Hände weg von unserem Bargeld

 Armin König Hände weg von unserem Bargeld Freiheit statt Totalüberwachung Edition Kerpen Flugschrift Zur aktuellen Debatte um Bargeld‐Obergrenzen Alles Rechte beim Autor Illingen 2016 ISBN 978‐3‐7375‐9005‐1 Ein heftiger Kampf ums Bargeld der Deutschen Die Diskussion wird heftiger geführt als erwartet:
Dass das Bundesfinanzministerium und Teile der
SPD-Bundestagsfraktion erwägen, eine Obergrenze
für Bargeld-Transaktionen einzuführen, war wohl
der Tropfen, der bei der Bevölkerung und Teilen der
Wirtschaft das Fass zum Überlaufen brachte. Sie
wehren sich vehement gegen eine (in diesen Vorschlägen nicht enthaltene) Abschaffung des Bargelds, die aber schon lange auf der Agenda der
Banker und zahlreicher Ökonomen steht. Im (vorgeschobenen?) Kampf gegen Schwarzgeld und Terrorismus werden alle Bürger in Gesamthaftung genommen – und grundsätzlich wie bei der Vorratsdatenspeicherung oder der Rasterfahndung unter Generalverdacht gestellt. In den Kommentarspalten
der Tageszeitungen und Online-Medien ist von Freiheitsverlust und Totalüberwachung die Rede.
In Brüssel und Berlin entdecke man die
Geldwäsche just in dem Moment als Problem, in
dem die Einführung von Negativzinsen durch EZB
und nationale Zentralbanken diskutiert wird. Die
Obergrenze für Bargeldzahlungen sei erst der Anfang. Die Rede ist von einer Obergrenze von 5.000
Euro, der Lobbyorganisation Transparency International ist das noch viel zu hoch.
In der Debatte melden sich Bundesfinanzminister
Wolfgang
Schäuble,
der
FDPBundesvorsitzende Christian Lindner, Bundesbankpräsident
Jens
Weidmann,
ExBundesverfassungsrichter Hans- Jürgen Papier,
Wirtschaftswissenschaftler, Unternehmensvertreter,
Regierungssprecher Seibert, die Grünen, die SPD
und viele, viele andere Interessierte zu Wort.
Die Meinung ist, von den Koalitionären aus
CDU und SPD und von Transparency und Linken
abgesehen, weitgehend negativ.
Doch Schäuble, der zwar erklärt, es gebe
keine Absicht, das Bargeld abzuschaffen, bleibt bei
seiner Meinung, eine Obergrenze einzuführen. Er
begründet dies mit der EU-Geldwäscherichtlinie und
den bereits existierenden Obergrenzen in zehn europäischen Staaten.
Dagegen opponiert eine Bürgerpetition „Stop
Bargeldverbot! Finger weg von unserem Bargeld!“,
die zwar in ihrer Diktion sehr populistisch nicht
durchweg schlüssig abgefasst ist, angesichts der
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hohen Bedeutung und Brisanz des Themas aber
auch von zahlreichen namhaften Professoren unterzeichnet wurde.
Einer der Schlüsselsätze dieser Petition:
„Während die Steuergestaltung internationaler Konzerne nach wie vor weitgehend
eine Blackbox ist, soll der Bürger gläsern
sein.“
An der Spitze der Initiative „Finger weg von
unserem Bargeld!!! " stehen etwa Roland Vaubel
von der Universität Mannheim, der auch im Wissenschaftlichen Beitrat des Bundeswirtschaftsministeriums sitzt, Thorsten Polleit, Präsident des Ludwig
von Mises Instituts Deutschland und Max Otte von
der Universität Graz.
Sie zitieren den im vergangenen Jahr verstorbenen Chefökonomen der Schweizer Bank UBS,
Andreas Höfert, mit den Worten:
"Ein vollelektronisches Geldsystem – völlig
transparent, ohne jeglichen Schutz der Privatsphäre bei Transaktionen und mit dem
ständigen Risiko einer Enteignung durch
den Staat – bedeutet, dass Geld kein privates Eigentum mehr sein wird. Der Weg in
die Hölle ist mit guten Absichten gepflastert."
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Das Verbot hoher Bargeldzahlungen wird maßgeblich aus Frankreich vorangetrieben.
Laut Studien der Bundesbank werden in
Deutschland nach wie vor vier von fünf Geschäften
bar abgewickelt (79 Prozent aller Transaktionen).
Die Deutschen hängen besonders am Bezahlen mit
Scheinen und Münzen, wenn auch mit sinkender
Tendenz. In Frankreich betrug der Bargeldanteil
2011 nur noch 56 Prozent.
