ZENTRUM FÜR PALLIATIVE CARE Palliative Betreuung am Lebensende Information für Angehörige Liebe Angehörige Wenn Sie diese Broschüre lesen, beschäftigen Sie sich mit dem nahenden Tod eines Ihnen nahestehenden Menschen. Sterben ist gewöhnlich nicht Teil unseres Alltags, und so ist es möglich, dass in dieser Zeit Fragen, Unsicherheiten und Ängste auftreten. Vielleicht beschäftigen Sie Fragen wie zum Beispiel: Was geschieht beim Sterben? Muss ein Mensch leiden? Wie kann ich helfen? Ist es normal, dass der sterbende Mensch nichts mehr essen und trinken mag? Viele der Informationen haben Sie möglicherweise schon vom Behandlungsteam erhalten. Dann bietet Ihnen diese Broschüre die Gelegenheit, diese Informationen noch einmal in Ruhe nachzulesen. Wir möchten Sie ermutigen, Ihre Fragen jederzeit mit dem Behandlungsteam zu besprechen. Veränderungen am Ende des Lebens Der Weg des Sterbens ist für jeden Menschen anders. Es gibt spezifische Zeichen oder Veränderungen, die mit dem Sterbeprozess einsetzen können: – Veränderungen im körperlichen Bereich – Veränderungen des Bewusstseins – Veränderungen im zwischenmenschlichen Bereich Veränderungen im körperlichen Bereich Schmerzen in der Sterbephase Viele Patienten leiden aufgrund ihrer Grundkrankheit an Schmerzen, die sich in der Sterbephase verändern können. Angst oder Erschöpfung können sie verstärken. Schmerzen können vom Patienten auch wahrgenommen werden, wenn sein Bewusstsein bereits eingeschränkt ist und er sie verbal nicht mehr äussern kann. Dies zeigt sich dann zum Beispiel an angespannter Mimik, schneller Atmung oder Schonhaltung von Körperregionen. Die Schmerzmedikation wird von uns stetig überprüft und bei der Beobachtung solcher Schmerzzeichen immer wieder angepasst. Wenn Sie als Angehörige solche Schmerzäusserungen wahrnehmen, informieren Sie bitte umgehend die Pflegefachperson. Vermindertes Bedürfnis nach Essen und Trinken Ein sterbender Mensch verspürt meist keinen Appetit und hat kein Hungergefühl mehr. Dies ist in dieser Lebensphase normal, weil der geschwächte Körper die Nahrung nicht mehr verwerten kann. Für Angehörige ist es manchmal schwer, diese Veränderung zu akzeptieren. Wir verbinden Essen mit Fürsorge und Pflege und spüren grosse Hilflosigkeit, wenn dieser Teil von Fürsorge auf Ablehnung stösst. Der Gedanke «Ich kann doch meine Mutter, meinen Mann … nicht verhungern lassen» belastet viele. Es ist uns wichtig, zu verdeutlichen, dass ein Mensch nicht stirbt, weil er verhungert, sondern dass er nicht mehr essen mag, weil er sterben wird. Es kann auch sein, dass der sterbende Mensch kaum noch Durst hat. Auch das entspricht einer natürlichen Veränderung, denn die Zufuhr von grossen Mengen Flüssigkeit kann bei geschwächter Kreislauf- oder Nierenfunktion zum Anschwellen von Händen und Füssen führen. Eine übermässige Belastung der Lunge durch Flüssigkeit kann das Atmen erschweren. Zeigt der Patient aber, dass er Durst hat, kann ihm erfahrungsgemäss durch Befeuchten der Mundschleimhaut Linderung verschafft werden. Sie können Ihrem Angehörigen mit einem Teelöffel kleine Mengen von Flüssigkeit in den Mund träufeln oder einen Mundspray verwenden. Falls er nicht mehr schlucken kann, können Sie den gleichen Effekt mit einem feuchten Tupfer erreichen. Fragen Sie das Pflegepersonal, es wird Ihnen gerne erklären und zeigen, wie Sie am besten vorgehen. Veränderung der Atmung Viele Menschen, die unter einer Erschwerung der Atmung leiden, haben Angst, ersticken zu müssen. Die Körperfunktionen sind aber gegen das Lebensende so eingeschränkt, dass nur noch sehr wenig Sauerstoff benötigt wird. Es kann sein, dass Menschen in der Zeit des Sterbens das Atmen sogar leichter fällt. Atemnot kann mit Medikamenten gut kontrolliert werden. Während der letzten Stunden des Lebens kann ein rasselndes oder gurgelndes Geräusch auftreten. Es wird erzeugt durch Speichel oder Schleim, der nicht mehr abgehustet oder geschluckt werden kann. Ein Lagewechsel kann in dieser Situation Erleichterung verschaffen. Atemnot kann durch Ängste verstärkt werden. Die Gewissheit, dass ein vertrauter Mensch in der Nähe ist, kann beruhigend wirken und dadurch die Atemnot mildern. Kraftlosigkeit Es ist völlig natürlich, dass am Lebensende die Körperkraft abnimmt und dem Sterbenden die Kraft fehlt, sich selbst zu bewegen oder die Lage zu verändern. Es ist für ihn oft eine Wohltat, wenn Sie oder die Pflegepersonen ihn regelmässig vorsichtig bewegen und seine Lage verändern. Veränderungen des Bewusstseins Orientierungsprobleme/ Verwirrtheit Ein sterbender Mensch wird zunehmend müde, das Wachbleiben fällt