das letzte stück des weges gemeinsam gehen

DAS LETZTE STÜCK DES WEGES
GEMEINSAM GEHEN
EINE HILFE ZUR BEGLEITUNG IN DEN
LETZTEN WOCHEN UND TAGEN DES LEBENS
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INHALT
1. Vorwort
2. Was es heißt, Sterbende zu begleiten
3. Wie ich ein angenehmes Umfeld schaffe
4. Was mich bei der Begleitung unterstützt
5. Was ich für meinen sterbenden Angehörigen
tun kann
6. Was noch wichtig ist zu wissen
7. Was auf den bevorstehenden Tod
hinweisen kann
8. Was ich tun kann, wenn der Tod eingetreten ist
9. Amtswege nach dem Eintritt des Todes
10. Was ich für mich als trauernder Angehöriger
tun kann
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1.
VORWORT
Eines unserer großen Anliegen ist es, unseren BewohnerInnen
ein Leben und ein Sterben in Würde zu ermöglichen.
Das Handbuch soll Ihnen Mut machen, Ihre Angehörigen auf
ihrem letzten Weg zu begleiten.
„DA WIR WISSEN, DASS STERBEN EIN WESENTLICHER BESTANDTEIL DES LEBENS, UND DER TOD NICHT DAS LETZTE
IST, VERSTEHEN WIR ES ALS UNSEREN AUFTRAG, STERBENDE
MENSCHEN IN ACHTUNG IHRER WÜRDE UND IM ANBIETEN
SOLIDARISCHEN BEISTANDS ZU BEGLEITEN ...“
Auszug aus dem Leitbild des Haus St. Vinzenz
2.
WAS ES HEISST,
STERBENDE ZU BEGLEITEN
Jeder Mensch hinterlässt in seinem Leben eine Vielzahl unverwechselbarer Spuren. So unterschiedlich die Menschen sind, so
verschieden gestaltet sich auch das letzte Stück ihres Lebensweges. Wichtig ist, Sterbenden die Zeit zu lassen, den eigenen
Weg zu gehen – schließlich ist der Tod so einzigartig wie jeder
Mensch einzigartig ist.
Sterbende zu begleiten heißt für Sie als Angehörige/r:
•Nähe und Dasein anzubieten, gleichzeitig aber auch Alleinsein
zuzulassen
•ganz ehrlich über Gefühle zu sprechen
•Fragen nach dem Sinn des Lebens, aber auch nach Gott
zuzulassen
ERINNERUNGEN VERBLASSEN UND
DES TAGES RUHM VERGEHT.
DIE SPUREN, DIE WIR HEUTE ZIEHEN,
SIND MORGEN SCHON VERWEHT.
DOCH IN UNS IST DIE SEHNSUCHT,
DASS ETWAS VON UNS BLEIBT.
EIN FUSSABDRUCK AM UFER,
EH DER STROM UNS WEITER TREIBT.
Reinhard Mey
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3.
AUF DER ANDEREN SEITE DES WEGES
DER TOD IST NICHTS, ICH BIN ICH, IHR SEID IHR.
DAS, WAS ICH FÜR EUCH WAR, BIN ICH IMMER NOCH.
GEBT MIR DEN NAMEN, DEN IHR MIR IMMER GEGEBEN HABT,
SPRECHT MIT MIR, WIE IHR ES IMMER GETAN HABT.
GEBRAUCHT NICHT EINE ANDERE REDENSWEISE,
SEID NICHT FEIERLICH ODER TRAURIG.
LACHT ÜBER DAS, WORÜBER WIR GEMEINSAM GELACHT HABEN.
BETET, LACHT, DENKT AN MICH,
BETET FÜR MICH,
DAMIT MEIN NAME IM HAUSE AUSGESPROCHEN WIRD,
SO WIE ES IMMER WAR,
OHNE IRGENDEINE BESONDERE BEDEUTUNG,
OHNE SPUR EINES SCHATTENS.
DAS LEBEN BEDEUTET DAS, WAS ES IMMER WAR,
DER FADEN IST NICHT DURCHGESCHNITTEN.
WARUM SOLL ICH NICHT MEHR IN EUREN GEDANKEN SEIN,
NUR WEIL ICH NICHT MEHR IN EUREM BLICKFELD BIN?
