Tutorial Mediationsanalyse mit PROCESS

Tutorial
Mediationsanalyse mit PROCESS
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Das Konzept „Mediation“
Ein Mediator (folgend M) erklärt den Zusammenhang zwischen unabhängiger Variable (folgend X) und
einer abhängigen Variable (folgend Y). Dementsprechend wird bei einer Mediation der Zusammenhang
zwischen X und Y erklärt, der Mediator stellt damit den verantwortlichen Prozess dar. Beispielsweise kann
man annehmen, dass Mitleid (vs. kein Mitleid) mit einer leidenden Person (die unabhängige Variable X)
Hilfeverhalten (die abhängige Variable Y) erhöht. Dann kann man die Frage stellen „Warum sollte das so
sein?“ womit man die Frage nach dem Mediator stellt. Im Beispiel könnte das „Empathic Concern“ sein
(d.h. besorgte Gedanken für den Leidenden). Also: Warum führt Mitleid zu Hilfeverhalten? Weil Mitleid zu
Empathic Concern führt, und Empathic Concern zu Hilfeverhalten. Das Mediationsmodel sieht
dementsprechend folgendermaßen aus:
b
a
c
c‘ (wenn M kontrolliert)
Wenn man X manipuliert und M misst, beispielsweise durch eine Skala, die Empathic Concern abbildet,
wird folgendes Verfahren vorgeschlagen, um eine Mediation zu testen (vgl. Hayes, 2013: Mediation,
Moderation, and Conditional Process Analysis).
1. Man etabliert den a-Pfad (das ist der Pfad zwischen X und M). D.h. man testet den a-Pfad auf
Signifikanz. Der a-Pfad sollte ungleich Null sein, also p < .05.
2. Man etabliert den b-Pfad (das ist der Pfad zwischen M und Y unter Kontrolle von X). Dieser gibt an, ob M
mit Y zusammenhängt, und zwar unabhängig von X.
3. Schließlich wird der gesamte Pfad a×b simultan auf Signifikanz getestet (mit PROCESS, siehe unten).
Wenn a×b ≠ 0 spricht man von einem signifikanten indirekten Effekt oder einer Mediation.
Eine Debatte gibt es zur Signifikanz des c-Pfads (vgl. Zhao et al., 2010, JCR). Eigentlich müsste dieser
auch gezeigt werden. Denn wenn X zu M und M zu Y führt, so sollte auch X zu Y führen.
Es gibt allerdings inhaltliche und statistische Argumente, warum das manchmal nicht der Fall ist. Die
beiden wichtigsten sind sicherlich Suppressionseffekte (d.h. ein gegenläufiger a×b Pfad, bzw. eine Variable
M2, welche den Zusammenhang XY unterdrückt; vgl. MacKinnon et al., 2000, Prevention Science) und
substantielle Powernachteile beim statistischen Testen des c-Pfads im Vergleich zum a×b Pfad (vgl. Kenny
& Judd, 2014, PS). Als Fazit kann man festhalten: Wenn man keine Suppressoren annimmt, dann sollte
der c Pfad in einer Studienreihe mal gezeigt werden. Allerdings, und so ist der Standpunkt führender
Mediationsexperten (bspw. Hayes und Zhao) ist ein signifikanter c-Pfad keine Voraussetzung für eine
Mediation. Natürlich ist das schönste Ergebnis, wenn man einen signifikanten c-Pfad aufzeigen kann und
dann zudem zeigt, dass dieser gegen Null geht (also c‘ nahe Null) wenn man für M kontrolliert (und vorher
den a-Pfad etabliert hat). Der Pfad c‘ (XY unter Kontrolle von M) gibt ja den kontrafaktischen Zustand an:
Wie würde XY aussehen wenn es M nicht gäbe; dann nämlich dürfte es auch XY (also c‘) nicht geben
(bzw. kleiner werden) wenn XY (also c) durch M mediiert wird.
Kommentar [SP1]: man kann M auch
manipulieren, um einen Mediator zu
etablieren, vgl. Jacoby und
Sassenberg, 2011, EJSP, und Spencer,
Zanna, und Fong, 2005, JPSP
Kommentar [SP2]: was einer
einfachen Korrelation, einem t-test oder
einer linearen Regression zwischen X
und M entspricht; natürlich liefern alle
Tests exakt dasselbe Ergebnis
hinsichtlich der Signifikanz
Kommentar [SP3]: allerdings reicht
es für den gesamten indirekten Effekt,
also a×b, auch manchmal aus, in die
Nähe von p = .05 zu kommen (vgl.
Hayes, 2013)
Kommentar [SP4]: wenn man für X
nicht kontrolliert wäre X durch die
Korrelation mit M im Zusammenhang
MY drin.