schwerer, die Wachphasen werden immer kürzer. Das Zeitgefühl schwindet, und möglicherweise erkennt der sterbende Patient vertraute Personen nicht mehr. Es ist wichtig, dass Sie sich bewusst machen, dass dies kein Zeichen von Ablehnung ist. Es ist vielmehr Ausdruck der Kraftlosigkeit und eines Zustands der Verwirrtheit (Delir). Es kann auch sein, dass Ihr Angehöriger von ungewohnten Vorstellungen, von Ereignissen und Menschen spricht, die Ihnen unbekannt sind. Versuchen Sie nicht, diese Äusserungen zu berichtigen. Nehmen Sie Anteil daran, indem Sie zuhören und vielleicht nach der Bedeutung fragen. Unruhe Unruhe ist ein häufiges Phänomen, das viele Ursachen haben kann. Angst und Unsicherheit können innere Unruhe auslösen, ungenügend kontrollierte Schmerzen oder Atemnot ebenfalls. Auch Verwirrtheitszustände und Bewusstseinsveränderungen infolge eines Delirs können zu Unruhe führen. Es kommt vor, dass der Sterbende an der Bettwäsche zupft, ziellose Arm- und Beinbewegungen macht oder sogar immer wieder aufzustehen versucht. Diese Unruhe kann mit Medikamenten gelindert werden, die Nähe eines vertrauten Menschen kann jedoch ebenfalls sehr hilfreich sein. Die Pflegefachpersonen bieten Ihnen Unterstützung an. Es gibt auch die Möglichkeit, in solchen Situationen freiwillige Helferinnen und Helfer beizuziehen, die hier wertvolle Dienste leisten können. Bewusstlosigkeit Manche Menschen reagieren nicht mehr auf verbale Ansprache. Das heisst jedoch nicht, dass sie vertraute Worte oder Gesten nicht mehr wahrnehmen können. Reden Sie in einem solchen Moment mit Ihrem sterbenden Angehörigen, wie Sie mit ihm reden würden, wenn er bei Bewusstsein wäre. Wenn Sie ihm noch Wichtiges mitteilen möchten, sagen Sie es ihm. Es ist nie zu spät für klärende Mitteilungen wie «Es tut mir leid» oder «Ich liebe dich» usw. Auch über Berührungen können Sie mit Ihrem Angehörigen kommunizieren. Veränderungen im zwischenmenschlichen Bereich Abschied nehmen Sterben heisst Abschied nehmen. Dies ist möglicherweise daran erkennbar, dass Sterbende an ihrer Umgebung immer weniger Anteil nehmen. Sie fokussieren sich auf Dinge und Menschen, die ihnen wichtig sind. Vielleicht möchten sie nur noch wenige vertraute Menschen um sich haben oder wollen ganz allein sein. Das Sprechen wird schwieriger, Worte verlieren ihre Wichtigkeit. Einfach anwesend sein kann für den Sterbenden ein grosser Trost sein. Kommunikation Für Angehörige ist es oft schwierig, wenn der Sterbende verschlüsselt und in einer Art Symbolsprache spricht und zum Beispiel sagt: «Ich muss die Koffer packen und zum Bahnhof gehen …», «Die Strasse führt ins Licht …». Die Sätze scheinen uns nicht logisch und sind Ausdruck seines eigenen inneren Erlebens. Mit Veränderungen umgehen Die Zeit der Begleitung kann für die Angehörigen eine grosse Herausforderung sein. Auch wenn Sie merken, dass Sie mehr Kraft haben, als Sie sich vorgestellt haben, kommen Sie vielleicht doch an die Grenze der Belastbarkeit. Haben Sie den Mut, um Unterstützung zu bitten. Sorgen Sie auch dafür, dass Sie essen und trinken und auch das Ausruhen nicht vergessen. Scheuen Sie sich nicht, nach seelsorgerischer oder spiritueller Begleitung zu fragen – sei es für Sie selbst oder für den Sterbenden. Viele Angehörige haben das Bedürfnis, den Menschen im Sterbebett keinen Moment zu verlassen. Aus Erfahrung wissen wir jedoch, dass Sterbende manchmal auch das Bedürfnis haben, ganz allein zu sein. Nutzen Sie als Angehörige solche Situationen als kurze «Auszeit» für sich selbst. Es besteht die Möglichkeit, dass das Leben Ihres Angehörigen gerade in einem solchen Moment zu Ende geht. Manche Angehörige quälen sich dann mit Schuldgefühlen, weil sie in diesem Augenblick nicht anwesend waren. Unsere Erfahrung zeigt jedoch, dass Menschen sterben, gerade wenn sie allein sind. Vielleicht ist es so leichter für sie, sich endgültig zu lösen? Oft stellt sich die Frage, ob Kinder und Jugendliche ans Sterbebett kommen können oder sollen. Aus psychologischer Sicht wird das sehr befürwortet. Besprechen Sie es mit der betreuenden Abteilungsärztin oder mit den Pflegefachpersonen. Sprechen Sie jedoch vor allem mit Ihrem sterbenden Angehörigen selbst, mit den Kindern und Jugendlichen und fragen Sie sie nach ihren Wünschen und Befürchtungen. Kinder gehen mit einer solchen Situation oft viel natürlicher um als Erwachsene. Die Zeit des Abschiednehmens und der Trauer kennt verschiedene Phasen und Formen. Gefühle wie Verzweiflung, Wut und Ohnmacht gehören auch dazu. Jeder darf dabei Hilfe in Anspruch nehmen.
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