Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen Lehrstuhl für Financial Engineering und Derivate Prof. Dr. Marliese Uhrig-Homburg Bachelor-Seminar in Finance WS 2015/16 Marktmikrostruktur und Liquidität Fast alle klassischen finanzwirtschaftlichen Modelle gehen von der Annahme eines vollkommenen Marktes aus, in dem der Handel von Wertpapieren vollständig transparent, in beliebiger Höhe und ohne Kosten stattfinden kann. In der Realität sind Wertpapiere hingegen niemals perfekt liquide, da beim Handel Transaktionskosten anfallen und beliebig große Handelsgeschäfte nicht möglich sind bzw. den Preis nachteilig beeinflussen. Zentralen Einfluss auf die Liquidität hat dabei das Design des Marktes. So werden manche Wertpapiere hauptsächlich an zentral organisierten Börsen gehandelt, andere hauptsächlich direkt zwischen Marktteilnehmern (over-the-counter). Das Seminar befasst sich mit Fragen des Marktdesigns, der optimalen Messung von Liquidität sowie des Einflusses von Liquidität auf Wertpapierrenditen. Außerdem sollen mögliche Einflussfaktoren auf die Liquidität sowie deren Entwicklung in der jüngsten Vergangenheit diskutiert werden. 1. Transaktionskosten und erwartete Renditen Amihud und Mendelson (1986) zeigen mit Hilfe eines Modells, dass Wertpapiere mit höheren Transaktionskosten eine höhere erwartete Rendite liefern. Sie zeigen außerdem, dass diese besonders illiquiden Wertpapiere ausschließlich von Investoren mit langen Anlagehorizonten gehalten werden. In der Seminararbeit sollen die Funktionsweise des Modells und die abgeleiteten Hypothesen vorgestellt und diskutiert werden. Danach bietet es sich an, in Form eines Literaturüberblicks aktuelle Arbeiten, die die Hypothesen von Amihud und Mendelson (1986) empirisch testen, zusammenzufassen. Alternativ kann in einer eigenen deskriptive Analyse untersucht werden, ob sich unterschiedliche Transaktionskosten auf die Renditen von Anleihen auswirken. Dazu bietet sich ein Vergleich von Anleihen an, die sich hauptsächlich hinsichtlich ihrer Liquidität unterscheiden (z.B. Staatsanleihen, Anleihen der Bundesländer und der Kreditanstalt für Wiederaufbau und Pfandbriefe). Einstiegsliteratur: Amihud, Y. & Mendelson, H. (1986). Asset Pricing and the Bid-Ask Spread. Journal of Financial Economics 17, 223–249. 2. Aktienhandel im 21. Jahrhundert Ausgelöst durch neue Technologien und immer schnellere Handelssysteme sind die Handelskosten an Börsen in den letzten Jahrzehnten im Durchschnitt stark gesunken und die Handelsvolumina angestiegen. Angel, Harris und Spatt (2010) geben einen Überblick über typische Kennzahlen und quantifizieren damit die Entwicklung der Liquidität auf dem amerikanischen Aktienmarkt. In der Seminararbeit sollen zunächst einige dieser Kennzahlen näher vorgestellt und diskutiert sowie ihre Entwicklung in den letzten Jahren analysiert werden. Danach können einige dieser Kennzahlen für den deutschen oder europäischen Markt selbst berechnet werden. Einstiegsliteratur: Angel, J. & Harris, L. H. & Spatt, C. S. (2010). Equity Trading in the 21st Century. Working Paper. Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen Lehrstuhl für Financial Engineering und Derivate Prof. Dr. Marliese Uhrig-Homburg Bachelor-Seminar in Finance WS 2015/16 Marktmikrostruktur und Liquidität 3. Messung von Liquidität: Intraday oder tägliche Daten? Zur Messung von Transaktionskosten werden typischerweise Transaktionsdaten auf IntradayBasis herangezogen. D.h. die Transaktionskosten werden als Durchschnitt über alle Transaktionen an einem bestimmten Tag in einem bestimmten Wertpapier berechnet. Da die Verwendung von Intraday-Daten aufgrund der damit verbundenen sehr großen Datenmengen aufwändig ist, vergleichen Goyenko, Holden und Trzcinka (2009) verschiedene Liquiditätsmaße, die ausschließlich tägliche Daten benötigen, mit Maßen, die auf Intraday-Basis berechnet werden. In der Seminararbeit sollen einige dieser täglichen Maße vorgestellt und die Ergebnisse dieses Vergleichs nachvollzogen werden. Anschließend können einzelne der täglichen Liquiditätsmaße für den europäischen Markt implementiert und miteinander verglichen werden. Einstiegsliteratur: Goyenko, R. Y. & Holden, C. W. & Trzcinka, C. A. (2009) Do Liquidity Measures Measure Liquidity? Journal of Financial Economics 92, 153–181. 