Erbrechtliche Aspekte im Zusammenhang mit Stockwerkeigentum

Erbrechtliche Aspekte im
Zusammenhang mit
Stockwerkeigentum
5. Luzerner Tag
des Stockwerkeigentums 2015
Prof. Dr. Stephanie Hrubesch-Millauer
Ordinaria an der Universität Bern, Rechtsanwältin
Agenda
A.
Erbrechtliche Begründung von Stockwerkeigentum
B.
Begründung von Stockwerkeigentum im
Erbteilungsverfahren durch gerichtliches Urteil?
C.
Die Erbengemeinschaft im Verhältnis zur
Stockwerkeigentümergemeinschaft
2
Begründung von Stockwerkeigentum
Mögliche Formen des Begründungsaktes:
•
Begründungsvertrag der Miteigentümer (Art. 712d Abs. 2
Ziff. 1 ZGB)
•
Einseitige Willenserklärung des Eigentümers (Art. 712d
Abs. 2 Ziff. 2 ZGB)
•
Verfügung von Todes wegen (Art. 712d Abs. 3 ZGB)
•
Erbteilungsvertrag (Art. 712d Abs. 3 ZGB)
A. Erbrechtliche Begründung
B. Gerichtliche Begründung?
C. Erbengemeinschaft
3
Begründung von Stockwerkeigentum
durch Verfügung von Todes wegen
Anstelle oder in Ergänzung zur gesetzlichen Regelung