ICH BIN NICHT WEIT WEG,
NUR AUF DER ANDEREN SEITE DES WEGES.
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WIE ICH EIN ANGENEHMES
UMFELD SCHAFFE
Gerade in der letzten Zeit hat der Sterbende oft wenig körperliche Energie. Denken und Fühlen richtet sich häufig nach innen,
das Interesse an der Außenwelt nimmt ab und Schwäche und
Müdigkeit nehmen zu. Im Halbschlaf oder in monologhaften
Gesprächen hält er Rückschau auf sein Leben und zieht Bilanz.
Manche tun dies in der Stille, andere wiederum hilft die stille
Anteilnahme von Angehörigen.
Mit der Hinwendung nach innen hat der Sterbende noch weniger
das Bedürfnis zu sprechen. Worte verlieren an Bedeutung und
Stillsein wird wichtiger.
Das Anerkennen und Eingehen auf die religiösen Bedürfnisse
kann für Sterbende eine große Hilfe sein.
Ein angenehmes Umfeld schaffe ich durch:
•das Achten auf die eigene Stimmung
•Gesten und Tätigkeiten, die dem Angehörigen immer gut getan
haben und auch jetzt angenehm sind (z.B. leise Musik, Duftlampe, Kerze, Blumen, Bilder, religiöse Symbole, Weihwasser
usw.)
•gedämpftes Licht
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4.
WAS MICH BEI DER BEGLEITUNG
UNTERSTÜTZT
Sterbende zu begleiten und zu betreuen erfordert nicht nur Kraft,
sondern ist auch oft mit belastenden Erfahrungen verbunden.
Um Sterbende entsprechend unterstützen zu können ist es wichtig, als Begleiter auch gut für sich selbst zu sorgen – sich Zeit für
sich alleine oder mit Freunden zu nehmen.
Unterstützungen, die Ihnen das Haus bietet:
•Mahlzeiten im Haus einzunehmen
•im Haus die Nacht verbringen zu können
•Gespräche mit dem Pflegepersonal über die eigenen
Bedürfnisse führen zu können
•seelsorgerischen Beistand durch den Priester oder durch die
geistlichen Schwestern zu bekommen
Wichtig ist, sich selbst nicht zu überfordern, indem
•die passende Zeit für die Begleitung gefunden wird
•Unterstützung durch die Familie zugelassen wird
•dem Pflegepersonal mitgeteilt wird, wann eine Anwesenheit
möglich ist
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BLEIBE STILL NEBEN MIR
WENN ES SO WEIT SEIN WIRD MIT MIR,
BRAUCHE ICH DEN ENGEL IN DIR.
BLEIBE STILL NEBEN MIR IN DEM RAUM,
JAG DEN SPUK, DER MICH SCHRECKT, AUS DEM TRAUM,
SING EIN LIED VOR DICH HIN, DAS ICH MAG,
UND ERZÄHLE WAS WAR MANCHEN TAG.
ZÜND EIN LICHT AN, DAS ÄNGSTE VERSCHEUCHT,
MACH DIE TROCKENEN LIPPEN MIR FEUCHT,
WISCH MIR TRÄNEN UND SCHWEISS VOM GESICHT,
DER GERUCH DES VERFALLS SCHRECKT DICH NICHT.
HALT IHN FEST, MEINEN LEIB, DER SICH BÄUMT,
HALTE FEST, WAS DER GEIST SICH ERTRÄUMT,
SPÜR DAS KLOPFEN, DAS SCHWER IN MIR DRÖHNT,
NIMM DEN LEBENSHAUCH WAHR, DER VERSTÖHNT.
WENN ES SO WEIT SEIN WIRD MIT MIR,
BRAUCHE ICH DEN ENGEL IN DIR.
Barth, K.F./Horst, R.
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5.
