als PDF heruntergeladen - Hilfe von Mensch zu Mensch e.V.

Pressemitteilung/
„Paritätische Perspektive Flüchtlinge“
Zuwanderung ist eine wertvolle Chance – deswegen muss sie gut gestaltet werden
Täglich hören wir vom „Rekord-Zustrom“ von Flüchtlingen, und viel zu oft schwingt ein gar nicht so
leiser Unterton mit, der darin eine Bedrohung sieht oder gezielt suggeriert. „Aber es ist keine
Bedrohung, sondern eine wertvolle Chance und Bereicherung für unsere Gesellschaft“, sagt Karin
Majewski, Geschäftsführerin des Bezirksverbands Oberbayern des Paritätischen. Doch diese Chance
kann sich nur dann entfalten, wenn die Herausforderung angenommen und gut gestaltet wird. Und
wenn die vielen Menschen, die jetzt – mit all ihren Fähigkeiten und Bedürfnissen – neu zu uns
kommen, beim echten Ankommen nachhaltig unterstützt werden. Der Paritätische in Oberbayern
vertritt diese Überzeugung nicht nur, er setzt sie auch konkret um und spannt ein Hilfe-Netzwerk für
Flüchtlinge in München. Mit seinen langjährigen Kompetenzen in vielfältigsten sozialen Bereichen ist
er extrem gut für diese Aufgabe geeignet.
Der junge Afghane J. (24) war vor acht Jahren in der gleichen Situation wie die vielen unbegleiteten
minderjährigen Flüchtlinge, die heute kommen. Noch nicht mal erwachsen, ganz auf sich gestellt in
einer völlig fremden Umgebung, unsicher, der Sprache des neuen Landes nicht mächtig. Heute
arbeitet er nach seiner Ausbildung als Einzelhandelskaufmann in einem Bio-Supermarkt, macht
parallel noch den Handels-Fachwirt, ist verheiratet und zahlt Steuern und Sozialabgaben. Er ist
angekommen. Sein Beispiel zeigt, dass es geht. Und wie sehr beide Seiten, die aufnehmende
Gesellschaft wie auch ihre neuen Mitglieder, voneinander profitieren können – von der humanen
Dimension ganz abgesehen.
Mit 16 Jahren kam J. als unbegleiteter Flüchtling nach München. Er ist ein Angehöriger der
afghanischen Volksgruppe der Hazara, eine verfolgte Minderheit. Ein Jahr dauerte seine Flucht nach
Deutschland auf dem Landweg. Er konnte kein Deutsch, aber ein bisschen Englisch. Nach seiner
Ankunft kam der 16-Jährige zunächst in die Erstaufnahmeeinrichtung in der Baierbrunnerstraße,
dann wohnte er ein Jahr in einer vollbetreuten Jugendhilfeeinrichtung. Danach wechselte er in ein
Einzelbetreutes Wohnprojekt der gpp, Gesellschaftspolitische Projekte e.V., eine
Mitgliedsorganisation des Paritätischen. Dort wohnte er mit zwei anderen jungen Menschen und
hatte eine Betreuerin, die sich um ihn gekümmert hat. Mit 20 Jahren ist er in seine eigene Wohnung
gezogen.
Die ersten Jahre war J. sehr unsicher und schüchtern und fühlte sich sehr leicht überfordert, so seine
Begleiter von der gpp. Dann fasste er Fuß: Nachdem J. ein Jahr einen Deutschkurs besucht hatte,
schloss er im Jahr darauf seinen Hauptschulabschluss mit guten Noten ab. Gleich im Anschluss
machte er eine Lehre zum Verkäufer und dann noch ein Jahr weiter zum Einzelhandelskaufmann, die
er mit sehr guten Noten abgeschlossen hat. Aufgrund seines guten Abschlusses hat er damit auch
seinen Mittleren Schulabschluss. Sein Arbeitgeber, die Bio-Kette Vollcorner, nimmt und unterstützt
sehr gerne junge Flüchtlinge, weil sie „so gute, freundliche, fleißige und zuverlässige Auszubildende“
sind. „Man muss ihnen nur die Chance geben, zu zeigen, was in ihnen steckt“, sagt die paritätische
Bezirksverbandsgeschäftsführerin Karin Majewski.