Testament
•
•
•

Einseitig widerrufbar und abänderbar
Öffentliche Beurkundung oder Eigenhändigkeit (Art. 498 ff. ZGB)
Auslegung nach dem Willensprinzip
Erbvertrag
• Aufgrund Bindungswirkung grundsätzlich einseitig unwiderruflich
• Gemäss herrschender Meinung als Begründungsform möglich (aber:
Art. 712d Abs. 3 ZGB: «testament»/»testamento»; Art. 712d Abs. 2 Ziff. 2.
ZGB: einseitige Erklärung des Erblassers)
•
•
Öffentliche Beurkundung (Art. 512 i.V.m. 498 ff. ZGB)
Auslegung nach dem Vertrauensprinzip
A. Erbrechtliche Begründung
B. Gerichtliche Begründung?
C. Erbengemeinschaft
4
Begründung von Stockwerkeigentum
durch Erbvertrag
Empfehlenswert, wenn bedachte Person StWE in verbindlicher Weise möchte;
aber: nur Anwartschaft der bedachten Person
Beispiel:
Erbvertrag zwischen Erblasser und seinen Töchtern mit dem Inhalt, dass
Liegenschaft zu StWE umgewandelt und ihnen beiden zukommen soll.
 In der Folge verfügt der Erblasser abweichend mittels Testament, dass die
Liegenschaft seinem Sohn zukommen solle
Anfechtung nach dem Tod möglich
 In der Folge verschenkt der Erblasser seine Liegenschaft an seine
Lebensgefährtin
Anfechtung nur eingeschränkt möglich
A. Erbrechtliche Begründung
B. Gerichtliche Begründung?
C. Erbengemeinschaft
5
Begründung von Stockwerkeigentum
Verfügungsarten I
Begründung von StWE als eigene Verfügungsart (offene
Formulierung)
„Ich bestimme hiermit, dass nach meinem Ableben an meinem
Terrassenhaus in Weggis LU Stockwerkeigentum zu Gunsten von A
und B begründet werden soll.“
 Begünstigte müssen Strukturen StWE selber ausarbeiten
Begründung von StWE verbunden mit Teilungsvorschrift
„Im Sinne einer Teilungsvorschrift verfüge ich letztwillig, dass mein
Wohnhaus an der Mariasteinstrasse 22 in Basel an meine Söhne A
und B gehen soll. Das Haus soll in Form von StWE so aufgeteilt
werden, dass Sohn A den ersten und zweiten Stock zu Eigentum
erhält, Sohn B die Wohnung im Dachgeschoss. Das Untergeschoss soll
beiden zur gemeinschaftlichen Nutzung zur Verfügung stehen.“
A. Erbrechtliche Begründung
B. Gerichtliche Begründung?
C. Erbengemeinschaft
6
Begründung von Stockwerkeigentum
Verfügungsarten II
Begründung von StWE als Vermächtnis
„Meinem lieben Freund S vermache ich die Erdgeschosswohnung
meines Chalets in Zermatt, die er zu StWE erhalten soll.“
Forderung auf Verschaffung des Vermächtnisses gegenüber Erben
Unklare Teilungsvorschrift
„Im Sinne einer Teilungsvorschrift verfüge ich, dass mein Wohnhaus
an der Mariasteinstrasse 22 in Basel an meine Söhne A und B gehen
soll.“
Wie Teilung? StWE? Miteigentum?
Auslegung nach Willensprinzip
A. Erbrechtliche Begründung
B. Gerichtliche Begründung?
C. Erbengemeinschaft
7
Begründung von Stockwerkeigentum
Pflichtteilsrecht
Das Pflichtteilsrecht (Art. 471 ZGB) ist grundsätzlich immer zu
beachten, insbesondere bei Immobilien (da sie häufig wertmässig
einen Grossteil des Nachlasses ausmachen) kommt der Beachtung
des Pflichtteilsrechts eine grosse Bedeutung zu.
Eine jeweilige Abklärung der Vereinbarkeit der Verfügungen von
Todes wegen mit dem Pflichtteilsrecht ist zu nachdrücklich zu
empfehlen!
A. Erbrechtliche Begründung
B. Gerichtliche Begründung?
C. Erbengemeinschaft
8
Begründung von Stockwerkeigentum
durch Erbteilungsvertrag
Rechtsgeschäftlicher Abschluss der Erbteilung durch gegenseitige
übereinstimmende Willensäusserungen der Erben in Schriftform
Minimalinhalt: Parteibezeichnung; Bezeichnung des Grundstückes; Wille,
StWE begründen zu wollen; Bezeichnung der neu geschaffenen
Stockwerkanteile; Wertquoten der Stockwerkanteile; räumliche Ausscheidung
der Stockwerkeinheiten
„Im Sinne einer Teilungsvorschrift verfüge ich letztwillig, dass mein Wohnhaus an
der Mariasteinstrasse 22 in Basel an meine Söhne A und B gehen soll. Das Haus
soll in Form von StWE so aufgeteilt werden, dass Sohn A den ersten und zweiten
Stock zu Eigentum erhält, Sohn B die Wohnung im Dachgeschoss. Das
Untergeschoss soll beiden zur gemeinschaftlichen Nutzung zur Verfügung
stehen.“
Bei übereinstimmendem Willen der Erben sind diese im Rahmen der
Erbteilung nicht an die Anordnungen des Erblassers gebunden
A. Erbrechtliche Begründung
B. Gerichtliche Begründung?
C. Erbengemeinschaft
9
Begründung von Stockwerkeigentum
durch gerichtliches Urteil bei Streitigkeiten?
Keine VvTw
VvTw
keine Anordnung StWE
Gestaltungsurteil
Begründung StWE
BGer: keine gerichtliche
Begründung von StWE in Rahmen
einer Erbteilungsklage möglich, da
1. keine Naturalteilung;
2. keine Sondervorschriften;
Lehre: Kritik
A. Erbrechtliche Begründung
Anordnung StWE
Art. 610 ZGB C. Durchführung der Teilung
I. Gleichberechtigung der Erben
1 Die Erben haben bei der Teilung, wenn keine
andern Vorschriften Platz greifen, alle den gleichen
Anspruch auf die Gegenstände der Erbschaft.
B. Gerichtliche Begründung?
C. Erbengemeinschaft
10
Verhältnis Erbengemeinschaft ↔
Stockwerkeigentümergemeinschaft I
Mehrere Erben bilden eine Erbengemeinschaft; als
Gesamthandsgemeinschaft können sie nur gemeinsam über die
Erbschaftsgegenstände verfügen
Art. 712o ZGB 3. Ausübung des Stimmrechtes
1 Mehrere Personen, denen ein Stockwerk gemeinschaftlich zusteht,
haben nur eine Stimme, die sie durch einen Vertreter abgeben.
«Vertretungsverhältnisse»:
- Vertretung durch einen Bevollmächtigten
- Erbenvertreter
- Willensvollstrecker
- Erbschaftsverwalter
A. Erbrechtliche Begründung
B. Gerichtliche Begründung?
C. Erbengemeinschaft
11
Verhältnis Erbengemeinschaft ↔
Stockwerkeigentümergemeinschaft II
Vertretung durch einen bevollmächtigten Miterben oder Dritten
(Art. 32 ff. OR)
 Abstimmung des Vertreters entgegen Weisung/ohne Ermächtigung
und keine nachträgliche Genehmigung durch die Erbengemeinschaft:
•
•
•
Stockwerkrechtliche Literatur: Erbengemeinschaft ist gebunden
Erbrechtliche Literatur: Eigenmächtige Verwaltungs- und
Verfügungshandlungen sind grundsätzlich ungültig; aber: Schutz des
guten Glaubens Dritter
Möglich bleibt Schadenersatzanspruch der Erbengemeinschaft
gegenüber dem Bevollmächtigten
 Beschränkung der Vollmacht auf einen bestimmten Fragekatalog
A. Erbrechtliche Begründung
B. Gerichtliche Begründung?
C. Erbengemeinschaft
12
Verhältnis Erbengemeinschaft ↔
Stockwerkeigentümergemeinschaft III
Vertretung durch den Erbenvertreter (Art. 602 Abs. 3 ZGB)