WAS ICH FÜR MEINEN STERBENDEN
ANGEHÖRIGEN TUN KANN
•Zeit nehmen – diese ist begrenzt und kostbar
•die letzten Wünsche bestmöglich erfragen
•den sterbenden Angehörigen ernst nehmen, sich einfühlen
und an seiner Welt Anteil nehmen
•das sagen, was noch gesagt werden sollte bzw. was Sie noch
sagen wollen (das spreche,n was dem Sterbenden gut tut)
•Dank und Anerkennung aussprechen
•vertraute Gebete sprechen
Wenn der sterbende Angehörige nicht mehr sprechen kann:
•berühren, streicheln, umarmen und liebkosen, so wie Sie es
immer getan haben oder gerne getan hätten
•den Schweiß von der Stirn wischen und die Lippen befeuchten
•Gespräche, auch so, wie sie es zuvor mit dem Angehörigen
getan haben
•möglichst keine Fragen stellen, wenn der Kranke nicht in der
Lage ist, diese zu beantworten
•für wichtige Mitteilungen ist es nie zu spät
(„Es tut mir leid“, „Ich liebe dich“)
•unterstützend ist das „stille DA-SEIN“
„DU BIST WICHTIG,
EINFACH WEIL DU DU BIST.
DU BIST BIS ZUM LETZTEN AUGENBLICK
DEINES LEBENS WICHTIG
UND WIR WERDEN ALLES TUN,
DAMIT DU NICHT NUR IN FRIEDEN STERBEN,
SONDERN AUCH LEBEN KANNST BIS ZULETZT“.
Cicely Saunders
LASSEN SIE IHREN ANGEHÖRIGEN AUCH IMMER
WIEDER ALLEIN FÜR SICH.
SAGEN SIE IHM, DASS UND FÜR WIE LANGE SIE
WEGBLEIBEN WERDEN!
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6.
WAS NOCH WICHTIG
IST ZU WISSEN
ERNÄHRUNG
TRINKEN/MUNDPFLEGE
Die Essgewohnheiten verändern sich langsam. Hunger und Durst
werden oft weniger. Nichts schmeckt mehr. Der Appetit kommt
und geht. Es kann beim Anblick von bestimmten Nahrungsmitteln
oder durch Gerüche zu Ekelgefühlen und Übelkeit kommen.
Flüssiges wird fester Nahrung vorgezogen.
Sterbende haben häufig großes Verlangen nach dem Trinken.
Sofern das Trinken mit der Schnabeltasse nicht mehr möglich
ist, können kleine Mengen von Flüssigkeit mit einem Teelöffel in
den Mund gegeben werden. Kann der Angehörige keine Flüssigkeit mehr schlucken, so steht die Mundpflege im Vordergrund.
Nahezu alle Sterbenden leiden an Mundtrockenheit – eine
sorgfältige Mundbefeuchtung kann die Lebensqualität erheblich
verbessern.
Wenn der Körper zu sterben beginnt, dann ist es ganz natürlich,
dass Hunger und Durst weniger werden, denn der Körper
braucht keine neue Energie zum Weiterleben
•Anbieten von kleinsten, appetitlich angerichteten Mengen
•ein Problem bei der Nahrungsaufnahme können Schluckstörungen sein. Es ist darauf zu achten, das Essen mit
erhöhtem Oberkörper einzunehmen, um Verschlucken
zu vermeiden
In der letzten Lebensphase geht es meist nicht mehr um Flüssigkeit- und Kalorienzufuhr. Das Reichen von Essen und Trinken ist
vielmehr ein Akt der Aufmerksamkeit und Lebensfreude.
DRÄNGEN SIE DEN STERBENDEN NIEMALS ZUM ESSEN –
SIE BEREITEN IHM DADURCH UNNÖTIGES LEID.
•Solange der Angehörige schlucken kann verschiedene
Flüssigkeiten anbieten
•feuchten Waschlappen oder getränkte Mundpflegestäbchen
zum Saugen anbieten
•kleine Mengen an Joghurt, Butter, Schlagobers oder Mandelbzw. Olivenöl können helfen, die Mundschleimhaut feucht
zu halten
•Lutschen gefrorener Ananasstücke oder gefrorener Getränke
(je nach Vorliebe)
•Fettstift und vitaminhaltige Cremes zur Lippenpflege
verwenden
•Aromalampen mit Zitronenöl können unterstützend
eingesetzt werden
•ist das Schlucken erschwert oder nicht mehr möglich, ist
ein regelmäßiges Anfeuchten der Mundschleimhaut mit Mundpflegestäbchen wichtig
Die Mundpflege ist eine wunderbare Gelegenheit für Angehörige,
Zuneigung zu zeigen, und etwas Sinnvolles für den Sterbenden
zu tun. Die Mundpflege soll niemals gegen den Willen des Angehörigen durchgeführt werden – sie soll schließlich als angenehm
empfunden werden!