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Zur Chronologie: Die Bussmann‐Dunkelfeld‐
Studie Im Auftrag des Bundesministeriums für Finanzen
hat der Complinance-Experte Prof. Kai D. Bussmann
vom Economic Crime Research Center der MartinLuther-Universität Halle-Wittenberg ein Gutachten
unter dem Titel „Dunkelfeldstudie über den Umfang
der Geldwäsche in Deutschland und über die Geldwäscherisiken in einzelnen Wirtschaftssektoren“ erstellt.
In der Einleitung der Kurzfassung heißt es:
„Typischerweise besteht bei allen Wirtschaftsdelikten ein erhebliches Dunkelfeld
und dies gilt auch für Geldwäsche. Bei diesem Delikt kommt jedoch hinzu, dass die
beim Bundeskriminalamt registrierten Verdachtsmeldungen fast ausschließlich aus
dem Finanzsektor stammen, so dass für
den gesamten Nicht-Finanzsektor kaum belastbare Daten zur Geldwäsche vorla9
gen.“ Mit der vorliegenden Studie beabsichtige das Bundesministerium der Finanzen,
„den Umfang der Geldwäsche im NichtFinanzsektor in Deutschland und die
Geldwäscherisiken in einzelnen Wirtschaftssektoren“ zu untersuchen.
Die Ergebnisse der Studie von BUSSMANN stützen
sich zum einen auf 73 Interviews mit Experten aus
Wissenschaft, Polizei und Justiz sowie Vertretern
von Berufs- und Wirtschaftsverbänden und zum
anderen auf eine repräsentative Befragung von
1.002 Verpflichteten primär aus dem NichtFinanzsektor. Einbezogen wurden rechtsberatende
und vermögensverwaltende Berufe, Versicherungsvermittle /-makler, Immobilienmakler und Güterhändler. „Die Gruppe der Güterhändler umfasste
Kraftfahrzeughändler, Händler mit
Gold/Silber,
Perlen/Schmuck, Händler mit Kunst, Antiquitäten
sowie Boots- und Yachthändler.“ (BUSSMANNKurzfassung)
Schon die Einleitung gibt Hinweise auf zwei
Schwachstellen der Studie: Händler mit Gold/Silber,
Perlen/Schmuck, Händler mit Kunst, Antiquitäten
sowie Boots- und Yachthändler sind nicht repräsentativ für die Bevölkerung der Bundesrepublik
Deutschland, sondern für eine offenkundig sehr begrenzte, wen auch geldmäßig nicht zu vernachlässi10
gende vermögende Schwarzgeld- und GeldwäscheKlientel.
Die zweite Schwachstelle benennt der Kriminologe und Korruptionsexperte selbst: Ein Dunkelfeld heißt Dunkelfeld, weil es im Dunkeln liegt –
samt Geschäftsumfang. Auch nach einer Befragung
im Gefährdungsmilieu bleibt das Ergebnis Spekulation und Dunkelfeld.
BUSSMANN dazu: „Die folgenden Hochrechnungen beruhen ausschließlich auf den Angaben
der befragten Verpflichteten zur Anzahl der von
ihnen bemerkten Verdachtsfälle, der von ihnen beobachteten Typologie-Kriterien und der von ihnen
eingeschätzten finanziellen Größenordnung der
Verdachtsfälle“.
BUSSMANN weist darauf hin, dass „es sich
bei den Hochrechnungen um methodisch bedingte
Unterschätzungen, aber keinesfalls um Überschätzungen“ handele.
In der Kapitelüberschrift ist von einem unterschätzten Dunkelfeld im Nicht-Finanzsektor die Rede.
„Von den in der Studie einbezogenen Verpflichtetengruppen erfolgten im NichtFinanzsektor nur etwa 250 Verdachtsmeldungen pro Jahr bei insgesamt etwa
18.000 Verdachtsmeldungen in 2013. Die
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Hochrechnungen der Studie ergaben jedoch, dass das Dunkelfeld im NichtFinanzsektor auf mindestens etwa 15.000
bis 28.000 Verdachtsfälle jährlich zu schätzen ist, sich somit in der Größenordnung
der registrierten Verdachtsfälle aus dem
Finanzsektor bewegt. Sie vermutlich sogar
übersteigt.“
Das bedeutet, dass der Wissenschaftler von
rund 33.000 bis 46.000 Verdachtsfällen in der Deliktgruppe der Geldwäsche ausgeht. Bei rund 6 Millionen Straftaten 2013 ist dies ein eher geringer
Anteil - allerdings sind in der Statistik der polizeilich
erfassten Straftaten allein 2,44 Mio Diebstahlsdelikte erfasst. Aussagekräftiger wird die Statistik, wenn
man die Fälle in Bezug setzt zur Wirtschafts- und
Korruptionskriminalität. Unter Einbeziehung der
Dunkelfeld-Fälle macht Geldwäsche immerhin ein
Drittel der registrierten Delikte in diesem speziellen
Straftaten-Bereich aus.
