Stadt St.Gallen Direktion Soziales und Sicherheit Doris Schwizer, Leiterin a.i. Soziale Dienste St.Gallen (SDS) Es gilt das gesprochene Wort. Der Bundesrat stellt zu Recht fest, dass die Sozialhilfe „eine wichtige Säule des Systems der sozialen Sicherheit“ bildet. Die Zuständigkeit dafür liegt bei den Kantonen, der Vollzug indessen in den meisten Kantonen bei den Gemeinden, die auch die Kosten tragen. Die Sozialhilfe hat sich in den letzten Jahren funktional verändert. Sie ist von einer vorübergehenden finanziellen Hilfe in Notlagen zu einer Grundsicherung für viele Personen geworden. Die SKOS (Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe) bezweckt, angesichts der Vielfalt der Ausgestaltung des Existenzminimums trotzdem eine gesamtschweizerische Unterstützungspraxis zu fördern, insbesondere im Bereich der materiellen Unterstützung. Sie dienen als Referenz für die Rechtsprechung, bieten Gewähr für mehr Rechtssicherheit und Rechtsgleichheit, lassen aber auch Spielraum für einzelfall- und bedürfnisgerechte Lösungen offen. Die von der VSGP (Vereinigung St.Galler Gemeindepräsidentinnen und Gemeindepräsidenten) / KOS herausgegebene Praxishilfe stellt im Bereich der öffentlichen Sozialhilfe ein wichtiges und praxistaugliches Hilfsmittel dar. Es trägt wesentlich dazu bei, dass die 77 Gemeinden des Kantons St.Gallen ihre Unterstützung bestmöglich nach einheitlichen Kriterien leisten und die rechtsgleiche Anwendung des kantonalen Sozialhilfegesetzes gewährleisten. Der Postulatsbericht enthält namentlich Ausführungen zur materiellen Grundsicherung, zu den situationsbedingten Leistungen sowie den Leistungen mit Anreizcharakter. Unter Berücksichtigung dieser Elemente lässt sich ein individuelles Unterstützungsbudget (vgl. als Beispiel für einen Vierpersonenhaushalt: Postulatsbericht, Ziffer 8.5.3) berechnen. Die SDS informieren unterstützte Personen umfassend über ihre Rechte und Pflichten sowie über die Rechtsfolgen bei Nichterfüllung der Pflichten. Sie können die Ausrichtung wirtschaftlicher Hilfe mit einer Auflage verbinden und damit auf das Verhalten der unterstützten Person einwirken sowie die Erfüllung von Pflichten verbindlich einfordern. Die Auflage soll die wirtschaftliche und persönliche Selbstständigkeit fördern oder die zweckdienliche Verwendung der Sozialhilfegelder sicherstellen. Die Sozialhilfe kennt zudem verschiedene Kontrollinstrumente und Sanktionsmöglichkeiten (vgl. Postulatsbericht, Ziffer 8.6 und 8.7). Die SDS ist sich ihrer Verantwortung in diesem Bereich bewusst. Daher werden seit 2008 Missbrauchsrichtlinien („Massnahmen zur Verhinderung und Vorgehen bei Missbrauchsfällen in der Sozialhilfe“) angewendet. Damit sollen Missbrauchsfälle in der Sozialhilfe verhindert und dafür gesorgt werden, dass lediglich diejenigen Personen finanziell www.stadt.sg.ch Seite 2 von 3 unterstützt werden, die tatsächlich einen rechtlichen Anspruch auf Unterstützung haben. Diese Überprüfungen sind umfassend. Die SDS prüfen bei begründeten Zweifeln an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Auskünfte und bei jeder Form eines Missbrauchs, der aufgedeckt wird, ob die Voraussetzungen für eine strafrechtliche Verfolgung gegeben sind. Leistungskürzungen werden etwa dann vorgenommen, wenn eine unterstützte Person nur mangelhaft mit den SDS kooperiert, wenn die Integrationsanstrengungen ungenügend sind oder wenn die sozialhilferechtliche Unterstützung unrechtmässig bezogen wurde, z.B. durch Verschweigen von Tatsachen. Im Rahmen der Diskussion um die Anpassung der SKOS-Richtlinien wurde entschieden, die Sanktionsmöglichkeiten bis auf 30 Prozent (ab 1. Januar 2016) zu erweitern. Die Stadt St.Gallen richtet rund einen Drittel der finanziellen Sozialhilfe aller 77 St.Galler Gemeinden aus. Dabei zeigt es sich, dass die Kosten in der Stadt St.Gallen weniger stark angestiegen sind als bei den anderen Gemeinden. Im letzten bekannten Vergleichszeitraum zwischen 2003 und 2012 hat sich die durchschnittlich geleistete Summe der Ausgaben aller Gemeinden im Kanton St.Gallen für die finanzielle Sozialhilfe um 85 Prozent erhöht, jene in der Stadt St.Gallen vergleichsweise nur um 67 Prozent. Im Jahre 2014 betrugen die Bruttoaufwendungen