Nino Cozzio, Stadtrat, Direktion Soziales und Sicherheit Es gilt das

Stadt St.Gallen
Kommunikation
Nino Cozzio, Stadtrat, Direktion Soziales und Sicherheit
Es gilt das gesprochene Wort.
Der Stadtrat stellt sich hinter die Umsetzung des Sozialhilfegesetzes des Kantons St.Gallen
im Sinne der VSGP (Vereinigung St.Galler Gemeindepräsidentinnen und Gemeindepräsidenten)/KOS (Konferenz für Sozialhilfe)-Vereinbarungen (die sich an den SKOS (Schweizerische
Konferenz für Sozialhilfe)-Richtlinien orientieren und kantonale Besonderheiten berücksichtigen) und tritt klar und unmissverständlich für die Bemessung der Beiträge am sozialen Existenzminimum ein, die im Kantonsrat politisch umstritten sind. Der Stadtrat hält sich damit an
die von seinen Vertretern im Kantonsrat mehrfach geäusserten und mitgetragenen wesentlichen Grundsätze in der Sozialhilfepolitik. Diese finden ihren Niederschlag auch in den 2014
von der VSGP in einem Positionspapier zur Sozialhilfe verabschiedeten Grundsätzen, die von
der Stadt St.Gallen miterarbeitet worden sind und im Postulatsbericht wiedergegeben werden.
Indem diese Grundsätze in der Kantonshauptstadt befürwortet werden, setzt die Stadt
St.Gallen ein klares Zeichen, woran sich die bevorstehende Revision des Sozialhilfegesetzes
des Kantons St.Gallen zu orientieren hat. Im Zentrum stehen die Solidarität mit den betroffenen Menschen, die Solidarität zwischen den Gemeinden sowie die Wahrung des Anspruches auf das soziale Existenzminimum, der allen Menschen über das existenzielle Minimum hinaus die gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht. Wer Sozialhilfebeziehende auf das
absolute Existenzminimum setzen und einzig Nahrung, Kleidung, Obdach sowie medizinische Hilfe in Notlagen gewährleisten will, verkennt die Situation. In einzelnen Städten sind
ein Drittel der Sozialhilfeabhängigen Jugendliche und Kinder. Sie von sämtlicher Teilhabe am
gesellschaftlichen Leben auszuschliessen, führt langfristig zu gesellschaftlichen Fehlentwicklungen, deren Folgekosten um einiges höher ausfallen als die eingesparte Differenz zwischen absolutem und sozialem Existenzminimum.
Knapper werdende Finanzen der öffentlichen Hand haben dazu geführt, die Sozialausgaben
von Bund, Kantonen und Gemeinden immer kritischer zu hinterfragen. Wegen der Höhe der
mit Steuergeldern finanzierten Sozialhilfeausgaben ist die politische Diskussion über die
wirtschaftliche Sozialhilfe nachvollziehbar. Eine verantwortungsvolle Sozialpolitik setzt nicht
bei den Kosten, sondern bei den Ursachen der Sozialhilfeabhängigkeit an. Zu vermeiden ist,
dass Menschen überhaupt Sozialhilfe benötigen. Die Leitlinie ist dabei die Hilfe zur Selbsthilfe, die einen der zentralen Grundsätze des genannten VSGP-Positionspapiers bildet. Auch
www.stadt.sg.ch
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hier zeigt der Bericht auf, welchen Weg die Stadt St.Gallen beschreitet, um Menschen von
der Sozialhilfe abzulösen. Allerdings werden auch die zunehmenden Schwierigkeiten verdeutlicht, die sich diesem sinnvollen Bestreben in den Weg stellen.
Die Städte wie St.Gallen tragen die Hauptlast in der Sozialhilfe. Sie spüren die zentralen gesellschaftlichen Herausforderungen wie die zunehmende Alterung der Gesellschaft, die verstärkten Migrationsbewegungen und die Beschleunigung des Lebens- und Arbeitstempos
am meisten, nicht zuletzt bei den Sozialhilfefällen. Im gegenwärtigen finanzpolitischen Umfeld darf und muss deshalb über die Höhe der Sozialhilfe, über die Voraussetzungen zur Unterstützungsberechtigung, über das Sanktionensystem sowie über Sozialhilfemissbrauch
gesprochen und notwendige Anpassungen vorgenommen werden. Einzelfälle von Sozialhilfemissbrauch rechtfertigen jedoch nicht die pauschale Verunglimpfung aller auf Sozialhilfe
angewiesenen Menschen. Finanzielle Engpässe dürfen nicht zum Kahlschlag in der Sozialpolitik und zur Aufkündigung der gesellschaftlichen Solidarität führen.