EINE KOMPETENTE MUNDPFLEGE IST VIELLEICHT DAS WICHTIGSTE,
WAS WIR FÜR EINEN STERBENDEN TUN KÖNNEN.
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SCHMERZEN
ABSCHIED NEHMEN
HEISST SICH TRENNEN,
EINEN TEIL VON SICH SELBST AUFGEBEN,
ETWAS DEM WIND ÜBERLASSEN,
DEN FLUTEN, DEM WASSER,
DAS STERBEN LERNEN
JEDEN TAG EIN WENIG
FÜR DAS NEUE, DAS FOLGT.
Margot Bickel
Das Recht auf einen friedvollen, schmerzfreien und würdevollen
Tod steht im Vordergrund aller medizinischen und pflegerischen
Handlungen.
In der Sterbephase kann die Schmerzintensität weiter zunehmen
oder sich verringern. Falls die Patienten nicht mehr schlucken
können, werden die Medikamente oft umgestellt z.B. von
Tabletten auf Pflaster oder Injektionen.
Während die Schmerzmittelgabe auch in der letzten Lebensphase
fortgesetzt werden sollte, können andere Medikamente oft
abgesetzt werden.
Nichtleidende müssen sich immer bewusst sein, dass der
Schmerz und das Leid ein individuelles, subjektives Erleben
ist, das von anderen Menschen nie ganz nachvollzogen
werden kann.
LASST MICH ZIEHEN, HALTET MICH NICHT;
GOTT HAT MEINE REISE BISHER GNÄDIG GESEGNET,
ICH KANN NUN GETROST ZU IHM ZURÜCKKEHREN.
1 Moses – Genesis 24,56
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KÖRPERPFLEGE
ATMUNG
Die Körperpflege richtet sich nach den Wünschen des Sterbenden.
Dabei stehen oft nicht die Reinigung, sondern die Berührung
und körperliche Zuwendung im Vordergrund. Regelmäßige
Positionswechsel, z.B. durch Mikro-Lagerungen können dazu
beitragen, Liegeschmerzen zu reduzieren. In den letzten Lebensstunden ist eine Lagerung wichtig, die die Atmung erleichtert.
Bei sterbenden Menschen verändert sich häufig der Atem
(schneller, langsamer, mit langen Pausen zwischen den
Atemzügen etc.)
Unregelmäßigkeiten in der Atmung, ein Pusten beim Ausatmen
oder auch ein Rasseln entstehen. Dies kann häufig ein sehr
beunruhigendes Geräusch sein, da der Eindruck entsteht, dass
der sterbende Angehörige zu ersticken droht.
Sterbende Menschen können tagelang so atmen – all diese
Veränderungen der Atmung können kommen und gehen.
BERÜHRUNG
Manchmal möchte der sterbende Mensch die sanfte Berührung
Ihrer Hand spüren, er möchte gehalten werden, und die
körperliche Nähe eines anderen Menschen wahrnehmen.
Dann, zu anderen Zeiten, ist vielleicht die Berührung störend.
Versuchen Sie zu erspüren, was der andere möchte. Vielleicht
können Sie ihn auch fragen.
MISSVERSTEHEN SIE DIE ABLEHNUNG ODER DISTANZ NICHT ALS
ZEICHEN MANGELNDER LIEBE. DER STERBENDE MENSCH IST
HÄUFIG GANZ MIT SICH UND SEINEM LEBEN BESCHÄFTIGT.
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Unterstützend können hier wirken:
•Lagerungswechsel (leichte Oberkörperhochlagerung oder
30-Grad Seitenlage)
•Ruhe und Sicherheit vermitteln
(im eigenen, ruhigen Atemrhythmus bleiben)
•Fenster öffnen – die Kühlung des Gesichts wird häufig als
Erleichterung empfunden
•Ätherische Öle wie Minze, Zitrone oder Zedernöl einsetzen
•ein Absaugen sollte vermieden werden, da Sekrete sehr rasch
nachgebildet werden! Viele Sterbende zeigen starke Abwehrreaktionen!
