Neue Klagewelle gegen Syngenta SonntagsZeitung November 15, 2015 Basel Auf Syngenta kommt neues Ungemach zu. Nach einem Rechtsverfahren im USBundesstaat Kansas, dem sich bislang 27 144 Farmer, Händler und Getreideexporteure aus 22 US-Staaten angeschlossen haben, gibt es nun ein zweites Verfahren in Minnesota. Bei diesem ist die Zahl der Kläger noch höher: 30 000 Farmer sind dabei, wie einer der beteiligten Rechtsanwälte letzte Woche gegenüber der Regionalzeitung «The Garden City Telegram» in Kansas bestätigte. Die Klagen richten sich gegen die Syngenta AG in Basel und mehrere ihrer US-Tochterfirmen. Darunter ist die US-Saatgutsparte, die ihren Sitz in Minnesota hat. Die Kläger machen den Pflanzenschutzmittel- und Saatguthersteller dafür verantwortlich, dass China den Import von mehreren Millionen Tonnen Mais aus den USA blockierte, da er Spuren des in China nicht zugelassenen Syngenta-Genmaises Viptera enthielt. Syngenta wehrt sich gegen den Vorwurf mit dem Argument, die Zulassung in China sei schon 2010 beantragt worden. Syngenta könne nichts dafür, wenn China Jahre später noch keine Zulassung erteilt habe und bei Genmais wegen eigener Überschüsse unverhofft auf Nulltoleranz umstelle. Inzwischen hat China Viptera bewilligt. Richter weist Rekurs von Syngenta zurück Syngenta hat gegen den letzten Entscheid des Bundesrichters, wonach die Klagen aus Kansas zulässig sind, Rekurs eingelegt. Dieser Rekurs wurde vom Richter am 19. Oktober vollumfänglich zurückgewiesen. Auf Syngenta rollt nun definitiv eine teure Klagewelle zu. Der Verband der US-Getreidehändler und -verarbeiter schätzt den Schaden auf bis zu 6,3 Milliarden Dollar in den vergangenen beiden Jahren. Der Bundesrichter in Kansas hat entschieden, als Test vorerst vier Farmer und zwei Kläger aus dem Nicht-Agrarsektor zuzulassen und mit diesen einen Musterprozess zu führen. Ob Sammelklagen zugelassen werden, ist noch offen. Wenn ja, wird dieser Fall von Schadenersatzprozess als wohl grösster und teuerster in der US-Landwirtschaftsgeschichte eingeschätzt. «Das ist bei weitem der grösste Rechtsfall gegen einen Agrochemiekonzern, der so weit vorangeschritten ist», sagte die New Yorker Anwältin Jayne Conroy, die einen Teil der Kläger vertritt, gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Im schlimmsten Fall drohen Syngenta Strafzahlungen im Ausmass der Schweizer Banken, für die keine Rückstellungen bestehen. Syngenta hat nur für die Rechtskosten Rückstellungen gebildet, aber nicht für die Klagen. Die Konkurrenz will die Schwächephase ausnutzen Für Syngenta kommen die beiden Klagen zu einem heiklen Zeitpunkt. Denn der Basler Konzern ist in den Fokus mehrerer Kauf-interessenten geraten, die die aktuelle Schwächephase ausnutzen wollen. Nach dem weltgrössten Agrochemiekonzern Monsanto sollen auch der US-Grosskonzern Dupont und der chinesische Chemieriese Chem China an Syngenta interessiert sein. Am Freitag schoss der Aktienkurs von Syngenta in die Höhe, nachdem das Gerücht die Runde gemacht hatte, die staatliche Chem China habe Syngenta eine Übernahmeofferte in Höhe von 41,7 Milliarden Franken unterbreitet. Monsanto hatte im Mai die gleiche Summe geboten und sie danach noch erhöht. Syngenta wies das Angebot aber zurück. Chem China ist zwar der grösste Hersteller von Pflanzenschutzgenerika. Bei der Herstellung von Originalprodukten spielte sie jedoch bislang nicht in der Topliga (siehe Grafik). Das wollen die Chinesen offenbar ändern. In der Branche, die unter Kosten- und Konzentrationsdruck steht, sprechen alle mit allen. So soll Dupont nicht nur mit Syngenta über eine Zusammenlegung der Agrargeschäfte verhandeln, sondern auch mit dem zweitgrössten Chemiekonzern der Welt, Dow Chemical. Dieser prüft laut Börsengerüchten einen Verkauf seiner Dünger- und Pestizidsparte. Syngenta-Präsident beginnt, die Opposition ernst zu nehmen Syngenta hat bis jetzt alle Übernahmegelüste zurückgewiesen – sehr zum Missfallen von oppositionellen Aktionären wie der Vereinigung kritischer Syngenta-Aktionäre. Diese vertritt zwar nach eigenen Angaben nur ein Prozent der Aktionäre, macht aber lautstark Druck auf den Verwaltungsrat, damit dieser eine Veräusserung des Unternehmens prüft. Nun hat die Aktionärsvereinigung einen ersten Erfolg zu verzeichnen: Ende Monat trifft sich SyngentaPräsident Michel Demaré in Basel mit ihren Vertretern. Er beginnt offenbar, die Opposition ernst zu nehmen. Peter Burkhardt
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