Kommentar [SP5]: das ist der
indirekte Effekt; dieser entspricht exakt
c minus c‘; also der Reduktion von XY
bei Hinzunahme von M
Das Vorgehen mit PROCESS
Andrew Hayes hat ein wunderbares SPSS Makro geschrieben. Mit diesem kann man die verschiedensten
und abgefahrensten Modelle testen (vgl. das PDF Dokument „PROCESS“, welches die Dokumentation des
Makros enthält; download: http://www.processmacro.org/). Bei uns geht es um Model 4 (vgl. S.20 in der
Dokumentation). Dazu öffnet man als erstes (den Datensatz hat man schon offen) die Syntax Process
(process.sps). Diese lässt man durchlaufen (STRG + A dann STRG + R). Dann kann man das SyntaxFenster (process.sps) schließen. Im Output müsste dann folgendes erscheinen:
Auf Seite 20 der Dokumentation steht unten auf der Seite die relevante Syntax für unser Model (das Model
4):
PROCESS vars = xvar mvlist yvar/y=yvar/x=xvar/m=mvlist/model=4.
Diese passt man dem eigenen Datensatz an, bspw.
PROCESS vars = BEDINGUNG MEDIATOR AV /y=AV/x= BEDINGUNG /m= MEDIATOR /model=4.

Man kann auch mehrere Mediatoren simultan testen indem man mehrere Mediatoren hintereinander
schreibt, bspw.:
PROCESS vars = BEDINGUNG MEDIATOR MEDIATOR2 AV /y=AV/x= BEDINGUNG /m= MEDIATOR
MEDIATOR2 /model=4.

Die AV kann auch 01 kodiert sein (bspw. Hilfeverhalten ja vs. nein), PROCESS rechnet dann
automatisch logistische Regressionen und keine lineare.
In dem Beispieldatensatz, den ich folgend verwende heißt xvar (also X, die unabhängige Variable)
BEDINGUNG (0 = Compassion nein, 1 = Compassion ja). mvlist (also M, der Mediator) ist CONCERN
(höhere Werte = höherer Concern). yvar (also Y, die abhängige Variable) ist PROSOCIAL (höhere Werte =
stärkeres Hilfeverhalten).
Die Syntax sieht also folgendermaßen aus:
PROCESS vars = BEDINGUNG CONCERN PROSOCIAL /y= PROSOCIAL /x= BEDINGUNG /m=
CONCERN /model=4.
Dann die Syntax markieren und STRG + R drücken. Der Output sieht folgendermaßen aus:
Run MATRIX procedure:
************* PROCESS Procedure for SPSS Release 2.01 beta ****************
Written by Andrew F. Hayes, Ph.D.
http://www.afhayes.com
**************************************************************************
Model = 4
Y = PROSOCIA
X = BEDINGUN
M = CONCERN
Kommentar [SP6]: Im Output werden
die unstandardisierten
Regressionskoeffizienten angegeben.
Sample size
30
**************************************************************************
Outcome: CONCERN
Model Summary
R
.5076
R-sq
.2576
F
9.7166
df1
1.0000
df2
28.0000
Kommentar [SP7]: Der folgende
Abschnitt testet den a-Pfad
p
.0042
Model
constant
BEDINGUN
coeff
3.2667
1.7333
se
.3932
.5561
t
8.3080
3.1172
p
.0000
.0042
LLCI
2.4612
.5943
ULCI
4.0721
2.8724
**************************************************************************
Outcome: PROSOCIA
Model Summary
R
.4783
R-sq
.2288
F
4.0053
df1
2.0000
df2
27.0000
Kommentar [SP8]: Der a-Pfad ist
positiv
Kommentar [SP9]: Der a-Pfad ist
signifikant
Kommentar [SP10]: Der folgende
Abschnitt testet den b-Pfad und den c‘Pfad
p
.0300
Model
constant
CONCERN
BEDINGUN
coeff
1.3491
.5462
.2533
se
.9328
.2408
.8225
t
1.4463
2.2679
.3079
p
.1596
.0316
.7605
LLCI
-.5649
.0520
-1.4344
ULCI
3.2630
1.0404
1.9409
******************** DIRECT AND INDIRECT EFFECTS *************************
Direct effect of X on Y
Effect
SE
.2533
.8225
t
.3079
Indirect effect of X on Y
Effect
Boot SE
CONCERN
.9467
.5190
p
.7605
LLCI
-1.4344
ULCI
1.9409
Kommentar [SP12]: Der b-Pfad ist
signifikant
Kommentar [SP13]: Der c‘-Pfad ist
positiv
Kommentar [SP14]: Der c‘-Pfad ist
aber nicht signifikant
Kommentar [SP15]: = c‘
BootLLCI
.1026
BootULCI
2.1069
******************** ANALYSIS NOTES AND WARNINGS *************************
Number of bootstrap samples for bias corrected bootstrap confidence intervals:
1000
Level of confidence for all confidence intervals in output:
95.00
------ END MATRIX -----
Kommentar [SP11]: Der b-Pfad ist
positiv
Kommentar [SP16]: kennen wir
schon von oben (unstandardisierter
Regressionskoeffizient von c‘)
Kommentar [SP17]: = a×b also der
indirekte Effkt / Mediation, das hier ist
der entscheidende Test!