Kritisches Hinterfragen der SKOS-Richtlinien muss ohne Polemik erfolgen. Nur über einen
sachlichen Dialog lässt sich konstruktiv erörtern, wohin sich die Sozialhilfe entwickeln soll.
Hier gilt es, sich aktiv in das bevorstehende politische Ringen um die Ausgestaltung des
kantonalen Sozialhilfegesetzes einzuschalten. Obwohl die St.Galler Gemeinden den Grundbedarf unter Beachtung verfassungsrechtlicher Grundsätze autonom ansetzen können, sollten sie sich dabei zurückhalten. Wenn einzelne Gemeinden den Grundbedarf senken, treffen
sie Sozialhilfebeziehende empfindlich und drängen sie zum Wegzug in andere Gemeinden.
Das tangiert die menschliche Würde der Betroffenen, und der Negativwettbewerb zerstört
die Solidarität zwischen den Gemeinden. Die grossen Unterschiede bei den Sozialhilfequoten der Gemeinden sind mit einem gerechteren Belastungsausgleich im Kanton St.Gallen
aufzuheben. Eine auf fairer Berechnung gründende einheitliche Gleichsetzung des Grundbedarfs ist Ausdruck der Solidarität zwischen den Gemeinden und der Solidarität der einzelnen
Gemeinde mit den betroffenen Menschen. Indem sich die Stadt St.Gallen in der vom Stadtrat getragenen Sozialhilfepolitik hinter das Positionspapier der VSGP stellt, legt sie als stark
gefordertes urbanes Gemeinwesen ein klares Bekenntnis zur Solidarität zwischen den Gemeinden ab.
Der Postulatsbericht befasst sich sowohl mit dem übergeordneten Recht, insbesondere mit
den Grundsätzen der Schweizerischen Bundesverfassung, als auch mit der praktischen Umsetzung der Vorgaben des Sozialhilfegesetzes des Kantons St.Gallen. Der Bericht zieht ferner Vergleiche mit grösseren Schweizer Städten und innerkantonale Vergleiche, um die Positionierung der Stadt im Sozialhilfebereich aufzuzeigen. Ebenso zeigt der Bericht die Gründe
auf, weshalb Menschen sozialhilfeabhängig werden und weist auf die Tatsache hin, dass die
Zahl der Langzeitsozialhilfebeziehenden zunimmt. Die Gründe, die zu Sozialhilfeabhängigkeit
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führen, liegen mittlerweile zu über 50 Prozent bei der Arbeitslosigkeit. Die Sozialhilfe ist von
einer vorübergehenden finanziellen Hilfe in Notlagen zu einer Grundsicherung für viele geworden. Aufgezeigt wird, dass die Zahl unterstützter Personen in der Stadt St.Gallen zwischen 2005 und 2014 lediglich um 0.6 Prozent zugenommen hat, die Ausgaben pro unterstützte Person indessen um 19 Prozent gestiegen sind, was etwa dem Einnahmenwachstum der Stadt St.Gallen von 18.7 Prozent im gleichen Zeitraum entspricht. Zudem befasst
sich der Bericht mit der Attraktivität der Stadt St.Gallen für Sozialhilfebeziehende im innerkantonalen Vergleich.
Die Sozialhilfe ist ein wesentlicher Pfeiler einer funktionierenden, dem Solidaritätsgedanken
verpflichteten Gesellschaftsordnung. Der Wert einer Gesellschaft bemisst sich am Umgang
mit den Schwachen oder, um es mit der Präambel unserer Bundesverfassung auszudrücken: Die Stärke des Volkes misst sich am Wohl der Schwachen.
Die Unterstützung Hilfsbedürftiger ist kein sozialromantisches Hirngespinst. Ein angemessener Ausgleich ermöglicht allen Menschen die Teilhabe am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben. Er verhindert langfristig Verelendungsphänomene, die geeigneten Nährboden für Radikalismen aller Art bilden. Eine vernünftige Sozialpolitik festigt die gesellschaftliche Sicherheit. Sie trägt zur Stabilität bei, von der die Schweiz seit langer Zeit profitiert, bildet doch die politische Stabilität eine wichtige Grundlage für den anhaltenden wirtschaftlichen Wohlstand unseres Landes.
Die Hilfe für Menschen in einer schwierigen Lebenssituation ist viel zu bedeutsam, als dass
sie Anlass für populistische, undifferenzierte, zum Teil unzutreffende und zum Teil polemisch untermalte Standpunkte bieten soll. Der vorliegende Postulatsbericht soll und kann zu
sachlichen Diskussionen zum gesellschaftlich so bedeutsamen Thema Sozialhilfepolitik beitragen.