Bei Gefahr einer Handlungsunfähigkeit der Erbengemeinschaft
Verwaltung der Erbschaft und Besorgung der laufenden Geschäfte
Begehren mind. eines Erbens
Erbenvertreter handelt unabhängig vom Willen einzelner Erben, er
ist einzig den Interessen der Erbengemeinschaft als Ganzes
verpflichtet
Erben werden unmittelbar durch die Handlung des Erbenvertreters
berechtigt und verpflichtet  sie sind an Versammlungsbeschlüsse
gebunden, auch wenn gegen ihren Willen abgestimmt wurde
Haftung des Erbenvertreters gemäss Art. 398 OR
A. Erbrechtliche Begründung
B. Gerichtliche Begründung?
C. Erbengemeinschaft
13
Verhältnis Erbengemeinschaft ↔
Stockwerkeigentümergemeinschaft IV
Vertretung durch einen Willensvollstrecker (Art. 517 ZGB)
Einsetzung durch den Erblasser mittels letztwilliger Verfügung
 Teilnahme an Stockwerkeigentümerversammlung ist Aufgabe des
Willensvollstreckers
 Willensvollstrecker vertritt den letzten Willen des Erblassers und ist
somit nicht gehalten, Weisungen der Erben zu befolgen
 Erben sind folglich an Versammlungsbeschlüsse gebunden

Vertretung durch den Erbschaftsverwalter (Art. 554 ZGB)
Sicherung der Erbschaft z.B. bei Abwesenheit von Erben
 Erbschaftsverwalter ist nicht an Weisungen Erben gebunden
 Stimmabgabe an Stockwerkeigentümerversammlung
 Erben sind an Versammlungsbeschlüsse gebunden

A. Erbrechtliche Begründung
B. Gerichtliche Begründung?
C. Erbengemeinschaft
14
Danke für Ihre Aufmerksamkeit!
Prof. Dr. iur. Stephanie Hrubesch-Millauer
Ordinaria für Privatrecht, Rechtsanwältin
Universität Bern / Zivilistisches Seminar /
Schanzeneckstr. 1 / Postfach 8573 / CH-3001 Bern
[email protected] / www.ziv.unibe.ch
15