LEICHTES (!) HÖHERLAGERN DES OBERKÖRPERS ODER EINE
HALB-SEITENLAGE KÖNNEN DIE ATMUNG ERLEICHTERN!
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UNRUHE
ÄNDERUNG DES BEWUSSTSEINS
Der Sterbende ist zu manchen Zeiten unruhig – eine gewisse
Unruhe im Sterben kann auch natürlich und normal sein.
Sterbende Menschen schlafen immer mehr, können manchmal
nur mühsam aus dem Schlaf geweckt werden – bildlich gesprochen
haben sie häufig schon einen Fuß in eine andere Welt gesetzt.
Dieses Ganz-bei-sich-Sein ist ein schützenswerter Zustand und
wir müssen dafür sorgen, dass er nicht unnötig belastet und
gestört wird. Der Sterbende verliert oft jedes Zeitgefühl, erkennt
anwesende Personen möglicherweise nicht mehr, was für diese
sehr schmerzlich sein kann.
Beruhigend kann wirken:
•ruhig am Bett sitzen und durch Körperkontakt und Berührung
vermitteln, dass jemand da ist
•Ruhige Umgebung schaffen (angenehmes Licht, leise Musik)
Meist einen oder mehrere Tage vor dem Tod „blüht“ die letzte
Kraft im sterbenden Menschen häufig auf. Er ist wach und klar,
nimmt Anteil am Leben, äußert vielleicht einen Wunsch auf eine
Lieblingsspeise oder verspürt das Bedürfnis sich aufzusetzen
oder gar aufzustehen.
VON GUTEN MÄCHTEN
WUNDERBAR GEBORGEN,
ERWARTEN WIR GETROST
WAS KOMMEN MAG.
GOTT IST BEI UNS AM ABEND
UND AM MORGEN
UND GEWISS AN
JEDEM NEUEN TAG.
Dietrich Bonhoeffer
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Manchmal sprechen Sterbende mit unsichtbaren Personen, sie
wirken dadurch meist nicht irritiert, sondern eher erfreut. Es ist
wichtig, dass wir nicht versuchen, dem Sterbenden seine Realität
auszureden, oder als Halluzination abzutun, sondern versuchen,
an seiner Welt Anteil zu nehmen, indem wir ihm zuhören.
Im Verlauf der Sterbephase nimmt die Bewusstseinstrübung zu,
und manche Menschen fallen gerade in den letzten Tagen in ein
Koma bzw. einen komaähnlichen Zustand.
Auch wenn der Mensch von uns aus gesehen nicht bei
Bewusstsein ist, ist der Hörsinn der letzte Sinn, der schwindet.
Was Sie als Angehörige/r tun können:
•Gespräche führen, auch so, wie sie es zuvor mit dem
Angehörigen getan haben
•möglichst keine Fragen stellen, wenn der Kranke nicht in der
Lage ist, sie zu beantworten
•Verständigung von Angehörigen, die dem Kranken wichtig sind
•für wichtige Mitteilungen ist es nie zu spät
(„Es tut mir leid“, „Ich liebe dich“)
•unterstützend ist das „stille DA-SEIN“
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7.
WAS AUF DEN BEVORSTEHENDEN TOD
HINWEISEN KANN
Sterben bedeutet ein langsames Aufhören der Lebensfunktionen –
meist ist das Ende des Lebens unspektakulär und still.
Dass der Tod naht, kann sich durch folgende Anzeichen ankündigen:
•die Augen des Sterbenden sind offen oder halboffen,
der Mund ist offen
•die Körperunterseite (Füße, Knie und Hände verfärben sich
aufgrund der reduzierten Durchblutung etwas dunkler und sind
marmoriert)
•der Puls wird schwächer und der Blutdruck sinkt
•Sterbende reagieren häufig nicht mehr auf die Umgebung
•Veränderter Atemrhythmus bzw. Rasselatmung
•kalte Füße, Arme und Hände oder übermäßiges Schwitzen
•ausgeprägtes Mund – Nasen – Dreieck
•die Pupillen reagieren immer weniger auf Lichteinwirkungen
Der Tod tritt ein, wenn der Herzschlag und der Atem ganz aufhören. Was manchmal wie der allerletzte Atemzug scheint, wird
häufig von ein oder zwei langen Atemzügen vollendet.