Es bleibt aber die für die Diskussion um
das Bargeld wesentliche Feststellung, dass
Geldwäsche für 99 % der Bürger der Bundesrepublik Deutschland ein völlig irrelevantes
Feld ist, bei dem sie weder Betroffene noch
Verdächtige sind.
Dass sich die EU-Kommission und die Bundesre12
gierung dennoch intensiv mit diesem Thema befassen, hängt mit dem gigantischen Volumen Geldwäsche und des Dunkelfeldes zusammen. Und es
hängt mit geldpolitischen Effekten in Zeiten der (erneuten) Finanz- und Konjunkturkrise zusammen.
Dem Fiskus, den Nationalstaaten, der Europäischen
Union und damit den mehr als 500 Millionen Unionsbürger*innen gehen durch Geldwäsche und Korruption gigantische Steuereinnahmen verloren, die
für Gemeinwohlinteressen investiert oder ausgegeben werden könnten. Gewagt ist allerdings die
Hochrechnung des Volumens der Geldwäsche in
Deutschland:
„Den Hochrechnungen der Studie zufolge
dürfte das Volumen der Verdachtsfälle allein im Nicht-Finanzsektor 20 bis 30 Mrd.
EURO umfassen. Das gesamte Geldwäschevolumen des Finanz- und
NichtFinanzsektors Deutschlands zusammen
genommen dürfte daher 50 Mrd. EURO übersteigen und sich wahrscheinlich in
der Größenordnung in Höhe von über 100
Mrd. EURO jährlich bewegen, wenn man
auch Unternehmen bspw. in der Gastronomie, Hotellerie, Glücksspiel und im Im- und
Export einbezieht, die speziell zur Geldwäsche gegründet wurden.“ (BUSSMANN
Kurzfassung)
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Aus der Kurzfassung geht nicht hervor, wie der Autor den gigantischen Dunkelfeldbereich von 50 Milliarden Euro begründen will (zwischen mindestens 50
Milliarden und 100 Milliarden liegen Welten, die
durch 73 Interviews mit Experten aus Wissenschaft,
Polizei und Justiz sowie Vertretern von Berufs- und
Wirtschaftsverbänden und zum anderen auf eine
repräsentative Befragung von 1.002 Verpflichteten
primär aus dem Nicht-Finanzsektor kaum plausibel
gemacht werden können.
Das ist methodisch unsauber und führt dazu,
im Sinne einer „Politik der großen Zahl“ ein
Problem aufzublasen. Denn nur so sind offenbar massive Eingriffe in die Grundrechte
der 80 Millionen Deutschen wie eine BargeldObergrenze zu rechtfertigen. Wir können
nicht nachvollziehen, ob es Rechenfehler,
methodische Fehler, Statistik-Biases oder
Additionsfehler gibt, weil sie in der Kurzfassung nicht offengelegt werden – so wenig
wie die benutzte Software, die Auswertung
der Interviews, die nachgewiesene Repräsentativität.
Das ist kein kleiner Einwand gegen ein Gutachten, das die politische Diskussion in Deutschland
in enormem Ausmaß bewegt und zu massiven Auswirkungen auf die Freiheit der Bundesbürger führt.
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73 Interviews für die Begründung einer Bargeld-Obergrenze wären allerdings ein Treppenwitz
der Kriminalistik-Statistik. Und die Fokussierung der
„Repräsentativbefragung“ auf rechtsberatende und
vermögensverwaltende Berufe, Versicherungsvermittle /-makler, Immobilienmakler, Kraftfahrzeughändler, Händler mit Gold/Silber, Perlen/Schmuck,
Händler mit Kunst, Antiquitäten sowie Boots- und
Yachthändler ist scheinobjektiv und wissenschaftsmethodischer Unsinn. Damit kann lediglich eine
Bandbreite des möglichen Volumens aufgezeigt
werden. Möglicherweise hat BUSSMANN genau dies
getan, ohne politische Implikationen. Dann muss
dies in der politischen Bewertung durch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, seinen Staatssekretär Michael Meister und ihre Adepten auch offen
kommuniziert werden. Das ist wesentlich für die
Gesamtproblematik.
Bei der Frage der Bargeld-Begrenzung
geht es um die Gesamtbevölkerung der Bundesrepublik Deutschland, beim GeldwäscheDelikt und seinem Dunkelfeld um ein internationales Phänomen, das mitnichten mit einer
Abschaffung des 500-Euro-scheins und einer
Bargeld-Obergrenze zu erfassen ist.
