolp: Trotzdem zeigen wir keine Bilder einfach nur, weil sie so schön sind. Wir verzichten
komplett auf Spielereien und sind insgesamt sehr entschleunigt unterwegs: Wir lassen Bilder
einfach auch mal ein bisschen länger stehen.
Lennart Stolp: Seefahrt IST nun mal ruhig und träge – da guckt man schon mal ein bisschen
länger aufs Meer hinaus und so ein Anlegen dauert auch einfach mal ‘ne halbe bis Stunde. Alles
langsam, aber gigantisch.
Zwei Ihrer fünf Protagonisten während der Dreharbeiten verstorben. Wie sind Sie
damit umgegangen und was hat das für Ihren Film bedeutet?
Frank Stolp: Der Tod von Iko Eiben und Rainer Stange war für uns natürlich erstmal ein großer
Schock und hat uns sehr berührt. Für den Film haben wir die Gefahr gesehen, dass wir mit den
beiden noch nicht am Ende sind und noch nicht genug erfahren haben. Dann haben wir aber
gesehen, dass wir sie sehr wohl über eine ausreichend lange Zeit begleitet hatten. Sie haben uns
so viel zu sagen gehabt, dass wir sie jetzt gut erzählen können. Wir schaffen ein Bild von ihnen,
wie es zu einem bestimmten Zeitpunkt war – ohne den Anspruch, Dinge zwingend zu einem
Ende erzählen zu müssen. Jetzt sind die beiden leider tot, aber umso schöner, dass es einen Film
gibt, der ihr Leben noch einmal zeigt und würdigt.
Das Ganze ist ein Vater-Sohn Projekt. Wie lief es in der Zusammenarbeit?
Frank Stolp: Im Großen und Ganzen gut bzw. immer besser. Das war ein Prozess, in dem sich eine
sehr vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen mir und Lennart entwickelt hat. Klar, manchmal
ist es nicht einfach mit uns beiden, zumal wir auch beide ordentliche Dickköpfe sind, aber
grundsätzlich sind wir in vielen Dingen einer Meinung. Wir schätzen uns gegenseitig und wissen,
was der andere kann und in das Projekt einbringt. Ich habe gelernt, dass wenn eine
Drehsituation erstmal klar besprochen ist, ich mich auch mal länger zurückziehen und
100prozentig darauf vertrauen kann, dass Lennart die richtigen Bilder macht und die Situation
wunderbar wuppt, bis ich dann den nächsten Impuls gebe. Weil ich das weiß, kann ich mich
dann gut darauf konzentrieren, die Situation von außen wahrzunehmen und das ist hilfreich für
das Ganze. Lennart wiederum kann sich sicher sein, dass ich immer da bin. Auch wenn Kapitäne
ursprünglich meine Idee war, wollte Lennart diesen Film irgendwann aus genau so vollem Herzen
machen, wie ich. So war es irgendwann einfach nur konsequent, diesen Film als unseren Film
und nicht mehr nur als meinen Film zu bezeichnen.
Lennart Stolp: Jeder von uns hat einen eigenen Blickwinkel auf die Dinge, aber auch wenn das
so ist, meinen wir am Ende meistens Dasselbe, also wollen im Grunde auf Dasselbe hinaus. Das
war bei den Kapitänen sehr wichtig. In meinen ganz persönlichen ‚Dreh-Stil‘, das muss ich
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zugeben, lasse ich mir nicht gerne reinreden. Trotzdem es ist wichtig und gut, dass Frank die
Dinge vor Ort anleitet, den gesamten Dreh im Blick hat und die Kommunikation übernimmt. Er
versteht es super, Situationen zu schaffen, in denen die Leute vergessen, dass da eine Kamera ist.
Beim Dreh muss die Kommunikation zwischen uns ohne viele Worte funktionieren. Darin sind wir
im Laufe der Zeit richtig gut geworden.
Insgesamt verstehe ich dieses Projekt für mich als noch relativ jungen Kameramann als eine
große Chance. Mit einer großen Verantwortung, derer ich mich aber auch sehr bewusst bin.
Vielen Dank für das Gespräch.
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