Oft gibt es vor dem Tod einen Zeitpunkt, in dem der Sterbende
Ruhe findet. Bei manchen Sterbenden ist diese Ruhe schon lange
vorher zu spüren. Bei anderen ist diese Wandlung erst in den
letzten Augenblicken, ganz kurz vor dem Tod spürbar.
Manche Angehörige quälen Schuldgefühle, wenn sie im Augenblick des Todes nicht beim Sterbenden waren.
Die Erfahrung zeigt, dass Sterbende häufig dann gehen, wenn sie
alleine sind. Vielleicht ist es so leichter, sich von dieser Welt und
den geliebten Menschen zu lösen.
DER MOMENT DES STERBENS GEHÖRT DEM STERBENDEN,
ES IST SEIN MOMENT DES ÜBERGANGES.
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8.
WAS ICH TUN KANN, WENN DER TOD
EINGETRETEN IST
Einen geliebten Menschen im Sterben zu begleiten stellt eine der
intensivsten Erfahrungen dar. Auch wenn man sich schon lange
zuvor mit dem bevorstehenden Tod auseinandergesetzt hat,
erlebt man im Tod häufig einen abrupten, oft unerwarteten
Trennungsschmerz.
•lassen Sie sich Zeit – werden Sie nicht gleich aktiv
•lassen Sie Stille und Augenblick auf sich wirken
•oft kommen Erinnerungen hoch – sprechen Sie diese laut aus
•verabschieden Sie sich so, wie Sie es sich und dem verstorbenen
Menschen wünschen
•alle Gefühle, Gedanken und Erinnerungen haben ihren Platz
•wenn Sie mit dem Verstorbenen nicht gerne alleine sind, bitten
Sie das Pflegepersonal, Ihnen bei Seite zu stehen
•unmittelbar nach dem Tod werden Augen und Mund geschlossen
•die Hände werden zusammen gelegt und nicht gefaltet
•Sie können eine Kerze anzünden und ein Gebet sprechen
•nach den persönlichen religiösen Wünschen des Verstorbenen
können sie ein Kreuz, einen Rosenkranz oder Blumen auf die
Hände legen
•wenn Sie das Bedürfnis verspüren, den Verstorbenen zu
berühren, tun Sie das genauso wie vorher
•öffnen Sie das Fenster bzw. achten Sie auf kühle Raumtemperatur
JE SCHÖNER UND
VOLLER DIE ERINNERUNGEN,
DESTO SCHWERER DIE TRENNUNG.
ABER DIE DANKBARKEIT VERWANDELT
DIE QUAL DER ERINNERUNG
IN EINE STILLE FREUDE.
Barth, K.F./Horst, R.
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9.
AMTSWEGE NACH DEM EINTRITT
DES TODES
Das Pflegepersonal verständigt den Hausarzt, den Beschauarzt,
sowie die Verwaltung des Pflegeheimes.
Für Sie als Angehöriger wichtig:
•Verständigen Sie einen Bestatter – er unterstützt Sie in
allen Belangen!
•Wählen Sie die letzten Kleidungsstücke aus und geben Sie
diese im Haus ab
•Klären Sie mit dem Pflegepersonal, wann das Zimmer bzw. die
Kästen geräumt werden sollen, bzw. nehmen Sie Kontakt mit
der Verwaltung des Hauses auf.
KEINER WIRD GEFRAGT
WANN ES IHM RECHT IST
ABSCHIED ZU NEHMEN VON MENSCHEN,
VON GEWOHNHEITEN, VON SICH SELBST.
IRGENDWANN HEISST ES
DAMIT UMGEHEN, IHN AUSHALTEN
ANNEHMEN.
DIESEN SCHMERZ DES STERBENS,
DIESES ZUSAMMENBRECHEN,
UM NEU AUFZUBRECHEN.
Dickel/Steigert
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10.
WAS ICH FÜR MICH ALS TRAUERNDER
ANGEHÖRIGER TUN KANN
Wenn ein geliebter Mensch stirbt, kommt die Zeit der Trauer.
Trauer heißt Abschied nehmen und das Leben neu lernen.