J. wurde nach der Lehre in seinem Betrieb übernommen und stieg dort innerhalb kürzester Zeit zu
einem Abteilungsleiter auf. Seit einem Jahr zahlt ihm der Arbeitgeber die Ausbildung zum
Handelsfachwirt, um den fleißigen und begabten Angestellten noch weiter zu fördern. Diese
Doppelbelastung fällt ihm nicht leicht, aber er möchte es unbedingt schaffen.
Heute wohnt der junge Mann, der als 16-jähriger Flüchtling alleine nach Deutschland kam, mit seiner
Frau in einer schönen kleinen Wohnung. Vor einem Jahr hat er seinen Führerschein gemacht, nach
dem Abschluss als Handelsfachwirt will er vielleicht noch studieren oder einen eigenen Laden
aufmachen. Er hat sich zu einem ehrgeizigen, selbstbewussten, lebendigen und zufriedenen Mann
entwickelt. J. hat seinen Platz gefunden. Und das alternde Deutschland hat – nicht nur, aber auch –
einen Rentenzahler mehr.
J.s Geschichte ist eine Geschichte des Erfolgs. Es kann und es muss viele von ihnen geben. Aber
angesichts der enorm steigenden Zahlen von Ankommenden braucht es besondere Maßnahmen und
Anstrengungen, um die Herausforderung gut zu meistern – gerade auch angesichts der vielfältigen
und komplexen Bedürfnisse der Geflüchteten. Majewski: „Als Dachverband unterschiedlichster
Kompetenzen ist deswegen der Paritätische besonders geeignet, ein Hilfe-Netzwerk für Flüchtlinge in
München zu spannen.“ Mitgliedsorganisationen werden dabei ihre vielfältigen Kompetenzen
einbringen und vernetzen. Unter Beteiligung von unter anderem: Refugio, Condrobs, ArbeiterSamariter-Bund, Hilfe von Mensch zu Mensch, Frauentherapiezentrum, Frauenhilfe, SOS-Kinderdorf,
Aidshilfe, Wohnhilfe München sowie zahlreichen Jugendhilfe-Trägern wie hpkj, gpp und
Kinderschutz, die seit langem mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen arbeiten. Die Träger
garantieren für folgende Kompetenzen: Arbeit mit traumatisierten und psychisch kranken
Menschen, Notfallversorgung und medizinisches Know-How, interkulturelle Kompetenzen, Hilfe für
Frauen mit Gewalterfahrungen und Unterstützung von Menschen die wegen Homosexualität verfolgt
werden. Die Liste ist offen und wird noch erweitert; die Planung des Netzwerks geht voran.
In diesem Zusammenhang sucht der Paritätische auch unter dem Motto „Paritätische Perspektive
Flüchtlinge“ verstärkt den Weg in die Öffentlichkeit: „Paritätische Perspektive“ bedeutet eben jenen
nicht nur eingleisigen Blick, der gleichzeitig immer getragen ist von der Grundüberzeugung, dass alle
Menschen gleich viel wert sind und das Recht auf die gleiche Chance haben. Und gemeint ist auch
das Ziel, Flüchtlingen eine Perspektive zu geben. Unter diesem Motto werden in loser Folge weitere
Berichte zur Flüchtlingsthematik erscheinen, nach dem Fokus auf unbegleitete Minderjährige diesmal
richtet er sich künftig beispielsweise auf Frauen oder Traumatisierte. Wir bleiben dran.
Kontakte
Paritätischer: [email protected], 089- 30611-130
gpp Gesellschaftspolitische Projekte: Antje Eberhard [email protected], 089 - 5438242