für die Sozialhilfe in der Stadt St.Gallen CHF 47.65 Mio. Die Rückerstattungen machen seit vielen Jahren ungefähr die Hälfte der Gesamtausgaben aus. Die meisten der innerhalb der Position Rückerstattungen abgebildeten Beträge betreffen Löhne, Sozialversicherungsgelder, Taggelder, Kinderzulagen sowie Alimente. Sozialhilfeleistungen sind nach SHG dann zurückzuerstatten, wenn sich die finanzielle Lage der ehemals unterstützten Person gebessert hat und die Rückerstattung wirtschaftlich zumutbar ist. Die Sozialen Dienste St.Gallen achten sehr darauf, dass so viele Aufwendungen wie möglich rückerstattet werden und damit die städtischen Finanzen entsprechend stark entlastet werden können. Zu den Personengruppen, die beim Eintritt in die Sozialhilfe ein hohes Risiko haben, längere Zeit Sozialhilfe zu beziehen oder sogar auf einen Dauerbezug angewiesen zu sein, gehören Personen im erwerbsfähigen Alter über 55 Jahren. Zu den Betroffenen mit hohem Risiko gehören aber auch Alleinerziehende (meistens Frauen) und Personen ohne berufliche Qualifikationen zwischen 36 und 55 Jahren sowie Familien mit mehreren Kindern. Sie alle beziehen überdurchschnittlich oft während langer Zeit Sozialhilfe (vgl. Postulatsbericht, Ziffer 9.3.6). Vergleichsweise grosse Verschiebungen zeigen sich bei der Entwicklung der einzelnen Personenkategorien: Zugenommen haben die Zahlen bei alleinstehenden Frauen (+ 23 %), Vätern mit Kindern (+ 27 %) sowie Kindern und Jugendlichen (+ 20 %). Stark abgenommen haben dagegen die Fälle von Ehepaaren mit Kindern (- 23 %) (vgl. Postulatsbericht, Ziffer 9.4.1). Seite 3 von 3 Die Stadt St.Gallen verfügt über ein gut ausgebautes Hilfsangebot für die verschiedenen Personengruppen, die mit Sozialhilfe unterstützt werden. Die freiwilligen Leistungen, welche die Stadt St.Gallen im Sozialbereich ausrichtet, tragen in verschiedenen Lebensbereichen zur Hilfe und Unterstützung bei: Familienergänzende Kinderbetreuung: Kinderkrippen, Vermittlung Tageselterndienst (Pflegekinder), Vermittlung Kinderhütedienst; Integration: ARGE Integration Ostschweiz, Alphabetisierungs-, Integrations- und Deutschkurse, offene Kirche St.Gallen; Beratungsstellen: Bereich Familien, Kinder, Jugendliche, Bereich Alter, Bereich Behinderung; Langzeitarbeitslosigkeit: Stiftung für Arbeit; Ostschweizer Kinderspital: Standortbeitrag; Suchtbereich, Aidshilfe: Gassenarbeit, Katharinenhof; Kinderschutzzentrum und Beratungsstelle „In Via“: Opferhilfe, Beratung für Kinder und Jugendliche; Kinder- und jugendpsychiatrische Dienste: Betriebsbeitrag Stiftung Kinder- und jugendpsychiatrische Dienste; Hilfe und Pflege zu Hause: Subjektfinanzierung, Projekte zur Frühförderung und Elternbildung: Beiträge an Spielgruppen (vgl. Postulatsbericht, Ziffer 9.4.4). Was die jeweiligen Gründe dafür sind, die dazu führen, dass die SDS finanzielle Sozialhilfe ausrichten, wird in jedem einzelnen Fall sowie im jeweiligen Beratungsgespräch mit der unterstützten Person ermittelt. Die Kategorie Arbeitslosigkeit bildet mit annähernd der Hälfte aller Unterstützungsfälle eine Hauptursache für die Beanspruchung finanzieller Sozialhilfe. Anschliessend folgt, mit einem grossen Abstand, die Kategorie Krankheit (mit noch etwas mehr als einem Zehntel aller Unterstützungsfälle). Zusammen bilden Arbeitslosigkeit und Krankheit konstant annähernd zwei Drittel der Unterstützungsgründe für finanzielle Sozialhilfe. Erst mit deutlichem Abstand folgen weitere Kategorien wie namentlich Erziehungsprobleme, alleinerziehender Elternteil sowie bei den verschiedenen Hilfeleistungen die fehlende Existenzsicherung bei Teilzeitbeschäftigung. Von allen betroffenen Personen in der Sozialhilfe, welche als Folge von Arbeitslosigkeit unterstützt werden müssen, hat lediglich ein Drittel Anspruch auf Gelder der Arbeitslosenkasse. Diese Leistungen genügen dennoch meist nicht, um den eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten. Die Sozialhilfe muss demzufolge zusätzliche Unterstützungsleistungen erbringen. Zwei Drittel haben überhaupt keinen Anspruch auf Arbeitslosengelder, wegen Aussteuerung, fehlenden Beitragszeiten oder fehlender Vermittlungsfähigkeit.
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