„Bei Geldwäsche handelt es sich um transnationale Kriminalität. Gewinne aus der
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Organisierten Kriminalität und anderen
Vortaten müssen nicht in Deutschland
erwirtschaftet
werden,
sondern
sie
stammen großenteils auch aus dem Ausland. Deutschlands Wirtschaftskraft und Attraktivität als Wirtschaftsstandort zieht geradezu magnetisch Geldwäsche aus dem
Ausland an. Dieses hohe Risiko tragen
grundsätzlich alle prosperierenden Wirtschaftsnationen.
Geldwäscher handeln großenteils wie Investoren und orientieren sich wie in der
legalen Wirtschaft an den Kriterien lukrativer und unauffälliger Anlagemöglichkeiten. Die großen Drehscheiben der Geldwäsche sind zwar auch Luxusgüter wie
hochpreisige Uhren oder Kraftfahrzeuge,
aber vor allem nachhaltige Investitionen in
Güter, die durch Gebrauch kaum Wertverlust aufweisen und stattdessen wie eine
Währung leicht gehandelt werden können.“ (BUSSMANN Kurzfassung)
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Das heißt im Klartext: Bei Geldwäsche spielt
nicht Bargeld die entscheidende Rolle, sondern es sind „nachhaltige Investitionen in
Güter, die durch Gebrauch kaum Wertverlust
aufweisen und stattdessen wie eine Währung leicht gehandelt werden können“, die im
Blickpunkt des Interesses stehen.
Als Wissenschaftler benennt BUSSMANN die Risiken
und kategorisiert sie:
High Risk
Erfreulich offen werden die Hoch-Risiken angesprochen, die jenseits der Bürgerbetroffenheit liegen
und sich vorwiegend auf den Millionärsbereich konzentrieren:
„Ein besonders hohes Risiko für Geldwäsche tragen Wirtschaftsgüter, die sich in
hohem Maße als Investitionsgüter eignen.
Dies gilt vor allem für den Handel mit Immobilien und generell im gesamten Baugewerbe. Die Verpflichtetengruppe der
Immobilienmakler zeigt trotz der hohen Risiken eine zu geringe Awareness. Hohe
Risiken bestehen außerdem in der Gruppe der Bauträger und Architekten, die al17
lerdings keinen Verpflichtetenstatus nach
dem GWG besitzt. Beim Erwerb von
Immobilien handelt es sich überdies um
einen Prozess, der regelmäßig durch Notare und oftmals auch Rechtsanwälte begleitet wird. Die Studie zeigt jedoch, dass
bei beiden Gruppen sowohl die Awareness als auch ihre Präventionsleistung zu
gering ist. Die Geldwäsche-Compliance in
dem Wirtschaftssektor Immobilien und
Bau ist insgesamt unzureichend.“ (BUSSMANN Kurzfassung)
Das ist allerdings wenig überraschend, bestätigt es
doch die herrschende Meinung zu den Hochrisikobereichen der internationalen und nationalen Geldwäsche. Auch der zweite Hochrisikobereich ist irrelevant für Normalbürger:
„Neben Immobilien eignen sich hochwertige Kunstobjekte und Antiquitäten als Investitionsgüter ebenfalls zur Geldwäsche
hoher Beträge. Der Handel mit diesen Gütern weist jedoch auch angesichts der hohen Risiken ein zu geringes Problembewusstsein und eine zu geringe Präventionsleistung auf.“ (BUSSMANN Kurzfassung)
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Fassen wir als Zwischenergebnis zusammen:
Groß-Immobilien,
Bauträger-Investitionen,
Kunstobjekte und Antiquitäten eigenen sich
sehr gut für Geldwäsche in großem Stil. Die
Bilanzierung von Immobilienprojekten erlaubt schon wegen der Dimensionen der Investitionen und der fehlenden Prüfer, dass
Beträge kreativ verbucht und vor der Steuer,
dem Fiskus, dem Zoll und den Ermittlern versteckt werden können. Kunstobjekte und Antiquitäten können leicht transportiert werden,
haben keinen Wertverlust durch Gebrauch
und sind durch nicht objektiv belegbare Wertermittlungen geradezu ideal für unsaubere
Geschäfte.
„Ein hohes Risiko besteht außerdem im
Wirtschaftssektor Boots- und Yachthandel.
Zwar handelt es sich großenteils um Konsum- und weniger um Investitionsgüter,
aber das Geldwäscherisiko ist vor allem
bei hochpreisigen Yachten hoch, da es in
diesem Wirtschaftssektor an einer wirksamen Geldwäsche-Compliance weitgehend
fehlt.“ (BUSSMANN Kurzfassung)
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