Kommentar [SP18]: Das hier ist
entscheidend. Das Konfidenzintervall
für a×b darf nicht die Null enthalten,
dies ist hier der Fall, zwischen .1026
2.1069 ist die Null nicht drin. Damit
kann man davon ausgehen dass a×b ≠
0, damit hat man einen indirekten
Effekt, also eine Mediation.
Die Konfidenzintervalle sind
„bootstrapped“ (vgl. Andy Fields
Abschnitt zu Bootstarpping in Field,
2013, Discovering Statistics Using
SPSS). Prima: Bootsrapping ist ein
nicht-parametrischer Test.
Durch das Bootstrapping verändern
sich die Konfidenzintervalle bei jeder
neuen Berechnung (also bei
wiederholtem Durchlauf der Syntax),
davon soll man sich nicht irritieren
lassen.
Im Output fehlt der c-Pfad (der totale Effekt). Dies ist tatsächlich die Standardeinstellung von PROCESS
und reflektiert die Idee, dass ein signifikanter c-Pfad nicht essentiell ist, um eine Mediation zu zeigen. Man
kann ihn sich leicht berechnen (aus a×b = c – c‘ folgt c = a×b + c‘ also c = 1.7333 × 0.5462 + 0.2533 =
1.2000). Man kann ihn sich auch leicht ausgeben lassen, indem man /total=1 an die Syntax hängt:
PROCESS vars = BEDINGUNG CONCERN PROSOCIAL /y= PROSOCIAL /x= BEDINGUNG /m=
CONCERN /model=4/total=1.
Output:
Run MATRIX procedure:
************* PROCESS Procedure for SPSS Release 2.01 beta ****************
Written by Andrew F. Hayes, Ph.D.
http://www.afhayes.com
**************************************************************************
Model = 4
Y = PROSOCIA
X = BEDINGUN
M = CONCERN
Sample size
30
**************************************************************************
Outcome: CONCERN
Model Summary
R
.5076
R-sq
.2576
F
9.7166
df1
1.0000
df2
28.0000
p
.0042
Model
constant
BEDINGUN
coeff
3.2667
1.7333
se
.3932
.5561
t
8.3080
3.1172
p
.0000
.0042
LLCI
2.4612
.5943
ULCI
4.0721
2.8724
**************************************************************************
Outcome: PROSOCIA
Model Summary
R
.4783
R-sq
.2288
F
4.0053
df1
2.0000
df2
27.0000
p
.0300
Model
constant
CONCERN
BEDINGUN
coeff
1.3491
.5462
.2533
se
.9328
.2408
.8225
t
1.4463
2.2679
.3079
p
.1596
.0316
.7605
LLCI
-.5649
.0520
-1.4344
ULCI
3.2630
1.0404
1.9409
************************** TOTAL EFFECT MODEL ****************************
Outcome: PROSOCIA
Model Summary
R
.2862
R-sq
.0819
F
2.4978
df1
1.0000
df2
28.0000
Kommentar [SP19]: c‘ ist kleiner als
c (c siehe unten)
p
.1252
Model
constant
BEDINGUN
coeff
3.1333
1.2000
se
.5369
.7593
t
5.8360
1.5804
p
.0000
.1252
LLCI
2.0335
-.3554
ULCI
4.2331
2.7554
***************** TOTAL, DIRECT, AND INDIRECT EFFECTS ********************
Total effect of X on Y
Effect
SE
1.2000
.7593
Direct effect of X on Y
Effect
SE
.2533
.8225
t
1.5804
p
.1252
LLCI
-.3554
ULCI
2.7554
t
.3079
p
.7605
LLCI
-1.4344
ULCI
1.9409
Kommentar [SP20]: Und siehe da, c
= 1.200
Kommentar [SP21]: c ist aber nicht
signifikant
Indirect effect of X on Y
Effect
Boot SE
CONCERN
.9467
.5538
BootLLCI
.0432
BootULCI
2.2210
******************** ANALYSIS NOTES AND WARNINGS *************************
Number of bootstrap samples for bias corrected bootstrap confidence intervals:
1000
Level of confidence for all confidence intervals in output:
95.00
------ END MATRIX -----
In unserem Beispiel mediiert Empathic Concern also tatsächlich den Zusammenhang zwischen der
Compassion Manipulation und prosozialem Verhalten: Die Compassion Manipulation erhöht Empathic
Concern und diese hängt wiederum positiv mit prosozialem Verhalten zusammen. Es gibt allerdings keinen
signifikanten totalen Effekt, die Compassion Manipulation fördert nicht direkt prosoziales Verhalten,
sondern nur indirekt über Empathic Concern. Wie oben erwähnt kann der nicht gefundene totale Effekt
mehrere Gründe haben, die zwei wichtigsten zur Rekapitulation: Zum einen Suppressoren (der totale Effekt
c wird durch einen Suppressor unterdrückt). So ist es möglich, dass die Compassion Manipulation
gleichzeitig auch inhibitorische Tendenzen auslöst, welche prosoziales Verhalten hemmt (vgl. MacKinnon
et al., 2000, Prevention Science). Zum anderen die erwähnten Power-Nachteile von c gegenüber a×b (vgl.
Kenny & Judd, 2014, PS).
Bei weiteren Fragen: [email protected]