Trauer ist etwas sehr Individuelles. Jeder Mensch hat seine
eigene Art und Weise, mit dem Verlust eines geliebten Menschen
umzugehen. Die Trauer ist etwas sehr Tiefgreifendes – sie prägt
uns und unser weiteres Leben. Dazu brauchen wir Zeit, viel Zeit.
Schmerzende Narben, reiche Erfahrungen und wertvolle Erinnerungen können Sie mit der Zeit befähigen, das neue Leben
aufzunehmen, zu verstehen, zu leben.
•Geben Sie der Trauer genügend Raum und Zeit – verdrängen
Sie sie nicht
•bei großer und lang anhaltender Trauer ist es hilfreich,
zusätzlich zu Familienmitgliedern auch außenstehende Hilfe
in Anspruch zu nehmen
•hilfreich können auch Gespräche mit jenen Personen sein, die
den Verstorbenen betreut haben
•hilfreich kann auch ein Austausch mit anderen Trauernden sein
DER HERR IST MEIN HIRTE,
MIR WIRD NICHTS MANGELN.
ER WEIDET MICH AUF EINER GRÜNEN AUE
UND FÜHRET MICH ZUM FRISCHEN WASSER.
ER ERQUICKET MEINE SEELE.
ER FÜHRET MICH AUF RECHTER SEITE
UM SEINES NAMENS WILLEN.
UND OB ICH SCHON WANDERE IM FINSTEREN TAL,
FÜRCHTE ICH KEIN UNGLÜCK,
DENN DU BIST BEI MIR, DEIN STECKEN
UND STAB TRÖSTEN MICH.
DU BEREITEST VOR MIR EINEN TISCH
IM ANGESICHT MEINER FEINDE.
DU SALBST MEIN HAUPT MIT ÖL
UND SCHENKEST MIR VOLL EIN.
GUTES UND BARMHERZIGKEIT WERDEN
MIR FOLGEN MEIN LEBEN LANG,
UND ICH WERDE BLEIBEN IM
HAUSE DES HERRN IMMERDAR.
PSALM 23
TRAUER BRAUCHT ZEIT UND RAUM. TRAUERN SIE, SOLANGE IHNEN
DANACH IST, ABER VERGESSEN SIE DABEI NICHT, SICH DEM LEBEN
WIEDER ZUZUWENDEN.
Bei großer und lang anhaltender Trauer ist es ratsam, zusätzlich
zur Unterstützung durch Familienmitglieder und Freunde auch
Hilfe von außen zu suchen.
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LITERATUR
IMPRESSUM
AMBULANTES HOSPIZ ST. JOSEF NEUNKIRCHEN (k.A.):
Eine Hilfe zur Begleitung in den letzten Wochen und Tagen des
Lebens, WZB Werkstattzentrum für behinderte Menschen der
Lebenshilfe gGmbH, Neunkirchen
Herausgeber:
Inhalt: Fotos: Layout:
Druck:
DACHVERBAND HOSPIZ ÖSTERREICH (2013): begleiten bis
zuletzt: Ratgeber für Angehörige von schwerkranken Menschen,
6. vollständig überarbeitete Auflage, Wien
Haus St. Vinzenz Pflegeheim der Barmherzigen Schwestern vom Heiligen Vinzenz von
Paul BetriebsGmbH
Josef Berghofer/Claudia Faustmann
Matthias Tiefengrabner
stefaniefink.com
druck.at
LANG, Gitti, FIDES, Manuel, SINGER, Helga, WUNDERER,
Monika (2007): Mut und Trost bei der Begleitung schwer
kranker und sterbender Menschen, online im WWW unter
URL: www.caritas-wien.at/.../Sterbebegleitung_Angehoerige_download.pdf
BREMER Heimstiftung (2013): In Würde leben, in Würde
sterben: Eine Handreichung der Bremer Heimstiftung,
Schmidtdruck, Bremen
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HAUS ST. VINZENZ PFLEGEHEIM
DER BARMHERZIGEN SCHWESTERN VOM
HEILIGEN VINZENZ VON PAUL BETRIEBSGMBH
Schütznerstraße 15 | A-7423 Pinkafeld
T: 03357/42242 – 0 | F: DW 33
E: [email protected]
I: www.haus-stvinzenz.at