4. Zusammenhänge zwischen der Liquidität verschiedener Wertpapiere und verschiedener Handelsplätze Brockman, Chung und Pérignon (2009) untersuchen für verschiedene Börsenplätze, wie die Transaktionskosten einzelner Wertpapiere mit den durchschnittlichen Transaktionskosten aller Wertpapiere zusammenhängen. Zusätzlich betrachten sie das gemeinsame Verhalten der Transaktionskosten über Börsenplätze hinweg und gehen der Frage nach, welche Faktoren das gemeinsame Verhalten beeinflussen. Die Autoren kommen dabei zu dem Ergebnis, dass vor allem in entwickelten Märkten wie beispielsweise den USA ein starker Gleichlauf zwischen Transaktionskosten verschiedener Aktien vorhanden ist, während sich Transaktionskosten in weniger entwickelten Märkten mehr oder weniger unabhängig voneinander verhalten. In der Seminararbeit soll die empirische Analyse von Brockman, Chung und Pérignon (2009) vorgestellt und kritisch diskutiert werden. Zusätzlich kann gegebenenfalls eine eigene kleine empirische Untersuchung für den deutschen Aktienmarkt durchgeführt werden. Dabei könnten dann unterschiedliche Zeitperioden vor, während und nach der Finanzkrise miteinander verglichen werden. Einstiegsliteratur: Brockman, P. & Chung, D. Y. & Pérignon, C. (2009). Commonality in Liquidity: A Global Perspective. Journal of Financial and Quantitative Analysis 44, 851–882. Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen Lehrstuhl für Financial Engineering und Derivate Prof. Dr. Marliese Uhrig-Homburg Bachelor-Seminar in Finance WS 2015/16 Marktmikrostruktur und Liquidität 5. Hochfrequenzhandel und Handelssysteme In den letzten Jahren fand im Bereich des Hochfrequenzhandels, der mittlerweile einen großen Anteil am gesamten Aktienhandel hat, ein Wettrüsten statt. Dabei wird versucht, durch schnellere Rechner und kürzere Kabelverbindungen einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Marktteilnehmern zu erreichen. Die dabei auftretenden Kosten sind sehr hoch im Vergleich zum gesellschaftlichen Nutzen, der sich durch die um Millisekunden schnellere Anpassung der Preise ergibt. Durch die hohen Kosten werden außerdem hohe Eintrittsbarrieren geschaffen, die sich negativ auf den Wettbewerb unter den Händlern auswirken. Budish, Cramton und Shim (2015) zeigen in ihrer Arbeit, dass die Korrelation zwischen zwei Wertpapieren, die die gleichen Cash Flows verbriefen, für kürzer werdende Zeitintervalle immer geringer wird. Dadurch ergeben sich zwangsläufig Arbitragemöglichkeiten, die das Wettrüsten immer weiter anheizen. Als Lösung schlagen die Autoren eine Veränderung des Marktdesigns vor, in dem Handel nicht mehr kontinuierlich, sondern nur noch zu diskreten aber sehr nahe beieinanderliegenden Zeitpunkten möglich ist. In der Seminararbeit soll der Vorschlag von Budish, Cramton und Shim (2015) diskutiert werden. Als empirischer Teil bietet es sich an, die Korrelation zwischen eng zusammenhängenden Wertpapieren auf dem deutschen Markt für unterschiedliche Zeitintervalle zu untersuchen und damit die Ergebnisse von Budish, Cramton und Shim (2015) zu validieren. Einstiegsliteratur: Budish, E. & Cramton, P. & Shim, S. (2015). The High-Frequency Trading Arms Race: Frequent Batch Auctions as a Market Design Response. Working Paper. Die Abschnitte 6 (S. 22-37), 7.3 und 7.4 (S. 42-48) sowie 9 (S. 52-54) sind nicht relevant. 6. Transaktionskosten auf Over-the-Counter Märkten Im Unterschied zu Aktien, die zu großen Teilen an Börsen gehandelt werden, findet der Handel von Anleihen fast vollständig direkt zwischen den Marktteilnehmern (over-the-counter) statt. Da Handelsgeschäfte durch andere Marktteilnehmer in vielen Märkten nicht beobachtet werden können, ist der Handel dadurch deutlich intransparenter und die durchschnittlichen Transaktionskosten sind relativ hoch. Eine Ausnahme in der Transparenz stellt der USUnternehmensanleihemarkt dar, in dem die Marktteilnehmer eine Transaktion an eine zentrale Stelle übermitteln müssen, die die Transaktion dann anonymisiert veröffentlicht. In einer empirischen Analyse nutzen Edwards, Harris und Piwowar (2007) diese Datenbank und untersuchen verschiedene Einflussfaktoren auf die Transaktionskosten. In der Seminararbeit soll die Arbeit von Edwards, Harris und Piwowar (2007) vorgestellt und diskutiert werden. Anschließend können einzelne Ergebnisse der Studie in einer vereinfachten Analyse selbst überprüft werden. Einstiegsliteratur: Edwards, A. K. & Harris, E. H. & Piwowar, M. S. (2007). Corporate Bond Transaction Costs and Transparency. Journal of Finance 62, 1421–1451. Abschnitt III (S. 1431-1435) ist nicht relevant.
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