www.evimed.ch Testosteron ist kein Wundermittel für ältere Männer Frage: Wirksamkeit und Sicherheit einer Testosterontherapie bei älteren Männern mit tiefen Testosteronkonzentrationen im Blut? Hintergrund: Mit zunehmendem Alter des Mannes sinkt die Testosteronkonzentration im Blut. Eine Abnahme der körperlichen Fitness, der Vitalität und der sexuellen Funktion werden mit tieferen Testosteronkonzentrationen in Zusammenhang gebracht. Eine Testosterontherapie erhöht die Muskelmasse und reduziert die Fettmasse, aber die Effekte auf die körperliche Fitness, die sexuelle Funktion und die Vitalität sind inkonsistent. 2003 kam ein Gremium des „Insitute of Medicine“ zum Schluss, dass zu wenig Studienergebnisse vorliegen um eine klare Empfehlung zur Testosterontherapie abzugeben, und empfahlen die Durchführung von Studien. Die Testosteronstudien sind ein koordiniertes Set von 7 randomisierten Studien – Testosteron versus Placebo – und in dieser Arbeit werden die Ergebnisse der drei Hauptstudien berichtet. Studie zur Sexualfunktion, Studie zur körperlichen Funktion und Studie zur Vitalität. Einschlusskriterien: Über 65 Jahre und Testosteronkonzentration von weniger als 275 ng/dl. Die Teilnehmer konnten in mehr als eine der Studien eingeschlossen werden. Männer, die in die Sexualfunktions-Studie eingeschlossen wurden, mussten über eine verminderte Libido berichten (selbst berichtet, quantifiziert mit validierten Scores) Männer, die in die körperliche Funktions-Studie eingeschlossen wurden, mussten über Probleme beim Gehen oder Treppensteigen berichten und die Gehgeschwindigkeit war weniger als 1.2 m/sec im 6-Minuten Geh-Test. Männer, die in die Vitalitäts-Studie eingeschlossen wurden, mussten in einem Fragebogen zur Erfassung der Vitalität Werte unter 40 angeben (range 0 bis 52) Ausschlusskriterien: Prostatakarzinom in der Anamnese, hohes Risiko für Entwicklung eines Prostatakarzinoms, entsprechend dem Prostate Cancer Risk Calculator Medikament mit Einfluss auf Testosteronspiegel Hohes kardiovaskuläres Risiko (genau definiert) Schwere Depression Studiendesign und Methode: Randomisierte Studien, Placebo-kontrolliert, doppel-verblindet Studienort: USA Interventionen: Gruppe 1: Androgel; die initiale Dosis betrug 5 g/d; die Testosteronkonzentrationen wurden nach 1, 2, 3, 6 und 9 Monaten gemessen und die Dosis so angepasst, dass der Serumspiegel dem Wert eines Mannes im Alter zwischen 19 und 40 Jahren entsprach. Gruppe 2: Placebo Outcome: www.evimed.ch Sexualfunktions-Studie: Veränderung im Score für sexuelle Aktivität (PDQ-Q4 Score) Körperliche Funktions-Studie: Anteil an Männern, die im 6 Minuten Geh-Test 50 m mehr gehen konnten Vitalitäts-Studie: Anteil Männer mit einem Anstieg im Vitalitätsscore um mindestens 4 Punkte Sexualfunktions-Studie: Veränderungen im Score der erektilen Funktion und der „sexual desire“ Domäne Körperliche Funktions-Studie: Anteil der Männer mit einem Anstieg um 8 Punkte im SF-36 körperliche Funktion Vitalitäts-Studie: verschiedene Scores, unter anderem Depressionsscore Resultat: Gut 50 000 Männer wurden gescreent und 790, die alle Kriterien erfüllten, konnten in die Studien eingeschlossen werden. Der weitaus häufigste Grund für einen Nicht-Einschluss in die Studie waren zu wenig tiefe Testosteronspiegel. Durchschnittsalter war 72 Jahre, zwei Drittel waren adipös, drei Viertel hatten eine Hypertonie, ein Fünftel ein Schlaf-Apnoe-Syndrom. 705 der 790 eingeschlossen Männern beendeten die Studie protokollgerecht. Die Testosteronspiegel stiegen in der mit Androgel behandelten Gruppe an auf die angestrebten Werte (19 bis 40-Jährige) an. Sexualfunktion: statistisch signifikante Anstiege im Score für sexuelle Aktivität und „sexual desire“ bei den Männern, die Androgel erhielten. Die klinische Relevanz dieses Effektes wird von den Autoren als maximal moderat eingeschätzt. Der Effekt tritt am Anfang er Therapie auf und wird dann aber im Verlauf wieder geringer. Körperliche Funktion: keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen Vitalität: auch hier keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen im primären Outcome (Vitalitätsscore), aber Männer in der Testosterongruppe berichteten über weniger depressive Symptome. Nebenwirkungen; die PSA-Werte stiegen in der Testosterongruppe stärker an wie in der Placebogruppe; die Rate der Nebenwirkungen war in den beiden Gruppen vergleichbar. Die Anzahl Teilnehmer war aber zu klein um verlässliche Angaben über die Nebenwirkungen machen zu können. Kommentar: Eine Testosterontherapie bei älteren Männern mit tiefen Testosteronspiegeln steigert für eine begrenzte Zeit die sexuelle Aktivität und verbessert die Stimmungslage. Die Einschlusskriterien in diese Studie wurden sehr streng definiert; dies macht die Interpretierbarkeit der Ergebnisse einfacher – Männer mit diesen Charakteristika (in der Studie definiert) profitieren von einer Testosterontherapie in begrenztem Rahmen. Bezüglich der sexuellen Funktion gelten die Phosphodiesterase-5-Inhibitoren als wesentlich wirksamer wie Testosteron. Literatur: Snyder PJ et al. Effects of Testosterone Treatment in Older Men. N Engl J Med 2016; 374: 611-24 www.evimed.ch Verfasser: Johann Steurer
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